OGH 6Ob62/00m

OGH6Ob62/00m5.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Baumann, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 10. Oktober 1996 verstorbenen Aloisia H*****, über den Revisionsrekurs der erbserklärten Erbin Karoline E*****, vertreten durch Brandstetter, Pritz & Partner, Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 22. Dezember 1999, GZ 16 R 175/99w-79, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Mödling vom 7. Juli 1999, GZ 1 A 592/97v-71, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Verlassenschaftssache wird zur neuerlichen Entscheidung über den Antrag des erbserklärten Erben Walter H*****, ihm als Anerben das landwirtschaftliche Anwesen der Erblasserin als Erbhof zuzuweisen, nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Gesetzliche Erben nach der am 10. 10. 1996 verstorbenen Aloisia H***** sind deren beide Kinder Karoline E***** (in der Folge: Tochter) und Walter H***** (in der Folge: Sohn), die je zur Hälfte des Nachlasses auf Grund des Gesetzes bedingte Erbserklärungen abgegeben haben. Die Verstorbene war Eigentümerin eines bäuerlichen Anwesens im Wienerwald, Niederösterreich, bestehend aus einer näher bezeichneten Liegenschaft, das sie am 1. 6. 1972 auf unbestimmte Zeit ihrem Sohn verpachtet hatte. Mit Pachtvertrag vom 1. 1. 1974 nahm der Sohn zusätzlich eine 1,7 ha große Wiese der Österreichischen Bundesforste in Bestand, der Pachtvertrag wurde mehrmals auf jeweils fünf oder zehn Jahre verlängert, zuletzt am 23. 2. 1998 bis 31. 12. 2002.

Der Sohn behauptete, das Anwesen sei als Erbhof im Sinne des Anerbengesetzes zu qualifizieren, und beantragte die Zuweisung des Erbhofes an ihn. Die Tochter bestritt das Vorliegen eines Erbhofes und sprach sich gegen diesen Antrag aus.

Das Erstgericht sprach - wie sinngemäß schon im ersten Rechtsgang - im zweiten Rechtsgang abermals aus, dass die Liegenschaft ein Erbhof sei und als Übernehmer der Sohn bestimmt werde. Es traf noch folgende Feststellungen:

Auf der Liegenschaft befinden sich ein Wohnhaus, ein Viehstall, Wirtschaftsgebäude, ein Pferdestall und Gästeeinrichtungen. Das Wohnhaus und der Stall sind sanierungsbedürftig. Das Wohnhaus bietet eine geringe Wohnfläche und - für heutige Begriffe - einen schlechten Wohnkomfort. Der Pferdestall und die Gästeeinrichtungen sind jüngeren Baualters. Der Viehstall wird als Rinderstall genutzt. Die Tierhaltung erfolgt artgerecht. Das Wirtschaftsgebäude mit einer Maschinen- und Gerätehalle ist in Leichtbauweise errichtet. Die Halle ist geräumig und voll funktionsfähig. Der Futter- und Bergeraum ist zweckmäßig eingerichtet und auch für die nächsten Jahre gut verwendbar. Der Pferdestall ist für den Zweck der Pferdehaltung geeignet. Die Maschinen- und Geräteausstattung ist zweckdienlich und funktionstüchtig. Es sind alle zur Bewirtschaftung des Hofes notwendigen Gebäude und Einrichtungen vorhanden und für betriebliche Zwecke nutzbar.

Der Schwerpunkt des Betriebes liegt derzeit auf der Tierhaltung, nämlich der Pensionspferdehaltung und der Rinder- und Geflügelhaltung. Als Nutztiere sind neun Rinder, drei Schweine, sechs Stück Geflügel und neun Gänse sowie weiters acht Pferde vorhanden. Die kombinierte Mutterkuh- und Pferdehaltung ist zufolge der damit erreichbaren Synergieeffekte besonders wirtschaftlich. Die Äcker dienen der Gewinnung des Feldfutters für die Tiere. Diese sind gut gepflegt und ertragreich. Von der gesamten Bewirtschaftungsfläche inklusive der von den Österreichischen Bundesforsten zugepachteten Wiese werden 11,6923 ha landwirtschaftlich genutzt, davon 1,4794 ha als Acker und 10,2129 ha als Wiesen und Weiden für die Tierhaltung. Die Äcker tragen im Schnitt rund 9,7 ha Weizen, 0,2 ha Speisekartoffeln und 0,4 ha Sommergerste.

1996 betrug die objektiv mögliche Deckungsbeitragssumme 257.000 S und 140.000 S an EU-Förderungsmitteln, sodass ein Einkommen von rund 400.000 S erzielbar war. Bei Abzug der Fixkosten von rund 160.000 S ergibt sich ein Durchschnittsertrag von jährlich rund 240.000 S. Für den Lebensunterhalt von zwei bäuerlichen Personen sind rund 190.000 S anzusetzen.

Das Erstgericht bejahte demnach die Erbhofeigenschaft. Nach der vom Rekursgericht im ersten Rechtsgang überbundenen Rechtsansicht sei die vom Sohn zugepachtete Wiese bei der Frage der Erbhofeigenschaft in den Betrieb einzubeziehen. Das Erfordernis der Hofstelle sei trotz des schlechten Zustandes des Wohnhauses zu bejahen, weil nach den Gesetzesmaterialien auch ein "Komplex von Wirtschaftsgebäuden" genüge und das Vorhandensein eines Wohnhauses nicht erforderlich sei. Die Frage der Sanierungsbedürftigkeit der auf der Liegenschaft befindlichen Gebäude sei (bloß) bei der Festsetzung des Übernahmspreises von Relevanz. Die Pferdeeinstellung sei dem landwirtschaftlichen Betrieb zuzuordnen und die betreffende Einnahmequelle in die Einkünfte einzubeziehen. Als Anerbe komme nur der Sohn der Erblasserin in Betracht, weil dieser zur Landwirtschaft erzogen und ausgebildet worden und nicht anderwärtig versorgt sei.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte aus, der Verfahrensrüge der rekurrierenden Tochter, das Erstgericht habe keine Erörterung des von ihm eingeholten Ergänzungsgutachtens zugelassen und der Tochter keine Gelegenheit zur Äußerung hiezu eingeräumt, sei entgegenzuhalten, dass das Ergänzungsgutachten der Tochter ohnehin zugestellt worden sei. Da diese Zustellung am 9. 6. 1999 erfolgt sei und der Beschluss des Erstgerichtes vom 7. 7. 1999 datiere, sei der Tochter ausreichend Gelegenheit geboten worden, eine Stellungnahme abzugeben und auch das von ihr eingeholte, bereits am 23. 1. 1999 erstellte Privatgutachten, das dem Rekursgericht erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist nachgereicht worden sei, zu überreichen. Zudem werde die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargelegt. Die Beweisrüge sei nicht gehörig ausgeführt, weil nicht zum Ausdruck gebracht werde, welche anderen Feststellungen das Erstgericht hätte treffen sollen. Die Rechtsansicht des Erstgerichtes sei zutreffend. Auf den Zustand des Wohngebäudes komme es nicht entscheidend an, sodass die Prüfung der erforderlichen Sanierungskosten und die Beiziehung eines Bausachverständigen nicht erforderlich sei. Die Pferdehaltung sei mit der Bodennutzung verbunden, weil die Wiesen und Weiden auch hiefür verwendet würden. In diesem Zusammenhang sei auf den vom Erstgericht festgestellten Synergieeffekt zu verweisen. Die aus der Pensionspferdehaltung erzielbaren Einkünfte seien daher zu berücksichtigen, auch wenn diese die Haupteinnahmequelle bildeten. Selbst wenn die Pensionspferdehaltung als Unternehmen im Sinn des § 2 Abs 3 AnerbenG anzusehen wäre, sei sie nicht als "Hauptsache" im Sinn der zitierten Bestimmung zu qualifizieren. Bei der zu berücksichtigenden Höhe der EU-Förderungsmittel komme es nicht auf die tatsächlich bezogenen Zahlungen an (im Todesjahr der Erblasserin 87.000 S), sondern auf jene Zahlungen, die bei einer nach den örtlichen Verhältnissen möglichen Wirtschaftsführung lukriert werden könnten. Die zugepachtete Wiese sei, wie bereits im ersten Rechtsgang ausgeführt worden sei, in die Ertragswertberechnung einzubeziehen. Dem Einwand der Tochter, in dem vom Erstgericht eingeholten Gutachten sei in unzulässiger Weise die Grünlandfläche auf 12 ha aufgerundet worden, sei entgegenzuhalten, dass nach den Feststellungen des Erstgerichtes (nur) 10,2129 ha als Wiesen und Weiden für die Tierhaltung genützt würden. Hinsichtlich der Ertragskraft der Grünflächen, des Strohzukaufes, der Tierbestände, des Haltungszweckes und des Aufzuchtserfolges lege die Tochter nicht dar, inwieweit die Berechnungen der beiden das Gutachten verfassenden Sachverständigen eine Änderung erfahren sollte. Die Behauptung, einzelne Maschinen stünden nicht im Eigentum des Hofes, sei für die Ermittlung des bäuerlichen Nettoeinkommens nicht von entscheidender Bedeutung.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob die Erträgnisse einer am Erbhof betriebenen Pensionspferdehaltung auch dann als Erträgnisse der Landwirtschaft zu werten seien, wenn sie die Haupteinnahmequelle darstellten.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Tochter ist zulässig und im Sinn einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.

Nach dem derzeitigen Aktenstand würde bei Ausscheiden der Einkünfte aus der Pensionspferdehaltung (also von Pferden, die im Eigentum dritter Personen stehen) der jährliche Nettoerlös unter 190.000 S sinken, blieben doch dann im Wesentlichen lediglich der von den in erster Instanz beigezogenen Sachverständigen in ihrem Gutachten mit 47.000 S brutto kalkulierte Deckungsbeitrag (46.000 S aus der - sonstigen - Tierhaltung und 1.000 S aus dem Getreideanbau) und die von den Vorinstanzen mit 140.000 S bezifferten Förderungsbeiträge, die nach Ansicht der Vorinstanzen zu erlangen wären, als Einnahmen übrig.

Daher ist zunächst auf die Frage einzugehen, ob die Pensionspferdehaltung zum Erbhof gehört.

Für das Vorliegen eines Erbhofes ist der zur Deckung der Bedürfnisse zweier erwachsener Personen hinreichende Durchschnittsertrag jenes Betriebes entscheidend, dessen Erbhofeigenschaft festgestellt werden soll, wobei alle erzielbaren Einkünfte zu berücksichtigen sind. Der Betriebsumfang richtet sich nach § 2 AnerbenG, sodass in die Berechnung der Durchschnittserträge alle vom Umfang des Erbhofs nach dieser Gesetzesstelle umfassten Vermögensbestandteile einzubeziehen sind. Nach Abs 3 leg cit gehören zum Erbhof unter anderem auch die auf dem Erbhof betriebenen Unternehmen, sofern sie nicht die Hauptsache bilden und vom land- und forstwirtschaftlichen Betrieb nicht getrennt werden können oder ihre Trennung unwirtschaftlich wäre. Die Regierungsvorlage zur Stammfassung des AnerbenG weist zu Recht darauf hin, dass mit einem Landwirtschaftsbetrieb häufig auch gewerbliche Unternehmen wie Gasthaus oder Hufschmiede verbunden sind, die oft entweder aus rechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht getrennt werden könnten. Diese sollten - sofern sie nicht die Hauptsache bilden - Bestandteil des Erbhofes sein.

Die Novelle zum AnerbenG BGBl 1989/659 beseitigte in § 2 Abs 3 den Begriff "gewerbliches Unternehmen", wodurch sichergestellt werden sollte, dass auch Unternehmen, für deren Betrieb keine Gewerbeberechtigung erforderlich ist, zum Erbhof gehören können (Bericht des Justizausschusses [JAB], 1156 BlgNR 17. GP). Dass es sich dabei um Betriebe handelt, deren Einkünfte als solche nicht als "Einkommen aus der Landwirtschaft" im engeren Sinn zu qualifizieren sind, ist dem JAB zu § 11 AnerbenG idF BGBl 1989/659 zu entnehmen, der ausdrücklich Fremdenverkehrsbetriebe und Zimmervermietung anführt.

Auch eine Tätigkeit des Landwirtes als Pferdeeinsteller ist daher bei Zutreffen der übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 3 AnerbenG als Unternehmen im Sinn dieser Bestimmung anzusehen. Diese Voraussetzungen liegen hier, geht man von den derzeitigen Feststellungen der Vorinstanzen aus, vor. Die Haltung der im Eigentum Dritter stehender Pferde (die, wie sich aus dem Akteninhalt unstrittig ergibt, schon zu Lebzeiten der Erblasserin betrieben wurde und eine in der Gegend, in der der landwirtschaftliche Betrieb liegt, eine durchaus übliche Einnahmequelle darstellt) ist nur wegen der örtlichen Gegebenheiten, insbesondere der vorhandenen Wiesen- und Weideflächen, der Möglichkeit der eigenen Produktion von Einstreu und Futter und der im Zusammenhang mit der Rinderhaltung möglichen optimalen Ausnutzung der Ressourcen des landwirtschaftlichen Betriebes rentabel. Eine Trennung von diesem Betrieb wäre jedenfalls unwirtschaftlich, wenn nicht gar unmöglich, hängt doch die Haltung der Pferde maßgebend von der landwirtschaftlichen Urproduktion, der vorhandenen Auslaufmöglichkeit und der rationellen Miterledigung der ohnehin in der Landwirtschaft anfallenden Arbeiten durch den Landwirt ab.

Im Gegensatz zur Ansicht der Revisionsrekurswerberin stellt der Betrieb der Pferdeeinstellung - geht man von den bisher vorliegenden Feststellungen der Vorinstanzen aus - auch nicht die Hauptsache des Unternehmens insgesamt dar:

Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Landwirtschaftsbetriebes sind alle erzielbaren Einkünfte, also auch die national und supranational gewährten Förderungsmittel dem Ertrag des Betriebes hinzuzurechnen. So stellen sogar Flächenstill-Legungsprämien einen Ertrag dar, weil sie als Entgelt für bäuerliche Leistungen zu beurteilen sind, auch wenn keine landwirtschaftlichen Produkte erzeugt und hiefür Erlöse (= Ertrag im engeren Sinn) erzielt werden. Staatliche Förderungen und Direktförderungen der EU im Landwirtschaftsbereich sind bei der Berechnung des Durchschnittsbetrages des Betriebs grundsätzlich einzubeziehen (6 Ob 2045/96w = SZ 69/143 mit eingehender Begründung). Es kommt nicht darauf an, welche öffentlichen Mittel der Landwirt tatsächlich bezieht, sondern welche er bei einer nach den örtlichen Verhältnissen möglichen Wirtschaftsführung und bei Ausschöpfung aller gesetzeskonformen Möglichkeiten lukrieren könnte (vgl ebenfalls SZ 69/143). Dieser - möglicherweise fiktive - Betrag ist den tatsächlich erzielten Einkünften aus der landwirtschaftlichen Tätigkeit im engeren Sinne gleichzusetzen und diesen hinzuzurechnen. Ausgehend von den bisherigen Feststellungen der Vorinstanzen ergibt sich daher, dass ein Nettobetrag von 140.000 S (mögliche EU-Förderungen) und ein Bruttobetrag von 47.000 S (Nutzviehhaltung und Ackererträge) einem von den Sachverständigen mit 210.000 S brutto kalkulierten Einkommen aus der Pferdehaltung gegenüberstehen. Da die Pferdeeinstellung auch mit entsprechenden Auslagen verbunden ist, geht aus dieser Gegenüberstellung hervor, dass nach den derzeitigen Feststellungen der Vorinstanzen die Einkünfte aus der Pensionspferdehaltung hinter jenen aus der Landwirtschaft im engeren Sinn zurückstehen. Die Pensionspferdehaltung wird demnach als Nebenerwerb betrieben und stellt keine Hauptsache im Sinn des § 2 Abs 3 AnerbenG dar.

Auch die Frage, ob die vom Sohn zugepachtete Wiese der Österreichischen Bundesforste bei der Frage der Erbhofqualität einzubeziehen sei, wurde von den Vorinstanzen entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht zutreffend bejaht. Wie der erkennende Senat bereits in 6 Ob 13/94 = SZ 67/81 = JBl 1994, 759 ausgesprochen hat, sind zumindest mittelfristige (10-jährige) pachtvertragliche Nutzungsrechte bei der Ermittlung des für die Erbhofeigenschaft eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes nach § 1 Abs 1 AnerbenG maßgebenden Durchschnittsertrages nicht grundsätzlich außer Acht zu lassen, sondern unter der Voraussetzung der Bestandgewähr mitzuberücksichtigen. Diese Bestandgewähr ist hier ohne Zweifel gegeben, erfolgte doch die Zupachtung bereits 1974 und ist seither das Pachtverhältnis ohne Unterbrechung aufrecht. Für ein baldiges Ende des Pachtvertrages oder eine mögliche Weigerung des Verpächters, diesen auch über die derzeit vereinbarte Pachtzeit (bis Ende 2002) hinaus zu verlängern, bietet der Akteninhalt keinerlei Hinweise.

Im vorliegenden Fall hat zwar nicht die Erblasserin als Hofeigentümerin, sondern ihr Sohn als Pächter ihres landwirtschaftlichen Betriebes die Wiese zugepachtet. Bei der in solchen Fällen gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise macht dies aber keinen ausschlaggebenden Unterschied. Der Sohn als Bewirtschafter der Landwirtschaft hat in dieser Eigenschaft und zum Zweck der rationelleren und besseren Nutzungsmöglichkeit sowie der Steigerung der Ertragslage des Betriebes, dessen Schwerpunkt auf der Tierhaltung liegt, die zugepachtete Wiese dem landwirtschaftlichen Betrieb eingegliedert.

Nach ständiger Rechtsprechung wird der im Gesetz geforderte "Durchschnittsertrag" iSd § 1 Abs 1 AnerbenG als objektive Ertragsfähigkeit des Betriebes verstanden, bei dessen Ermittlung auch alle Nutzungsmöglichkeiten im Rahmen einer nach anerkannten allgemeinen betriebswirtschaftlichen Erwägungen zweckmäßigen Bewirtschaftungsart zugrundezulegen sind (6 Ob 2045/96w = SZ 69/143; 6 Ob 97/99d ua; RIS-Justiz RS0050263), wobei sogar eine mögliche Produktionsumstellung einzukalkulieren ist (6 Ob 225/99b). Die Nutzung einer sich bietenden Gelegenheit, langfristig eine Wiese zur Optimierung der Betriebsführung zuzupachten, kann daher unabhängig davon, ob der Betriebseigentümer selbst davon Gebrauch gemacht hat, in die Ertragsberechnung einfließen (vgl Eccher in Schwimann, Praxiskommentar zum ABGB2, Band 3, 471). Umso mehr hat dies dann zu erfolgen, wenn der Betriebsführer - auch wenn er bloß Pächter und nicht Eigentümer der Landwirtschaft war - die Möglichkeit der Zupachtung ohnehin wahrgenommen hat und den Betrieb sodann als Anerbe unverändert und mitsamt dem zugepachteten Grundstück fortführt.

Im vorliegenden Fall kommt nur der Sohn und bisherige Betriebsführer als Anerbe in Betracht. Die Tochter will nach ihrem eigenen Prozessstandpunkt nicht Anerbin werden, sodass sich die von ihr im Revisionsverfahren relevierte Frage, ob die zugepachtete Wiese in die Ertragsberechnung auch in dem Fall, dass sie selbst Anerbin werden sollte, einzubeziehen ist, gar nicht stellt.

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist nicht von Bedeutung, ob das auf dem Anwesen befindliche Wohnhaus tatsächlich in einem derart schlechten Zustand ist, wie sie behauptet. Wie das Rekursgericht auch insoweit zutreffend ausgeführt hat, gehört ein Wohnhaus nicht notwendigerweise zur Hofstelle (Kathrein, Anerbengesetz, Anm 1 zu § 1 AnerbenG unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zur Novelle BGBl 1989/659, JAB 1156, 2; Kralik,

Zum Anwendungsbereich des Anerbengesetzes, in NZ 1994, 49 f). Erblasser und Anerbe müssen also nicht einmal mehr die Möglichkeit haben, auf den als Erbhof geltenden Besitzungen zu wohnen (EvBl 1994/178; Eccher aaO Rz 8 zu § 1 AnerbenG).

Bei der Frage des angemessenen Erhaltungsbedarfs für zwei erwachsene Personen (§ 1 Abs 1 AnerbenG) ist nicht auf das jeweilige konkrete Erscheinungsbild abzustellen, sondern auf den typischen Bedarf in bäuerlichen Kreisen, der sich - dem Gesetzeswortlaut entsprechend - nach den örtlichen Verhältnissen zu orientieren hat (Eccher aaO Rz 15 iVm Rz 9 zu § 1 AnerbenG). Auf subjektiv-konkrete Verhältnisse kommt es hiebei nicht an. Für die Erbhofqualität kann daher auch nicht ausschlaggebend sein, ob der Eigentümer eines landwirtschaftlichen Anwesens (oder der Betriebsführer oder der präsumptive Anerbe) dort tatsächlich wohnt oder anderwärts wohnversorgt ist oder ob überhaupt eine bewohnbare Hofstelle vorhanden ist oder mit welchen Mitteln eine solche herzustellen oder zu sanieren wäre. Das gebotene Abstellen auf den generell als typisch zu qualifizierenden Erhaltungsbedarf schließt eine Berücksichtigung der jeweils im Einzelfall individuell auflaufenden Wohnungskosten, seien es solche der Sanierung oder der Anschaffung einer Wohngelegenheit oder des zu zahlenden Mietzinses, aus. Dem Vorbringen der Tochter, dass es am Hof weder ein WC noch eine Senkgrube gebe und dass der Wohntrakt extrem baufällig sei, haben die Vorinstanzen daher zu Recht kein Gewicht beigemessen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage des Sanierungsbedarfes konnte unterbleiben.

Ungeachtet dessen, dass die Fragen der Einbeziehung der Pensionspferdehaltung und der zugepachteten Wiese sowie der Unerheblichkeit des Bauzustandes des Wohntraktes von den Vorinstanzen aus rechtlicher Sicht richtig gelöst wurden, ist die Sache aber aus mehreren Gründen noch nicht spruchreif:

Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, hat das Gericht den Parteien Verfahrensvorgänge, die erkennbar für sie wesentliche Tatsachen betreffen, bekanntzugeben und ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, dazu Stellung zu nehmen. Dies gilt auch für das außerstreitige Verfahren, zumindest als erhebliche zusätzliche, für eine Partei nachteilige Beweisergebnisse vorliegen, zu denen nicht einmal mehr im Rekurs Stellung genommen werden kann (1 Ob 721/81 = SZ 54/124; 10 Ob 355/99z; 6 Ob 319/99v).

Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht auf Grund der Kritik der Tochter am Gutachten der von ihm beigezogenen Sachverständigen und auf Grund des Antrages der Tochter, die Sachverständigen zur Äußerung zu mehreren von ihr aufgeworfenen Fragen aufzufordern und ihr Gutachten zu ergänzen, die Sachverständigen mit einem Ergänzungsgutachten unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Tochter beauftragt. Dieses Ergänzungsgutachten langte am 25. 5. 1999 beim Erstgericht ein und wurde samt den Gebührennoten der Tochter am 9. 6. 1999 mit dem Bemerken zugestellt, dass die Gebühren antragsgemäß bestimmt würden, sofern dagegen nicht binnen 14 Tagen Einwendungen erhoben würden. Vor der Beschlussfassung vom 7. 7. 1999 wurden keinerlei weiteren Verfahrensschritte gesetzt, obgleich die Revisionswerberin zuvor schon die Erörterung des Gutachtens der Sachverständigen beantragt hatte. Es erging weder eine Aufforderung an die Parteien, zum Ergänzungsgutachten binnen einer bestimmten Frist oder überhaupt Stellung zu nehmen noch wurden die Parteien zur Gutachtenserörterung vorgeladen. Das Erstgericht hat vielmehr nach Ablauf der Äußerungsfrist zur Gebührennote umgehend seine Entscheidung über die Erbhofeigenschaft gefällt. Damit mussten die Parteien aber nicht rechnen. Sie durften vielmehr auf Grund des Antrages der Tochter auf Gutachtenserörterung und ihrer heftigen, mehrmals vorgetragenen Kritik am ersten Gutachten, dessen Ausführungen auch im Ergänzungsgutachten beibehalten wurden, annehmen, dass ihnen noch die Möglichkeit zu entsprechenden Ausführungen zum Ergänzungsgutachten, sei es auch in einer mündlichen Verhandlung, eingeräumt werden würde. Die Tochter kann daher nicht darauf verwiesen werden, sie hätte ohnehin die Zeit zwischen der Zustellung des Ergänzungsgutachtens und der Beschlussfassung des Erstgerichtes zu einer Stellungnahme nutzen können.

Die Tochter hatte allerdings Gelegenheit, ihre Stellungnahme im Rekurs nachzuholen. Von dieser Möglichkeit machte sie auch Gebrauch und führte aus, dass ihre zahlreichen Einwendungen gegen das ursprüngliche Gutachten im Ergänzungsgutachten nicht entkräftet worden seien. Aus der Nichtbeachtung ihrer Einwände und der fehlenden Möglichkeit, in erster Instanz zum Ergänzungsgutachten Stellung zu nehmen, leitete die Tochter in ihrem Rekurs auch die Unrichtigkeit nahezu aller wesentlicher Feststellungen des Erstgerichtes ab, etwa dass die Liegenschaft mit einer brauchbaren Hofstelle versehen sei, die Form der Tierhaltung artgerecht, die Maschinen- und Gebäudehalle voll funktionsfähig und die Geräteausstattung zweckdienlich sei, dass alle zur Bewirtschaftung des Hofes notwendigen Gebäude und Einrichtungen vorhanden und für landwirtschaftliche Zwecke nutzbar seien, die Rinder- und Geflügelhaltung entsprechende Erträge abwerfe, die Wiesen ertragreich seien und die kombinierte Mutterkuh- und Pferdehaltung infolge der damit erreichten Synergieeffekte besonders wirtschaftlich wäre. Weiters wurden die angenommene Deckungsbeitragssumme als weit überhöht, die Fixkosten als zu niedrig angesetzt und die mit 140.000 S kalkulierten EU-Förderungsbeträge als unrealistisch hoch bekämpft und wurde bemängelt, dass die Sachverständigen bei der Ertragsberechnung von 12 ha Grünland ausgegangen seien. Im Gegensatz zur Ansicht des Rekursgerichtes betreffen all diese Ausführungen durchwegs für die Frage der Erbhofeigenschaft entscheidende Punkte. Von einer mangelnden Relevanz der Kritik am Gutachten und der Bekämpfung der praktisch ausschließlich auf diesem Gutachten beruhenden Feststellungen des Erstgerichtes kann keine Rede sein.

Das Rekursgericht hat sich auf Grund seiner unrichtigen Ansicht, der Tochter sei ohnehin die Möglichkeit zur Stellungnahme zu dem für sie durchwegs nachteiligen Ergänzungsgutachten eingeräumt worden und sie habe die Beweisrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt, nicht konkret mit ihren Ausführungen im Rekurs befasst. Dies gilt auch für den Hinweis, das Erstgericht sei ohnehin nur von einem Ausmaß des Grünlandes von 10,2129 ha ausgegangen, übersieht das Rekursgericht doch, dass das Erstgericht dessen ungeachtet die vom Sachverständigen ermittelten Erträge übernahm, die nach den Einwänden im Rekurs aus einer Grünlandfläche von 12 ha berechnet worden seien. Auch zur Frage, warum die Höhe der anzunehmenden Förderungsmittel von 140.000 S jährlich zutreffe, lassen die Entscheidungen der Vorinstanzen eine nachvollziehbare Begründung vermissen, geht doch auch das Rekursgericht letztlich nicht auf das Argument der Tochter ein, weder aus dem Gutachten noch aus den sonstigen Aktenunterlagen sei zu entnehmen, wie die Sachverständigen zu diesem Betrag gekommen seien.

Das erst nach Ablauf der Rekursfrist und nach Vorlage des Rekurses an das Gericht zweiter Instanz vorgelegte Privatgutachten hat das Rekursgericht allerdings zu Recht unbeachtet gelassen, weil eine Ergänzung des Rechtsmittels nach Ablauf der Rekursfrist auch im außerstreitigen Verfahren unzulässig ist (8 Ob 332/65; 7 Ob 60/72 = EvBl 1972/250; RIS-Justiz RS0007007).

In der im Rekurs nachgetragenen Stellungnahme zum Ergänzungsgutachten wurden zwar keine förmlichen Beweisanträge gestellt. Dieser Umstand kann aber nicht zur Unbeachtlichkeit der Kritik am Sachverständigengutachten und seiner Ergänzung führen. Die relative Formlosigkeit des außerstreitigen Verfahrens hat keineswegs das Ziel, den Rechtsschutz der Betroffenen zu verschlechtern, sondern dient im Gegenteil der Erfüllung der vom Gesetz dem Gericht ausdrücklich vorgeschriebenen Verpflichtung, alle wesentlichen Umstände und Verhältnisse von Amts wegen zu untersuchen (§ 2 Abs 2 Z 5 AußStrG), also im öffentlichen Interesse über das Parteienvorbringen hinaus die materielle Wahrheit zu erforschen, alle für die Entscheidung wesentlichen Umstände zu berücksichtigen und damit den Parteien weitestgehend Chancengleichheit zu gewähren (1 Ob 721/81 = SZ 54/124; 4 Ob 236/97b). Als Beweismittel kommt im Verfahren außer Streitsachen, in dem der Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel herrscht, alles in Betracht, was zur Feststellung des Sachverhaltes geeignet und zweckdienlich ist. Dazu zählen Beteiligte, Zeugen und Sachverständige, Urkunden und Augenschein, schriftliche Auskünfte von Behörden, Kammern, Kreditinstituten usw, wobei der Umfang der heranzuziehenden Beweismittel vom Ermessen des Gerichtes bestimmt wird (1 Ob 24/72 = SZ 45/22 ua; RIS-Justiz RS0006272).

Abgesehen davon, dass diese Grundsätze von den Vorinstanzen trotz der kritischen Stellungnahmen der Tochter zum Gutachten unbeachtet blieben und insoweit nicht bloß ein vom Rekursgericht verneinter Verfahrensmangel erster Instanz vorliegt, sondern das Rekursverfahren wegen der mangelhaften Befassung mit den diesbezüglichen Rekursausführungen selbst mangelhaft geblieben ist, leiden die Entscheidungen der Vorinstanzen zudem an sekundären Feststellungsmängeln, die ebenfalls eine abschließende Beurteilung der Sache nicht zulassen.

Diese resultieren vor allem daraus, dass auf Grund unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Vorinstanzen bislang der Einwand der Tochter ungeprüft blieb, dass der Maschinenpark großteils im Eigentum Dritter stehe. Dieser Frage kommt aber im Gegensatz zur Ansicht der Vorinstanzen sehr wohl Bedeutung zu, wären doch im Fall eines Eigentumsvorbehaltes infolge Kreditkaufes oder einer Miete die dadurch anfallenden finanziellen Belastungen ertragsmindernd zu berücksichtigen.

Da somit eine Verfahrensergänzung unumgänglich ist, ist trotz des dem Rekursgericht unterlaufenen Verfahrensmangels mit einer Aufhebung der Entscheidungen beider Vorinstanzen und Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht vorzugehen. Damit bietet sich auch zugleich die Möglichkeit, dass im nunmehr dritten Rechtsgang schon vom Erstgericht auf das Rekursvorbringen, soweit damit die Stellungnahme zum Ergänzungsgutachten der Sachverständigen nachgetragen wird, eingegangen werden und dieses Beachtung finden kann.

Das Erstgericht wird sich daher im fortgesetzten Verfahren mit dem Rekursvorbringen der Tochter zum Gutachten, insbesondere zum Ergänzungsgutachten, auseinanderzusetzen haben, wobei das Erstgericht darauf hinzuweisen ist, dass allein die Einholung eines Sachverständigengutachtens hier keineswegs der dem Gericht im außerstreitigen Verfahren auferlegten Verpflichtung zur umfassenden Wahrheitsforschung im oben aufgezeigten Sinn entspricht. Als unumgängliches Beweismittel wird vielmehr insbesondere die Einvernahme des Sohnes, der wohl am besten über die Verhältnisse am Hof Bescheid weiß, aber auch der Tochter als seinen Widerpart in der Frage der Erbhofqualität in Betracht kommen. Es wird weiters Erhebungen und dementsprechende Feststellungen darüber nachzutragen haben, welche landwirtschaftlichen Maschinen und Geräte im Sinn des § 2 Abs 2 AnerbenG zum Anwesen gehören und bei welchen Maschinen in welchem Umfang finanzielle Mittel (Miete, Kreditrückzahlungsraten usw) einzusetzen sind, wobei hiezu darauf hinzuweisen ist, dass die Tochter die Einsicht in die betreffenden Kaufverträge und Typenscheine angeregt hat. Insbesondere wird auch die Annahme, es wären 140.000 S an EU-Förderungsmitteln zu erlangen, auf eine nachvollziehbare Sachverhaltsgrundlage zu stellen sein, sollte das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren bei dieser Annahme bleiben.

Aus diesen Erwägungen ist dem Rechtsmittel Folge zu geben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte