OGH 6Ob265/07z

OGH6Ob265/07z17.12.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 31. August 2006 verstorbenen Friedrich L*****, über den Revisionsrekurs seiner Kinder 1. Heidi M*****, 2. Herta P*****, 3. Irmgard E*****, und 4. Isolde K*****, alle vertreten durch Dr. Siegfried Rack und Mag. Gottfried Tazol, Rechtsanwälte in Völkermarkt, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 13. August 2007, GZ 4 R 255/07b-21, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Wolfsberg vom 21. Juni 2007, GZ 11 A 394/06g-17, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts zu lauten hat:

„Es wird festgestellt, dass es sich bei dem von Friedrich L***** hinterlassenen landwirtschaftlichen Anwesen EZ ***** nicht um einen Erbhof im Sinn des § 2 Abs 1 Kärntner ErbhöfeG 1990 handelt."

Text

Begründung

Der am 31. 8. 2006 verstorbene Friedrich L***** war Alleineigentümer der landwirtschaftlichen Liegenschaft EZ *****, vulgo S*****. Die Gesamtfläche der Liegenschaft beträgt 5,0001 ha. Davon entfallen 4,5328 ha auf landwirtschaftlich genutzte Flächen und 0,4673 ha auf befestigte bzw verbaute Flächen. Auf der Liegenschaft stehen ein altes und ein neues Wohnhaus, ein Wirtschaftsgebäude sowie ein Nebengebäude. Das Wirtschaftsgebäude ist in einem stark desolaten Zustand.

Die zur Liegenschaft gehörenden Grundstücke Nr 357/1 und 357/2 wurden mit verbüchertem Bestandvertrag vom 22. 6. 1988 Wilhelm E***** in Bestand gegeben. Dieser errichtete auf den Grundstücken eine 65 m lange und 31 m breite Halle. Der Bestandvertrag wurde mit Vertrag vom 11. 3. 1993 mit dem nunmehrigen Bestandnehmer Johann F***** verlängert. Der Vertrag ist für den Bestandgeber bis zum 30. 6. 2018 unkündbar. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde dem Bestandnehmer das Superädifikat „unwiderruflich eingeräumt". Der Bestandnehmer ist verpflichtet, bei Beendigung des Bestandverhältnisses den Bestandgegenstand im ursprünglichen Zustand zurückzustellen. Allfällige Fundamente und das Superädifikat sind vom Bestandnehmer auf seine Kosten zu entfernen. Festgehalten wurde, dass das Bestandobjekt „zum damaligen Zeitpunkt" als Wiese genutzt wurde. Der Bestandnehmer nutzt das Bestandobjekt und das Superädifikat zum Betrieb einer Gokartbahn.

Nach Beendigung des Bestandverhältnisses wäre die Wiederaufnahme einer selbstständigen Bewirtschaftung möglich.

Die übrigen Grundstücke der erblasserischen Liegenschaft sind „größtenteils" mit Pachtvertrag vom 2. 3. 2000 an Anton Q***** verpachtet.

Zur Liegenschaft gehört das Grundstück Nr 357/13, das der Erblasser mit Kaufvertrag vom 17. 3. 2005 erworben hat und am 31. 8. 2006 als „Bauland-Gewerbegebiet" im Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde W***** ausgewiesen war. Der Erblasser hatte einer Rückwidmung dieses Grundstücks in „Grünland-Landwirtschaft" schon mit Schreiben vom 28. 2. 2005 zugestimmt. Dies wurde auch im Kaufvertrag festgehalten. Das Grundstück wurde nach dem Tod des Erblassers in land- und forstwirtschaftliches Grünland umgewidmet. Das Grundstück ist an Anton Q***** verpachtet und dient landwirtschaftlichen Zwecken.

Der Verstorbene hinterließ fünf Kinder. Eine Tochter hat er mit Testament vom 17. 12. 2002 zur Alleinerbin eingesetzt. Seine anderen Kinder bedachte er letztwillig nicht. Die Testamentserbin hat am 17. 10. 2006 eine bedingte Erbantrittserklärung abgegeben.

Zwischen der Testamentserbin und ihren Geschwistern wurde strittig, ob es sich bei der Liegenschaft des Erblassers um einen Erbhof im Sinn des Kärntner ErbhöfeG 1990 handelt.

Das Verlassenschaftsgericht stellte die Erbhofeigenschaft der Liegenschaft fest.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte - soweit im Revisonsrekursverfahren von Bedeutung - aus, die Grundstücke Nr 357/1 und Nr 357/2 seien nicht landwirtschaftlich, sondern auf 30 Jahre im Wesentlichen unkündbar zwecks gewerblicher Nutzung zum Betrieb einer Indoor-Gokartbahn verpachtet. In der Regel werde ein derart langer Bindungszeitraum die Erbhofeigenschaft einer Landwirtschaft in Frage stellen. Im Anlassfall sei jedoch der Bestandnehmer verpflichtet, den Bestandgegenstand dem Bestandgeber im ursprünglichen Zustand zurückzustellen. Das Bestandobjekt sei als Wiese genutzt worden. Allfällige Fundamente und das Superädifikat selbst habe der Bestandnehmer auf seine Kosten zu entfernen. Damit sei mittelfristig eine Rückführung der gewerblichen Nutzung in eine bäuerliche Betriebsart vertraglich gesichert. Da „bäuerliches Erbgut" nach der Intention des Gesetzes im Zweifel zu erhalten sei und die Bewirtschaftung bäuerlichen Grundes und Bodens traditionell in Generationen währenden Zusammenhängen erfasst werde, sei der Erbhof durch die Verpachtung der beiden Grundstücke „nicht untergegangen".

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil zur Frage des „Untergangs der Erbhofeigenschaft" durch langjährige Verpachtung zu nicht landwirtschaftlichen Zwecken gesicherte oberstgerichtliche Rechtsprechung nicht bestehe.

Der von der Testamentserbin nicht beantwortete Revisionsrekurs ihrer Geschwister ist zulässig. Es fehlt Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob ein zur nichtlandwirtschaftlichen Nutzung in Bestand gegebenes Grundstück einer Liegenschaft zu dem Flächenausmaß des auf dieser gelegenen landwirtschaftlichen Betriebs im Sinn des § 2 Abs 1 Kärntner ErbhöfeG 1990 zu rechnen ist. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Erbhöfe im Sinne des Kärntner ErbhöfeG 1990 sind landwirtschaftliche, mit einer Hofstelle versehene Betriebe mittlerer Größe, deren Flächenausmaß wenigstens fünf Hektar beträgt und deren Durchschnittsertrag das Sechsfache des zur Erhaltung einer fünfköpfigen Familie Erforderlichen nicht übersteigt (§ 2 Abs 1 Kärntner ErbhöfeG 1990).

Auch „gemischte Höfe", auf denen sowohl Landwirtschaft als auch Forstwirtschaft betrieben werden, fallen unter den Anwendungsbereich dieses Gesetzes. In diesen Fällen ist bei der Beurteilung, ob das Flächenausmaß des Betriebes wenigstens fünf Hektar beträgt, das Ausmaß der fortstwirtschaftlich genutzten Fläche jener der rein landwirtschaftlich genutzten Fläche hinzuzurechnen (6 Ob 10/94; 6 Ob 20/02p; RIS-Justiz RS0063039; Eccher in Schwimann, ABGB3, § 2 Kärntner ErbhöfeG 1990 Rz 2). Ausschließlich forstwirtschaftlich genutzte Güter fallen jedoch nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes (§ 2 Abs 2 Satz 2 Kärntner ErbhöfeG 1990).

Land- und forstwirtschaftliche Betriebe sind alle Unternehmen, die der Hervorbringung und Verwendung pflanzlicher Bodenerzeugnisse und der mit der Bodennutzung verbundenen Tierhaltung zur Erzielung tierischer Erzeugnisse dienen (Kathrein, Anerbenrecht 18; Eccher aaO § 1 AnerbenG Rz 4 f).

Im Revisionsrekursverfahren ist nicht mehr strittig, dass der Erblasser einen landwirtschaftlichen, mit einer Hofstelle versehenen Betrieb im Sinne des § 2 Abs 1 Kärntner ErbhöfeG 1990 hinterließ. Strittig ist nur noch, ob dessen Flächenausmaß die für das Vorliegen eines Erbhofs normierte Untergrenze von fünf Hektar erreichte. Ab dieser Untergrenze liegt ein Erbhof vor, ohne dass es noch auf einen erzielbaren Ertrag des Betriebes ankäme (6 Ob 24/99v = SZ 72/40).

Die Revisionsrekurswerber machen geltend, die Grundstücke Nr 357/1 und 357/2 schieden wegen der langen Dauer des „Pachtverhältnisses" und auch deshalb vom „Erbhof" aus, weil diese Grundstücke ohne wesentliche Änderungen nicht landwirtschaftlich genutzt werden könnten. Eine für die Gokartbahn hergestellte massive Halle und die daran anschließende befestigte Fläche werde derzeit nicht landwirtschaftlich genutzt und könne auch ohne wesentliche Änderungen nicht landwirtschaftlich genutzt werden.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

§ 3 Abs 1 Kärntner ErbhöfeG 1990 bestimmt, dass Hofbestandteile alle dem Hofeigentümer gehörenden Grundstücke sind, die Zwecken der Landwirtschaft dienen, regelmäßig von der Hofstelle aus bewirtschaftet werden und eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dabei ist nicht auf die Nutzung im Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen, sondern auf die objektive Möglichkeit, die Liegenschaften im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs zu bewirtschaften (Kathrein, Anerbenrecht 57 f; vgl Kralik, Erbrecht3, 372; vgl 6 Ob 225/99b; 6 Ob 20/02p; 6 Ob 106/00g mwN). Eine Bewirtschaftungsform ist auch die Verpachtung (zur landwirtschaftlichen Nutzung) des Gesamtbetriebes oder landwirtschaftlich zu nutzender (genutzter) Grundflächen (vgl 6 Ob 2/77 = EvBl 1978/86, S 242; 6 Ob 225/99b; 6 Ob 20/02p; 6 Ob 106/00g mwN; Eccher in Schwimann, ABGB3 § 1 AnerbenG Rz 6 f, § 2 AnerbenG Rz 1).

Hofbestandteile sind ferner die auf dem Erbhof betriebenen Unternehmen des Hofeigentümers, sofern sie von wirtschaftlich untergeordneter Bedeutung sind oder vom Hof überhaupt nicht oder nicht ohne unverhältnismäßige Nachteile getrennt werden können (§ 3 Abs 3 Kärntner ErbhöfeG 1990). Grundstücke, auf denen solche Unternehmen betrieben werden, zählen zum Flächenausmaß des landwirtschaftlichen Betriebes, weil die Unternehmen eben dessen Bestandteile sind, auch wenn sie nicht landwirtschaftlich genutzt werden (vgl 6 Ob 2308/96x; 6 Ob 62/00m; Edlbacher, Anerbengesetz 23 FN 3).

Im Anlassfall hat der Hofeigentümer, der auf dem Hof ein nichtlandwirtschaftliches Unternehmen nicht betrieb, landwirtschaftlich nutzbare Grundstücke nicht nur vorübergehend, sondern auf die Dauer von 30 Jahren - also etwa eine Generation lang - durch Vermietung anderen als landwirtschaftlichen Zwecken zugeführt. Da die Grundstücke für so lange Zeit Zwecken der Landwirtschaft entzogen wurden und auch nicht einem Unternehmen des Hofeigentümers im Sinn des § 3 Abs 3 Kärntner ErbhöfeG 1990 dienen, sind sie nicht Teil des landwirtschaftlichen Betriebes des Erblassers (vgl Kathrein, Anerbenrecht 57; Edlbacher, Anerbengesetz 22; Kralik, Erbrecht3, 372 f; Haimböck, Zur Frage der Bestimmung der Erbhofeigenschaften eines landwirtschaftlichen Betriebes, SV 2001, 155 [156]), zumal das Bestandverhältnis vom Bestandgeber erst 2018 beendet werden kann, wenn nicht überhaupt eine kündigungsgeschützte Raummiete vorliegt (vgl RIS-Justiz RS0069261; RS0069482; RS0069423; RS0069487). Sind demnach die Grundstücke Nr 357/1 und 357/2 vom landwirtschaftlichen Betrieb des Erblassers auszuscheiden, so erreicht der Betrieb das für die Erbhofeigenschaft notwendige Mindestflächenausmaß von fünf Hektar nicht.

Da der landwirtschaftliche Betrieb daher nicht als Erbhof im Sinn des § 2 Abs 1 Kärntner ErbhöfeG 1990 anzusehen ist, war in Stattgebung des Revisionsrekurses spruchgemäß zu entscheiden (s § 3 Abs 5 Kärntner ErbhöfeG 1990).

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