Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Der Antragsteller war im Forum der Internetplattform www.g *****.com unter dem Benutzernamen „a*****“, der Antragsgegner als „j*****“ registriert. Diese Website ist mittlerweile gesperrt.
Am 13. 8. 2010 veröffentlichte der Antragsgegner auf der von ihm „betriebenen“ Internetseite www.r *****.at einen Artikel, der verschiedene Vorwürfe gegen den Antragsteller enthielt und aus dem sich auch ergibt, dass der Antragsteller als „a*****“ auf dem „g*****-Forum“ aufgetreten ist. Dieser Artikel wurde zwar nach Aufforderung durch den Antragsteller gelöscht. Der Antragsgegner übermittelte auch dem Antragsteller eine Unterlassungserklärung. Nunmehr findet sich aber wiederum auf der Internetseite www.r *****.at ein negativer Artikel über den Antragsteller.
Mit seinem am 17. 8. 2010 eingebrachten und am 24. 8. 2010 ergänzten Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382g EO begehrt der Antragsteller, dem Antragsgegner zu verbieten,
„1. persönliche Daten oder Bilder des Antragstellers weiterzugeben oder zu verbreiten, insbesondere im Internet;
2. den Namen oder den Benutzernamen des Antragstellers „a*****“ - durch welchen eine Identifizierung des Antragstellers möglich ist - auch in abgewandelter Form in irgendwelchen Berichten oder Beiträgen zu verwenden, insbesondere im Internet;
3. irgendwelche ehrenrührigen Behauptungen zu verbreiten, die mit dem Antragsteller - als Benutzer des Forums auf www.g *****.com - in Verbindung gebracht werden könnten (zB „Beschuldigter“, „wegen schweren Straftaten in Verdacht Stehender“, „Verbrecher“, „2 x ein Verfahren zur Besachwalterung eingebracht“, „psychotische Persönlichkeitsstörung“, „querulantisches“ bzw „querulatorisches Verhalten“ etc).“
Der Antragsgegner beantragte die Abweisung der Anträge wegen Unschlüssigkeit.
Das Erstgericht wies die Anträge ab, weil dem Antragsgegner die Bescheinigung der fehlenden Wiederholungsgefahr gelungen sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers teilweise Folge. Es erließ für ein Jahr die einstweilige Verfügung, dem Antragsgegner werde verboten, „insbesondere im Internet höchstpersönliche Daten der gefährdeten Partei, insbesondere ehrenrührige Behauptungen aus dem Privat- und Familienleben, weiterzugeben oder zu verbreiten“. Bezüglich der Anträge, dem Antragsgegner „darüber hinausgehend zu verbieten, den Namen oder den Benutzernamen der gefährdeten Partei auch in abgewandelter Form in irgendwelchen Berichten oder Beiträgen insbesondere im Internet zu verwenden, und dem Gegner der gefährdeten Partei zu verbieten, Bilder der gefährdeten Partei weiterzugeben oder zu verbreiten“, bestätigte es die Abweisung. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Anwendbarkeit des § 382g EO auf die Verbreitung von Daten aus der Privatsphäre im Internet außerhalb von Stalking „im engeren Sinn (Nachstellen)“ vorliege.
Der stattgebende Teil der Rekursentscheidung blieb unangefochten. Gegen den abweisenden Teil richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers. Der Antragsgegner hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Der Revisionsrekurs ist ungeachtet des diesbezüglichen Ausspruchs des Rekursgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, mangels erheblicher Rechtsfrage unzulässig.
Die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO).
Die vom Rekursgericht aufgezeigte Rechtsfrage ist für das Revisionsrekursverfahren nicht erheblich; im abweisenden Teil der Entscheidung des Rekursgerichts ist ein Abgehen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht erkennbar.
1. Der Antragsteller hat im erstinstanzlichen Verfahren selbst die Unterlassungserklärung des Antragsgegners vorgelegt und dazu Vorbringen erstattet, sodass diesbezüglich sein rechtliches Gehör nicht verletzt sein kann. Soweit er die Nichtigkeit, hilfsweise Mangelhaftigkeit des rekursgerichtlichen Verfahrens im Hinblick auf die Verletzung seines rechtlichen Gehörs rügt, macht er in Wahrheit eine Nichtigkeit oder Verfahrensmängel erster Instanz geltend, die das Rekursgericht behandelt und verneint hat. Im Provisorialverfahren ist die Verneinung eines im Rekursverfahren gerügten Nichtigkeitsgrundes nicht weiter anfechtbar. Dies gilt auch für die Verletzung des rechtlichen Gehörs. Ebenso kann ein in zweiter Instanz verneinter Verfahrensmangel im Revisionsrekursverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (2 Ob 140/10t; 1 Ob 156/10p, 1 Ob 157/10k; 4 Ob 155/09m jeweils mwN). Die geänderte Rechtsprechung des EGMR (Urteil vom 15. 10. 2009, Micallef gegen Malta, Nr 17056/06) bewirkt zwar, dass das rechtliche Gehör unter gewissen Voraussetzungen nunmehr auch im erstinstanzlichen Provisorialverfahren verletzt werden kann. Eine Erweiterung der Anfechtungsmöglichkeiten im Fall einer die Nichtigkeit oder die Mangelhaftigkeit des Verfahrens ablehnenden Rekursentscheidung ist daraus jedoch nicht abzuleiten (2 Ob 140/10t; 1 Ob 156/10p, 1 Ob 157/10k).
2. Der Antragsteller hat sein Begehren auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ausschließlich auf die Bestimmung des § 382g EO in der Fassung des 2. GeSchG, BGBl I 2009/40, gestützt. § 382g EO regelt den Anspruch auf Unterlassung von Eingriffen in die Privatsphäre, ohne zu definieren, was unter „Privatsphäre“ zu verstehen ist. Der zivilrechtliche Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre war bereits vor dem Inkrafttreten dieser Gesetzesbestimmung am 1. 7. 2006 durch § 16 ABGB und § 1328a ABGB gewährleistet. § 382g EO schafft daher keine neue Anspruchsgrundlage, sondern setzt diese vielmehr voraus (RIS-Justiz RS0121886). Zweck der „Anti-Stalking-Regelung“ des § 382g EO ist die Verbesserung des Schutzes für Opfer, denen rasche Abhilfe gegen Belästigungen durch Stalker geboten werden soll (7 Ob 248/09k = wobl 2010/81, 175 [Illedits] mwN). Voraussetzung für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382g EO ist nur die Bescheinigung des Anspruchs auf Unterlassung weiterer „Stalking“-Handlungen. Mit der Anspruchsbescheinigung sind gleichzeitig auch die Anforderungen des § 381 Z 2 EO erfüllt (RIS-Justiz RS0121887; Kodek in Angst², § 382g EO Rz 6). Zur Beurteilung, was zur Privatsphäre nach § 382g EO gehört, kann auf die bisherigen Grundsätze zurückgegriffen werden. Aus § 16 ABGB wird - ebenso wie aus anderen durch die Rechtsordnung geschützten Grundwerten wie Art 8 EMRK - das jedermann angeborene Persönlichkeitsrecht auf Achtung seines Privatbereichs und seiner Geheimnissphäre abgeleitet. Zur Privatsphäre gehören auch private Lebensumstände, die nur einem eingeschränkten Kreis von Personen bekannt und nicht für eine weite(re) Öffentlichkeit bestimmt sind (Rummel in Rummel³ § 1328a ABGB Rz 3; 7 Ob 248/09k).
3. Bei der Formulierung des Unterlassungsbegehrens sind die prozessuale Frage nach der ausreichenden Bestimmtheit des Begehrens und die - nach dem materiellen Recht zu beurteilende - Frage, wie weit das Begehren angesichts der begangenen oder drohenden Rechtsverletzung gehen darf, auseinanderzuhalten (17 Ob 1/10m mwN; vgl 9 ObA 104/07w = ARD 5881/5/2008 [Adamovic] = DRdA 2009/50, 523 [Mayer] = ZAS 2009/6 [Wolfsgruber] = ASok 2008, 357 [Marhold-Weinmeier] = Thomas, ecolex 2008, 942 = Gerhartl, RdW 2008/557, 596 = Stärker, ASok 2008, 406).
Ein bestimmtes Begehren hat zur Voraussetzung, dass ihm der Gegenstand, die Art, der Umfang und die Zeit der geschuldeten Leistung oder Unterlassung zu entnehmen ist (RIS-Justiz RS0000466). Die Unterlassungspflicht muss so deutlich gekennzeichnet sein, dass sie gemäß § 355 EO exekutiv durchgesetzt werden kann (RIS-Justiz RS0000878). Ein ganz allgemein auf Unterlassung „abfälliger Äußerungen welcher Art immer“ gerichtetes Begehren ist nicht hinlänglich bestimmt (RIS-Justiz RS0037731). Andererseits darf bei Unterlassungsbegehren die Anforderung der Bestimmtheit nicht allzu eng ausgelegt werden (7 Ob 248/09k mwN).
Die Prüfung, ob jener Teil des Unterlassungsbegehrens, dem stattgegeben wurde, und dementsprechend der stattgebende Spruch des Rekursgerichts diese Anforderungen erfüllt, ist dem Obersten Gerichtshof infolge der eingetretenen Rechtskraft entzogen.
Die Ansicht des Rekursgerichts, dass der allein noch zu beurteilende Antrag im Umfang der Abweisung jedenfalls zu weitgehend ist, entspricht der ständigen Rechtsprechung:
Das Recht auf Namensanonymität leitet sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ab (§ 16 ABGB; RIS-Justiz RS0008998; 6 Ob 92/04d). Dieses Recht untersagt es Dritten, den Namen in einem bestimmten Zusammenhang zu erwähnen, wenn der Namensträger dazu keinen Anlass gegeben hat. Bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine Namensnennung kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Namensträger die Namensnennung gestattet hat. Der Namensträger hat kein uneingeschränktes Recht zu entscheiden, ob sein Name in der Öffentlichkeit genannt werden darf. Dessen ungeachtet verstößt jedoch auch eine Namensnennung dann gegen das aus § 16 ABGB abgeleitete Persönlichkeitsrecht, wenn sie schutzwürdige Interessen des Genannten beeinträchtigt. Dabei kommt es auf den Inhalt der mit der Namensnennung verbundenen Aussage an (17 Ob 2/09g = jusIT 2009/39, 98 [Thiele] = Pichler, ecolex 2009, 689 mwN). Nach ständiger Rechtsprechung führt das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit jedenfalls dann zur Verneinung der Rechtswidrigkeit, wenn der Namensträger sachlichen Anlass zur Nennung seines Namens gegeben hat. Mit dem Kriterium des Setzens eines sachlichen Anlasses sind die im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien jedoch keineswegs für alle denkbaren Fallkonstellationen abschließend umschrieben. Hat etwa der Genannte selbst zur Namensnennung sachlichen Anlass gegeben, so kommt diesem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung besondere Bedeutung zu. Umgekehrt kann aus dem Umstand, dass der Genannte selbst keinen sachlichen Anlass für die Nennung seines Namens gesetzt hat, noch nicht zwingend auf die Unzulässigkeit der Namensnennung geschlossen werden (6 Ob 266/06w = SZ 2007/22). Ein allgemeines Recht, den „Gebrauch“ des Namens eines anderen im Geschäftsverkehr, soweit dies durch bloße Namensnennung geschieht, zu unterlassen, besteht nicht; die allfällige Rechtswidrigkeit einer solchen Namensnennung ergibt sich erst aus dem Inhalt der damit verbundenen Aussage (RIS-Justiz RS0009319).
Demnach verletzt die bloße Nennung des Namens oder Benutzernamens des Antragstellers, der nach seinem Vorbringen unter seinem Benutzernamen einer Vielzahl von Benutzern von Internet-Foren bekannt ist, sein Persönlichkeitsrecht als Namensträger nicht. Das begehrte Verbot der Verwendung seines Namens oder Benutzernamens „auch in abgewandelter Form in irgendwelchen Berichten oder Beiträgen, insbesondere im Internet“ ist daher nach den materiellen Rechtsgrundlagen jedenfalls zu weit gefasst und wurde in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung abgewiesen. Auf den in diesem Zusammenhang gerügten sekundären Feststellungsmangel kommt es daher nicht an.
4. Zum vorbeugenden Verbot der Weitergabe/Verbreitung von persönlichen Bildern hat das Rekursgericht darüber hinaus in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass dieses Begehren nicht ausreichend begründet wurde. Weder dem Vorbringen des Antragstellers noch den von ihm vorgelegten Urkunden ist zu entnehmen, dass der Antragsgegner jemals Lichtbilder des Antragstellers ins Internet gestellt, weitergegeben oder verbreitet hat. Die konkrete Befürchtung, dass der Antragsgegner auf die Verbreitung von Fotos ausweichen werde, wurde weder behauptet noch bescheinigt. Eine zu korrigierende Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht in diesem Einzelfall ist auch insoweit nicht zu erkennen.
Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.
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