OGH 7Ob56/22v

OGH7Ob56/22v29.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Hofrätin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin unddie Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z* GmbH, *, vertreten durch Dr. Franz Terp, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G* OG, *, vertreten durch die ENGINDENIZ Rechtsanwälte für Immobilienrecht GmbH in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 26. Jänner 2022, GZ 38 R 200/21z‑77, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00056.22V.0629.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Der behauptete Mangel des Berufungsverfahrens wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[2] 2.1. Ein erheblich nachteiliger Gebrauch vom Mietgegenstand iSd § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG liegt vor, wenn durch eine wiederholte, länger währende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgte oder auch nur droht (RS0067832; RS0068076), oder wenn das Verhalten des Mieters geeignet ist, den Ruf oder wichtige wirtschaftliche oder sonstige Interessen des Vermieters oder der Mitmieter zu schädigen oder zu gefährden (RS0070348; RS0020940). Bei einem Verstoß gegen vertragliche Verpflichtungen liegt ein Kündigungsgrund dann vor, wenn hiedurch wichtige Interessen des Vermieters in einer Weise verletzt werden, dass sie einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Vermieters gleichkommen, was der Vermieter schon in der Aufkündigung dartun muss (RS0070227).

[3] 2.2. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, diese Kündigungsgründe lägen schon deshalb nicht vor, weil weder wichtige wirtschaftliche oder sonstige Interessen noch eine Existenzgefährdung in der Kündigung auch nur annähernd konkretisiert wurden (vgl 9 Ob 148/98z; 1 Ob 151/20t), ist nicht korrekturbedürftig, hat doch die Klägerin in der Aufkündigung nur behauptet, die Beklagte verweigere beharrlich die bereits im Mietvertrag erfolgte Zustimmung zur Verlegung der WC‑Anlage.

[4] 3.1. Der Kündigungsgrund des unleidlichen Verhaltens (§ 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG) stellt die mietrechtliche Konkretisierung der Unzumutbarkeit des Fortbestands des Dauerrechtsverhältnisses dar (RS0014436), bei dessen Beurteilung stets das Gesamtverhalten des Mieters zu berücksichtigen ist (vgl RS0070321). Auch laufende Versuche eines Mieters, seine Benützungsrechte auf nicht in Bestand genommene Räume oder Gegenstände auszudehnen, sind als unleidliches Verhalten zu werten (RS0070417; RS0070321 [T6]), weil ein derart beharrlich vertragswidriges Verhalten des Mieters dem Vermieter die Vertragsfortsetzung unzumutbar macht (vgl 1 Ob 39/12k [Verweigerung der Herausgabe der Schlüssel trotz wiederholter Aufforderung und Nutzung eines nicht gemieteten Objekts über mehrere Jahre]; 3 Ob 120/17v [Negieren eines rechtskräftigen Urteils über das Nichtbestehen von Benützungsrechten]). Im Übrigen berechtigt aber nicht jede gesetz‑ oder vertragswidrige Verwendung des Bestandgegenstands durch den Mieter zur Aufkündigung, wenn diesem Verhalten auch mit einer Klage auf Vertragszuhaltung oder Unterlassung begegnet werden kann (vgl 1 Ob 33/16h; 1 Ob 151/20t mwN zum Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauchs). Der Frage, ob ein bestimmtes Verhalten des Mieters oder seiner Mitbewohner als unleidlich zu qualifizieren ist, kommt regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu, weil es sich um eine Abwägung der Umstände im Einzelfall handelt (RS0042984).

[5] 3.2. Im Mietvertrag aus dem Jahr 2000 vereinbarten die Parteien Folgendes: „Festgehalten wird, dass bezüglich des Personenaufzuges eine separate Vereinbarung zu treffen sein wird. Der Mieter stimmt einer allfälligen Verlegung der WC‑Anlage auf Kosten der Vermieterin zu.“

[6] 3.3. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach der Umstand, dass die Beklagte der Verlegung der WC-Anlage zur Errichtung eines Personenaufzugs nur unter gewissen Bedingungen zustimmt, nicht mit einer beharrlichen vertragswidrigen Ausdehnung der Benützungsrechte im Sinn der zitierten Judikatur gleichgesetzt werden kann, weshalb der Klägerin die Fortsetzung des Bestandverhältnisses keineswegs unzumutbar ist, bedarf keiner Korrektur, zumal dem Verhalten der Beklagten auch mit einer Klage auf Vertragszuhaltung begegnet werden kann (bzw wurde). Damit kommt es entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht auf den konkreten Inhalt dieser Vertragsbestimmung an.

[7] 4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

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