OGH 5Ob107/06f

OGH5Ob107/06f27.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Veith, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Dr. Johannes Hock sen., Dr. Johannes Hock jun. Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Wien, gegen die beklagte Partei B*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Löhnert, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 185.640 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 18. Jänner 2006, GZ 2 R 104/05m-48, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Unbestritten ist in Lehre und Rechtsprechung, dass eine Haftung des

Geschäftsherrn nach § 1313a ABGB für ein schädigendes Verhalten

seines Gehilfen nicht nur dann zum Tragen kommt, wenn die

Schadenszufügung bei Erbringung der Hauptleistung selbst erfolgte,

sondern auch dann, wenn die Schäden außerhalb der Erbringung der

Hauptleistung etwa durch Verletzung von Nebenpflichten wie Schutz-

und Sorgfaltspflichten herbeigeführt wurden. Weil der Schuldner bei

Erbringung der Hauptleistung alle Rechtsgüter des Gläubigers, mit

denen er in Berührung kommt, nach Tunlichkeit vor Schaden zu bewahren

hat, verletzt auch sein Erfüllungsgehilfe diese Pflicht, weshalb der

Geschäftsherr gemäß § 1313a ABGB zu haften hat (7 Ob 33/87 = ZVR

1988/70; 2 Ob 591/83 = JBl 1985, 239 mwN). Schutzobjekt ist das

Integritätsinteresse des anderen Teils (vgl 1 Ob 711/89 = SZ 63/201

mwN). Die unerlaubte Handlung des Erfüllungsgehilfen muss aber nicht

nur jenen Aufgabenbereich betreffen, zu dessen Wahrnehmung er von

seinem Geschäftsherrn bestellt wurde (vgl Harrer in Schwimann Rz 20

zu § 1313a ABGB), sondern die Handlung des Erfüllungsgehilfen muss

auch in einem inneren sachlichen Zusammenhang mit der Erbringung der

Leistung stehen (2 Ob 606/84 = JBl 1986, 248; JBl 1985, 239; SZ

63/201 mwN). In anderen Worten muss der Gehilfe bei der Verfolgung

der Interessen des Schuldners tätig gewesen sein, er somit in das

Interessenverfolgungsprogramm des Schuldners und damit in seinen

Risikobereich einbezogen worden sein (1 Ob 566/88 = WBl 1988, 403; 1

Ob 564/94 = SZ 67/101; 1 Ob 33/94 = SZ 67/208; Reischauer in Rummel³

Rz 1 zu § 1313a ABGB mwN).

Zweck der Haftung des § 1313a ABGB ist es, Gefahren vorzubeugen, die sich gerade aus der Art der geschuldeten Leistung ergeben, wobei es dann keine Rolle spielt, ob die Handlungsweise des Erfüllungsgehilfen einen speziell erteilten Auftrag überschritt (SZ 63/201) oder innerhalb einer Geschäftsbeziehung kostenlos war (2 Ob 332/00p = ZVR 2002/23). Nur bei bloßen Gefälligkeiten, denen ersichtlich ein rechtsgeschäftlicher Verpflichtungswille fehlt oder die nicht bei der Verfolgung der Interessen des Schuldners gesetzt werden, tritt eine

solche Haftung nicht ein (4 Ob 604/70 = SZ 43/209; SZ 67/208; 2 Ob

19/97a = JBl 1999, 244 ua).

Im vorliegenden Fall standen die nunmehrigen Streitparteien in einer „rechtlichen Sonderverbindung", nämlich in einem Vertragsverhältnis, in dessen Rahmen die Klägerin der Beklagten Flugzeuge gegen Entgelt zur Verfügung stellte. Dabei unterlag die Anlieferung der Flugzeuge der vertraglichen Verpflichtung der Klägerin.

Als die Klägerin in Erfüllung einer solchen Vertragsverpflichtung am 24. 12. 2001 durch ihren Geschäftsführer ein Flugzeug auf dem Flughaften Helinikon in Athen landete, platzte kurz nach dem Aufsetzen einer der Reifen des Hauptfahrwerks. Das Flugzeug war manövrierunfähig und stand auf der Landebahn des Flughafens. Der Flughafenbetreiber verlangte vom Geschäftsführer der Klägerin die sofortige Entfernung des Flugzeugs von der Landebahn. Weil dieser weder der griechischen Sprache mächtig war noch entsprechendes Gerät zum Heben und Entfernen des Flugzeugs mit sich führte, erklärte sich die Beklagte über Ersuchen bereit, einen ihrer Leute mit der Bergung des Flugzeugs zu beauftragen. Dabei wurde das Flugzeug der Klägerin beschädigt, worauf diese den klagsgegenständlichen Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte, gestützt auf § 1313a ABGB, gründet.

Wenn das Berufungsgericht bei diesem Sachverhalt (auf Basis des unstrittig anzuwendenden österreichischen Sachrechts) eine vertragliche Haftung der Beklagten nach § 1313a ABGB für das schädigende Verhalten ihres Angestellten verneinte, liegt darin angesichts der oben wiedergegebenen Rechtslage keine auffallende Fehlbeurteilung, die durch den Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste. Vielmehr hält sich die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes im Rahmen der dazu ergangenen Rechtsprechung (vgl auch RIS-Justiz RS0028499). Den in der außerordentlichen Revision der klagenden Partei zitierten höchstgerichtlichen Entscheidungen ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen.

Zuletzt erweist sich auch die Mängelrüge der außerordentlichen Revision als nicht berechtigt, weil es nicht darauf ankommt, ob der Begriff „Gefälligkeitszusage" den erstgerichtlichen Feststellungen zu entnehmen ist. Sowohl dieser Begriff als auch jener der Interessenverfolgung stellen rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht dar. Dass die Beklagte ihrem Angestellten einen entsprechenden Auftrag erteilte, ändert nach der oben wiedergegebenen Rechtslage nichts.

Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO erweist sich damit die außerordentliche Revision als unzulässig. Sie war daher zurückzuweisen.

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