OGH 7Ob207/99p

OGH7Ob207/99p27.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. Peter B***** und 2. Johann C*****, beide vertreten durch Lattenmayer, Luks und Enzinger, Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagten Parteien Peter und Elisabeth K*****, beide vertreten durch Dr. Andreas Ladstätter, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung einer Dienstbarkeit und Beseitigung einer Umzäunung (Streitwert insgesamt S 100.000), über die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 20. April 1999, GZ 21 R 125/99a-54, womit über Berufung der Kläger das Urteil des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom 11. Jänner 1999, GZ 13 C 7/98w-46, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, den Beklagten binnen 14 Tagen die mit S 6.999,36 (darin enthalten S 1.166,56 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Vorweg ist darauf hinzuweisen, daß nach stRsp des Obersten Gerichtshofes Gemeingebrauch auch an Grundstücken möglich ist, die Privatpersonen gehören. Seine Ausübung führt zur Ersitzung einer Dienstbarkeit zugunsten des allgemeinen Verkehrs. Voraussetzung ist, daß der Weg nicht nur von der Bevölkerung als öffentlicher Weg benützt, sondern auch von der Gebietskörperschaft als solcher angesehen wird (RIS-Justiz RS0009806). Die für den Gemeingebrauch nötige Innehabung kann aufgrund der allgemeinen Benützung durch Gemeindeangehörige sowie das Touristenpublikum hergestellt werden (SZ 34/59 = JBl 1962, 148; JBl 1969, 606; SZ 50/53 = EvBl 1978/25 = JBl 1978, 144; JBl 1982, 32). Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung SZ 59/50 = JBl 1986, 644 (entgegen früherer, von der Lehre kritisierter Rechtsprechung, wonach das zuständige Organ den Besitzwillen äußern müsse) klargestellt hat, erwirbt und übt die Gemeinde den Ersitzungsbesitz schon dann aus, wenn Gemeindeangehörige oder auch der räumlichen Nähe nach in Betracht kommende Fremde den Weg benützen und die Benützung des Wegs für die Gesamtheit der Gemeindeangehörigen von Vorteil ist, sodaß daraus auf den Besitzwillen der Gemeinde als Trägerin dieser gemeinschaftlichen Interessen geschlossen werden kann. Nach den unbekämpften erstgerichtlichen Feststellungen wurde nun der gegenständliche "Pfad" nicht nur von den Klägern, deren Rechtsvorgängern und Familienangehörigen zum Spazierengehen, sondern auch ganz allgemein, also auch von anderen Leuten als Geh- und Spazierweg benützt, auch von Kindern mit Fahrrädern. Daraus haben die Vorinstanzen im Einklang mit der oberstgerichtlichen Judikatur gefolgert, daß am gegenständlichen (nun durch einen Zaun der Beklagten unterbrochenen) Weg Gemeingebrauch bestand. Der Gemeingebrauch belastet zwar ein Grundstück in ähnlicher Weise wie eine privatrechtliche Servitut; der einzelne, der in der Ausübung des Gemeingebrauches gestört wird, kann aber auch dann, wenn die Störung von einem Privaten ausgeht, Abhilfe nur von der zuständigen Verwaltungsbehörde verlangen, weil sein Anspruch aus einem öffentlichen Recht auf Benützung einer dem Gemeingebrauch gewidmeten Sache abgeleitet wird (RIS-Justiz RS0009811).

Der Erwerb eines Privatrechtes durch Ersitzung an einem im Gemeingebrauch stehenden Weg kommt nur dann in Betracht, wenn eine Benützung außerhalb des Gemeingebrauches erfolgt. Es muß für den Liegenschaftseigentümer erkennbar sein, daß ein vom Gemeingebrauch verschiedenes Privatrecht in Anspruch genommen wird (stRsp:SZ 56/184 mwN uva, vgl etwa 10 Ob 507/94 und 9 Ob 505/95), dessen Ausübung vom Eigentümer wie die Erfüllung einer Schuld geduldet werden muß (SZ 41/86; 3 Ob 584,585/89; 4 Ob 511/95 ua).

Das Berufungsgericht, das all dies zutreffend erkannt hat, begründet seinen Ausspruch, die ordentliche Revision zuzulassen damit, daß es davon ausgehe, daß von den Klägern kein für die Beklagten erkennbares vom Gemeingebrauch verschiedenes Recht in Anspruch genommen werde. In Anbetracht des engen Zusammenhanges zwischen dem strittigen Weg und den Grundstücken der Kläger könnte allerdings auch der Standpunkt vertretbar sein, daß die Kläger - vor allem aufgrund ihrer Gartentüren - doch eine Sonderstellung genössen und die Entscheidung des Berufungsgerichtes der oberstgerichtlichen Rechtsprechung widerspreche.

Diese Bedenken, denen sich die Revisionswerber anschließen, sind allerdings unbegründet. Die Kläger argumentieren im wesentlichen, die an der Rückseite ihrer Liegenschaften vorhandenen Gartentüren machten die Inanspruchnahme des Wegerechts durch sie geradezu augenfällig und wollen aus der Möglichkeit, durch die erwähnten Gartentüren auf den Weg zu gelangen, gegenüber der Allgemeinheit eine "anders gelagerte Qualität" ihrer Wegbenützung ableiten. Der Umstand, daß die Beklagten eigene Zugänge zum streitgegenständlichen Weg haben, ändert aber nichts daran, daß sie den Weg zum selben Zweck bzw in gleicher Art und Weise benützen, wie die Allgemeinheit, nämlich vornehmlich zum Spazierengehen, aber auch um Schwammerl zu suchen, auf der umliegenden Wiese Drachen steigen zu lassen und dergleichen. Der Hinweis, daß auch in der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung SZ 41/86 die Benützer des Weges (Geistliche und Wallfahrer) dort "nur gegangen" seien, übersieht, daß es sich bei dem betreffenden Gehweg um eine Abkürzung von der Gemeindestraße zur Wallfahrtskirche handelte und deshalb die Voraussetzung, daß es für den Eigentümer der dienstbaren Liegenschaft erkennbar sein muß, daß ein vom Gemeingebrauch verschiedenes eigenes Recht in Anspruch genommen wird, als gegeben angesehen wurde. Im vorliegenden Fall ist eine besondere, sich vom Benützungszweck anderer Gemeindeangehöriger oder Touristen unterscheidende Benützungsart bzw ein anderer Benützungszweck der Kläger eben gerade nicht vorhanden und daher auch nicht für die Beklagten erkennbar.

Ob in für den Liegenschaftseigentümer erkennbarer Weise ein vom Gemeingebrauch verschiedenes Privatrecht in Anspruch genommen wird, hängt letztlich immer von den Umständen des Einzelfalls ab und stellt daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar, es wäre denn, es läge ein Fall grober Fehlbeurteilung vor. Davon kann aber hier keine Rede sein.

Entgegen dem Zulassungsausspruches des Berufungsgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), war die Revision der Kläger daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41 und 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision aus dem Grunde des § 502 Abs 1 ZPO ausdrücklich hingewiesen.

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