OGH 6Ob117/09p

OGH6Ob117/09p2.7.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Michael S*****, vertreten durch Dr. Michl Münzker, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei V*****, vertreten durch Mag. Johannes Bügler, Rechtsanwalt in Wien, wegen 20.000 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 17. März 2009, GZ 16 R 10/09x-22, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 17. November 2008, GZ 20 Cg 213/07a-17, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die Sachentscheidung über die Berufung aufgetragen. Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt 20.000 EUR. Der beklagte Verein habe durch seinen Obmann Harald G***** ihm eine Kleingartenparzelle für eine Gegenleistung von 20.000 EUR „übergeben". Tatsächlich sei diese Parzelle nicht verfügbar gewesen. Der Obmann der beklagten Partei habe ihm auch eine Bestätigung über die Mitgliedschaft zum beklagten Verein übergeben.

Die beklagte Partei wendete mangelnde Passivlegitimation ein. Harald G***** habe ausschließlich als Privatperson gehandelt; seine Handlungen seien nicht dem beklagten Verein zuzurechnen. Harald G***** habe keine alleinige Vertretungsbefugnis in Geldangelegenheiten gehabt und die beklagte Partei daher nicht rechtlich verpflichten können.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Dabei traf es im Wesentlichen folgende Feststellungen:

Die beklagte Partei ist ein Zweigverein des Dachverbandes der Ö*****. Zum Zeitpunkt der Entstehung des Rechtsstreits war Harald G***** Obmann und nach außen Vertretungsberechtigter des Vereins. Im Jahr 2006 traten der Obmann der beklagten Partei und der Kläger in Kontakt wegen der Überlassung eines Grundstücks der Ö*****, eines Gartens mit Nutzungsrecht von 80 Jahren. Der Kläger entschied sich für eine Parzelle Garten, für die er 20.000 EUR an den damaligen Obmann der beklagten Partei bar zahlte. Er erhielt ein Mitgliedsblatt sowie eine Zahlungsbestätigung, die beide vom Obmann der beklagten Partei unterschrieben waren. Harald G***** trat in seiner Funktion als Obmann der beklagten Partei auf und nahm das Geld auch in dieser Funktion entgegen. Laut Auskunft des Obmanns sollten noch unterschiedliche Arbeiten auf dem Grundstück gemacht werden, bevor es dem Kläger am 1. 1. 2007 übergeben werden sollte. Zum vereinbarten Zeitpunkt wurde dem Kläger weder das Grundstück zur Pacht überlassen noch bekam er die bereits bezahlte Gebühr zurück. Auch stand das betreffende Grundstück zu keinem Zeitpunkt dem beklagten Zweigverein zur Verfügung.

Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass der Obmann der beklagten Partei diese rechtswirksam nach außen vertreten habe. Sein Handeln sei der beklagten Partei zuzurechnen. Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung und das vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Werde eine Klage in einer Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis nach § 8 Abs 1 VerG 2002 vor dem Verstreichen von sechs Monaten seit Anrufung der vereinsinternen Schlichtungseinrichtung eingebracht, so stehe ihr - außer das Schlichtungsverfahren endete bereits vor der Klagseinbringung - das gemäß § 42 Abs 1 JN in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmende Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen.

Nach § 15 der Musterstatuten des beklagten Verbandes sei eine Schlichtungseinrichtung vorgesehen. Diese Musterstatuten seien gemäß § 4 von einem Zweigverein in den Hauptversammlungen zu beschließen und nachfolgend der Vereinsbehörde vorzulegen. Es bestehe „Grund zur Annahme", dass diese Zweigvereinsstatuten in dieser Form auch vom beklagten Zweigverein in einer Hauptversammlung beschlossen und der Vereinsbehörde vorgelegt worden seien. Bei der vorliegenden Streitigkeit handle es sich um eine solche im Sinne des § 8 Abs 1 VerG 2002. Aus den §§ 2 und 5 der erwähnten Musterstatuten ergebe sich, dass die Nutzungsüberlassung eines Areals zwingend mit der Mitgliedschaft in einem Zweigverein verbunden sei. Im Sinne der Judikatur wurzle der vorliegende Streit daher in der Vereinsmitgliedschaft. Eine Anrufung der Schlichtungseinrichtung des beklagten Vereins sei vom Kläger aber nicht behauptet worden. Für die vorliegende Klage bestehe daher das Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist berechtigt.

Nach § 8 Abs 1 VerG 2002 haben die Statuten vorzusehen, dass Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis vor einer Schlichtungseinrichtung auszutragen sind. Sofern das Verfahren vor der Schlichtungseinrichtung nicht früher beendet ist, steht für Rechtsstreitigkeiten nach Ablauf von sechs Monaten ab Anrufung der Schlichtungseinrichtung der ordentliche Rechtsweg offen. Die Anrufung des ordentlichen Gerichts kann nur insofern ausgeschlossen werden, als ein Schiedsgericht nach den §§ 577 ff ZPO eingerichtet wird. Wird daher eine Klage in einer Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis vor Ablauf von sechs Monaten seit Anrufung der vereinsinternen Schlichtungseinrichtung eingebracht, so steht ihr, sofern das Schlichtungsverfahren nicht früher beendet ist, das gemäß § 42 Abs 1 JN in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmende Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen (RIS-Justiz RS0122426).

Der Begriff der Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis ist auf alle privatrechtlichen Streitigkeiten zwischen Vereinsmitgliedern und dem Verein oder Vereinsmitgliedern untereinander auszudehnen, sofern sie mit dem Vereinsverhältnis im Zusammenhang stehen (6 Ob 219/04f). Dabei ist allein maßgeblich, ob eine vermögensrechtliche Streitigkeit in der Vereinsmitgliedschaft wurzelt (4 Ob 146/07k). Dazu gehören etwa Streitigkeiten über die Zahlung der Mitgliedsbeiträge und die Erbringung anderer vermögenswerter - mit der Mitgliedschaft verknüpfter - Leistungen an den Verein (4 Ob 146/07k). Hingegen sind nicht schlechthin alle privatrechtlichen Ansprüche eines Vereinsmitglieds gegen den Verein oder ein anderes Vereinsmitglied von der Formulierung „Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis" in § 8 Abs 1 VerG 2002 erfasst. Beruht der Anspruch auf einem selbständigen vertraglichen Schuldverhältnis, für dessen Zustandekommen die Vereinszugehörigkeit nicht denknotwendig Voraussetzung ist, liegt seine Grundlage nicht im Vereinsverhältnis, sondern in dem zwischen den Streitparteien abgeschlossenen Vertrag. Dabei ist entscheidend, auf welche Tatsachen der Kläger seinen Anspruch gründet (2 Ob 273/06w).

Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts handelt es sich im vorliegenden Fall nicht um eine Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis im Sinne des § 8 Abs 1 VerG 2002. In der Klage führte der Kläger aus, die beklagte Partei habe durch ihren Obmann Harald G***** Parzellen in Pacht gegeben. Aus dem Kläger unbekannten Gründen scheine der Obmann „bereits auf Abwege geraten" zu sein. Dieser sei, da sich derartige Malversationen offenbar gehäuft hatten, aus seiner Funktion entfernt worden. Ohne sich auf einen bestimmten Rechtsgrund festlegen zu wollen, meine der Kläger, dass die Haftung der Beklagten gemäß § 1313a ABGB „vorrangig zu beachten" sei.

In einem vorbereitenden Schriftsatz (ON 5) führte der Kläger aus, er sei mit dem Anbot von Harald G*****, ein zeitliches Nutzungsrecht auf 80 Jahre gegen Zahlung von 20.000 EUR zu erwerben, einverstanden gewesen. Am 28. 3. 2006 sei die Anlage eines Mitgliedsblattes, die Bestätigung über die Mitgliedschaft, die Unterfertigung eines Übergabsvertrags und die Übergabe eines Informationsblattes erfolgt. In der Folge habe sich herausgestellt, dass das ihm präsentierte Grundstück gar nicht zur Vergabe gestanden sei.

Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts hat der Kläger damit seinen Anspruch keineswegs auf seine Eigenschaft als Vereinsmitglied gestützt, sondern nur den tatsächlichen Vorgang am 28. 3. 2006 wiedergegeben. Aus dem Gesamtzusammenhang des Klagsvorbringens ergibt sich in einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit, dass der Kläger davon ausgeht, dass der Obmann der beklagten Partei seine Position missbrauchte und das Geld veruntreute. Dass er wirklich Mitglied des Vereins geworden sei, hat der Kläger nie behauptet. Die beklagte Partei hat zudem ausdrücklich bestritten, dass der Kläger Mitglied bei ihr sei.

Bei dieser Sachlage handelt es sich aber gerade nicht um eine Streitigkeit zwischen einem Vereinsmitglied und dem Verein, sondern um Ansprüche eines bloßen Interessenten an einer Mitgliedschaft, der - nach dem Klagsvorbringen und den Feststellungen des Erstgerichts - von einem Organ der beklagten Partei getäuscht wurde. Wurde der Kläger aber niemals Mitglied der beklagten Partei, so besteht auch keine Veranlassung, seinen Rechtsschutz an die Voraussetzung der Anrufung einer internen Streitschlichtungseinrichtung der beklagten Partei zu knüpfen.

Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts liegt daher das Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs nicht vor. Der Vollständigkeit halber ist jedoch darauf zu verweisen, dass das Rechtsmittelgericht aufgrund einer entsprechenden Rüge, aber auch von Amts wegen aus Anlass eines zulässigen Rechtsmittels das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen zu überprüfen hat (Ballon in Fasching² § 42 JN Rz 10). Im Zuge der hier vorzunehmenden amtswegigen Prüfung sind konkrete Feststellungen auf nachvollziehbarer Grundlage zu treffen. Bloße Vermutungen über den Satzungsinhalt, mögen sich diese auch auf eine Mustersatzung stützen, reichen jedenfalls nicht aus, zumal die Statuten der beklagten Partei problemlos von der Vereinsbehörde oder allenfalls der beklagten Partei selbst beizuschaffen gewesen wären.

Dem Rekurs des Klägers war daher Folge zu geben und dem Berufungsgericht die Sachentscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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