OGH 4Ob2338/96v

OGH4Ob2338/96v17.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Gamerith als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*****verband *****, vertreten durch Dr. Heinz Wille, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei D***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 450.000,--), infolge Revisionsrekurses des Klägers gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 1.Oktober 1996, GZ 2 R 205/96f-16, mit dem die Entscheidung des Landesgerichtes Innsbruck vom 10. Juli 1996, GZ 40 Cg 122/96v-10, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Die am 18.11.1996 beim Obersten Gerichtshof eingelangte (zweite) Revisionsrekursbeantwortung der Beklagten wird zurückgewiesen.

2. Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 19.845,-- bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin S 3.307,50 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Vereinszweck des Klägers ist es (ua), gemeinsame berufliche, wirtschaftliche und soziale Interessen der in Österreich tätigen Psychotherapeuten, Psychotherapeuten in Ausbildung, psychotherapeutischen Ausbildungseinrichtungen und psychotherapeutischen Fort-, Weiterbildungs- und Forschungseinrichtungen zu vertreten. Ihm gehören in die Psychotherapeutenliste des Bundesministeriums für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz gemäß § 17 Psychotherapiegesetz, BGBl 1990/361, (PthG) eingetragene Personen, Psychotherapeuten in Ausbildung und gesetzlich anerkannte fachspezifische Psychotherapie-Ausbildungseinrichtungen als Mitglieder an. Mit Bescheid vom 10.2.1992 hat das Bundesministerium für Gesundheit, Sport und Umweltschutz die Leistungsfähigkeit des Klägers als berufliche Interessenvertretung der Psychotherapeuten gemäß § 349 Abs 2 ASVG iVm § 21 Abs 1 Z 9 PthG festgestellt.

In Österreich gibt es 24 Ausbildungseinrichtungen gemäß § 7 Abs 1 und 4 PthG; die Beklagte gehört nicht dazu. Sie hat ihren Sitz in Deutschland und bezeichnet sich als Ausbildungsinstitution.

Auf der Paracelsus-Messe für Naturheilkunde vom 30.11.1995 bis 3.12.1995 in Wien verteilte die Beklagte die Broschüre "Studieninformation Heilpraktiker". Darin bot sie ihre Leistungen als Ausbildungseinrichtung für Heilpraktiker an. In einer Landkarte, die Deutschland, die Schweiz, Österreich und Südtirol umfaßte, waren die Ausbildungsstätten der Beklagten eingezeichnet. Darunter waren sieben Ausbildungsstätten in Österreich. In einer Übersicht über "Behandlungs- und Heilmethodik" war auch "Psychotherapie und Psychosomatik" angeführt:

"Seelische Leiden und die sehr häufigen psychischen Ursachen organischer Leiden (somatischer) Beschwerden heilt der Heilpraktiker mit den vielfältigen Methoden der Psychotherapie (Hypnose, Gesprächstherapie u.a.m.)"

Die Broschüre war in einer Mappe enthalten, in der sich auch ein Zulassungsantrag zur Ausbildung zum Heilpraktiker befand. In der darauf abgedruckten "Studienordnung für die Heilpraktikerausbildung" hieß es einleitend:

"Wir weisen Sie darauf hin, daß der Beruf des Heilpraktikers in Österreich derzeit nicht ausgeübt werden darf. Im Hinblick auf die gegenseitige Anerkennung von Berufsdiplomen in der Europäischen Union ist die amtsärztliche Prüfung zum Heilpraktiker in Deutschland abzulegen, da die Zeugnisse dort anerkannt werden."

Mitarbeiter der Beklagten verteilten auch eine Broschüre, in der die Beklagte eine psychotherapeutische Ausbildung anbot. Dabei wiesen sie darauf hin, daß von der Beklagten ausgebildete Psychotherapeuten nur in Deutschland tätig sein dürfen.

Die Beklagte bildet in Österreich Interessenten nur zum Heilpraktiker, nicht aber zum Psychotherapeuten aus. Zahlreiche Österreicher lassen sich bei der Beklagten zum Heilpraktiker ausbilden, um ihren Beruf in Deutschland auszuüben.

Die Beklagte ließ eine weitere Werbebroschüre mit dem Titel "Frauen erobern die freien Heilberufe" Anfang 1994 der Zeitschrift "Brigitte" in Deutschland beilegen. Darin wurde (ua) ausgeführt:

"Die Berufe der freien Heilkunden

Die rechtliche Grundlage ist das Heilpraktikergesetz, das in Deutschland (und analog in fünf Kantonen der Schweiz) diese Form der Heilkundeausübung regelt. Die Ausbildung - entsprechend den faktischen Anforderungen - wird von den D***** Schulen erfolgsgerecht durchgeführt. Praktisch überall in Deutschland, der Schweiz und auch in Österreich, wo eine ähnliche gesetzliche Regelung angestrebt wird. Fast alle privaten Krankenversicherungen und viele Beamtenkassen erkennen die Heilpraktikerkonsultation problemlos an."

Die Beklagte wies in dieser Broschüre auch darauf hin, daß sie neben der Standardausbildung zum (Allgemein-)Heilpraktiker bzw. Naturarzt (Schweiz) auch speziell entwickelte Fachstudiengänge anbietet, nämlich Heilpraktikerin, psychologische Beraterin (Psychotherapeutin), Heilpraktikerin für Kinderheilkunde, Sportheilpraktikerin, Tierheilpraktikerin. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, daß diese Broschüre in Österreich vertrieben worden wäre.

Am 16.3.1996 schaltete die Beklagte ein Inserat in den "Salzburger Nachrichten" ein. Darin heißt es (ua):

"Natur heilt!

p***** Schulen Europas Bildungseinrichtung Nr. 1 für Heilpraktiker

führt jetzt in Salzburg/Freilassing offene Seminare für jedermann sowie 2 1/2 Jahre umfassende Komplettlehrgänge durch. Sie entsprechen der BRD-Ausbildung für das Berufsziel Heilpraktiker/Psychotherapeut.

...."

Der Kläger begehrt zur Sicherung seines im wesentlichen inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten aufzutragen, in Österreich das Anbieten und Ausführen von Ausbildungen ab sofort zu unterlassen, welches geeignet ist, beim Adressaten des Anbotes oder dem die Ausbildung in Anspruch Nehmenden den Eindruck zu erwecken, daß er durch die erfolgreiche Absolvierung der von der Beklagten angebotenen Ausbildung eine gesetzlich vorgeschriebene Voraussetzung zur Ausübung der selbständigen Psychotherapie erfüllt.

Die Beklagte sei in Österreich nicht als Ausbildungseinrichtung anerkannt. Sie biete in Österreich Psychotherapieausbildungen an, ohne auf die gesetzlichen Voraussetzungen für die selbständige Ausübung der Psychotherapie hinzuweisen. Interessenten gewännen den Eindruck, als Psychotherapeuten in Österreich selbständig tätig sein zu können, wenn sie die von der Beklagten angebotene Ausbildung absolvieren.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen.

Sie biete in Österreich nur die Ausbildung zum Heilpraktiker, nicht aber auch zum Psychotherapeuten an. Jeder Interessent werde darauf hingewiesen, daß der Beruf eines Heilpraktikers derzeit in Österreich nicht ausgeübt werden dürfe. Psychotherapeuten bilde sie nur in Deutschland und für die Berufsausübung in Deutschland aus; auch darauf mache sie jeden Interessenten ausdrücklich aufmerksam.

Das Erstgericht trug der Beklagten auf, in Österreich das Anbieten von Ausbildungen ab sofort zu unterlassen, welches geeignet ist, beim Adressaten des Anbotes den Eindruck zu erwecken, daß er durch die erfolgreiche Absolvierung der von der Beklagten angebotenen Ausbildung eine gesetzlich vorgeschriebene Voraussetzung zur Ausübung der selbständigen Psychotherapie erfüllt. Das Mehrbegehren wies das Erstgericht ab.

Der Kläger sei eine Vereinigung zur Förderung wirtschaftlicher Interessen seiner Mitglieder im Sinne des § 14 UWG. Die Beklagte verstoße durch das Anbieten einer Psychotherapieausbildung gegen § 2 UWG. Ein durchschnittlicher Leser schließe aus dem in den "Salzburger Nachrichten" veröffentlichten Inserat, daß er sich in Salzburg und Freilassing zum Psychotherapeuten ausbilden und seinen Beruf in Österreich ausüben könne. Er werde annehmen, daß die BRD-Ausbildung für die Berufsausübung in Österreich ausreiche; Durchschnittsleser wüßten weder um die Existenz noch um den Inhalt des Psychotherapiegesetzes. Die Beklagte halte aber in Österreich keine Kurse für die Ausbildung zum Psychotherapeuten ab; insoweit sei der Sicherungsantrag abzuweisen.

Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Sicherungsantrag zur Gänze abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

In der bei der Paracelsus-Messe in Wien verteilten Broschüre werde nur die Ausbildung zum Heilpraktiker, nicht aber auch jene zum Psychotherapeuten angeboten. Der Durchschnittsinteressent gewinne nicht den Eindruck, damit eine Ausbildung zum Psychotherapeuten zu erhalten, die ihn berechtige, diesen Beruf in Österreich auszuüben. Die Feststellungen des Erstgerichtes zu der der Zeitschrift "Brigitte" beigelegten Broschüre und zu dem in den "Salzburger Nachrichten" eingeschalteten Inserat seien überschießend und daher nicht zu berücksichtigen. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes halte die Beklagte in Österreich keine Kurse für die Ausbildung zum Psychotherapeuten ab. An einem vorbeugenden Unterlassungsgebot habe der Kläger kein dringendes Rechtsschutzbedürfnis. Es sei nicht damit zu rechnen, daß die Beklagte in Österreich Kurse für die Ausbildung zum Psychotherapeuten abhalten werde.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung der Rechtsprechung zum Vorliegen überschießender Feststellungen widerspricht und weil noch eine Rechtsprechung zur Frage fehlt, ob die Relevanz der Irreführung auch dann zu bejahen ist, wenn der Irrtum vor dem Geschäftsabschluß aufgeklärt wird und nicht die Gefahr besteht, daß das oder ein anderes Geschäft dennoch abgeschlossen wird; der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Die Beklagte hat noch vor Freistellung der Revisionsrekursbeantwortung beim Erstgericht eine Revisionsrekursbeantwortung eingebracht; diese Rechtsmittelschrift ist beim Obersten Gerichtshof am 14.11.1996 eingelangt. Nach Freistellung der Revisionsrekursbeantwortung hat die Beklagte die Revisionsrekursbeantwortung am 18.11.1996 erneut, diesmal direkt beim Obersten Gerichtshof, eingebracht. Damit hat sie gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels verstoßen (s Gitschthaler in Rechberger, ZPO §§ 84, 85 Rz 12 mwN); ihre (zweite) Revisionsrekursbeantwortung war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Der Kläger bekämpft die Auffassung des Rekursgerichtes, das Erstgericht habe überschießende Feststellungen getroffen. Selbst wenn dies der Fall wäre, könnte der Verfahrensmangel mangels Rüge nicht wahrgenommen werden. Das in den "Salzburger Nachrichten" eingeschaltete Inserat erwecke den Eindruck, daß die Beklagte in Österreich zum Psychotherapeuten ausbilde. Schon allein aufgrund des Inserates sei der Sicherungsantrag zur Gänze berechtigt.

Werden der Entscheidung (unzulässige) überschießende Feststellungen zugrunde gelegt, so wird damit nicht gegen Verfahrensvorschriften verstoßen, sondern die Sache wird rechtlich unrichtig beurteilt. Eine Rüge ist daher nicht notwendig. Im vorliegenden Fall durften aber die Feststellungen, die das Rekursgericht als überschießend ausgeklammert hat, ohnehin berücksichtigt werden.

Der Kläger hat in der Klage behauptet, die Beklagte biete auch in Österreich neben anderen Ausbildungen die Ausbildung zur Ausübung der Psychotherapie und Psychosomatik an. In der Tagsatzung vom 3.5.1996 (ON 8) hat der Klagevertreter eine Werbebeilage zur Zeitschrift "Brigitte" (./H) und die Kopie eines in den "Salzburger Nachrichten" veröffentlichten Inserates (./J) vorgelegt. Das Erstgericht hat den Inhalt beider Druckschriften festgestellt. Diese Feststellungen sind zwar überschießend, sie fallen aber in den Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes (JBl 1986, 121; s auch Fucik in Rechberger, ZPO § 178 Rz 2 mwN) und durften daher der rechtlichen Beurteilung zugrundegelegt werden.

Das Rekursgericht hätte sich daher zwar nicht mit der Werbebeilage zur Zeitschrift "Brigitte" befassen müssen, weil insoweit nicht feststeht, daß die Broschüre in Österreich vertrieben wurde und sich der Sicherungsantrag gegen das Anbieten und Ausführen von Ausbildungen in Österreich richtet, wohl aber mit dem Inhalt des in den "Salzburger Nachrichten" veröffentlichten Inserates. Darin kündigt die Beklagte an, "in Salzburg/Freilassing" Komplettlehrgänge durchzuführen, die der "BRD-Ausbildung für das Berufsziel Heilpraktiker/Psychotherapeut" entsprechen. Feststeht, daß die Beklagte in Österreich keine Lehrgänge für die Ausbildung zum Psychotherapeuten abhält.

Der Sicherungsantrag des Klägers richtet sich sowohl gegen das Anbieten als auch gegen das Ausführen von Ausbildungen zum Psychotherapeuten in Österreich, wenn damit der Eindruck erweckt wird, daß damit eine gesetzlich vorgeschriebene Voraussetzung zur Ausübung der selbständigen Psychotherapie erfüllt wird. Während das Unterlassungsbegehren auf die Ausübung der selbständigen Psychotherapie "in Österreich" beschränkt ist, enthält der Sicherungsantrag keine derartige Einschränkung. Aus dem Vorbringen ergibt sich aber deutlich, daß sich der Kläger gegen das Anbieten und Ausführen von Ausbildungen zum Psychotherapeuten wendet, die den Eindruck erwecken, der Absolvent könne seinen Beruf in Österreich ausüben.

Das Ausführen von Ausbildungen zum Psychotherapeuten in Österreich könnte der Beklagten, abgesehen von den übrigen Voraussetzungen, jedenfalls nur dann verboten werden, wenn sie derartige Ausbildungen durchführte oder wenn die Durchführung unmittelbar drohend bevorstünde (zur vorbeugenden Unterlassungsklage s ÖBl 1995, 128 - Verführerschein II mwN). Keines von beidem trifft zu: Es steht fest, daß die Beklagte in Österreich keine Lehrgänge für die Ausbildung zum Psychotherapeuten abhält. Für die Annahme, daß die Durchführung solcher Ausbildungskurse unmittelbar drohend bevorstünde, fehlt jeder Anhaltspunkt.

Zu prüfen bleibt, ob die von der Beklagten auf der Paracelsus-Messe in Wien verteilte Broschüre und das in den "Salzburger Nachrichten" veröffentlichte Inserat den unzutreffenden Eindruck erwecken, die darin angebotene Ausbildung berechtige dazu, als selbständiger Psychotherapeut in Österreich tätig zu sein. Nach § 2 UWG - gemäß § 48 Abs 2 IPRG ist österreichisches Recht anzuwenden - kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes über geschäftliche Verhältnisse zur Irreführung geeignete Angaben macht. Maßgebend ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der Eindruck des Durchschnittsinteressenten bei flüchtiger Wahrnehmung (ua ÖBl 1996, 28 - Teure S 185,--mwN); nach der Rechtsprechung des EuGH aber der des mündigen Verbrauchers (Gamerith, Die Einflüsse des Gemeinschaftsrechts auf das UWG am Beispiel des Irreführungsverbotes [§ 2 UWG], WBl 1995, 473 [486] mwN; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht19 § 3 dUWG Rz 33; ÖBl 1995, 124 - Sportmatten; ÖBl 1996, 28 - Teure S 185,--; ÖBl 1996, 133 - Pizza-Vorab.).

Der auf der Paracelsus-Messe verteilten Broschüre entnimmt selbst ein flüchtiger Durchschnittsinteressent, daß darin eine Ausbildung zum Heilpraktiker, nicht aber auch zum selbständigen Psychotherapeuten angeboten wird. Im Inserat in den "Salzburger Nachrichten" kündigt die Beklagte jedoch an, "jetzt in Salzburg/Freilassing" Komplettlehrgänge durchzuführen, die der "BRD-Ausbildung für das Berufsziel Heilpraktiker/ Psychotherapeut" entsprechen. Auch ein "vernünftiger, kritischer und informationsfähiger" Interessent (s ÖBl 1995, 124 - Sportmatten) muß nicht wissen, daß die "BRD-Ausbildung" nicht dazu berechtigt, den Beruf des Psychotherapeuten in Österreich auszuüben. Ein entsprechender Hinweis im Inserat fehlt aber.

Angaben sind nicht schon deshalb zur Irreführung geeignet, weil sie unvollständig sind. Im Verschweigen einer Tatsache liegt aber dann eine irreführende Angabe, wenn für den Werbenden eine Aufklärungspflicht besteht. Eine solche Pflicht kann sich aus der besonderen Bedeutung ergeben, die der verschwiegenen Tatsache nach der Auffassung des Verkehrs für den Kaufentschluß zukommt, so daß das Verschweigen geeignet ist, das Publikum in relevanter Weise irrezuführen (Baumbach/Hefermehl aaO § 3 dUWG Rz 47 f mwN). Eine Aufklärungspflicht besteht insbesondere dann, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird (stRsp ua ÖBl 1996, 28 - Teure S 185,-- mwN).

Im Inserat wird nicht darauf hingewiesen, daß die BRD-Ausbildung nicht zur Berufsausübung in Österreich berechtigt. Das Inserat erweckt den Eindruck, die Beklagte biete Lehrgänge an, deren Absolvierung dazu berechtigt, auch in Österreich als Psychotherapeut tätig zu sein. Dieser Irrtum wird jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach aufgeklärt werden, bevor sich jemand entschließt, bei der Beklagten einen Ausbildungslehrgang zu besuchen; der Kläger hat jedenfalls nichts Gegenteiliges behauptet.

Nach Art 2 Z 2 der Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10.9.1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, ABl Nr L 250 vom 10.9.1984 (Irreführungs-RL) bedeutet "irreführende Werbung" im Sinne dieser Richtlinie jede Werbung, die in irgendeiner Weise - einschließlich ihrer Aufmachung - die Personen, an die sie sich richtet oder die von ihr erreicht werden, täuscht oder zu täuschen geeignet ist und die infolge der ihr innewohnenden Täuschung ihr wirtschaftliches Verhalten beeinflussen kann oder aus diesen Gründen einen Mitbewerber schädigt oder zu schädigen geeignet ist. In der Entscheidung EuGHSlg 1992 I 131 = WRP 1993, 233 = EuZW 1993, 544 = ZIP 1992, 1719 (Heinemann) - Nissan hat der EuGH diese Bestimmung dahin ausgelegt, daß das bloße "Anlocken" für die Bejahung einer Irreführungsgefahr nicht ausreiche; eine irreführende Werbung liege nur vor, wenn die Werbung nicht nur zur Täuschung, sondern auch dazu geeignet sei, den Kaufentschluß zu beeinflussen (Baumbach/Hefermehl aaO § 3 dUWG Rz 89b mwN; Gamerith aaO WBl 1995, 483 f mwN; Deutsch, Der Einfluß des europäischen Rechts auf den Irreführungstatbestand des § 3 UWG, GRUR 1996, 541 [544 f] mwN).

Der österreichische Gesetzgeber hat die Irreführungs-RL nicht umgesetzt, weil er der Auffassung war, daß § 2 UWG - ebenso wie § 3 dUWG - den Anforderungen der Richtlinie ohnedies genügt (ÖBl 1996, 28 - Teure S 185,--; ÖBl 1996, 133 - Pizza-Vorab., jeweils mwN). Die Gerichte haben sich bei der Auslegung der nationalen Vorschrift so weit wie möglich an Wortlaut und Zweck der Richtlinie zu orientieren.

§ 2 UWG ist daher, ebenso wie § 3 dUWG, im Sinne der Richtlinie auszulegen (Baumbach/Hefermehl aaO § 3 dUWG Rz 89b; s auch Gamerith,

Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art 177 EGV in Wettbewerbssachen, ÖBl 1995, 51 [54]; Thun-Hohenstein/Cede, Europarecht 179; ÖBl 1996, 28 - Teure S 185,--; ÖBl 1996, 133 - Pizza-Vorab., jeweils mwN).

Nach der bisherigen Rechtsprechung verstößt eine zur Irreführung

geeignete Werbung gegen § 2 UWG, wenn der durch die Ankündigung

hervorgerufene unrichtige Eindruck geeignet ist, den Entschluß des

angesprochenen Interessenten, sich mit dem Angebot näher zu befassen,

irgendwie zugunsten dieses Angebotes zu beeinflussen, so daß zwischen

dem Umstand, daß die durch die Wettbewerbshandlung bei ihm

hervorgerufene Vorstellung nicht den Tatsachen entspricht, und dem

Entschluß, sich mit dem Angebot zu befassen, ein Zusammenhang besteht

(stRsp ua SZ 54/97 = ÖBl 1982, 37 - Marcus-Bräu mwN; ecolex 1992, 183

- AKT-System; ecolex 1993, 117 = WBl 1993, 127 - Getränkedienst; s

auch ÖBl 1993, 226 = MR 1993, 194 - Tageszeitungsimpressum). Die

Möglichkeit, daß der Irrtum noch vor dem Geschäftsabschluß aufgeklärt wird, nimmt der Werbung ihre Täuschungseignung nicht (ÖBl 1980, 73 - Nerzölcreme "Mona Lisa"; ÖBl 1995, 123 - TENSAI TCT - 526 HX). Damit wird berücksichtigt, daß mit den angelockten Interessenten häufig Verträge geschlossen werden, die sonst nicht zustandegekommen wären (Gamerith aaO WBl 1995, 484; s auch Deutsch aaO GRUR 1996, 545).

Diese Gefahr besteht im vorliegenden Fall nicht:

Wer sich aufgrund des Inserates an die Beklagte wendet, um sich von ihr zum in Österreich tätigen Psychotherapeuten ausbilden zu lassen, wird keinen Lehrgang der Beklagten besuchen, wenn er erfährt, daß die Ausbildung nur zur Berufsausübung in Deutschland berechtigt. Es ist auch nicht anzunehmen, daß er sich, anders etwa als bei Gütern des täglichen Bedarfs, für einen der von der Beklagten tatsächlich angebotenen Lehrgänge (Ausbildung zum in Deutschland tätigen Heilpraktiker oder zum in Deutschland tätigen Psychotherapeuten) entscheidet. Der Kläger hat auch nichts Gegenteiliges behauptet. Im vorliegenden Fall führt demnach schon die Anwendung der in der bisherigen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zu einem Ergebnis, das dem entspricht, zu dem der EuGH in der Entscheidung EuGHSlg 1992 I 131 = WRP 1993, 233 = EuZW 1993, 544 = ZIP 1992, 1719 (Heinemann) - Nissan gekommen ist. Es erübrigt sich daher, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen (Gamerith aaO ÖBl 1995, 57 mwN; EuGHSlg 1982, 3415 - CILFIT; ÖBl 1996, 88 - Knoblauch-Kapseln [Krüger]; ÖBl 1996, 28 - Teure S 185,--; ÖBl 1996, 133 - Pizza-Vorab., jeweils mwN).

Das Rekursgericht hat im Ergebnis zu Recht einen Verstoß gegen § 2 UWG verneint. Der Revisionsrekurs mußte erfolglos bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten der Beklagten beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte