OGH 6Ob60/22z

OGH6Ob60/22z24.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M*, verteten durch Dr. Robert Mogy, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagten Parteien 1. G* Rechtsanwaltspartnerschaft (OG), *, vertreten durch Mag. Michael Rainer, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, 2. L* Rechtsanwälte GmbH, *, vertreten durch RA Dr. Franz P. Oberlercher & RA Mag. Gustav H. Ortner Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H. in Spittal an der Drau, wegen 905.280,58 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 22. Februar 2022, GZ 3 R 163/21x‑29, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 15. Oktober 2021, GZ 41 Cg 68/20v‑19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00060.22Z.0324.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Der Kläger kontaktierte im Mai 2014 den Geschäftsführer der Erstbeklagten, Dr. C*, und kam daraufhin in deren Kanzlei. Er erklärte dem Geschäftsführer der Erstbeklagten, dass er von J* Aktien zum Sonderpreis gekauft habe, wobei es dazu auch entsprechende Verträge gäbe. Er beauftragte die Erstbeklagte mit der Einbringung einer Herausgabeklage gegen J* und der Erstattung einer Sachverhaltsdarstellung (an die Strafverfolgungsbehörden). Dazu unterfertigte er eine Vollmacht, die der Geschäftsführer der Erstbeklagten mit ihm Punkt für Punkt durchging. In der Folge übermittelte der Kläger dem Geschäftsführer der Erstbeklagten SMS-Verkehr, aus dem sich die Aktienkäufe schlüssig ableiten ließen, von J* unterzeichnete Bestätigungen über die Aktienkäufe und Belege zu den getätigten Überweisungen sowie eine ausführliche Sachverhaltsdarstellung. Betreffend der Aktienkäufe erwähnte der Kläger, dass es eine notariell beglaubigte Bestätigung gebe. Der Geschäftsführer der Erstbeklagten bereitete die Klage und die Sachverhaltsdarstellung vor und brachte sie nach Freigabe durch den Kläger bei den zuständigen Stellen ein.

[2] In dem daraufhin beim Landesgericht Linz geführten Zivilprozess (Vorprozess) begehrte der von der Erstbeklagten vertretene Kläger von J* ursprünglich die Herausgabe von Aktien, in eventu die Übertragung der Aktien auf ein Wertpapierdepot. Da J* das Bestehen eines Aktiendepots bestritten hatte, begehrte der Kläger dort (letztlich) die Zahlung von 750.381 EUR sA, resultierend aus 124 Einzelüberweisungen im Zeitraum 13. 4. 2006 bis 25. 2. 2013. Er brachte vor, J* habe ihn unter Vortäuschung unrichtiger Tatsachen, nämlich der wahrheitswidrigen Behauptung, er kaufe mit den überwiesenen Geldbeträgen Aktien für ihn, zur Überweisung verleitet. Er habe J* diese Beträge nicht geschenkt. Sexuelle Kontakte zwischen ihnen habe es nicht gegeben. Bereits ab der Klagebeantwortung verantwortete sich J* damit, dass es keine Aktienverkäufe gegeben habe, sondern es sich bei den Geldbeträgen um Geschenke handeln würde. Er bestritt jegliche Täuschungshandlung und erklärte, den Kläger nicht zur Herausgabe von Geldbeträgen verleitet zu haben. Die überwiesenen Geldbeträge seien Schenkungen, die der Kläger wegen ihres sexuellen Verhältnisses getätigt habe. Der Geschäftsführer der Erstbeklagten leitete sämtliche Schriftstücke an den Kläger weiter und besprach sie mit ihm. Dieser dementierte das gegnerische Vorbringen und bestritt, dass er J* Geld geschenkt habe; er habe nur Zuwendungen in Form von Essenseinladungen oder ähnlichem von maximal 100 EUR gemacht. In Zusammenschau mit den vorliegenden Unterlagen, in denen nirgends das Wort „Schenkung“ angeführt war, hatte der Geschäftsführer der Erstbeklagten keinen Grund, an den Angaben des Klägers zu zweifeln. Ein Vorbringen, wonach es sich um Schenkungen gehandelt habe, die nun widerrufen würden, erstattete er nicht. In der Folge besprach der Geschäftsführer der Erstbeklagten mit dem Kläger wöchentlich den Fortgang des Straf- und des Zivilverfahrens. Im Juli 2015 löste der Geschäftsführer der Erstbeklagten die Vollmacht auf. Zu diesem Zeitpunkt war das strafrechtliche Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen.

[3] Im Juli 2015 kontaktierte der Kläger den Geschäftsführer der Zweitbeklagten, Mag. O*. Nach Durchsicht verschiedener Unterlagen betreffend Zivil- und Ermittlungsverfahren fragte der Geschäftsführer der Zweitbeklagten bei der Rechtsschutzversicherung an, ob er die Vertretung des Klägers nach der Erstbeklagten übernehmen könne. Die Versicherung stimmte zu und wies ihn auf die mit einer Höchstsumme begrenzte Deckung hin. Nach Erhalt dieser Information beauftragte der Kläger die Zweitbeklagte zunächst mit der Vertretung im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Im Vorprozess vereinbarten der Kläger, vertreten durch die Zweitbeklagte, und der dortige Beklagte einfaches Ruhen des Verfahrens.

[4] Am 20. 7. 2016 (während des Vorprozesses) erkannte das Landesgericht für Strafsachen Graz J* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betrugs zu Lasten des Klägers für schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten. Danach hat J* den Kläger im Zeitraum Anfang 2007 bis Ende Februar 2013 in zahlreichen Angriffen zur Überweisung von Geldbeträgen im Gesamtausmaß von 100.000 EUR durch die wahrheitswidrige Vorgabe verleitet, er würde ihm Aktien aus einem Aktiendepot, das ein ihm wohlgesonnener Lehrer für ihn eröffnet habe und über das er zu einem späteren Zeitpunkt frei verfügen dürfe, zu einem günstigen Preis verkaufen und für ihn bis zu ihrer Freigabe verwalten, wobei er ihm teilweise falsche Depotauszüge sowie ein falsches E-Mail des Lehrers gezeigt hat. Hinsichtlich weiterer 751.181 EUR wurde J* von der Anklage des schweren Betrugs zu Lasten des Klägers gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Der Kläger erhielt einen Privatbeteiligtenzuspruch von 100.000 EUR; mit 740.000 EUR wurde er auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

[5] Nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens im August 2017 wurde der Vorprozess fortgesetzt. Das gegnerische Schenkungsvorbringen war immer wieder Gesprächsthema, der Kläger widersprach dem stets und erklärte, weder J* noch sonst jemandem je Geldgeschenke gemacht zu haben. Ausgehend von dieser Verantwortung brachte der Geschäftsführer der Zweitbeklagten nicht vor, dass die Überweisungen an J* mit Schenkungswillen erfolgt wären, die nun widerrufen würden.

[6] Mit Urteil vom 28. 12. 2018 wies das Landesgericht Linz im Vorprozess das Klagebegehren ab und traf folgende Feststellungen:

„Der Kläger hat dem Beklagten [J*] im Zeitraum von 13. April 2006 bis 25. Februar 2013 in insgesamt 124 Einzelüberweisungen Geldbeträge im Umfang von gesamt EUR 853.096,00 überwiesen. Es kann nicht festgestellt werden, in welchem über EUR 5.000,00 hinausgehenden betraglichen Ausmaß der Beklagte [J*] den Kläger durch die wahrheitswidrige Vorgabe, er würde ihm Aktien (zu einem günstigen Preis) verkaufen, zu wiederholten Überweisungen von Geldbeträgen verleitet und diesen dadurch am Vermögen geschädigt hat oder der Kläger dem Beklagten vielmehr wiederholt Geldbeträge jeweils vom Schenkungswillen getragen ohne Rückzahlungserwartung und -vereinbarung überwiesen hat.“

[7] Das Landesgericht Linz konnte nicht mit der erforderlichen (hohen) Wahrscheinlichkeit feststellen, ob es sich bei den in Rede stehenden Geldbeträgen jeweils um Schenkungen des Klägers gehandelt habe oder um Überweisungen des Klägers, zu denen J* ihn unter dem falschen Vorwand, damit jeweils Aktien für ihn zu kaufen, verleitet hatte. Das Landesgericht Linz gelangte rechtlich zum Ergebnis, die Negativfeststellung gehe zu Lasten des für die Täuschung beweispflichtigen Klägers.

[8] Das Oberlandesgericht Linz gab der Berufung des Klägers nicht Folge, weil nach den getroffenen (Negativ-)Feststellungen eine Schenkung möglich bleibe und der Bereicherungskläger seiner Beweispflicht für die Rechtsgrundlosigkeit der Leistung daher nicht nachgekommen sei.

[9] Der Kläger steht nach wie vor auf dem Standpunkt, dass er J* die Geldbeträge nicht geschenkt hat, sondern dass diese ihm von J* unter der Vorgabe, damit Aktien zum Sonderpreis für ihn zu kaufen, herausgelockt wurden. Hätten die Beklagten ein Vorbringen dahin erstattet, dass es sich bei den Geldüberweisungen um Schenkungen gehandelt habe, die nunmehr wegen Undank widerrufen würden, hätte der Kläger im Verfahren dennoch ausgesagt, dass er J* die Geldbeträge nicht geschenkt hat. Er wäre immer bei seinen Angaben, es habe sich um Überweisungen für Aktienkäufe gehandelt, geblieben.

[10] Der Klägerbegehrt die Zahlung von 905.280,58 EUR sA, gestützt auf Beratungs- und Vertretungsfehler der Beklagten. Trotz des Schenkungseinwands im Vorprozess sei er nicht über sein Recht zum Schenkungswiderruf wegen Undanks gemäß § 948 ABGB aufgeklärt worden. Selbstverständlich hätte er entschieden, sämtliche Schenkungen an J* zu widerrufen, soweit die Überweisungen als Schenkungen qualifiziert würden. Dieses Vorbringen wäre zu erstatten und das Klagebegehren hilfsweise auf den Rechtsgrund des Schenkungswiderrufs zu stützen gewesen. Entsprechend dem damaligen Informationsstand und mangels schriftlichen Aktienkaufvertrags hätte die Erstbeklagte erhebliche Zweifel an der Qualifikation der Überweisungen als Kaufpreiszahlungen haben müssen. Die Zweitbeklagte habe in der Folge die Vertretung im Vorprozess übernommen und wäre verpflichtet gewesen, sich über den Verfahrensgegenstand zu informieren und notwendige Prozesshandlungen zu prüfen. Ihr sei derselbe Aufklärungsfehler wie der Erstbeklagten vorzuwerfen. Die Beklagten hätten im Vorprozess das Vorbringen erstatten müssen, dass die Schenkungen des Klägers an J*, wenn und soweit die unbestrittenen Überweisungen als Schenkungen qualifiziert werden sollten, widerrufen werden und das Klagebegehren hilfsweise auf den Schenkungswiderruf gestützt werde. Dann hätte der Kläger dort obsiegt. Der Klagsbetrag setzte sich aus der Klagsforderung des Vorprozesses von 753.096 EUR, den eigenen Vertretungskosten von 90.192,50 EUR und dem an J* geleisteten Kostenersatz von 61.992,08 EUR zusammen.

[11] Die Erstbeklagtewendete ein, Hintergrund der Klagsführung im Vorprozess sei die Behauptung des Klägers gewesen, er habe im Oktober 2013 einen Vertrag mit J* über den Kauf von Aktien abgeschlossen. Bei Klagseinbringung habe kein Grund zu der Annahme bestanden, es habe sich bei den überwiesenen Beträgen um Schenkungen gehandelt. Der Einwand, die Beträge seien Geldgeschenke für homoerotische Dienste gewesen, sei vom Kläger vehement bestritten worden. Ausgehend von dessen Behauptungen, auf die sie vertrauen habe dürfen, und den vorliegenden Urkunden habe kein Anlass bestanden, einen Schenkungswiderruf zu erklären. Selbst bei einem Obsiegen des Klägers im Vorprozess wäre der zugesprochene Betrag aufgrund der schlechten Vermögenssituation des dort Beklagten uneinbringlich gewesen. Mit der abgegebenen Vollmachtserklärung sei mit dem Kläger vereinbart worden, dass die Haftung der Erstbeklagten aus ihrer beruflichen Tätigkeit mit 400.000 EUR beschränkt sei.

[12] Die Zweitbeklagte hielt dem Klagsvorbringen entgegen, der Kläger habe nicht nur verschwiegen, mit J* eine homosexuelle Beziehung geführt zu haben, sondern auch, dass Geldleistungen wegen dieser geflossen seien. Ein Vorbringen, nach dem die Geldbeträge Geschenke gewesen wären und zu einem diesbezüglichen Schenkungswiderruf, wäre vom Kläger nie akzeptiert worden, und hätte J* die Verjährung des Widerrufs eingewandt. Im Übrigen sei im Vorprozess keine Feststellung getroffen worden, nach der die Überweisungen in Schenkungsabsicht erfolgt seien. J* hätte mangels finanzieller Möglichkeiten einen dem Kläger im Vorprozess zugesprochenen Betrag nie bezahlen können.

[13] Das Erstgerichtwies die Klage ab. Die den Beklagten vorgeworfenen Unterlassungen seien für den Prozessverlust des Klägers nicht kausal gewesen. Der Kläger werfe den Beklagten vor, ein Vorbringen dahin unterlassen zu haben, die Schenkungen, wenn und soweit die unbestrittenen Überweisungen als solche qualifiziert werden sollten, zu widerrufen. Eine solche Schenkung habe im Vorprozess nicht festgestellt werden können. Daher wären die Voraussetzungen für einen behaupteten Widerruf nicht geprüft worden. Das unterlassene Vorbringen zu erheben, hätte daher zu keinem anderen Ergebnis geführt.

[14] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es kam rechtlich nach Darstellung der Pflichtenlage des Rechtsanwalts gegenüber seinem Mandanten zusammengefasst zum Ergebnis, dass die Beklagten ihren Beratungspflichten jeweils nicht ausreichend nachgekommen seien, weil eine Auseinandersetzung mit dem Schenkungseinwand des J* dahin, wie und mit welchem Vorbringen rechtlich auf diesen reagiert werden könnte, nicht erfolgt sei. Der Umstand, dass der Kläger bis zuletzt eine Schenkung in Abrede gestellt habe, bedeute nicht, er hätte sich bei entsprechender Beratung selbst dafür entschieden, kein Vorbringen zum Widerruf möglicherweise als geschenkt qualifizierter Beträge zu erstatten. Im Übrigen wäre mit einem solchen Vorbringen keinerlei Nachteil für den Kläger verbunden gewesen, weshalb ein Sorgfaltsverstoß der Beklagten zu bejahen sei. Der Einwand des Klägers, die Klage hätte auch auf die Behauptung gestützt werden müssen, jede möglicherweise – entgegen der Überzeugung des Klägers – durch das Gericht als Schenkung qualifizierte Überweisung werde widerrufen, wäre nur dann beachtlich, wenn Schenkungen (positiv) festgestellt worden wären. Da es im Vorprozess gerade nicht gelang festzustellen, worauf sich die Überweisungen des Klägers gründen und demnach das zugrunde liegende Rechtsgeschäft (Schenkung) nicht feststehe, komme ein Widerruf nicht in Frage. Für einen Erfolg im Vorprozess hätte dort vorgebracht werden müssen, die Geldbeträge entweder zurückzufordern, weil es sich um betrügerisch herausgelockte Überweisungen gehandelt oder weil es sich um Schenkungen gehandelt habe, die wegen groben Undanks widerrufen würden. Die Unterlassung einer solchen Behauptung zweier alternativer Sachverhalte mache der Kläger hier aber nicht geltend. Dem Klagebegehren im Vorprozess wäre daher auch bei Erstattung des hier vom Kläger als unterlassen vorgeworfenen Vorbringens durch die Beklagten nicht stattgegeben worden.

Rechtliche Beurteilung

[15] Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig, weil die Rechtsansicht des Berufungsgerichts betreffend das für eine kumulative Klagenhäufung notwendige Vorbringen einer Korrektur bedarf. Sie ist im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen auch berechtigt.

[16] 1. Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[17] 2.1. Die strafbare Handlung des J* zu Lasten des Vermögens des Klägers, aufgrund der auch eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des J* erfolgte, bildete einen ausreichend gewichtigen Grund, Schenkungen des Klägers an J* gemäß § 948 ABGB wegen Undanks zu widerrufen (vgl RS0079367; RS0079468). Schon durch den Vorsatz des J*, sich durch die betrügerische Schädigung des Klägers in beträchtlicher Höhe gewerbsmäßig unrechtmäßig zu bereichern, würde sich im vorliegenden Fall eine verwerfliche Außerachtlassung der Dankbarkeit und eine gewollte Kränkung des Klägers zeigen (vgl RS0031380).

[18] Zutreffend ist das Berufungsgericht daher davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf von Schenkungen gegeben waren, falls solche durch die Zahlungen an J* stattgefunden haben. Das wird von den Beklagten auch nicht bezweifelt.

[19] 2.2. Der Schenkungswiderruf verjährt gemäß § 1487 ABGB innerhalb von drei Jahren, wobei die Frist mit Kenntnis des Undanks zu laufen beginnt (1 Ob 503/78 = RS0018928; Dehn in KBB6 § 1487 Rz 3). Im Hinblick auf die letzte Zahlung des Klägers an J* im Februar 2013 war diese Frist auch bei Übernahme der Vertretung durch die Zweitbeklagte jedenfalls noch nicht abgelaufen.

[20] 3.1. Das Berufungsgericht hat die Rechtsprechungsgrundsätze zu den Pflichten des Rechtsanwalts und seiner Haftung wegen unterlassener Prozesshandlungen zutreffend dargestellt. Dementsprechend darf der Mandant davon ausgehen, der Rechtsanwalt werde alle nach der Rechtsordnung erforderlichen Schritte unternehmen, um ihn vor Nachteilen zu schützen und die Verwirklichung des ihm bekannten Geschäftszwecks sicherzustellen (RS0038724). Stellt sich dem Rechtsanwalt die Frage, ob er zur Vermeidung eines Schadens seines Mandanten eine Maßnahme zu treffen hat, die keinen Nachteil mit sich bringen kann, dann hat er diese zu ergreifen, auch wenn sie – aufgrund einer vertretbaren Rechtsansicht – möglicherweise nicht notwendig ist (vgl RS0038719).

[21] 3.2. Bereits das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass durch die Beklagten keine Auseinandersetzung mit dem Schenkungseinwand des J* dahin erfolgte, wie und mit welchem Vorbringen im Vorprozess darauf reagiert werden könnte. Ein sorgfältiger Anwalt hätte mit dem risikolosen Vorbringen zum Widerruf möglicherweise als geschenkt qualifizierter Beträge nicht grundlos zugewartet (vgl 7 Ob 316/01y). Die vorliegende Problematik möglicherweise als geschenkt qualifizierter Beträge musste auch die Zweitbeklagte bereits im Zuge ihrer Vertretung des Klägers im Strafverfahren, in dem (ebenfalls) die im Vorprozess gegenständlichen Ansprüche als Privatbeteiligter geltend gemacht wurden, und auch der damit in Zusammenhang stehenden Ruhensvereinbarung im Vorprozess erkennen (vgl 2 Ob 224/97y; RS0112205).

[22] 4.1. Liegt das Verschulden des Rechtsanwalts in der Unterlassung einer Prozesshandlung, ist über einen daraus abgeleiteten Schadenersatzanspruch der Prozess – auch in den dort in Betracht gekommenen rechtlichen Erwägungen – hypothetisch nachzuvollziehen und zu beurteilen, wie er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte, wenn die Prozesshandlung vorgenommen worden wäre (vgl RS0022706). Die hypothetische Beurteilung des Verfahrensausgangs eines Vorprozesses ist – wenn die Tatsachengrundlagen wie hier unstrittig sind – eine Rechtsfrage (RS0115755 [T4, T5]).

[23] Zutreffend hat daher das Berufungsgericht geprüft, ob jenes Vorbringen, dessen Unterlassung der Kläger den Beklagten nun vorwirft, zu einem für den Kläger günstigeren Prozessausgang des Vorprozesses geführt hätte.

[24] 4.2. Das Berufungsgericht legte seiner Beurteilung erkennbar die Behauptungen des Klägers zugrunde, wonach die Beklagten im Vorprozess das Vorbringen erstatten hätten müssen, dass die Schenkungen des Klägers an J*, wenn und soweit die unbestrittenen Überweisungen als Schenkungen qualifiziert werden sollten, widerrufen werden und das Klagebegehren hilfsweise auf den Schenkungswiderruf gestützt werde. Das Berufungsgericht war jedoch der Auffassung, mit diesem Vorbringen hätte die für einen Erfolg im Vorprozess erforderliche kumulierte Klagenhäufung nicht ausreichend behauptet werden können. Dazu hätte vorgebracht werden müssen, die Geldbeträge zurückzufordern, weil es sich entweder um betrügerisch herausgelockte Überweisungen oder um Schenkungen gehandelt habe, die wegen groben Undanks widerrufen würden. Dem kann nicht beigetreten werden.

[25] 4.3. Bei der (zulässigen) sogenannten kumulierten Klagenhäufung (RS0037814) macht der Kläger unterschiedliche rechtserzeugende Tatsachen (Klagegründe) geltend, wobei jeder für sich dem einheitlichen Urteilsbegehren insgesamt zum Erfolg verhelfen soll. Es widerspricht nicht den Vorschriften der Prozessordnung, nebeneinander zwei Klagegründe geltend zu machen, die einander ausschließen, während jeder aber den gestellten Urteilsantrag rechtfertigt (RS0038130; vgl RS0037782). Dabei schadet es jedenfalls nicht, wenn die zweite Begründung nur als Hilfsbegründung geltend gemacht wird, der Kläger also eine Reihung vornimmt (3 Ob 5/16f [ErwGr 6.2.]; 4 Ob 169/02k; zur Problematik vgl Geroldinger in Fasching/Konecny³ § 227 ZPO Rz 70 ff). Auf den weiteren Rechtsgrund hat das Gericht bei Verneinung des vorhergehenden einzugehen (3 Ob 5/16f [ErwGr 6.2.]; 2 Ob 266/82).

[26] 4.4. Es wäre auch nicht notwendig gewesen, dass der Kläger im Vorprozess selbst Vorbringen dahin erstattet, dass die Geldbeträge Schenkungen gewesen seien. Er hätte seiner Eventualbegründung das von ihm bestrittene dahingehende Vorbringen des im Vorprozess Beklagten zugrunde legen können (vgl 3 Ob 232/17i [ErwGr 6.]). Damit geht auch der Einwand der Beklagten ins Leere, der Kläger hätte im Vorprozess ein eigenes Vorbringen in Richtung gemachter Schenkungen nicht zugelassen.

[27] 4.5. Die Feststellungen im Vorprozess sind als Alternative zu verstehen. Danach waren die einzelnen Überweisungen jeweils entweder betrügerisch herausgelockt oder vom Schenkungswillen getragen. Das geht auch unzweifelhaft aus den (hier auch festgestellten) beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichts des Vorprozesses hervor und wurde im Übrigen im Vorprozess auch vom dortigen Berufungsgericht so aufgefasst, wonach gerade keine non liquet Feststellung zum Schenkungswillen vorlag (OLG Linz 2 R 29/19a [S. 4]). Auch im vorliegenden Verfahren ist das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung erkennbar von diesem Verständnis der Feststellungen des Vorprozesses ausgegangen.

[28] 4.6. Es stand daher im Vorprozess betreffend den alternativ angenommenen Sachverhalt der Schenkungswille fest. Die gegenteiligen Ausführungen der Beklagten, die auch insoweit ein entgeltliches Geschäft erblicken wollen, gehen ins Leere (vgl zu Zuwendungen an die Geliebte als Schenkungen überdies 8 Ob 560/90; 6 Ob 66/00z).

[29] 4.7. Hätte daher eine der Beklagten im Vorprozess das vom Kläger im gegenständlichen Verfahren gewünschte Vorbringen erstattet, hätte der Kläger im Vorprozess obsiegt. Denn es wäre dort bei jeder einzelnen Überweisung Betrug und Schenkungswiderruf zu prüfen gewesen. Da immer jeweils eine der beiden Sachverhaltsvarianten und für jede Variante auch eine Anspruchsgrundlage vorlagen, hätte ein Anspruchsgrund immer zum Zuspruch geführt.

[30] Die Begründung der Vorinstanzen trägt die Klagsabweisung daher nicht.

[31] 5.1. Nachdem die gegenständliche Klage bereits rund zwei Jahre nach Fällung des Urteils erster Instanz im Vorprozess eingebracht wurde, geht auch der Verjährungseinwand der Erstbeklagten ins Leere (§ 1489 ABGB).

[32] Sowohl die Erstbeklagte als auch die Zweitbeklagte haften daher dem Kläger für den durch den Prozessverlust im Vorprozess verursachten Schaden. Aufgrund der vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht der Vorinstanzen wurden dazu aber keine ausreichenden Feststellungen getroffen:

[33] 5.2. Zur Frage der (Un‑)Einbringlichkeit eines im Vorprozess (hypothetisch) zugesprochenen Betrags wurde zwar wechselseitig Vorbringen samt Beweisanträgen erstattet, dazu aber keine Feststellungen getroffen. Diese werden im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein (vgl 2 Ob 224/97y). Bei (teilweiser) Uneinbringlichkeit bestünde in diesem Umfang mangels Kausalität kein Schadenersatzanspruch.

[34] 5.3. Auch zu den behaupteten (aber bestrittenen) vom Kläger bezahlten Prozesskosten und Honoraren liegen keine Feststellungen vor. Behauptet wurde auch eine Inkassozession der Rechtsschutzversicherung des Klägers an diesen. Auch dazu werden Feststellungen zu treffen sein.

[35] 5.4. Gleiches gilt für die vom Kläger als sinnwidrig bezeichnete Klagseinschränkung im Vorprozess vom 31. 1. 2018 um 2.715 EUR auf 750.381 EUR und deren Gründe.

[36] 5.5. Die Erstbeklagte hat eine in der Vollmachtserklärung vereinbarte generelle Haftungsbeschränkung mit 400.000 EUR eingewendet. Dass diese Haftungsbeschränkung im einzelnen ausgehandelt wurde, die Erstbeklagte also grundsätzlich bereit gewesen wäre, davon abzugehen (vgl 3 Ob 189/19v; RS0128571), wurde von der Erstbeklagten zwar behauptet; dazu wurden aber keine Feststellungen getroffen. Nur dann käme die Prüfung einer geltungserhaltenden Reduktion dieser Klausel (vgl § 6 Abs 1 Z 9 KSchG) in Betracht, ansonsten entfiele die Klausel gänzlich (RS0128735).

[37] 6. Die unvollständige Sachverhaltsgrundlage führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht. Im fortgesetzten Verfahren werden die fehlenden Feststellungen nachzuholen und eine neuerliche Entscheidung zu treffen sein.

[38] 7. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.

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