OGH 7Ob184/09y

OGH7Ob184/09y18.11.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Bründl, Reischl & Partner OG, Rechtsanwälte in Straßwalchen, gegen die beklagte Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Walch & Zehetbauer Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen 12.224,42 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 27. Mai 2009, GZ 2 R 221/08w-30, womit das Zwischenurteil des Landesgerichts Salzburg vom 26. September 2009, GZ 12 Cg 124/06t-26, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rekursbeantwortung sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

In sinngemäßer Anwendung des § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich auch die Zurückweisung eines nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zugelassenen Rekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a ZPO; Kodek in Rechberger³ § 528a ZPO Rz 1; RIS-Justiz RS0043691; RS0048272).

Die Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts hält das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil höchstgerichtliche Judikatur zu der Frage fehle, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Mitarbeiter (hier: der Fahrer) des Frachtführers, der an einem dem Absender obliegenden Verladevorgang mitwirkt, im Rahmen dieser Mitwirkung zum Erfüllungsgehilfen des Absenders wird und deshalb sein diesbezügliches Verhalten nicht dem Frachtführer zuzurechnen ist.

Die Frage, ob ein „innerer Zusammenhang" der Handlungen des Fahrers der Beklagten zu der von ihr übernommenen Vertragspflicht besteht, kann jedoch nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (stRsp; RIS-Justiz RS0028429). Da die Antwort auf die mitunter schwierigen Abgrenzungsfragen, ob der Gehilfe „bei der Erfüllung" der Pflichten des Geschäftsherrn oder bloß „gelegentlich" der Erfüllung handelte, von einer solchen Einzelfallbeurteilung abhängt, wäre auch über das vorliegende Rechtsmittel - wegen der schon vorliegenden umfangreichen oberstgerichtlichen Vorjudikatur - nur dann meritorisch abzusprechen, wenn aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit eine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts korrigiert werden müsste (1 Ob 127/07v). Eine aus Gründen der Rechtssicherheit dennoch aufzugreifende Fehlbeurteilung kann aber aus folgenden Erwägungen nicht erblickt werden:

Gemäß Artikel 17 Z 1 CMR haftet der Frachtführer für eine Beschädigung des Frachtgutes nur dann, wenn die Beschädigung zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintrat (RIS-Justiz RS0073771). Die CMR regelt aber nicht, ob der Frachtführer auch zur Verladung und Verstauung des Gutes verpflichtet ist (RIS-Justiz RS0119428 und RS0073725). Nur wenn die Verladung vereinbarungsgemäß (wobei hier Vertragsfreiheit herrscht [RIS-Justiz RS0073788]) dem Frachtführer obliegt, fällt auch sie bereits in den Haftungszeitraum (RIS-Justiz RS0073826).

Im vorliegenden Fall wurde aber keine derartige Vereinbarung getroffen, weshalb es nicht zu beanstanden ist, wenn das Berufungsgericht davon ausging, dass die Verladung, zu der auch die Befestigung des Ladegutes zählt (RIS-Justiz RS0103800), im Zweifel Sache des Absenders war (RIS-Justiz RS0073756; 7 Ob 182/08b; vgl auch RS0073839). Mangels Vereinbarung, dass das Verladen dem Frachtführer obliegen sollte, kann aus dem Umstand, dass sich die Werbetafel bereits auf dem LKW der Beklagten befand, auch nicht abgeleitet werden, dass der Fahrer der Beklagten das Transportgut bereits im Sinne des Artikel 17 Z 1 CMR entgegengenommen gehabt hätte. Das Verladen der Güter auf das Transportfahrzeug fällt nämlich nicht notwendig in den Haftungszeitraum (3 Ob 547/85 = ZVR 1986/97).

Unbedenklich ist auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die in Frage stehende Beschädigung nicht im Haftungszeitraum des Artikel 17 Z 1 CMR erfolgte, sodass die Klägerin ihre Ansprüche nicht auf die CMR stützen kann. Da die Verladung nicht dem Frachtführer oblag, spielt die tatsächliche Mithilfe des Fahrers der Beklagten bei der Verladung grundsätzlich keine Rolle, weil diese Mithilfe nicht Gegenstand der vertraglichen Pflichten aus dem Frachtvertrag war und eine Handlung außerhalb des Haftungszeitraums darstellte (RIS-Justiz RS0073835; 3 Ob 166/04i). Der Mitarbeiter des Absenders hat den Ladevorgang auch nicht alleine dem Fahrer der Beklagten überlassen und hätte daher allenfalls die Möglichkeit gehabt, in den Prozess einzugreifen (8 Ob 148/02a).

Daraus folgt, dass keine Haftung der Beklagten nach der CMR besteht, dass aber eine Haftung aufgrund anderer (schadenersatzrechtlicher) Normen in Betracht käme; regelt doch Artikel 17 CMR die Frage der Haftung des Frachtführers nur für die Dauer der Obhutszeit erschöpfend (RIS-Justiz RS0073790; vgl auch RS0073776).

Insoweit spricht der Umstand, dass - wie bereits ausgeführt - der Mitarbeiter des Absenders den Ladevorgang nicht alleine dem Fahrer der Beklagten überlassen hat, dafür, dass das Fehlverhalten des Fahrers der Beklagten tatsächlich dem Absender, der dafür zuständig war, zuzurechnen sein könnte (3 Ob 166/04i mwN; RIS-Justiz RS0073871 [insb T3 und T4]). Andererseits muss aber auch geprüft werden, ob aufgrund einer allfälligen Weigerung des Fahrers der Beklagten, Anweisungen des Verladearbeiters zu befolgen, dennoch eine Zurechnung des Fehlverhaltens zur Beklagten nach § 1313a ABGB zu erfolgen hat:

Die Annahme einer derartigen Haftung der Beklagten im Fall eines „eigenmächtigen" Verhaltens ihres Fahrers entspricht der vom Berufungsgericht zutreffend wiedergegebenen ständigen Rechtsprechung zum Erfordernis eines „inneren Zusammenhangs" mit den Vertragspflichten (RIS-Justiz RS0028530; RS0028626; RS0028425; vgl auch 10 Ob 96/08b mwN sowie RS0028499; RS0028429; RS0028582 [T7 und T8]):

Unbestritten ist nämlich in Lehre und Rechtsprechung, dass eine Haftung des Geschäftsherrn nach dem hier gemäß Art 4 Abs 4 EVÜ subsidiär anzuwendenden § 1313a ABGB für ein schädigendes Verhalten seines Gehilfen nicht nur dann zum Tragen kommt, wenn die Schadenszufügung bei Erbringung der Hauptleistung selbst erfolgte, sondern auch dann, wenn die Schäden außerhalb der Erbringung der Hauptleistung etwa durch Verletzung von Nebenpflichten wie Schutz- und Sorgfaltspflichten herbeigeführt wurden. Da der Schuldner bei Erbringung der Hauptleistung alle Rechtsgüter des Gläubigers, mit denen er in Berührung kommt, nach Tunlichkeit vor Schaden zu bewahren hat, verletzt auch sein Erfüllungsgehilfe diese Pflicht, weshalb der Geschäftsherr gemäß § 1313a ABGB zu haften hat. Schutzobjekt ist das Integritätsinteresse des anderen Teils. Die unerlaubte Handlung des Erfüllungsgehilfen muss aber nicht nur jenen Aufgabenbereich betreffen, zu dessen Wahrnehmung er von seinem Geschäftsherrn bestellt wurde, sondern die Handlung des Erfüllungsgehilfen muss auch in einem inneren sachlichen Zusammenhang mit der Erbringung der Leistung stehen. In anderen Worten muss der Gehilfe bei der Verfolgung der Interessen des Schuldners tätig gewesen sein, er somit in das Interessenverfolgungsprogramm des Schuldners und damit in seinen Risikobereich einbezogen worden sein (5 Ob 107/06f mwN).

Daher sind auch vorsätzliche unerlaubte Handlungen dem Geschäftsherrn zuzurechnen, wenn ein solcher „innerer sachlicher Zusammenhang" zwischen der schädigenden Handlung des Erfüllungsgehilfen und der Erfüllung des Vertrags besteht, das Delikt also innerhalb des Pflichtenkreises gesetzt wird, den der Geschäftsherr vertraglich übernommen hat (stRsp; RIS-Justiz RS0028691; RS0028626; 3 Ob 234/05s). Der Geschäftsherr hat auch dann für den Gehilfen nach § 1313a ABGB einzustehen, wenn dieser aus eigenem Antrieb nicht geschuldete Handlungen setzt, die vom sachlichen Zusammenhang mit der geschuldeten Leistung noch mitumfasst sind (RIS-Justiz RS0028425 [T3]).

Dies könnte hier der Fall sein, weil der Fahrer der Beklagten sicherlich keine eigenen Interessen verfolgt hat (RIS-Jusitz RS0028582 [T7]). Damit ist auch entscheidungswesentlich, ob er den Anweisungen des Verladearbeiters entsprechend gehandelt hat (sodass sein Verhalten dem Absender zuzurechnen wäre), oder ob er „eigenmächtig" gehandelt hat und eine Zurechnung seines Verhaltens zur Beklagten in Betracht kommt. Wenn das Berufungsgericht zur abschließenden Beurteilung der Frage der Gehilfenhaftung eine Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlage in diesem Sinn für erforderlich hielt, ist dem nicht entgegenzutreten.

Die Rechtsmittelwerberin wendet sich gegen die Richtigkeit der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts in den dargelegten Fragen. Der Rekurs macht somit nur Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt und ist daher zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0048272 [T11], 5 Ob 91/09g).

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO. Die Klägerin hat in der Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.

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