OGH 7Ob206/17w

OGH7Ob206/17w21.3.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei „S*“ * GmbH, *, vertreten durch Mag. Sebastian Lesigang, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. M* R*, vertreten durch die Vavrovsky Heine Marth Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1.630.000 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 10. Oktober 2017, GZ 15 R 89/17v‑25, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 29. März 2017, GZ 57 Cg 33/16s‑20, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E121362

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Verjährung von Schadenersatzansprüchen beginnt schon mit Kenntnis des Schadens und des Schädigers zu laufen, auch wenn der Geschädigte die Höhe des Schadens noch nicht beziffern kann, ihm nicht alle Schadensfolgen bekannt oder diese noch nicht zur Gänze eingetreten sind (RIS‑Justiz RS0034440; RS0083144 [T15]). Allerdings beginnt die Verjährungsfrist nach ständiger Rechtsprechung nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des (Primär‑)Schadens zu laufen (RIS‑Justiz RS0083144 [T19]). Ist ein solcher allerdings tatsächlich eingetreten – und mag es auch ein Teilschaden sein –, so beginnt die dreijährige Verjährungsfrist mit dessen positiver Kenntnis auch schon dann zu laufen, wenn der Geschädigte die Schadenshöhe noch nicht beziffern kann, ihm noch nicht alle Schadensfolgen bekannt sind beziehungsweise diese auch noch nicht zur Gänze eingetreten sind; der drohenden Verjährung muss der Geschädigte durch eine Feststellungsklage begegnen (RIS‑Justiz RS0050338).

2. Durch die Einbringung einer Klage ist die Verjährungszeit nur für die in der Klage geltend gemachten Ansprüche, und zwar dem Grunde und der Höhe nach, gehemmt (RIS‑Justiz RS0034556). Gemäß § 1497 ABGB wird die Verjährung durch Klageführung unterbrochen, sofern das Verfahren vom Kläger gehörig fortgesetzt wird. Keine gehörige Fortsetzung liegt nur dann vor, wenn der Kläger eine ungewöhnliche Untätigkeit an den Tag legt, die darauf schließen lässt, dass ihm an der Erreichung des Prozessziels nicht mehr gelegen ist (RIS‑Justiz RS0034765). Die Frage, ob ein längeres Zuwarten mit der Verfolgung eines Anspruchs iSd § 1497 ABGB noch hingenommen werden kann oder ob eine ungewöhnliche Untätigkeit vorliegt, aus der entnommen werden muss, dass es der Partei am erforderlichen Ernst zur Erreichung des Prozessziels fehlt, ist unter Berücksichtigung der Umstände des einzelnen Falls zu beantworten (RIS‑Justiz RS0034805).

3. Der weite Schadensbegriff des ABGB umfasst jeden Zustand, der rechtlich als Nachteil aufzufassen ist, an dem also ein geringeres rechtliches Interesse als am bisherigen besteht (RIS‑Justiz RS0022537). Entschädigungsansprüche, die gemäß § 1489 ABGB in drei Jahren verjähren, sind nicht nur Schadenersatzansprüche wegen deliktischer Schädigung, sondern auch Ansprüche auf Ersatz, die aus der Verletzung von vertraglichen Verpflichtungen abgeleitet werden (vgl RIS‑Justiz RS0034346), darunter auch Klagen auf Ersatz der aus der Nichterfüllung des Vertrages entstehenden Schäden (vgl RIS‑Justiz RS0017735).

4. Wenn ein entgeltlicher Vertrag von einem Teil entweder nicht zur gehörigen Zeit, am gehörigen Ort oder auf die bedungene Weise erfüllt wird, so kann nach § 918 Abs 1 ABGB der andere entweder Erfüllung und Schadenersatz wegen der Verspätung begehren oder unter Festsetzung einer angemessenen Frist zur Nachholung den Rücktritt vom Vertrag erklären.

Besteht daher der Gläubiger bei Verzug des Schuldners auf der Erfüllung und nimmt er die verspätete Erfüllung an, kann er daneben nicht Schadenersatz wegen Nichterfüllung, sondern nur Schadenersatz wegen Verspätung, den sogenannten Verspätungsschaden, begehren (RIS‑Justiz RS0018422). Im Falle des Leistungsverzugs des Sachschuldners hat der Gläubiger daher zwar die Wahl, entweder Erfüllung und (bei Verschulden) den Ersatz des Verspätungsschadens zu begehren oder vom Vertrag zurückzutreten und den Ersatz des Nichterfüllungsschadens zu begehren (vgl RIS‑Justiz RS0018266).

5. Tritt ein Vertragsteil vom Vertrag zurück, weil der andere Teil die Gegenleistung verweigert, so läuft gegen ihn die dreijährige Verjährungsfrist hinsichtlich seiner Schadenersatzansprüche von dem Tage an, an welchem er die Möglichkeit hatte, den Rücktritt zu erklären, wenn ihm damals der Schaden bekannt war (RIS‑Justiz RS0018383). Dem Geschädigten ist zwar zuzubilligen, einen – wenn auch letztlich erfolglos bleibenden – Versuch auf Zuhaltung des Vertrags zu unternehmen, ohne sofort den Rücktritt zu erklären (6 Ob 567/78 = RIS‑Justiz RS0018383 [T1]). Es soll allerdings vermieden werden, dass dann, wenn der Geschädigte es in der Hand hat, seinen Ersatzanspruch entstehen zu lassen, er durch seine – gegebenenfalls auch nachträgliche – Wahl der Schadensbemessung (allenfalls rückwirkend) den Beginn der Verjährungsfrist beeinflusst (6 Ob 145/08d, EvBl 2009/10, 79 [Perner] = Zak 2008/641, 372 [Riedler, Zak 2008/634, 363]; vgl auch 2 Ob 525/89).

6. Spätestens im Februar 2013 hatte die Klägerin durch ein Gutachten erfahren, dass ihre Liegenschaftsanteile unter Berücksichtigung der bestehenden Unsicherheiten und Rechtsprobleme – unter anderem der fehlenden Zustimmung des beklagten Miteigentümers zu baubehördlichen Ansuchen – rund 4 Mio EUR wert wären, unter der Prämisse, dass die Unsicherheiten und Rechtsprobleme komplett bereinigt wären und ein Wohnungseigentumsvertrag abgeschlossen würde, jedoch einen Verkehrswert von 5,63 Mio EUR aufwiesen. Ihr waren damit Schaden und Schädiger bekannt. Ausdrücklich diesen Differenzschaden von 1,63 Mio EUR, der als Wertminderung ihres Liegenschaftsanteils durch die behauptete schuldhafte Weigerung des Beklagten, Bauansuchen zu unterfertigen, eingetreten sei, klagte die Klägerin erst am 17. Juni 2016 auch ein.

7. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die Verjährungsfrist für den geltend gemachten Schaden mit der Möglichkeit des Rücktritts und der Kenntnis von Schaden und Schädiger, daher spätestens mit Kenntnis des Gutachtens im Februar 2013, zu laufen begann, dass dies mehr als drei Jahre vor der Klagseinbringung lag, dass das Verfahren auf Zuhaltung der vertraglichen Verpflichtungen des Beklagten – auf Unterfertigung von Bauansuchen – zufolge nicht gehöriger Fortsetzung keine den Ablauf der Verjährungsfrist hemmende Wirkung entfalten konnte, und dass daher der geltend gemachte Schadenersatzanspruch verjährt ist, hält sich im Rahmen der Judikatur und ist im hier vorliegenden Einzelfall nicht zu beanstanden.

8. Den von den Vorinstanzen ebenfalls als verjährt beurteilten Feststellungsanspruch der Klägerin stützte sie auf angeblich ihren Ruf schädigende Umstände, die nicht mit der vertraglichen Verpflichtung des Beklagten zur Unterfertigung von baubehördlichen Ansuchen in Verbindung stehen. Die Revision kommt auf diesen Feststellungsanspruch auch nicht mehr zurück.

9. Gegen die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass weder das Tatsachenvorbringen der Klägerin in erster Instanz noch der festgestellte Sachverhalt eine Grundlage dafür bieten, eine 30-jährige Verjährungsfrist nach § 1489 letzter Satz ABGB anzunehmen, erweckt die Revision ebenfalls keine Bedenken.

10. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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