Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien je zur Hälfte die mit 9.719,82 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.619,97 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist aufgrund der Einantwortungsurkunde vom 25.10.1976 Alleineigentümerin der Liegenschaften EZ 190, 277 und 450 je Grundbuch L*****, zu welchen die Grundstücke 649/3, 648/1, 648/4 und 359 gehören. Der Erstbeklagte ist grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft EZ 19 Grundbuch L*****, vulgo M*****, die er am 16.12.1987 im Zwangsversteigerungsweg erworben hat. Die Zweitbeklagte ist grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft EZ 17 Grundbuch L*****. Die Liegenschaft EZ 74 Grundbuch L*****, zu der unter anderem die den Gegenstand des Rechtsstreites bildende Wegparzelle 2257 gehört, steht im Miteigentum der jeweiligen Eigentümer der EZ 19 und der EZ 17 der KG L*****, wobei das Eigentumsrecht nicht zu bestimmten Anteilen einverleibt ist. Im Versteigerungsverfahren hatte die Klägerin keine Rechte angemeldet oder geltend gemacht, insbesondere auch nicht, daß ihr eine außerbücherliche Dienstbarkeit zustehe. Das Wegstück der Parzelle 2257, welches von der öffentlichen Straße (Parzelle 2256) zum Weg 2258 führte, war ein Teil der Verbindungsstraße zwischen R***** und P***** bzw. S*****. Der Weg wurde allgemein benützt, da eine andere Wegverbindung zum Weg 2258 nicht vorhanden war. Er wurde wie ein öffentlicher Weg benützt, wobei auch der Gütertransport über ihn durchgeführt wurde. Der Weg diente auch als Zufahrt zum Gasthaus P*****, das die Rechtsvorgänger der Klägerin auf den jetzt in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken betrieben, das jedoch seit ca 15 Jahren nicht mehr existiert. Seit 1948 führte der 1973 verstorbene Vater der Klägerin auf diesen Grundstücken einen Landmaschinenhandel, der heute noch betrieben wird. Auch die Zufahrt zu den Betriebsgebäuden führte überwiegend über den strittigen Weg. Der Weg diente überdies als Zufahrt und Zugang für andere dort gelegene Grundstücke. Etwa im Jahr 1972 wurde der Weg asphaltiert, wobei sich über Ersuchen der Gemeinde die Anrainer an den Kosten großteils beteiligten. In der Folge wurde der Weg auch von der Gemeinde betreut. Den Weg benützten nicht nur Anrainer, sondern auch Urlauber, die nach R***** bzw. St.G***** fuhren; auch Feuerwehr, Bus, Arzt etc benützten den Weg. Die Klägerin, aber auch andere Anrainer waren der Meinung, daß der Weg eine Gemeindestraße sei und von allen Personen ohne Rückfragen benützt werden könne. Bevor der Erstbeklagte die Liegenschaft EZ 19 im Zwangsversteigerungsweg erwarb, stellte er an Ort und Stelle Erkundigungen an und es wurde ihm mitgeteilt, daß es sich um eine Gemeindestraße handle. Auch die Gemeinde ging davon aus. Da der Weg knapp an dem auf seiner Liegenschaft befindlichen Haus vorbeiführte, beantragte er bei der Gemeinde die Bewilligung zur Verlegung der Straße durch Neuerrichtung auf seine Kosten auf einem etwas nördlicher gelegenen Grundstück. Mehrere Anrainer erhoben bei der über diesen Antrag ausgeschriebenen Verhandlung Einspruch gegen das beabsichtigte Vorhaben, wobei alle, auch die Klägerin, davon ausgingen, daß es sich um eine öffentliche Straße handle. Auch die Gemeinde legte dies ihrem Bescheid zugrunde, mit dem sie dem Antrag des Erstbeklagten stattgab. Im Zuge des Rechtsmittelverfahrens gegen diesen Bescheid stellte sich heraus, daß die strittige Straße nicht, wie angenommen über öffentlichen Grund, sondern über Privatgrund führte; dies führte letztlich dazu, daß der dem Antrag des Erstklägers stattgebende Bescheid behoben wurde. Der Erstbeklagte führte die Verlegung der Straße durch und beseitigte den strittigen Teil des Weges auf der Parzelle 2257 in der Natur.
Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß ihr als Eigentümerin der oben genannte Liegenschaften als herrschende Güter die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens auf der Wegparzelle 2257 der EZ 74 KG L***** in der Weise zustehe, daß sie zum Zweck der Zufahrt und des Zuganges vom öffentlichen Gut (Wegparzelle 2256) bis zum Haus W*****Nr. 6 (= Baufläche 359 der EZ 277) auf dem Grundstück 648/4 südlich des Grundstückes 648/3 über diese Wegparzelle fahren und gehen dürfe. Weiters begehrte sie, die Beklagten schuldig zu erkennen, in die Einverleibung dieser Dienstbarkeit einzuwilligen. Ihre Rechtsvorgänger (Vater und Großmutter) hätten schon seit 1937 über diesen Privatweg gehen und fahren müssen und hätten ihn auch tatsächlich benützt. Ihrer Großmutter sei das Geh- und Fahrrecht (stillschweigend) eingeräumt worden. Durch die mehr als 30-jährige Benützung sei das Recht auch ersessen worden. Der Weg bestehe seit unvordenklichen Zeiten und diene offensichtlich der verkehrsmäßigen Erschließung der Ortschaft W*****. Die vom Erstbeklagten geschaffene Ersatzzufahrtsmöglichkeit könne von ihr nicht angenommen werden, weil dies mit einer 3-fachen Verlängerung des Zufahrtsweges verbunden sei. Der Erstbeklagte habe beim Erwerb im Zwangsversteigerungsverfahren Kenntnis vom Weg gehabt und dessen Benützung auch bis 1991 bzw 1992 geduldet.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Der Erstbeklagte habe die Liegenschaft gutgläubig und ohne Kenntnis von Servitutsrechten der Klägerin erworben. Der Weg sei im Gemeingebrauch gestanden und auch von der Gemeinde betreut worden. Die Beklagte könne daher im Rechtsweg keine Rechte geltend machen. Die Klägerin habe nicht zu erkennen gegeben, daß sie den Gebrauch des Weges im eigenen Namen ausübe. Die Verlegung des Weges sei mit Zustimmung der Gemeinde erfolgt, Nachteile für die Klägerin seien damit nicht verbunden. Es bestehe auch kein Rechtsschutzinteresse der Klägerin, weil der Weg in der Natur nicht mehr existiere.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. An der streitgegenständlichen Wegparzelle, insbsondere an dem den Gegenstand des Verfahrens bildenden Teil, bestehe seit unvordenklichen Zeiten Gemeingebrauch. Der Schutz des Gemeingebrauches obliege, selbst wenn der öffentliche Weg über Privatgrund verlaufe, den Verwaltungsbehörden, sodaß eine Servitutsklage des einzelnen Benützers unzulässig sei. Da die Zufahrt zur Liegenschaft der Klägerin nicht nur zu privaten, sondern auch zu gewerblichen Zwecken diene, stelle dies zwar sicherlich eine Nutzung dar, die über den Gemeingebrauch hinausgehe. Die Klägerin habe aber selbst angegeben, daß sie stets der Meinung gewesen sei, daß der Weg öffentliches Gut sei; deshalb komme mangels Absicht, ein Recht auf fremdem (privatem) Gut auszuüben, die Ersitzung einer Dienstbarkeit nicht in Frage. Im übrigen halte sich die Veränderung des Verlaufes des Weges auch innerhalb zumutbarer Grenzen, sodaß die Klägerin die Verlegung zu dulden habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen von in der Berufung geltend gemachten Mängeln und billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Der strittige Weg sei immer Teil der Verbindungsstraße zu anderen Ortschaften gewesen und wie ein öffentlicher Weg benützt worden, zumal eine andere Verbindung zum Weg 2258 nicht bestanden habe. An dem Weg habe daher Gemeingebrauch bestanden; der Weg habe von jedermann unter den gleichen Bedingungen ohne behördliche Bewilligung und unabhängig vom Willen des über den Straßengrund Verfügungsberechtigten benützt werden können. Der Erwerb eins Privatrechtes durch Ersitzung an einem derartigen öffentlichen Weg komme nur dann in Betracht, wenn eine Benützung außerhalb des Gemeingebrauches erfolge. Für den Eigentümer der dienenden Liegenschaft müsse dabei erkennbar sein, daß ein vom Gemeingebrauch verschiedenes Privatrecht in Anspruch genommen werde. Eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Nutzung käme hier aber erst ab dem Zeitpunkt in Frage, ab dem der Vater der Klägerin die Liegenschaft nicht nur zu privaten, sondern auch zu gewerblichen Zwecken benützt habe. Zum Erwerb des Rechtes sei jedoch auch erforderlich, daß der Besitzende den Willen habe, ein ihm gegen den Eigentümer der dienenden Liegenschaft zustehendes Recht auszuüben. Dies habe aber die Klägerin weder für sich noch für ihren Vater behauptet, zumal sie immer davon ausgegangen seien, daß sie einen öffentlichen Weg benützen. Eine Dienstbarkeit sei daher ungeachtet der über den Gemeingebrauch hinausgehenden Nutzung nicht ersessen worden. Auch von der stillschweigenden Einräumung einer Dienstbarkeit anläßlich des Erwerbes durch die Großmutter der Klägerin könne nicht ausgegangen werden, weil bereits damals Gemeingebrauch an dem Weg bestanden habe. Innerhalb der Grenzen des Gemeingebrauches könne keine stillschweigende Servitut begründet worden sein.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagten Parteien beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Nach ständiger Judikatur können Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen das Berufungsgericht verneint hat, im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden; der teilweise gegenteilige Standpunkt der Lehre wird von der Rechtsprechung abgelehnt (sa SSV-NF 1/32, 3/115, 7/74 mwN).
Soweit die Klägerin Feststellungsmängel geltend macht, kommt den beanstandeten Umständen keine Relevanz zu. Der Grundbuchstand ist notorisch. Welche Schlüsse aus dem im Rechtsmittel dargestellten Buchstand abgeleitet werden sollen, ist nicht erkennbar. Daß der strittige Weg seit jeher der verkehrsmäßigen Verbindung zwischen Ortschaften diente, haben die Vorinstanzen festgestellt. Ob die Klägerin Gesamtrechtsnachfolgerin nach ihrem Vater ist, ist für die Entscheidung nicht von Bedeutung. Einer diesbezüglichen Feststellung bedurfte es nicht.
Gemeingebrauch ist auch an Grundstücken möglich, die Privatpersonen gehören. Seine Ausübung führt zur Ersitzung einer Dienstbarkeit zugunsten des allgemeinen Verkehrs. Voraussetzung ist, daß der Weg nicht nur von der Bevölkerung als öffentlicher Weg benützt wird, sondern auch von der Gebietskörperschaft als solcher angesehen wird (7 Ob 593/56). Bloßer Gemeingebrauch an Sachen in Privateigentum bewirkt deren Öfffentlichkeit hinsichtlich der Nutzungen und schränkt die Verfügungsbefugnis gleicherweise ein (Spielbüchler in Rummel, ABGB2, Rz 4 zu § 287 ABGB). Hier steht fest, daß der strittige Weg seit unvordenklichen Zeiten als Verbindungsweg zu Nachbarortschaften zum Gehen und Fahren mit Fahrzeugen aller Art allgemein benützt wurde. Die Gemeinde hat den Weg auch erhalten und war der Meinung, daß es sich um eine Gemeindestraße handle. Es ist daher davon auszugehen, daß die strittige Grundfläche ein öffentlicher Weg war.
Der Erwerb eines Privatrechtes durch Ersitzung an einem öffentlichen Weg kommt nur dann in Betracht, wenn eine Benützung außerhalb des Gemeingebrauches erfolgt. Es muß für den Liegenschaftseigentümer erkennbar sein, daß ein vom Gemeingebrauch verschiedenes Privatrecht in Anspruch genommen wird (SZ 56/184 mwN). Der Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß die Klägerin und ihre Rechtsvorgänger den strittigen Weg in einer über den Allgemeingebrauch hinausgehenden Form benützt hätten, kann nicht beigetreten werden. Unter Gemeingebrauch ist die Benützung einer Straße durch jedermann unter den gleichen Bedingungen ohne behördliche Bewilligung und unabhängig vom Willen des über den Straßengrund Verfügungsberechtigten zu verstehen. Hier steht fest, daß der fragliche Weg seit unvordenklichen Zeiten zur Erschließung von W***** wie auch als Verbindungsstraße zur Erreichung von Nachbarortschaften von jedermann regelmäßig benützt wurde; es bestand über den Weg auch eine Busverbindung. Der Weg wurde von der Gemeinde erhalten. Der Weg ist daher als öffentliche Fahrstraße zu qualifizieren. Zu anderen Zwecken wurde er aber auch von der Klägerin und deren Rechtsvorgängern bzw deren Kunden nicht benützt. Diese fuhren sohin im Rahmen des Gemeingebrauches zur Liegenschaft der Klägerin bzw den darauf errichteten Betriebsgebäuden (früher Gasthaus, später Landmaschinenhandel) zu. Eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Benützungsform kommt darin nicht zum Ausdruck.
Aus der in der Revision zitierten Entscheidung des VwGH vom 24.9.1956, Zl 2112/5 ist für den Standpunkt der Klägerin nichts abzuleiten. Der Verwaltungsgerichtshof kommt wohl zum Ergebnis, daß unter bestimmten Umständen einer Person ein Sonderrecht an einem öffentlichen Weg zukommen kann. Dies führt aber nach den Ausführungen in der Begründung der Entscheidung dazu, daß dies die Auflassung des Weges unzulässig machen kann; durch den individuellen Verwaltungsakt (Bescheid) könne in einem solchen Fall in subjektive öffentliche Rechte auf Sondernutzung der Straße eingegriffen werden. Der Verwaltungsgerichtshof räumt damit demjenigen, dem eine Sondernutzung an einem öffentlichen Weg zusteht, Parteistellung und ein Einspruchsrecht im Verwaltungsverfahren über die Auflassug des weges ein. Bezüglich eines privatrechtlichen Dienstbarkeitsrechtes tifft die Entscheidung keine Aussage. Sie behandelt vielmehr nur die sogenannten Anliegerrechte. Darunter versteht man das Recht, auf jene Nutzungen, die die an die Straße angrenzenden Grundbesitzer von der Straße und dem darüber befindlichen Luftraum ziehen. Aber gerade Anliegerrechte können als subjektiv-öffentliche Rechte nur den Behörden gegenüber geltend gemacht werden (SZ 51/100 mwN).
Die Klägerin und ihre Rechtsvorgänger haben nach den Ergebnissen des Verfahrens den strittigen Weg nicht außerhalb des Gemeindegebrauches benützt. Sie könnten dadurch nur ein subjektives Recht öffentlich-rechtlicher Qualität erworben haben, dessen Verletzung nicht vor den Gerichten, sondern nur vor den Verwaltungsbehörden geltend gemacht werden kann (SZ 51/100). Ein Dienstbarkeitsrecht an dem der öffentlichen Benützung dienenden Weg wurde dadurch nicht ersessen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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