Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 742,27 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin enthalten 20 % USt 123,71 EUR) zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger ist Mitglied eines Sportvereins, der Beklagte dessen Präsident. Der Kläger bringt vor, der Beklagte habe über ihn gegenüber anderen Vereinsmitgliedern wiederholt unwahre, herabsetzende und kreditschädigende Behauptungen erhoben, insbesondere ihn eines vereinsschädigenden Verhaltens bezichtigt. Das Klagebegehren richtet sich auf die Unterlassung im Einzelnen bezeichneter Behauptungen durch den Beklagten und den Widerruf dieser Behauptungen gegenüber den Mitgliedern des Vereins.
Zur Begründung für die Zulässigkeit des Rechtswegs iSd § 8 Abs 1 VerG 2002 brachte der Kläger vor, die Vereinsstatuten sähen zwar die Möglichkeit der Anrufung einer vereinsinternen Schlichtungsstelle in derartigen Streitigkeiten vor, diese Schlichtungsstelle entspreche aber nicht den Bestimmungen des § 8 Abs 1 und 2 VerG 2002. Die Anrufung sei dem Kläger im vorliegenden Fall nicht zumutbar, weil aufgrund des festgelegten Bestellungsverfahrens kein „fair trial" gewährleistet sei.
Das Erstgericht wies die Klage nach Nichtigerklärung des durchgeführten Verfahrens wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Zwar habe der Verein seine Statutenbestimmung über die interne Schiedseinrichtung nicht der Gesetzeslage nach § 8 Abs 1 und 2 VerG 2002 angepasst, die vorhandene Regelung sei aber im Sinne der neuen Rechtslage auszulegen, die eine obligatorische Anrufung der Schlichtungsstelle vor Inanspruchnahme des Gerichts vorsehe.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige. Soweit ältere Vereinsstatuten überhaupt eine Regelung über die interne Streitschlichtung enthalten, sei diese Regelung auch als solche im Sinne des § 8 Abs 1 VerG 2002 auszulegen. Auch wenn die Statuten lediglich ein Recht des Vereinsmitglieds auf Einberufung eines nicht ständigen Schiedsgerichts vorsähen, sei dessen Anrufung nunmehr Voraussetzung für die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs.
Der Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil höchstgerichtliche Judikatur zur Frage der Anwendung des § 8 Abs 1 VerG 2002 für den Fall fehle, dass ein Verein seine Statuten nicht fristgerecht der neuen Gesetzeslage angepasst habe.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene, vom Beklagten beantwortete Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung von Schlichtungsvereinbarungen fehlt, die keine ausdrücklichen Regelungen zur Wahrung der Unbefangenheit bei der Bestellung von Mitgliedern einer Schlichtungseinrichtung im Sinne des § 8 Abs 2 VerG enthalten. Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.
1. Mit der im Zulassungsausspruch bezeichneten Rechtsfrage hatte sich der erkennende Senat erst in jüngster Vergangenheit (6 Ob 280/08g vom 27. Februar 2009) auseinanderzusetzen. Aus der auch für den vorliegenden Fall relevanten Begründung dieser Entscheidung ist Folgendes zusammenzufassen:
Nach § 8 Abs 1 VerG 2002 haben die Statuten vorzusehen, dass Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis vor einer Schlichtungseinrichtung auszutragen sind. Sofern das Verfahren vor der Schlichtungseinrichtung nicht früher beendet ist, steht für Rechtsstreitigkeiten nach Ablauf von sechs Monaten ab Anrufung der Schlichtungseinrichtung der ordentliche Rechtsweg offen. Wird eine Klage in einer Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis vor Ablauf von sechs Monaten seit Anrufung der vereinsinternen Schlichtungseinrichtung eingebracht, so steht ihr, sofern das Schlichtungsverfahren nicht früher beendet ist, das gemäß § 42 Abs 1 JN in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmende Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen (RIS-Justiz RS0122426).
2. Der Begriff der Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis umfasst auch Streitigkeiten zwischen Vereinsmitgliedern untereinander, wenn - im vorliegenden Fall unstrittig - die Vereinsmitgliedschaft eine notwendige Voraussetzung für das Entstehen des Streits war (6 Ob 219/04f; 4 Ob 146/07k; 6 Ob 117/09p).
3. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0094154) ist eine gegen die Grundsätze des fair trial nach Art 6 EMRK verstoßende Regelung über die Besetzung des Vereinsschiedsgerichts nichtig. Ein solcher Verstoß durch nicht paritätische Besetzung der Schlichtungseinrichtung wurde etwa dann angenommen, wenn der Obmann nach den Vereinsstatuten zwei Schiedsrichter namhaft zu machen hatte, die dann ihrerseits einen Vorsitzenden zu wählen hatten, oder wenn die Statuten vorsahen, dass bei Nichteinigung der benannten Schiedsrichter über den Vorsitzenden dieser durch ein Organ einer Partei des Schiedsverfahrens zu ernennen war (8 Ob 78/06p JBl 2007, 324 [Mayr]). Diese Judikatur fand durch die Schaffung des § 8 Abs 2 VerG 2002 insofern Eingang in das Gesetz, als nunmehr verlangt wird, dass die Statuten eines Vereins die Zusammensetzung und die Art der Bestellung der Mitglieder der Schlichtungseinrichtung unter Bedachtnahme auf deren Unbefangenheit zu regeln haben.
4. Die vorliegenden Vereinsstatuten enthalten keine Regelungen über den Umgang mit allfälligen Befangenheitsgründen bei Bestellung und Zusammensetzung des „Schiedsgerichts". Dieser Umstand schadet jedoch insofern nicht, als unklare oder eine mehrfache Deutung zulassende Bestimmungen in Vereinsstatuten in vernünftiger und billiger Weise so auszulegen sind, dass ihre Anwendung im Einzelfall brauchbare und vernünftige Ergebnisse zeitigt (7 Ob 274/07f; 6 Ob 179/08d; 6 Ob 280/08g). Sie sind insbesondere dahin auszulegen, dass sie den Erfordernissen des § 8 VerG entsprechen. Dies gilt nicht nur für Statuten, die nach dem Inkrafttreten des VerG 2002 neu gefasst wurden und mangelhaft formuliert sind, sondern auch für ältere Statuten, deren Mängel sich aus einer unterlassenen Anpassung an die neue Gesetzeslage ergeben, sofern sie - wie im vorliegenden Fall - überhaupt eine Schlichtungseinrichtung vorsehen.
5. Es entspricht mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass eine Statutenbestimmung, wonach je zwei Schiedsrichter von den Streitparteien aus dem Kreis der Mitglieder des Vereins zu wählen sind, keine so massive Verletzung der Äquidistanz der Schlichtungseinrichtung zu beiden Streitteilen bewirkt, dass die Anrufung vor Beschreiten des Rechtswegs nicht zumutbar wäre (8 Ob 78/06p; 6 Ob 280/08g).
6. Der Kläger erblickt in seinem Revisionsrekurs jedoch in der Regelung des § 17 Abs 2 der Vereinsstatuten, der die Bestellung des Obmanns des Schiedsgerichts regelt, einen Verstoß gegen die Grundsätze eines „fair trial". Diese Regelung besagt, dass der Obmann des Schiedsgerichts vom Clubvorstand zu wählen ist, wenn unter den insgesamt vier von den Streitparteien gewählten Schiedsrichtern keine Einigung über seine Person zu Stande kommt.
Diese Bedenken werden vom erkennenden Senat jedoch nicht geteilt.
Der Kläger hat zunächst keine Gründe für eine Annahme vorgebracht, dass diese Ausnahmeregelung im vorliegenden Fall überhaupt zum Tragen gekommen wäre. Es kann nicht von vorneherein als selbstverständlich vorausgesetzt werden, dass vier gewählte Schiedsrichter zu keiner Einigung kommen werden, obwohl für die Bestellung einfache Stimmenmehrheit genügt.
Das Argument des Klägers, dem Beklagten werde aufgrund seiner Stellung als Vereinspräsident durch § 17 Abs 2 der Statuten eine willkürliche Bestellung der Mehrheit der Schiedsrichter ermöglicht, widerspricht dem unstrittigen § 13 der Vereinsstatuten, wonach der Clubvorstand neben dem Präsidenten aus sieben weiteren Mitgliedern besteht.
Dem Revisionsrekurs ist zwar zuzugestehen, dass die Bestellung des Schiedsgerichtsobmanns durch ein Organ des Vereins für unzulässig erachtet wird, wenn der Verein gleichzeitig Streitpartei ist (8 Ob 78/06p). Handelt es sich aber - wie hier - um eine Auseinandersetzung zwischen einzelnen Mitgliedern, ist nicht zu erkennen, inwiefern durch die Entscheidung eines Kollegialorgans des Vereins über den Obmann des Schiedsgerichts eine krasse Ungleichgewichtslage hervorgerufen würde.
7. Hinsichtlich der Stellung des Beklagten als Vereinspräsident und damit Mitglied des Clubvorstands kann eine mit § 8 Abs 2 VerG konforme Auslegung der Statuten nur zu dem Ergebnis führen, dass eine Streitpartei, die gleichzeitig dem Clubvorstand angehört, in diesem Gremium wegen Befangenheit von der Beratung und Abstimmung über die Bestellung eines Schlichtungsstellenobmanns ausgeschlossen ist.
Der Hinweis des Klägers auf die alleinige Vertretungsbefugnis des Vereinspräsidenten nach § 15 der Statuten übersieht, dass diese Bestimmung lediglich die Vertretung des Vereins im Außenverhältnis und nicht die Willensbildung innerhalb seines Kollegialorgans Vereinsvorstand regelt.
8. Aus der Formulierung des § 17 Abs 1 der Statuten, die Clubmitglieder hätten das „Recht", die Einsetzung eines Schiedsgerichts zu verlangen, ist für den Standpunkt des Revisionsrekurswerbers ebenfalls nichts abzuleiten. Abgesehen davon, dass die Weigerung, sich dem Schiedsgericht zu unterwerfen, nach § 17 Abs 5 der vorliegenden Statuten sogar mit dem Ausschluss aus dem Verein sanktioniert werden kann, die Anrufung in einem Streitfall also durchaus als Pflicht zu verstehen ist, ergibt sich die Notwendigkeit zur Befassung des Schiedsgerichts bereits aus § 8 Abs 1 VerG (vgl 6 Ob 280/09g).
Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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