OGH 6Ob158/17d

OGH6Ob158/17d21.11.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helga B***** E*****, vertreten durch MMag. Dr. Michael Michor und Mag. Walter Dorn, Rechtsanwälte in Villach, gegen die beklagte Partei R***** P*****, vertreten durch Dr. Ernst Maiditsch M.B.L.‑HSG Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H. in Klagenfurt am Wörthersee, wegen Unterlassung (Streitwert 8.000 EUR), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 7. Juni 2017, GZ 2 R 21/17s‑14, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 30. November 2016, GZ 1 C 489/16f‑8, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00158.17D.1121.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 695,64 EUR (darin 115,94 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (vgl § 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nicht zulässig:

1. Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage des Entstehens einer offenkundigen Dienstbarkeit ohne Verbücherung, wenn ein Grundstück offenkundig einem anderen Grundstück desselben Eigentümers dient und das herrschende Grundstück veräußert wird.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entsteht bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers, von welchen eine offenkundig der anderen dient und weiterhin dienen soll, auch ohne Verbücherung eine Dienstbarkeit. Auf diese Weise kann die Servitut nicht nur für den Erwerber, sondern auch für den Veräußerer eines Grundstücks begründet werden. Dabei wird angenommen, dass der durch den Übertragungsakt tatsächlich geschaffene Zustand die Natur einer Dienstbarkeit hat und die Servitut somit unmittelbar durch den Übertragungsakt entsteht (RIS‑Justiz RS0011618). Dass eine solche Servitut nicht nur bei Veräußerung des dienenden, sondern auch bei Veräußerung des herrschenden Grundstücks entstehen kann, entspricht ebenfalls der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (1 Ob 1/84; 7 Ob 613/89; 1 Ob 114/06f). Entgegen der vom Berufungsgericht, das in diesem Sinn entschieden hat, vertretenen Auffassung wurde somit die als erheblich bezeichnete Rechtsfrage vom Obersten Gerichtshof bereits beantwortet.

2. Dem Rekurs gelingt es aber auch sonst nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 519 Abs 2 ZPO aufzuzeigen:

2.1. Die Überlegung der Klägerin, die Rechtsvorgänger der Beklagten hätten bei Erwerb des herrschenden Grundstücks im Jahr 1973 jedenfalls nicht redlich sein können, weil im Kaufvertrag bloß ein Geh- und Fahrrecht und kein Recht zum Abstellen von Fahrzeugen auf dem dem Rechtsvorgänger der Klägerin verbleibenden Grundstück vereinbart worden war, weshalb sie davon hätten ausgehen müssen, dass keine weiteren Rechte bestanden, die nicht vereinbart wurden, überzeugt nicht. Eine lückenlose Erfassung aller Servituten kann in einem Kaufvertrag nicht unbedingt erwartet werden, werden doch gerade im Nachbarschaftsverhältnis Liegenschaften vielfach seit Generationen im guten Glauben mitbenützt, es bestehe hiezu ein Recht (vgl 1 Ob 1/84).

2.2. Das Erstgericht hat zwar vereinzelt Feststellungen zur (fehlenden) Offenkundigkeit des von der Beklagten behaupteten Rechts auf ein Abstellen von Fahrzeugen auf dem Grundstück der Klägerin bei dessen Erwerb durch die Klägerin im Jahr 1993 getroffen. Wenn das Berufungsgericht diese Tatsachengrundlagen aber noch für ergänzungsbedürftig erachtete, so kann dem der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten (RIS‑Justiz RS0042179 [T20]). Zweck des Rekurses ist nur die Überprüfung der Rechtsansicht der zweiten Instanz durch den Obersten Gerichtshof; ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht richtig, kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob die Verfahrensergänzung tatsächlich notwendig ist (RIS‑Justiz RS0042179 [T17, T22]). Die Rechtsansicht, die Klägerin habe – selbst wenn im Jahr 1973 eine offenkundige Dienstbarkeit entstanden sein sollte – im Jahr 1993 lastenfrei erwerben können, ist aber richtig.

2.3. Sollte sich im fortzusetzenden Verfahren herausstellen, dass im Jahr 1993 tatsächlich für die Klägerin Hinweise auf das Bestehen einer Servitut, wie sie nunmehr von der Beklagten behauptet wird, gegeben gewesen sein sollten, wird das Erstgericht im Sinn der vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage zu prüfen haben, ob die Servitut im Jahr 1973 unmittelbar durch den Übertragungsakt entstanden ist. Diesbezüglich fehlen derzeit jegliche Feststellungen.

3. Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in der Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

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