OGH 6Ob145/03x

OGH6Ob145/03x19.2.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der jeweils klagenden Partei Erich L*****, vertreten durch Dr. Carl-Heinz Gressel, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. Johann Georg H*****, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Vavrovsky Kommandit-Partnerschaft in Salzburg, 2. Verlassenschaft nach Dr. Gerhard S*****, vertreten durch Mag. Mirjam B. Sorgo, Rechtsanwältin in Wien, und 3. Ö*****, vertreten durch Dr. Karl Margreiter und Dr. Herbert Margreiter, Rechtsanwälte in Salzburg (3 Cg 231/99y des Landesgerichtes Salzburg), und gegen die beklagte Partei P*****, vertreten durch Dr. Karl Margreiter und Dr. Herbert Margreiter, Rechtsanwälte in Salzburg (9 Cg 27/00x des Landesgerichtes Salzburg), wegen 244.544,09 EUR und Feststellung, über die Rekurse der erst- und drittbeklagten Parteien im führenden Verfahren 3 Cg 231/99y und der beklagten Partei im verbundenen Verfahren 9 Cg 27/00x gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 26. Februar 2003, GZ 1 R 229/02f-57, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 22. Juli 2002, GZ 3 Cg 231/99y, 9 Cg 27/00x-48, aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der am 6. 10. 1948 geborene Kläger spendete am 19. 8., 3. 9., 12. 9., 26. 9., 1. 10. und 20. 10. 1975 Blutplasma im Plasmapheresezentrum Salzburg. Bei der Untersuchung anlässlich seiner ersten Spende wurde er zum Spender für geeignet befunden. Er wies keine erhöhten Transaminase-Werte auf. Als er am 14. 5. 1976 abermals Blutplasma spenden wollte, wurde ein erhöhter Transaminase-Wert von 42 und bei einer Kontrolluntersuchung am 28. 5. 1976 ein solcher von 36 festgestellt, weshalb der Kläger von einer weiteren Spendertätigkeit ausgeschlossen wurde. 1987 wurde beim Kläger erstmals die Erkrankung an Hepatitis festgestellt und 1989 die Diagnose Hepatitis C erstellt. 1995 wurde eine Lebertransplantation vorgenommen. Bis 1978 gab es im Plasmapheresezentrum Salzburg hygienische Mängel, die geeignet waren, Hepatitis C auszulösen. Ab Ende 1975 kam es bei dortigen Blutplasmaspendern vereinzelt zu Infektionen mit Hepatitis C. Ende 1977/Anfang 1978 brach eine regelrechte Epidemie aus. Die dort infizierten Spender wiesen den Genotyp 1A auf, der in ca 25 % der Hepatitis C-Erkrankungen auftritt. Mehr als die Hälfte der an Hepatitis C Erkrankten sind vom Genotyp 1B betroffen. Der Kläger begehrt von den Beklagten 244.544,09 EUR zur ungeteilten Hand sowie die Feststellung ihrer Haftung für alle künftigen Schäden, die aus der bei ihm aus Anlass der Blutplasmaspenden Anfang der 70er-Jahre, 1975 und 1976 durch das Verschulden der Beklagten hervorgerufenen Erkrankung an Hepatitis C noch entstehen. Er brachte vor, die beklagten Parteien hätten gemeinsam das Plasmapheresezentrum betrieben und seien auch als dessen Betreiber aufgetreten. Die Infektion des Klägers sei auf die mangelnde Hygiene im Plasmazentrum und auf eine falsche Organisation zurückzuführen. Es sei das sogenannte offene Verfahren angewendet worden, wodurch die Infektionsgefahr erheblich erhöht worden sei. Die Beklagten hätten die gesetzlichen Auflagen zum Betrieb eines Plasmapheresezentrums nicht eingehalten. Eine Aufklärung über die Gefahren des Plasmaspendens sei unterblieben, obwohl damals bereits typische Infektionsrisken bekannt gewesen seien. Dem Kläger sei erst aufgrund von Medienberichten im Jahr 1999 der Kausalzusammenhang zwischen seinen Plasmaspenden und seiner Erkrankung bewusst geworden. Andere Ursachen kämen für die Infektion des Klägers nicht in Betracht, insbesondere auch nicht eine Bluttransfusion. Eine solche habe der Kläger nie erhalten.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestritten die gegen sie erhobenen Vorwürfe und insbesondere auch, dass sich der Kläger beim Plasmaspenden infiziert habe. Seine Erkrankung sei auf andere Ursachen zurückzuführen. Er selbst habe darauf hingewiesen, eine Bluttransfusion erhalten zu haben. Die Infektion sei offenbar nach der Spende des Klägers im Oktober 1975 erfolgt, es könne aber auch eine frühere Infektion nicht ausgeschlossen werden, weil die Transaminase-Werte nicht unmittelbar nach der Infektion ansteigen müssten. Der Hepatitis C-Virus sei damals noch nicht bekannt gewesen. Die Vorgangsweise bei den Plasmaspenden habe den damaligen medizinischen Standard erfüllt. Die Spender seien auch ausreichend aufgeklärt worden. Die Beklagten bestritten jeweils auch ihre Passivlegitimation und behaupteten, das Plasmapheresezentrum nicht geführt zu haben und mit dem Kläger in keiner Vertragsbeziehung gestanden zu sein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren sowohl im ersten als auch im zweiten Rechtsgang ab. Es traf noch folgende Feststellungen:

Erhöhte Transaminase-Werte deuten auf eine Lebererkrankung hin, stellen aber für sich allein noch keinen Beweis für eine solche Erkrankung dar. Der Umstand, dass der Kläger während seiner zweimonatigen Spendertätigkeit keine erhöhten Transaminase-Werte aufwies, schließt nicht aus, dass er bereits zu dieser Zeit mit Hepatitis C infiziert war. Zwischen 1965 und 1971 war der Kläger bei der Salzburger Gebietskrankenkasse versichert und in diesem Zeitraum insgesamt achtmal im Krankenhaus. In der Folge war er nur teilweise krankenversichert. Der Kläger führte in den 70er-Jahren ein bewegtes Leben. Er war mehrmals in Haft. Von Juli oder August 1976 bis Ende Oktober 1978 verbüßte er eine Freiheitsstrafe in der Strafvollzugsanstalt Stein. Zumindest ab Ende August 1975 bis zum Antritt dieser Strafe war er nicht krankenversichert. Es gibt Studien, wonach Gefängnisinsassen eine - allerdings nicht signifikant höhere - Häufigkeit an Hepatitis C-Erkrankungen aufweisen. Der Kläger hat "mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit" in der Zeit vom 20. 10. 1975 bis 14. 5. 1976 Bluttransfusionen bekommen. Von 1959 bis 1990 wurde Hepatitis C hauptsächlich durch die Verabreichung von Blut und Blutprodukten übertragen. Die zweithäufigste Infektionsart war der intravenöse Drogenabusus (ca 20 %). Geringe Übertragungsrisken bestanden bei mangelhaften hygienischen Zuständen in Tätowier- und Piercingstudios, bei Maniküren und Pediküren, beim Friseur (Rasierklingen), durch Akupunktur und blutende Zahnbehandlungen, beim gemeinsamen Verwenden von Toiletteartikeln wie zB Rasierer, Zahnbürsten, Nagelscheren und Nagelfeilen. Voraussetzung für die Übertragung ist immer das Vorhandensein einer Wunde. Eine geringe Wahrscheinlichkeit besteht auch durch sexuelle Übertragung. Der Kläger hat anlässlich ärztlicher Behandlungen mehrmals angegeben, eine Bluttransfusion nach einem Verkehrsunfall erhalten zu haben und dies zunächst auch im vorliegenden Verfahren ausgesagt, diese Aussage in der Folge aber widerrufen.

Bei einem Vergleich der Wahrscheinlichkeit einer Infektion durch eine Bluttransfusion einerseits und durch Plasmaspenden bei bestehenden Hygienemängeln im Plasmapharesezentrum andererseits ist es wahrscheinlicher, dass die Infektion durch eine Bluttransfusion stattgefunden hat. Eine auch nur einigermaßen verlässliche Rückrechnung auf den Infektionszeitpunkt ist bei Hepatitis C nicht möglich.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dem Kläger obliege der Beweis, dass anlässlich seiner Plasmaspenden ein Kunstfehler unterlaufen sei, der zu seiner Infektion geführt habe. Da der Kausalitätsbeweis in derartigen Fällen schwierig zu erbringen sei, genüge nach der Rechtsprechung für den Nachweis des Kausalzusammenhanges ein hoher Grad einer Wahrscheinlichkeit, jedenfalls aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit oder nach vereinzelten Entscheidungen auch der Anscheinsbeweis. Im vorliegenden Fall sei dem Kläger aber nicht einmal dieser Anscheinsbeweis gelungen, weil die höhere Wahrscheinlichkeit für eine Infektion durch eine Bluttransfusion spreche.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil im zweiten Rechtsgang neuerlich auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Wegen der besonderen Schwierigkeit des exakten Beweises des Kausalzusammenhanges sehe die Rechtsprechung für die Kausalität eines ärztlichen Behandlungsfehlers für Gesundheitsschäden von Patienten den Anscheinsbeweis als ausreichend an. Dies gelte auch für den Kausalzusammenhang zwischen Blutplasmaspenden und einer Hepatitis C-Infektion. Unter Berücksichtigung der hygienischen Mängel im Plasmapheresezentrum Salzburg, der Infektion einer größeren Anzahl von Spendern in den 70er-Jahren und des Umstandes, dass fast alle betroffenen Salzburger Spender den selteren Virus des Genotyps 1A aufwiesen, sei die Erkrankung des Klägers eine geradezu typische Folgeerscheinung seiner Plasmaspenden. Es stehe daher ein typischer Geschehensablauf fest, der nach der Lebenserfahrung auf die Infektion des Klägers anlässlich seiner Plasmaspenden in der zweiten Jahreshälfte 1975 hinweise. Der Anscheinsbeweis könne vom Gegner damit entkräftet werden, dass er eine andere ernstlich in Betracht zu ziehende Möglichkeit des Geschehensablaufes als des typischen aufzeige. Das bloße Aufzeigen anderer abstrakter Möglichkeiten reiche allerdings nicht aus. Der Umstand, dass auch zahlreiche andere Infektionsursachen in Betracht gekommen und sich der Kläger in Haft befunden habe, sei kein konkreter Erschütterungsbeweis. Dass offenbar die Infektion durch Bluttransfusionen nach einem Verkehrsunfall im Jahr 1975 erfolgt sei, stelle noch nicht die Behauptung einer Tatsache dar, die den Schluss auf einen ernstlich in Betracht zu ziehenden anderen Geschehensablauf zulasse. Der Hinweis des Erstbeklagten auf den Eintrag in der Aufnahme- und Untersuchungskarte des Plasmapheresezentrums vom 19. 8. 1975 ("Antikörpersuchen, Transfusionen") beweise nicht, dass sich der Kläger nach dem Ausstellungsdatum der Karte einer Transfusion unterzogen habe. Dem stehe auch die Behauptung der zweitbeklagten Partei entgegen, dass sich der Kläger von Oktober 1975 bis Mai 1976 in Strafhaft befunden habe. Es fehle also an einer konkreten Behauptung einer anderen, vom typischen Verlauf abweichenden Infektionsursache. Die "Feststellung" des Erstgerichtes, dass der Kläger mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zwischen dem 20. 10. 1975 und dem 14. 5. 1976 Bluttransfusionen, wahrscheinlich nach einem Autounfall, bekommen habe, weiche einerseits sogar von der ursprünglichen Aussage des Klägers ab und sei andererseits nicht von einer konkreten Einwendung der Beklagten getragen. Die "Feststellung" falle daher nicht in den Rahmen einer konkreten Einwendung. Sie sei überschießend und damit unbeachtlich. Dieser Umstand sei im Rahmen der aus Anlass der Rechtsrüge erforderlichen umfassenden Überprüfung der rechtlichen Beurteilung aufzugreifen. Überschießende Urteilsfeststellungen dürften nicht zur Widerlegung eines Anscheinsbeweises herangezogen werden. Daraus folge, dass dem Kläger der Anscheinsbeweis für die Infektion mit dem Hepatitis C-Virus anlässlich der Blutplasmaspenden 1975 gelungen sei. Da das Erstgericht zu den weiteren anspruchsbegründenden Behauptungen des Klägers und den betreffenden Einwänden der Beklagten nicht Stellung genommen und Beweisaufnahmen hiezu unterlassen habe, leide das Ersturteil an Feststellungsmängeln im Sinn des § 496 Abs 1 Z 3 ZPO. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage vorliege, ob ein Anscheinsbeweis auch durch eine überschießende, nicht in den Rahmen einer konkreten Einwendungen fallende Urteilsfeststellung erschüttert werden könne.

Gegen diesen Beschluss richten sich die Rekurse der Erst- und Drittbeklagten im führenden und der Beklagten im verbundenen Verfahren, mit denen die Rekurswerber primär jeweils die Wiederherstellung des Ersturteils, hilfsweise jeweils die Aufhebung des Beschlusses des Berufungsgerichtes und die Rückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht beantragen.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt. Nach den allgemeinen Regeln über die Verteilung der Beweislast schlägt es zum Nachteil desjenigen aus, der ein Recht für sich in Anspruch nimmt, wenn die rechtsbegründenden Tatsachen hiefür nicht erwiesen sind. Auch nach § 1298 ABGB trifft die Beweislast für den Kausalzusammenhang den Geschädigten. Die Beweislastumkehrung dieser Bestimmung betrifft nur den Verschuldensbereich (RIS-Justiz RS0022686). Um demjenigen, der die anspruchsbegründenden Tatsachen zu beweisen hat, den Beweis zu erleichtern, lässt die Rechtsprechung allerdings in bestimmten Fällen einen Anscheinsbeweis zu. Der Hauptanwendungsfall liegt im Schadenersatzbereich. Die Zulässigkeit des Anscheinsbeweises beruht darauf, dass bestimmte Geschehensabläufe typisch sind und es daher wahrscheinlich ist, dass auch im konkreten Fall ein derartiger gewöhnlicher Ablauf und nicht ein atypischer gegeben ist (RIS-Justiz RS0040266; Harrer in Schwimann ABGB Band VII² § 1296 Rz 2). Der Anscheinsbeweis wird in Fällen als sachgerecht angesehen, in denen konkrete Beweise vom Beweispflichtigen billigerweise nicht erwartet werden können. In der Regel ist dies der Fall, wenn es sich um Umstände handelt, die allein in der Sphäre des Gegners liegen und daher nur ihm bekannt und auch nur durch ihn beweisbar sind (SZ 70/179; 3 Ob 18/00v mwN). Vom Grundsatz, dass der Beweis der Kausalität dem Gläubiger obliegt, ist der Oberste Gerichtshof insbesondere bei ärztlichen Behandlungsfehlern abgegangen, weil hier nicht dem Patienten, sondern dem zur Haftung herangezogenen Arzt die Mittel und die Sachkunde zum Nachweis zur Verfügung stehen. In diesen Fällen wird für den Kausalitätsbeweis wegen der besonderen Schwierigkeit einer exakten Beweisführung der Anscheinsbeweis für ausreichend angesehen (6 Ob 3/98d mwN; vgl RIS-Justiz RS0106890). Ob nach den festgestellten Umständen ein Tatbestand vorliegt, der eine Verschiebung des Beweisthemas und der Beweislast im Sinn des Anscheinsbeweises zulässt, ist nach herrschender Ansicht (auch) eine (revisible) Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0022549; RS0022624; 3 Ob 18/00v; SZ 70/179; 10 ObS 168/02g; Fasching ZPR² Rz 897; Rechberger in Rechberger ZPO² vor § 266 Rz 22).

Nach den insoweit unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes bestanden bis 1978 (also auch 1975) hygienische Mängel im Plasmapheresezentrum, in dem der Kläger im zweiten Halbjahr 1975 wiederholt Plasma spendete, die geeignet waren, Infektionen der Spender mit Hepatitis C hervorzurufen. Im zeitlichen Zusammenhang mit der Spendertätigkeit des Klägers traten auch die ersten derartigen Infektionsfälle auf, die sich in der Folge immer mehr häuften, wobei der seltenere Genotyp 1A bei diesen Infektionen festzustellen war. Unter diesen Umständen liegt dem ersten Anschein nach die Kausalität der Plasmaspenden des Klägers für seine Erkrankung an Hepatitis C (Genotyp 1A) vor (vgl 3 Ob 123/99f = JBl 1999, 169 = RdM 2000/13 zum Fall eines anderen mit Hepatitis C infizierten Patienten, der ebenfalls in der Plasmapheresestelle in Salzburg Blut spendete). Die Ansicht des Erstgerichtes, dem Kläger sei nicht einmal der Anscheinsbeweis für die Kausalität gelungen, weil die höhere Wahrscheinlichkeit für eine Infektion durch eine Bluttransfusion spreche, ist daher nicht richtig. Das Erstgericht wollte damit allenfalls zum Ausdruck bringen, dass den Beklagten die Entkräftung des Anscheinsbeweises durch den Nachweis gelungen sei, dass eine andere konkrete Ursache für seine Infektion zumindest gleich wahrscheinlich sei. Hiefür reichen jedoch die Feststellungen des Erstgerichtes nicht hin.

Die Entkräftung des Anscheinsbeweises geschieht durch den Beweis, dass der typische formelhafte Geschehensablauf im konkreten Fall nicht zwingend ist, sondern die ernste Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes als des typischen besteht (3 Ob 18/00v; 1 Ob 54/01z; 10 ObS 398/01d). Es ist daher zu prüfen, ob den Beklagten der Nachweis einer anderen, zumindest ebenso wahrscheinlichen Ursache für die Infektion des Klägers mit Hepatitis C wie seine Plasmaspendertätigkeit gelungen ist. Wie das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung ausgeführt hat, reicht hiefür das bloße Aufzeigen anderer abstrakter Möglichkeiten nicht aus (10 ObS 5/93 = EvBl 1993/200, 849; RIS-Justiz RS0040272). Das Erstgericht hat einerseits ohne Bezug zum Schicksal des Klägers ganz allgemeine Möglichkeiten angeführt, die für eine Infektion mit Hepatitis C in Frage kommen. Es hat auch ausgeführt, dass die Infektion durch eine Bluttransfusion - sogar mit dem eher seltenen und bei Blutspendern im Plasmapheresezentrum Salzburg typischerweise auftretenden Genotyp 1A - eher wahrscheinlich ist als die Infektion bei den Plasmaspenden und dies in seiner abschließenden rechtlichen Beurteilung nochmals wiederholt. Dass die häufigste Ursache für die Infektion an Hepatitis C der Erhalt von Bluttransfusionen war, ist unstrittig. Dieser Umstand alleine vermag allerdings den Anscheinsbeweis noch nicht zu entkräften. Geht man - im Gegensatz zum Berufungsgericht - davon aus, dass die Beklagten hinreichend behauptet haben, der Kläger habe im fraglichen Zeitraum eine Bluttransfusion erhalten und sich dabei infiziert, ist entscheidend, ob der Kläger diese Bluttransfusion tatsächlich erhalten hat. Dieser Umstand müsste feststehen. Ob die Bluttransfusion für die Infektion des Klägers kausal war, braucht dann bloß wahrscheinlich zu sein, um den Anscheinsbeweis zu entkräften.

Der Beweis einer Tatsache ist erst erbracht, wenn der Richter die volle Überzeugung vom Vorhandensein der behaupteten Tatsache hat (Fasching, ZPR² Rz 815). Die Ausführungen des Erstgerichtes, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum "mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit" eine Bluttransfusion erhalten habe und der Hinweis auf die Urkunden, in denen derartige Äußerungen des Klägers aufscheinen sowie auf die anfängliche Aussage des Klägers reichen hiefür nicht aus. Damit wurde lediglich das Beweismaß dargetan (vgl 1 Ob 228/01p). Ob nun der Beweis einer solchen Bluttransfusion erbracht wurde oder nicht, blieb damit offen.

Die Meinung des Berufungsgerichtes, diese Beweisfrage könne dahingestellt bleiben, weil der Erhalt der Bluttransfusion nicht hinreichend behauptet und der Entkräftungsbeweis gar nicht angetreten worden sei, sodass die betreffenden Erwägungen des Erstgerichtes "überschießend" seien, ist nicht richtig. Sogenannte "überschießende Feststellungen", die sich nicht im Rahmen der Prozessbehauptungen der Parteien halten, sind unbeachtlich. Werden sie dennoch der Entscheidung zugrunde gelegt, wird damit nicht gegen Verfahrensvorschriften verstoßen, allerdings wird die Sache unrichtig rechtlich beurteilt (4 Ob 2338/96v ua). Diese Rechtsgrundsätze wurden zwar vom Berufungsgericht aufgezeigt, von ihm auf den vorliegenden Fall aber nicht richtig angewendet. Die Frage, ob der Kläger eine Bluttransfusion erhalten hat, die zumindest gleichermaßen für seine Erkrankung ursächlich gewesen sein könnte, war bereits im ersten Rechtsgang einer der Hauptstreitpunkte. Das Erstgericht und die Vertreter der Beklagten wurden offenbar aufgrund der vom Kläger vorgelegten Urkunden darauf aufmerksam, dass dieser anlässlich von ärztlichen Untersuchungen mehrmals von einer Bluttransfusion nach einem Verkehrsunfall 1975 gesprochen hatte. Er wurde deshalb dazu schon bei seiner ersten Einvernahme am 15. 5. 2000 befragt; damals bestätigte er den Erhalt einer solchen Bluttransfusion. In der darauffolgenden Tagsatzung am 23. 10. 2000 brachte er allerdings vor, dass seine Aussage in diesem Punkt unrichtig gewesen sei. In der Folge wurde er abermals mehrfach ausführlich zu diesem Thema einvernommen. Der Erstbeklagte trug nun Rechtsausführungen zum Anscheinsbeweis und dessen Widerlegung vor und wies darauf hin, dass sich aus dem vorgelegten Arztbrief des Allgemeinen Krankenhauses vom 24. 11. 1995 ergebe, dass sich der Kläger bei einer Bluttransfusion nach einem Verkehrsunfall 1975 infiziert habe. Offenbar sei diese Infektion nach der Plasmaspende des Klägers im Oktober 1975 erfolgt. Der Kläger bestritt dies, verwies auf ein bereits vorliegendes medizinisches Gutachten und beantragte die Einholung eines weiteren Gutachtens zum Beweis dafür, dass seine Erkrankung allein durch eine Infektion im Plasmapheresezentrum der Beklagten eingetreten sein könne. Im ersten Rechtsgang beurteilte das Berufungsgericht die betreffenden Ausführungen des Erstgerichtes nicht als überschießend, sondern befasste sich deshalb nicht mit der insoweit erstatteten Beweisrüge, weil es die Mängelrüge als berechtigt ansah. Im zweiten Rechtsgang verwies der Erstbeklagte auf seine Ausführungen in der Berufungsbeantwortung, in der er ausführlich dargelegt hatte, warum die "Feststellungen" des Erstgerichtes über die Bluttransfusion richtig und die späteren Aussagen des Klägers widersprüchlich und unglaubwürdig seien. In der letzten Tagsatzung vor Schluss der Verhandlung im zweiten Rechtsgang erörterten der Kläger und der Erstbeklagte nochmals die Frage der Bluttransfusion und legten ihre jeweiligen Argumente für und gegen die Annahme, dass der Kläger eine solche im fraglichen Zeitraum erhalten habe, dar. Die anderen Beklagten schlossen sich dem Vorbringen des Erstbeklagten an. Der Kläger wurde sodann nochmals ausführlich unter anderem zur Frage der Bluttransfusion einvernommen. Die Parteien haben diese Frage somit zu einem wesentlichen Prozessthema erhoben und die Beweisergebnisse hiezu im Verfahren mehrfach erörtert. Der Erstbeklagte hat sogar sehr konkrete Behauptungen zum Zeitraum, in der der Kläger die Transfusion erhalten haben soll, aufgestellt. Dass die Zweitbeklagte unter anderem auch behauptet hat, der Kläger sei nach der letzten Blutplasmaspende in Strafhaft gewesen, kann nicht dahin interpretiert werden, dass die Behauptungen der anderen Beklagten widersprüchlich oder unbeachtlich seien. Im Übrigen hat das Erstgericht unbekämpft festgestellt, dass der Kläger (erst) im Sommer 1976 inhaftiert wurde. Die nach wie vor strittige Frage der Bluttransfusion ist daher prozessentscheidend. Eine eindeutige Feststellung hiezu wurde vom Erstgericht, wie ausgeführt, noch nicht getroffen. Es liegt daher ein sekundärer Feststellungsmangel vor, der im Rahmen der rechtlichen Prüfung der Entscheidungen der Vorinstanzen aufzugreifen ist und zu einer Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht primär zur Ergänzung dieser Feststellung führt. Sollte das Erstgericht nicht als erwiesen annehmen, dass der Kläger in dem für eine Infektion in Frage kommenden Zeitraum ein Bluttransfusion erhalten hat, wird es die Ergänzungsaufträge des Berufungsgerichtes zu beachten haben. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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