OGH 7Ob142/06t

OGH7Ob142/06t5.7.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard K*****, vertreten durch Dr. Edmund Pointinger, Rechtsanwalt in Bad Hall, gegen die beklagte Partei W*****-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Alfred Windhager, Rechtsanwalt in Linz, wegen EUR 10.542,85 sA, über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 13. Februar 2006, GZ 6 R 168/05a-19, womit das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 7. Juni 2005, GZ 5 Cg 166/04p-14, infolge Berufung der Beklagten teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der beklagten Partei auf Ersatz der Kosten der Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei, änderte diesen Ausspruch auf Antrag (Zulassungsvorstellung) des Klägers gemäß § 508 Abs 1 ZPO aber dahin ab, dass es die Revision doch für zulässig erklärte. Aus oberstgerichtlicher Rechtsprechung ergebe sich, dass ein in einem Vorprozess ergangenes präjudizielles rechtskräftiges Urteil, das durch eine Wiederaufnahmsklage beseitigt werden könnte, dem (bereicherungsrechtlichen) Begehren auf Rückzahlung der auf Grund dieses Urteiles geleisteten Zahlung entgegenstehe. Andererseits ergebe sich aus der vom Kläger im Moniturantrag zitierten Entscheidung 8 ObA 200/02y, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes die Entgeltleistungen des Dienstgebers nach Wegfall des fiktiv fortbestandenen Arbeitsverhältnisses nach Abänderung des der Kündigungsanfechtung stattgebenden ersten Urteiles generell rückforderbar seien. Der Rückforderbarkeit stehe auch die Rechtskraft eines Leistungsurteiles nicht entgegen, welches die Vorfrage des fiktiv aufrechten Arbeitsverhältnisses auf Grund des der Kündigungsanfechtung stattgebenden ersten Urteiles und der Verbindlichkeitswirkung des § 61 ASGG beantworten habe müssen (SZ 72/200). Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu den Voraussetzungen für die bereicherungsrechtliche Rückforderung von Beträgen nach § 1435 ABGB, zu deren Zahlung der Kläger in einem Vorprozess rechtskräftig verurteilt worden war, sei demnach uneinheitlich, weshalb die Revision doch zuzulassen sei. Entgegen diesem, den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes ist die vom Kläger gegen den abweislichen Teil der Berufungsentscheidung erhobene Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem Begehren auf Rückzahlung des der Beklagten auf Grund des Versäumungsurteiles vom 4. 11. 2002 geleisteten Betrages von EUR 9.050,51 will der Kläger die Wirkung dieser rechtskräftigen Entscheidung beseitigen. Dem steht allerdings nach ganz herrschender Meinung deren Bindungswirkung entgegen, die sich darin äußert, dass das Gericht zwar über das zweite (hier gegenständliche) Begehren mit Sachentscheidung abzusprechen, dabei aber die rechtskräftige Entscheidung zugrundezulegen hat (RZ 1977/49; SZ 55/74; SZ 60/43; RZ 1989/96; 1 Ob 527/94 uva). Die Bindungswirkung, die bei Präjudizialität der rechtskräftigen Entscheidung, also dann eintritt, wenn der rechtskräftig entschiedene Anspruch Vorfrage (bedingendes Rechtsverhältnis) für den weiteren Anspruch ist (Fasching/Klicka in Fasching/Konecny2 III § 411 ZPO Rz 53), hindert zwar nicht die Urteilsfällung über den neuen Anspruch, schließt jedoch die Verhandlung, Beweisaufnahme und neuerliche Prüfung eines rechtskräftig entschiedenen Anspruches über ein neues, begrifflich aber untrennbar mit dem Inhalt der rechtskräftigen Vorentscheidung zusammenhängendes Klagebegehren aus. Die Berufung auf Tatsachen, die bei Schluss der Verhandlung erster Instanz im Vorprozess schon existent waren, aber nicht vorgebracht wurden, ist ausgeschlossen (1 Ob 527/94). Die Prozessordnung sieht für derartige Fälle, worauf schon das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat, grundsätzlich die Wiederaufnahmsklage (§§ 530 ff ZPO) vor. Es ist nicht zulässig, den abgeurteilten Rechtsanspruch ohne Vorliegen dieser Voraussetzungen deshalb neuerlich geltend zu machen, weil der Tatbestand schon zur Zeit der ersten Entscheidung sich anders dargestellt hat als er vorgetragen oder vermittelt wurde. Neues Vorbringen wäre durch die Rechtskraft nur dann nicht präkludiert, wenn es mit dem Prozessstoff des ersten Rechtsstreites nicht im Zusammenhang stünde. Die inhaltliche Bindung an die Entscheidung des Vorprozesses hat daher zur Folge, dass die Vorentscheidung unter Ausschluss der sachlichen Verhandlung und Prüfung ihres Gegenstandes dem neuerlichen Urteil über den nunmehr erhobenen Anspruch zugrundezulegen ist. Der Richter hat in einem solchen Fall also von dem bereits rechtskräftig entschiedenen Anspruch auszugehen und ihn ohne weiteres seiner neuen Entscheidung zugrundezulegen (SZ 52/151; 1 Ob 527/94 mwN). Diese Bindungswirkung kann durch eine im materiellen Recht begründete selbständige Klage auf Beseitigung der durch die Erfüllung der urteilsmäßigen Leistungspflicht herbeigeführten Wirkungen unter Berufung auf einen Tatbestand des materiellen Rechtes, der im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz der Begründetheit des Klagebegehrens entgegenstand, nicht durchbrochen werden, mag diese Klage etwa auch auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes oder der Bereicherung gestützt werden (EvBl 1971/332; SZ 49/81; RdW 1995, 386). Ein derartiges Klagebegehren auf Rückzahlung von Beträgen, zu deren Leistung der Kläger - wenn auch mit Versäumungsurteil - in einem Vorprozess rechtskräftig verurteilt wurde, ist nach ständiger Rechtsprechung als Folge der Bindungs- (Tatbestands-)wirkung des im Vorprozess ergangenen Urteiles daher abzuweisen (SZ 44/14 = EvBl 1971, 630/332; SZ 49/81; SZ 67/153; RIS-Justiz RS0016737).

Die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichtes folgt diesen in ständiger, gesicherter Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen, die auch von der Lehre gebilligt werden. Fasching/Klicka etwa bezeichnen aaO die im vorliegenden Fall prozessentscheidende Frage der (bereicherungsrechtlichen) Rückforderung jener Leistung, zu der der Schuldner rechtskräftig verurteilt wurde, als „das deutlichste Beispiel für die Notwendigkeit einer Bindungswirkung". Anders stellt sich die Rechtslage bei Änderungen des rechtserzeugenden Tatbestandes dar, die nach Schluss der mündlichen Verhandlung bzw dem Zeitpunkt der Vorentscheidung erfolgen. Diese werden durch die Rechtskraft der Vorentscheidung nicht gedeckt (SZ 22/167; RZ 1957, 123 uva). Das bedeutet in positiver Hinsicht, dass auf solche nachträgliche Tatbestandsänderungen eine neue Klage auch mit dem gleichen Begehren gestützt werden kann; in negativer Hinsicht folgt daraus, dass solche Tatsachen nicht für eine Wiederaufnahme des Vorprozesses geeignet sind (Fasching/Klicka aaO III § 411 ZPO Rz 95 mwN). Maßgeblich dafür, ob eine rechtserhebliche Tatsache vor oder nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung (bzw der Urteilsfällung) eingetreten ist, ist der Zeitpunkt ihrer rechtlichen Beachtlichkeit. Wenn also eine rechtshindernde Tatsache zwar erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung, aber rückwirkend (ex tunc) beseitigt wurde, stellt dies keine nachträgliche Tatbestandsänderung in dem hier gemeinten Sinn dar, sondern eine Tatsache, die allenfalls die Wiederaufnahme, nicht aber eine neue Klage rechtfertigt (Fasching/Klicka aaO Rz 96). Als Beispiel für mögliche Fälle späterer Tatbestandsänderungen, die durch die Rechtskraft nicht gedeckt sind, seien Unterhaltsansprüche genannt, die der causula rebus sic stantibus unterliegen; nach ständiger Rechtsprechung hält daher die materielle Rechtskraft einer Entscheidung, mit der ein Unterhaltsanspruch bemessen wurde, einer ins Gewicht fallenden nachträglichen Änderung des Sachverhaltes nicht Stand (1 Ob 56/05z, RIS-Justiz RS0016737 [T2]).

In diese Kategorie der Änderungen des rechtserzeugenden Tatbestandes fallen nun auch die vom Berufungsgericht erwähnten Entscheidungen 9 ObA 283/99d, SZ 72/200 und 8 ObA 200/02y, die der Revisionswerber vor allem ins Treffen führt. Dort wurde die Änderung des rechtserzeugenden Tatbestandes jeweils durch ein Urteil des Obersten Gerichtshofes herbeigeführt, das im Gegensatz zur Entscheidung der ersten Instanz (nach der das Arbeitsverhältnis gemäß § 61 Abs 1 Z 1 ASGG fiktiv als aufrecht zu betrachten war) die Kündigung des Klägers für rechtswirksam erklärte. Angesichts dieser Änderung des rechtserzeugenden Tatbestandes wurde folgerichtig ausgesprochen, dass der Geltendmachung eines Bereicherungsanspruches mangels Identität des Anspruches nicht entgegensteht, dass die Leistung des Entgeltes auf Grund der Rechtskraft eines Urteiles erfolgte, das die Vorfrage des fiktiv aufrechten Arbeitsverhältnisses auf Grund des der Kündigungsanfechtung stattgebenden ersten Urteiles und der Verbindlichkeitswirkung des § 61 ASGG beantworten musste. Der vom Revisionswerber behauptete Widerspruch dieser Entscheidungen zur übrigen oberstgerichtlichen Judikatur betreffend die Bindungswirkung rechtskräftiger präjudizieller Vorentscheidungen ist daher nicht gegeben. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes kann von einer Uneinheitlichkeit der einschlägigen oberstgerichtlichen Judikatur sohin keine Rede sein. Es liegt kein tauglicher Grund für eine inhaltliche Behandlung des Rechtsmittels des Klägers gegen die - gesicherter Judikatur folgende - Berufungsentscheidung vor. Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 40 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung lediglich auf die Unrichtigkeit der Revisionsauführungen, nicht aber auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels ihres Prozessgegners hingewiesen. Kosten für die Revisionsbeantwortung können ihr daher nicht zugesprochen werden (RIS-Justiz RS0035962 und RS0035979).

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