European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00149.19H.0829.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs der gefährdeten Partei wird nicht Folge gegeben.
Dem Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass er zu lauten hat:
„1. Das Hauptbegehren, es werde der beklagten und Gegnerin der gefährdeten Partei zur Sicherung der Feststellungs- und Leistungsbegehren der klagenden und gefährdeten Partei aufgetragen, alle Handlungen zu unterlassen, durch die die Ausübung des Stimmrechts der klagenden und gefährdeten Partei in Generalversammlungen der d***** GmbH bei der Beschlussfassung über Budget, Investitionsplan und/oder Budget inklusive Investitionsplan beeinträchtigt wird, sowie
2. das zweite Eventualbegehren, es werde der beklagten und Gegnerin der gefährdeten Partei zur Sicherung der Feststellungs- und Leistungsbegehren der klagenden und gefährdeten Partei aufgetragen, in Generalversammlungen der d***** GmbH darauf hinzuwirken, dass der bestellte Versammlungsleiter bei der Beschlussfassung über Budget, Investitionsplan und/oder Budget inklusive Investitionsplan die Stimmen der klagenden Partei bei der Beschlussfeststellung zu berücksichtigen und mitzuzählen hat,
werden abgewiesen.
3. Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, der beklagten und Gegnerin der gefährdeten Partei die mit 5.582,56 EUR (darin enthalten 572,76 EUR USt und 2.146 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Sicherungsverfahrens in erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, der beklagten und Gegnerin der gefährdeten Partei die mit 5.818,90 EUR (darin enthalten 731,40 EUR USt und 1.430,50 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die gefährdete Partei (im Folgenden: Klägerin) und die Gegnerin der gefährdeten Partei (im Folgenden: Beklagte) sind die beiden Gesellschafterinnen der d***** GmbH (im Folgenden: Gesellschaft). Die Klägerin hält ca 32 % der Geschäftsanteile, die Beklagte ca 68 %. Nach dem Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft bedarf ua die Beschlussfassung über den jährlichen Investitionsplan, sofern darin Investitionen enthalten sind, deren gemeinsame Summe 2 % des Bruttoumsatzes des Vorjahres übersteigt, einer Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen.
In den Generalversammlungen der Gesellschaft vom 27. 2. 2018 und 8. 11. 2018 wurde jeweils mit den Stimmen der Beklagten und gegen die Stimmen der Klägerin ein selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer derjenigen Rechtsanwalts-GmbH, die die Beklagte sowohl in diesen Generalversammlungen vertrat als auch im vorliegenden Verfahren vertritt, zum Vorsitzenden der Generalversammlung bestellt. In diesen Generalversammlungen wurde auch über das Budget inklusive Investitionsplan für die Geschäftsjahre 2017/18 bzw 2018/19 abgestimmt. Die vorgesehenen Investitionen überstiegen jeweils 2 % des Bruttoumsatzes des Vorjahres. Die Klägerin stimmte jeweils gegen, die Beklagte jeweils für den Investitionsplan. Der Vorsitzende stellte dabei jeweils nicht fest, ob der Antrag angenommen oder abgelehnt wurde.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Feststellung, dass ihr in Generalversammlungen der Gesellschaft bei der Beschlussfassung über Budget, Investitionsplan und/oder Budget inklusive Investitionsplan ein Stimmrecht zukomme, sodass ihre Stimmen bei der Beschlussfeststellung zu berücksichtigen und mitzuzählen seien. Weiters begehrt sie die Verurteilung der Beklagten dazu,
a) alle Handlungen zu unterlassen, durch die das Stimmrecht der klagenden Partei sowie seine Ausübung in Generalversammlungen der Gesellschaft bei der Beschlussfassung über Budget, Investitionsplan und/oder Budget inklusive Investitionsplan beeinträchtigt werde,
b) es werde der Beklagten aufgetragen, in Generalversammlungen der Gesellschaft darauf hinzuwirken, dass der bestellte Versammlungsleiter bei der Beschlussfassung über Budget, Investitionsplan und/oder Budget inklusive Investitionsplan die Stimmen der klagenden Partei bei der Beschlussfeststellung berücksichtigen und mitzuzählen habe,
c) die beklagte Partei habe es zu unterlassen, in Generalversammlungen der Gesellschaft, in denen über Budget, Investitionsplan und/oder Budget inklusive Investitionsplan beschlossen werden soll, ihr Stimmrecht bei der Beschlussfassung über die Bestellung des Versammlungsleiters auszuüben.
Die Klägerin bringt vor, der Versammlungsleiter habe es bewusst unterlassen, die Ablehnung der Beschlussanträge über den Investitionsplan (mangels erreichter Dreiviertelmehrheit) festzustellen. Entgegen der Meinung der Beklagten unterliege die Klägerin hier keinem Stimmverbot.
Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, zwischen der Gesellschaft und der Klägerin bestehe ein nachfrage- und absatzseitiges Wettbewerbsverhältnis. Die Beteiligung der Klägerin an der Beschlussfassung über den Investitionsplan verstieße gegen § 1 KartG bzw Art 101 AEUV. Verstöße gegen diese Normen bewirkten Nichtigkeit. Die Klägerin unterliege daher bei den angeführten Beschlussfassungen einem Stimmverbot.
Im Sicherungsverfahren begehrt die Klägerin (im Rechtsmittelverfahren nur noch), der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen,
1. alle Handlungen zu unterlassen, durch die das Stimmrecht der Klägerin sowie seine Ausübung in Generalversammlungen der Gesellschaft bei der Beschlussfassung über Budget, Investitionsplan und/oder Budget inklusive Investitionsplan beeinträchtigt werde, sowie
2. in Generalversammlungen der Gesellschaft darauf hinzuwirken, dass der bestellte Versammlungsleiter bei der Beschlussfassung über Budget, Investitionsplan und/oder Budget inklusive Investitionsplan die Stimmen der Klägerin bei der Beschlussfeststellung zu berücksichtigen und mitzuzählen habe.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung in beiden Punkten.
Das Rekursgericht bestätigte die einstweilige Verfügung laut Punkt 1. des Begehrens und wies das Sicherungsbegehren laut Punkt 2. ab. Es bestehe die konkrete Gefahr, dass in der oder einer der nächsten Generalversammlungen das Beschlussergebnis ohne Berücksichtigung der Stimmen der Klägerin positiv festgestellt werde, die Geschäftsführung der Gesellschaft die geplanten Investitionen durchführe und schließlich derartig umfassende Investitionen unumkehrbar wären. Mit (nicht rechtskräftigem) Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Linz vom 27. 2. 2019, AZ 6 R 11/19h, sei bejaht worden, dass der Klägerin ein Stimmrecht in Generalversammlungen der Gesellschaft, in denen über Budget und Investitionsplan abgestimmt wird, zukomme. Danach sei die Stimmabgabe der Klägerin aus kartellrechtlichen Gründen nicht nichtig. Das Sicherungsbegehren zu Punkt 1. sei auch ausreichend bestimmt, weshalb das Sicherungsbegehren insoweit zu Recht bestehe.
Ein in der Generalversammlung gewählter Vorsitzender sei in dieser Funktion neutral und keinem Gesellschafter zuzurechnen. Der Versammlungsleiter sei zwar nicht direkter Adressat der einstweiligen Verfügung, dennoch liege keine rechtliche Grundlage dafür vor, die entsprechende Einwirkungen auf den bestellten Versammlungsleiter rechtfertigen könnte. Es sei auch nicht ersichtlich, in welcher Weise das Hinwirken auf den Versammlungsleiter erfolgen solle. Da es letztlich die alleinige Entscheidung des Versammlungsleiters sei, ob und wie er ein bestimmtes Beschlussergebnis feststelle, insbesondere ob er einen Stimmrechtsausschluss oder ein Stimmverbot eines Gesellschafters zugrunde lege, komme eine Verpflichtung eines Gesellschafters, in bestimmter Weise auf die Beschlussfeststellung einzuwirken, mangels rechtlicher Grundlage nicht in Betracht. Das unter Punkt 2. dargestellte Sicherungsbegehren sei daher unberechtigt.
Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil eine vergleichbare Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu den hier maßgeblichen Rechtsfragen, insbesondere auch aus kartellrechtlicher Perspektive, nicht habe aufgefunden werden können.
Gegen den stattgebenden Teil richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten, gegen den abweisenden Teil der Revisionsrekurs der Klägerin, jeweils mit dem Antrag, die Entscheidung des Rekursgerichts (zur Gänze) im Sinne des jeweiligen Begehrens abzuändern. Die Beklagte stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Beide Rechtsmittel sind zulässig, dasjenige der Beklagten, weil insoweit dem Rekursgericht eine Fehlbeurteilung unterlaufen ist, dasjenige der Klägerin, weil Rechtsprechung zur Rolle des Vorsitzenden (Versammlungsleiters) einer Generalversammlung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung dann, wenn dieser gleichzeitig bevollmächtigter Rechtsanwalt eines Gesellschafters ist, nicht vorliegt.
Das Rechtsmittel der Klägerin ist nicht berechtigt, jenes der Beklagten ist berechtigt im Sinne der (gänzlichen) Abweisung des Sicherungsbegehrens.
Die Beklagte macht in ihrem Rechtsmittel geltend, mit der erlassenen einstweiligen Verfügung werde unzulässig in den Willensbildungsprozess der Gesellschaft eingegriffen. § 42 Abs 2 GmbHG regle den einstweiligen Rechtsschutz in gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten abschließend und sei daher gegenüber § 381 Z 1 EO, worauf die Klägerin ihr Sicherungsbegehren stütze, lex specialis. Das Unterlassungsbegehren (im Provisorialverfahren) sei zu unbestimmt. Das Rekursgericht habe das in Art 101 AEUV verankerte Kartellverbot unvertretbar angewendet.
Die Klägerin macht in ihrem Rechtsmittel geltend, der Versammlungsleiter sei Rechtsanwalt und von der Beklagten beauftragt und gemäß § 9 Abs 1 RAO verpflichtet, deren Interesse zu wahren; er sei daher nicht unabhängig. Das begehrte Sicherungsmittel („hinzuwirken“) sei geeignet, weil die Beklagte ihren Rechtsanwalt beauftragen könne, die Stimmen der Klägerin zu berücksichtigen.
Hierzu wurde erwogen:
1. Zum Revisionsrekurs der Beklagten (Sicherungsbegehren Punkt 1.)
1.1. § 42 Abs 4 GmbHG ist keine abschließende Regelung
Der erkennende Senat hat sich jüngst in der Entscheidung 6 Ob 90/19g der Ansicht von König, Einstweilige Verfügungen5 Rz 10.57 angeschlossen, wonach neben der einstweiligen Verfügung nach § 42 Abs 4 GmbHG auch einstweilige Verfügungen nach der EO zur Verfügung stehen. Drohe also einem Gesellschafter ein unwiederbringlicher Schaden, so könne dieser einen auf § 381 Z 2 EO gestützten Sicherungsantrag stellen. Damit besteht grundsätzlich auch kein Einwand, eine einstweilige Verfügung wie hier auf § 381 Z 1 EO zu stützen.
1.2. Bestimmtheit des Unterlassungsbegehrens
1.2.1. Allgemein
Eine generelle Verpflichtung zur Unterlassung bildet keinen ausreichend bestimmten Exekutionstitel; es muss vielmehr die Verpflichtung zur Unterlassung bestimmter Handlungen festgelegt sein (RS0000771). Der Begriff der Bestimmtheit eines Unterlassungsbegehrens darf allerdings nicht allzu eng ausgelegt werden, da es praktisch unmöglich ist, alle nur denkbaren Eingriffshandlungen zu beschreiben (RS0000845). Eine gewisse allgemeine Fassung des Unterlassungsgebots ist – allerdings im Verein mit konkreten Einzelverboten – meist schon deshalb notwendig, um Umgehungen nicht allzu leicht zu machen (RS0000845 [T12]).
Bei einer Unterlassungsklage muss die Unterlassungspflicht so deutlich gekennzeichnet sein, dass ihre Verletzung gemäß § 355 EO exekutiv getroffen werden kann; eine Anführung aller Möglichkeiten des Zuwiderhandelns ist aber nicht nur unmöglich, sondern auch überflüssig, weil es allenfalls dem Exekutionsbewilligungsrichter obliegen wird zu beurteilen, ob bei einer Exekutionsführung die von der betreibenden Partei behauptete Zuwiderhandlung als Verstoß gegen den Exekutionstitel gewertet werden kann (RS0000878). Das Unterlassungsbegehren ist jedoch zu konkretisieren; allgemeine Umschreibungen genügen nicht; die Abgrenzungskriterien müssen derart bestimmt angegeben sein, dass es zu keiner Verlagerung des Rechtsstreits in das Exekutionsverfahren kommt (RS0000878 [T7]). Es muss die Unterlassungspflicht so deutlich gekennzeichnet sein, dass auch eine Überprüfung im Rahmen der exekutiven Durchsetzung möglich ist (RS0000878 [T13]).
Allgemein gilt, dass ein Unterlassungsgebot das verbotene Verhalten so deutlich umschreiben muss, dass es dem Beklagten als Richtschnur für sein künftiges Verhalten dienen kann; diesem Erfordernis genügen näher konkretisierte, allgemeine Begriffe nicht, sondern es muss in einer für das Gericht und die Parteien unverwechselbaren Weise feststehen, was geschuldet wird (RS0119807). Daher ist es etwa auch nicht möglich, pauschal „Handlungen zu Zwecken des Wettbewerbs, die gegen die guten Sitten verstoßen,“ zu verbieten (RS0119807 [T2]).
1.2.2. Einzelfälle
Ein Begehren auf Unterlassung jeder Störung und jeden Eingriffs in konkret behauptete Mietrechte des Klägers wurde in der älteren Judikatur bereits als hinreichend bestimmt angesehen (6 Ob 7/60 = RS0000771 [T2]). In der Entscheidung 1 Ob 27/91 wurde allerdings das Begehren (im Hauptverfahren), der Beklagte habe alle Maßnahmen zu unterlassen, die die Beeinträchtigung näher bezeichneter Wasserbenützungsrechte der klagenden Partei herbeiführen, für zu unbestimmt erachtet. Begründet wurde dies damit, dass einem solchen Verlangen nicht entnommen werden kann, welcherart die Maßnahmen sind, durch die die Beklagten die Wasserbenützungsrechte der klagenden Partei beeinträchtigen und die sie deshalb zu unterlassen hätte; das Begehren müsse vielmehr die Verhaltensweisen des Beklagten bestimmt und genau bezeichnen, deren Unterlassung ihm aufgetragen werden solle.
Soweit die Revisionsrekursbeantwortung der Klägerin in diesem Zusammenhang ausführt, das Begehren im dortigen Sicherungsverfahren sei sehr wohl für ausreichend bestimmt erachtet worden, ist ihr entgegenzuhalten, dass dort das Sicherungsbegehren darauf lautete, die Beklagten hätten es ab sofort zu unterlassen, „Felsabtragungen mittels Sprengungen auf näher bezeichneten Grundstücken durchzuführen“. Dieses Unterlassungsbegehren ist freilich viel konkreter als das dortige Begehren im Hauptverfahren wie auch des gegenständlichen Unterlassungsbegehrens.
Auch das Begehren, der Beklagte habe „alle Handlungen zu unterlassen, mit welchen Geschäftspartner der gefährdeten Partei zur Kündigung von Lieferverträgen mit dieser bewogen werden sollen“ (4 Ob 303/64 = RS0037653) oder das Gebot, ungehindert die Ausübung der Gesellschaftsrechte nach einem mündlichen Vertrag zu gestatten (RS0000543), wurden von der Judikatur als ungenügend konkretisiert beurteilt.
1.2.3. Vorliegender Fall
Die Entscheidung des Rekursgerichts, die das Begehren im stattgegebenen Teil seiner Entscheidung für ausreichend bestimmt erachtete, steht mit der unter 1.2.1. und 1.2.2. zitierten Judikatur im Widerspruch. Auch hier bleiben die zu unterlassenden Handlungen völlig offen; das Unterlassungsbegehren nimmt auch nicht einmal beispielhaft oder durch eine „insbesondere“-Formulierung mit konkreten Einzelverboten auf einzelne Handlungen Bezug (vgl RS0000845 [T12]). Das Unterlassungsbegehren ist zusammengefasst im Sinn der dargestellten Judikatur zu unbestimmt und daher nicht zulässig.
1.2.4. Amtswegige Einschränkung des Begehrens?
Eine amtswegige Einschränkung des Begehrens im Sinn einer Teilabweisung (vgl 4 Ob 242/06a) kommt nicht in Betracht, weil dem Antragsvorbringen kein konkreter Einzelvorwurf zu entnehmen ist. Die Bestellung eines der Klägerin nicht genehmen Versammlungsleiters ist nicht rechtswidrig. Zudem ist es nicht Aufgabe der Gerichte, von Amts wegen den Umfang eines allfälligen Unterlassungsanspruchs des Klägers festzustellen (1 Ob 47/15s aE). Die Rechtsprechung lehnt es – auch nach der Entscheidung des EGMR in der Sache Micallef/Malta (EGMR 15. 10. 2009 [GK], 17056/06) zur Anwendbarkeit von Art 6 EMRK auf Provisorialverfahren – im Sicherungsverfahren weiterhin ab, eine Entscheidung (nur dazu) aufzuheben, um der klagenden Partei in einem zweiten Rechtsgang die Möglichkeit zu geben, ein unbestimmtes Sicherungsbegehren zu verbessern: Es kommt weder eine Erörterung noch eine Verbesserung des Sicherungsbegehrens in Betracht, weil dies dem Wesen des auf eine rasche Entscheidung abgestellten Provisorialverfahrens widerspricht (8 Ob 91/16i = RS0005452 [T15]; 6 Ob 241/16h; RS0005452 [T11]).
1.3. Wegen Unbestimmtheit des Unterlassungsbe-gehrens war daher das Sicherungsbegehren zu Punkt 1. abzuweisen. Auf die weiteren Argumente der Beklagten, weshalb das Sicherungsbegehren unzulässig sei, muss daher nicht mehr eingegangen werden.
2. Zum Revisionsrekurs der Klägerin (Sicherungsbegehren Punkt 2.)
2.1. Aufgaben des Versammlungsleiters (Vorsitzenden)
2.1.1. Allgemeines
Die Rolle des Versammlungsleiters (Vorsitzenden) der Generalversammlung ist im GmbHG nicht geregelt, das Gesetz schreibt einen solchen auch nicht vor. Wird aber in der Generalversammlung ein Vorsitzender gewählt, so ist es dessen Aufgabe, für einen geordneten Ablauf der Verhandlungen und Abstimmungen sowie für eine ordnungsgemäße Feststellung der Verhandlungs- und Abstimmungsergebnisse zu sorgen (1 Ob 61/97w; 6 Ob 99/11v; RS0127005). Ihm steht auch die Sitzungspolizei zu; er erteilt und entzieht daher das Wort, wobei er auch die Redezeit festlegen kann. Dabei ist das Gleichbehandlungsgebot zu beachten (Enzinger in Straube, GmbHG [2013] § 34 Rz 49; siehe auch Harrer in Gruber/Harrer, GmbHG² [2018] § 34 Rz 21 f).
2.1.2. Unparteilichkeit des Versammlungsleiters (Vorsitzenden)?
Bislang liegt keine (ausdrückliche) oberstgerichtliche Rechtsprechung dazu vor, ob der Vorsitzende sein Amt unparteilich auszuüben hat.
Während sich die Kommentarliteratur zum GmbHG außer der obigen Umschreibung der Aufgaben des Versammlungsleiters einer ausdrücklichen Aussage dazu enthält, vertritt Fantur in FS Krejci I (2001) 581 (583) die Auffassung, der Vorsitzende habe sein Amt jedenfalls unparteilich auszuüben.
In Deutschland wird bei vergleichbarer Rechtslage – soweit die Frage überhaupt angesprochen wird – (soweit ersichtlich) einhellig die Meinung vertreten, der Versammlungsleiter der Generalversammlung sei zur Neutralität verpflichtet (Seibt in Scholz, GmbHG11 [2014] § 48 Rz 35: „in Verfahrensfragen“; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG19 [2016] § 48 Rz 16: „Grundsätze der Neutralität, der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit“; vgl auch Liebscher in MüKoGmbHG3 [2019], § 48 Rz 109: „gewisse Integrität und Neutralität“; Teichmann in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG4 [2019] § 48 Rz 18: „sachgerechte Erledigung der Versammlungsgegenstände“).
Der erkennende Senat schließt sich dieser übereinstimmenden Auffassung an. Deren Richtigkeit ergibt sich schon aus der Überlegung, dass eine sinnvolle und zielführende Wahrnehmung der oben dargestellten Aufgaben des Versammlungsleiters einer Generalversammlung einer GmbH nur bei dessen Unparteilichkeit möglich ist.
Zusammengefasst wird somit festgehalten: Der Versammlungsleiter (Vorsitzende) einer Generalversammlung einer GmbH hat sein Amt unparteilich (neutral) auszuüben.
2.2. Folgerungen für den vorliegenden Fall
2.2.1. Aus der Pflicht des Versammlungsleiters zur Unparteilichkeit folgt zunächst, dass auch dann, wenn – wie hier – ein Rechtsanwalt, der gleichzeitig Vertreter eines Gesellschafters ist, zum Versammlungsleiter (grundsätzlich mit einfacher Mehrheit: RS0127004) gewählt wurde, dieser in dieser Funktion gerade nicht als Vertreter seiner Partei handelt. Denn als Parteienvertreter ist er nämlich gemäß § 9 Abs 1 RAO insoweit zur Parteilichkeit verpflichtet, als er „die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten“ hat. In seiner Funktion als Versammlungsleiter kommt somit § 9 Abs 1 RAO nicht zur Anwendung.
2.2.2. Somit lässt sich hier aus dem anwaltlichen Auftragsverhältnis zwischen Beklagter und Versammlungsleiter (bzw der Rechtsanwalts-GmbH, der der Versammlungsleiter angehört) kein Weisungsrecht der Beklagten hinsichtlich dessen Art der Ausübung des Amtes des Versammlungsleiters ableiten. Es ist aber auch sonst keine Rechtsgrundlage für ein „Hinwirken“ der Beklagten (in welcher Art auch immer) auf den Versammlungsleiter ersichtlich. Die Verpflichtung zur Unparteilichkeit des Versammlungsleiters schließt vielmehr jegliche Einflussnahme von welcher Seite auch immer auf dessen Leitungstätigkeit aus. Ein Exekutionstitel darf aber nur geschaffen werden, wenn der Verpflichtete auch rechtlich in der Lage ist, die von ihm geforderte Handlung vorzunehmen (RS0000524). Schon aus diesen Gründen erweist sich die Abweisung des Sicherungsbegehrens zu Punkt 2. durch das Rekursgericht als richtig, sodass auf die weiteren Argumente der Beklagten nicht mehr eingegangen werden muss.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich für alle drei Instanzen auf die §§ 402, 78 EO iVm § 41 ZPO. Dabei war insoweit von den Erwägungen des Rekursgerichts auszugehen, wonach das Sicherungsbegehren insgesamt mit 70.000 EUR zu bewerten war. Die Honorierung im Revisionsrekursverfahren erfolgte demnach jeweils auf der Bemessungsgrundlage von 35.000 EUR. Die im Revisionsrekurs verzeichnete Verbindungsgebühr steht nicht zu.
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