European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00154.20W.0916.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Esentspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers, von denen eine offenkundig der anderen dient und weiterhin dienen soll, auch ohne spezifische Vereinbarung und Verbücherung unmittelbar durch den Übertragungsakt eine (außerbücherliche) Dienstbarkeit entsteht (RS0011618), wobei die jüngere Rechtsprechung die Begründung hiefür darin sieht, dass bei Aufhebung der Eigentümeridentität im Fall der Offenkundigkeit einer Servitut diese durch den Realakt der Übereignung entsteht (vgl dazu 8 Ob 65/17t EvBl 2018/17 [Frössel] = NZ 2018/32 [Hoyer]), und „Offenkundigkeit“ annimmt, wenn im maßgebenden Zeitpunkt der Eigentumsübertragung das tatsächliche Bestehen eines Gebrauchszwecks durch offenkundige Vorgänge oder ersichtliche Anlagen oder Einrichtungen erkennbar war (vgl RS0034803; RS0011633; 5 Ob 273/07v wobl 2008, 231/75 [Call]; 8 Ob 65/17t); allenfalls vorhandene Anlagen müssen den aktuellen Zweck des Dienens offenkundig machen, was nur für Anlagen gelten kann, aus denen sich für den Erwerber ganz offenkundig ergibt, dass sie auch weiterhin bestehen bleiben sollen, weil sie für die Benützung des herrschenden Grundstücks notwendig sind (vgl RS0011554; 3 Ob 214/14p).
Bei einem Erwerbsvorgang, mit dem die Eigentümeridentität aufgehoben wird, ist zwar im Zweifel anzunehmen, dass ein bestehender Zustand aufrecht bleiben und eine „Eigentümerbefugnis“ zur konkreten weiteren Nutzung eines bestimmten Grundstreifens als Grunddienstbarkeit fortbestehen soll (8 Ob 65/17t). Der Oberste Gerichtshof hat allerdings – beginnend mit der Entscheidung 7 Ob 613/89 – bereits mehrfach klargestellt, dass die Vertragsparteien ausdrücklich oder schlüssig auch etwas Anderes vereinbaren können; es sei daher denkbar – wenngleich im Regelfall nicht anzunehmen –, dass sie das Entstehen einer Dienstbarkeit ungeachtet von darauf hinweisenden Anlagen durch Vereinbarung ausschließen wollten (RS0011618 [T2, T18]; 4 Ob 219/06v; 7 Ob 186/15a immolex 2016/45 [Neugebauer‑Herl]; 2 Ob 74/16w).
2. Im vorliegenden Fall bestand zum Zeitpunkt der Teilung des Grundstücks 232/2 in dieses und in das Grundstück 232/4 im Jahr 2015 ein asphaltierter Zufahrtsweg zum Grundstück 232/4 über das Grundstück 232/2, wobei im Außenbereich einer 180 Grad‑Kurve des Zufahrtswegs ein Jahr zuvor im Zuge der Errichtung einer Kläranlage eine Fläche geschottert worden war, um Lastkraftwagen ein Umdrehen zu ermöglichen. Mit Kaufvertrag vom 11. 3. 2015 erwarb die Beklagte von der damaligen Eigentümerin beider Grundstücke (unter anderem) das Grundstück 232/2. Zuvor war im Rahmen der Grundstücksteilung der Zufahrtsweg vermessen und in einer Mappen‑ und Naturdarstellung samt Vermessungspunkten dargestellt worden; eine Ausweich‑ oder Umkehrfläche war im Plan nicht festgehalten worden. Im Kaufvertrag kamen die Verkäuferin und die Beklagte überein, dass die Beklagte für sich und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum und im Besitz des Grundstücks 232/2 der Verkäuferin und deren Rechtsnachfolgern im Eigentum und im Besitz des Grundstücks 232/4 auf immerwährende Zeit als Dienstbarkeit das dingliche Recht des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen aller Art einräumt, die zur Nutzung des Grundstücks 232/4 erforderlich sind, um von der *****straße unter anderem über das Grundstück 232/2 zum Grundstück 232/4 und zurück zu gelangen. Der erwähnte Plan wurde dem Kaufvertrag als integrierter Bestandteil angeschlossen. Die Dienstbarkeit ist im Grundbuch eingetragen („Grunddienstbarkeit Gehen und Fahren über Grundstück 232/2 für Grundstück 232/4“).
Im Jahr 2016 erwarb der Kläger das Grundstück 232/4, nachdem er es zuvor mehrfach besichtigt hatte und ihm im Rahmen der Vertragsgespräche ein Zufahrtsrecht wie bereits grundbücherlich sichergestellt zugesichert worden war. Eine Umkehrmöglichkeit auf dem Servitutsweg für Lastkraftwagen und Fahrzeuge, die zur Wartung und zum Betrieb der Kläranlage notwendig sind, hatte der Kläger gegenüber der Verkäuferin angesprochen, woraufhin diese geäußert hatte, da oben – gleichzeitig zeigte sie in Richtung der geschotterten Fläche – wäre eine Umkehr möglich, der Kläger müsse dies aber mit dem Eigentümer dieser Grundstücke ausmachen; daraufhin hatte der Kläger nicht mehr weiter nachgefragt. Im Kaufvertrag vom 28. 12. 2016 wurde zum Thema Zugang und Zufahrt zum Vertragsgegenstand festgehalten, dass diese aufgrund der Vereinbarungen im Kaufvertrag vom 11. 3. 2015 (unter anderem) über das Grundstück 232/2 erfolgten und dass diesbezüglich die Grunddienstbarkeit des Gehens und Fahrens (unter anderem) über das Grundstück 232/2 für Grundstück 232/4 ersichtlich gemacht sei, wobei der Kläger als Käufer erkläre, dass ihm die bezughabenden Vereinbarungen vollinhaltlich bekannt seien.
2.1. Fragen der Vertragsauslegung kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung, also eine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RS0112106 [T1]). Eine solche Fehlbeurteilung ist den Vorinstanzen aber nicht unterlaufen, wenn sie bei der dargestellten Sachlage davon ausgingen, dass die Vertragsparteien des erstgenannten Kaufvertrags (die damalige Eigentümerin beider Grundstücke und die Beklagte) „etwas Anderes“ im Sinn der angeführten Rechtsprechung vereinbart hatten, nämlich einen konkreten, gemessenen Servitutsweg laut Plan ohne Miteinbeziehung der geschotterten Fläche. An diese Vereinbarung ist aber auch der Kläger als (weiterer) Rechtsnachfolger der ursprünglichen Eigentümerin gebunden, weshalb ihm keine Berechtigung zukommt, die geschotterte Fläche als „Umkehrplatz“ oder gar als Parkplatz – wie es seine Lebensgefährtin beinahe täglich gemacht hatte, bevor der Ehemann der Beklagten diese Fläche außerhalb des Servitutswegs absperrte – zu nutzen.
2.2. Der Kläger wiederholt in seiner außerordentlichen Revision immer wieder die Auffassung, ihm sei im Zuge der Verkaufsgespräche die Fläche „sogar als Umkehre gezeigt“ worden, weshalb für ihn nicht erkennbar sein musste, dass er die Umkehre nicht weiter benutzen dürfe. Damit lässt er aber völlig außer Acht, dass ihn in dieser Situation die Verkäuferin ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass dort zwar eine Umkehr möglich wäre, er dies aber mit dem Eigentümer dieser Grundstücke ausmachen müsse; dabei ließ der Kläger es dann in weiterer Folge bewenden und gestand im Kaufvertrag sogar ausdrücklich zu, dass ihm die bezughabenden Vereinbarungen vollinhaltlich bekannt seien.
2.3. Dass nach der Rechtsprechung im Zweifel von der Beibehaltung des bisherigen Zustands ausgegangen werden muss, wurde bereits erwähnt; dass die damalige Eigentümerin beider Grundstücke und die Beklagte „etwas Anderes“ vereinbarten, indem sie in ihren Kaufvertrag einen vermessenen und deutlich eingezeichneten Servitutsweg aufnahmen, haben die Vorinstanzen jedoch – jedenfalls vertretbar – bejaht. Es entspricht (ebenfalls) ständiger Rechtsprechung, dass die Frage, ob eine gemessene oder eine ungemessene Dienstbarkeit vorliegt, stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist und daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung darstellt (vgl bloß 6 Ob 39/11w).
2.4. Geht man aber von einer gemessenen Wegeservitut aus, so ist auf die Rechtsprechung zu verweisen, wonach die Erweiterung einer solchen unzulässig ist (RS0105550). Wenn der Kläger in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung 6 Ob 158/17d verweist, wonach eine lückenlose Erfassung aller Servituten in einem Kaufvertrag nicht unbedingt erwartet werden kann, würden doch gerade im Nachbarschaftsverhältnis Liegenschaften vielfach seit Generationen im guten Glauben mitbenützt, es bestehe hiezu ein Recht, übersieht er, dass es dort um die Frage der konkreten Nutzung eines feststehenden Wegs gegangen ist, im vorliegenden Fall aber bloß ein Jahr zuvor von der damaligen Eigentümerin beider Grundstücke und der Beklagten ein konkret vermessener Servitutsweg vereinbart worden war. Und gerade in der vom Kläger in der außerordentlichen Revision in diesem Zusammenhang weiters genannten Entscheidung 1 Ob 1/84 führte der Oberste Gerichtshof aus, dass der Erwerber einer Liegenschaft zu Nachforschungen verpflichtet sei, wenn sich aus den besonderen Umständen Bedenken gegen die Vollständigkeit des Grundbuchs ergeben, was etwa der Fall sei, wenn sichtbare Anlagen auf dem Grund oder sonstige Einrichtungen oder Vorgänge, die man von dort aus bei einiger Aufmerksamkeit wahrnehmen könne, das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten ließen. Im vorliegenden Fall fielen dem Kläger diese Anlagen (die geschotterte Fläche) auch tatsächlich auf, er fragte auch nach und erhielt die Antwort, dass er sich das mit den Grundeigentümern ausmachen müsse. Worin der Kläger hier seine Gutgläubigkeit erkennen will, ist für den Senat nicht nachvollziehbar.
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