European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00014.22K.0225.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt zu lauten hat wie folgt:
„Die beklagte Partei ist schuldig, Wildvertreibungsmaßnahmen auf den in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken mit Wirkung für das Genossenschaftsjagdgebiet P* durch technische Einrichtungen sowie inhaltsgleiche oder ähnliche Handlungen zu unterlassen.“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 4.240,64 EUR (darin enthalten 582,94 EUR an Umsatzsteuer und 743 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, die mit 2.850,52 EUR (darin enthalten 271,92 EUR an Umsatzsteuer und 1.219 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.701,22 EUR (darin enthalten 195,87 EUR an Umsatzsteuer und 1.526 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Teil des Genossenschaftsjagdgebiets P* ist die Liegenschaft EZ * KG *, Grundstück 373, die im Eigentum der römisch‑katholischen Pfarrpfründe M* in P* steht. Die Beklagte ist unter anderem Eigentümerin der Liegenschaft EZ *, KG *, Grundstück 351/1, das zur Eigenjagd P* gehört.
[2] Der Kläger ist Jagdleiter und Mitglied (Gesellschafter) der Jagdgesellschaft P*, die mit Jagdpachtvertrag vom 7. 3. 2019 die Genossenschaftsjagd P* gepachtet hat.
[3] An der Reviergrenze zwischen den beiden Jagdgebieten befindet sich die Jagdkanzel „Edith“, in welcher von Jagdausübungsberechtigten der Eigenjagd P* in Richtung des Genossenschaftsjagdgebiets P* weisende Öffnungen angebracht wurden, hinter denen zwei durch Schall wirkende Wildvertreibungsanlagen montiert sind. Zum Zeitpunkt der Durchführung der vorbereitenden Tagsatzung durch das Erstgericht (2. 9. 2021) waren diese Öffnungen mit einem Holzbrett verschlossen; die nur über eine externe Energiequelle zu betreibenden Anlagen waren an keine Stromquelle angeschlossen. Es steht nicht fest, dass die beiden Wildvertreibungsanlagen in Betrieb genommen worden sind.
[4] Der Kläger begehrt wie aus dem Spruch ersichtlich, wogegen die Beklagte einwandte, dem Kläger fehle die Aktivlegitimation, weil Abwehrrechte nur dem Liegenschaftseigentümer zukämen; die Geräte zur Wildvertreibung seien zu keinem Zeitpunkt in Betrieb gewesen.
[5] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger sei zwar aktivlegitimiert. Allerdings reiche es für die Berechtigung des Begehrens auf Unterlassung einer Immission nicht aus, dass ein dafür verwendbares technisches Gerät vorhanden sei. Den Kläger treffe in diesem Fall die Behauptungs‑ und Beweislast, dass es die zu unterlassende Immission gegeben habe; es reiche nicht aus, dass die Erzeugung einer Immission bloß möglich gewesen sei.
[6] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Kläger trete als Jagdleiter und Mitgesellschafter auf, ohne dass dem Vorbringen eine allfällige entsprechende Zustimmung der übrigen Mitgesellschafter zu entnehmen wäre. Daher sei das Klagebegehren schon wegen der fehlenden Klagslegitimation abzuweisen.
[7] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob einem Jagdleiter als bloßem Mitgesellschafter einer Gesellschaft im Sinne des § 27 NÖ Jagdgesetz 1974 allein, nämlich auch ohne Bevollmächtigung durch die anderen Gesellschafter, eine Unterlassungsklage gegen jede rechtswidrige Störung im Sinne des § 364 ABGB gegen den Störer zusteht.
Rechtliche Beurteilung
[8] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt.
[9] 1. Gemäß § 1 Abs 1 NÖ Jagdgesetz besteht das Jagdrecht in der ausschließlichen Befugnis, innerhalb eines bestimmten Jagdgebiets dem Wild nachzustellen, es zu fangen, zu erlegen und sich anzueignen; es umfasst ferner die ausschließliche Befugnis, sich verendetes Wild, Fallwild, Abwurfstangen sowie die Eier des Federwildes anzueignen.
[10] 1.2. Anders als der in § 18 NÖ Jagdgesetz geregelten Jagdgenossenschaft räumt das Gesetz der in § 27 NÖ Jagdgesetz geregelten Jagdgesellschaft keine eigene Rechtspersönlichkeit ein. Der Zusammenschluss von Personen zu einer Jagdgesellschaft im Sinne des § 27 NÖ Jagdgesetz ist vielmehr als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu beurteilen (1 Ob 727/85; zur insoweit gleichen Rechtslage nach dem OÖ Jagdgesetz 1 Ob 506/95 und nach dem Stmk Jagdgesetz 2 Ob 2398/96b).
[11] 1.3. Gemäß § 27 Abs 2 NÖ Jagdgesetz haben die Mitglieder der Jagdgesellschaft die Jagd unter einheitlicher Leitung auszuüben und zu diesem Zweck aus ihrer Mitte einen Jagdleiter zu bestellen. Der Jagdleiter hat dafür zu sorgen, dass die Gesellschafter die von der Gesellschaft gepachtete Genossenschaftsjagd nur unter seiner Leitung ausüben. Der Jagdleiter bestimmt, wie, wann und wo im Jagdgebiet gejagt wird. Jedenfalls muss der Jagdleiter jede jagdliche selbständige Handlung der Gesellschafter, welche die einheitliche Ausübung der Jagd gefährden könnte, unterbinden (Scherhaufer in Scherhaufer/Wagner, NÖ Jagdrecht8 [2021] § 27 NÖ Jagdgesetz Anm 1).
[12] Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist eine (in einem Verwaltungsverfahren erhobene) Beschwerde des Jagdleiters der Jagdgesellschaft zuzurechnen (VwGH 2001/03/0074; Scherhaufer aaO § 27 E 7).
[13] 2.1. Nach § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und Ähnliches insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Unmittelbare Zuleitung ist ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig.
2.2. Die Rechtsprechung hat den Anspruch nach § 364 ABGB auch Servitutsberechtigten (1 Ob 1/86), Fischereiberechtigten (7 Ob 298/65 JBl 1966, 319; 1 Ob 28/82 SZ 55/172), Fruchtnießern (RS0010603), dinglichen Wohnungsnutzungsberechtigten, Bauberechtigten (2 Ob 356/54 SZ 27/143) und Pfandgläubigern (9 Ob 69/10b EvBl 2011/31) zuerkannt (vgl auch Kerschner/Wagner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 364 Rz 249).
[14] Nach herrschender Rechtsprechung (7 Ob 654/89 [verst Senat] SZ 62/204; RS0010644) sind auch sachinnehabende Bestandnehmer zur Erhebung der actio negatoria legitimiert (Kerschner/Wagner aaO Rz 251). Auf die in der Literatur an dieser Rechtsprechungslinie geäußerte Kritik (Spielbüchler, JBl 1990, 447; G. Kodek, Die heutige Bedeutung der actio Publiciana, in FS 200 Jahre ABGB II 1139; Winner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 372 Rz 15 ff) ist schon allein deshalb nicht einzugehen, weil jedenfalls in einer Konstellation wie der hier vorliegenden auch die Lehre vom Eingriff in fremde Forderungsrechte (vgl nur RS0113118) zum selben Ergebnis führt. Dass die betriebene Wildvertreibungsanlage an der Grenze zum Jagdgebiet der Jagdgesellschaft einen Eingriff in deren Recht nach § 1 NÖ Jagdgesetz darstellt, bedarf keiner weiteren Ausführungen.
[15] 3.1. Das Berufungsgericht hat die Aktivlegitimation des Klägers mit der Begründung verneint, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts komme keine Parteifähigkeit zu, weshalb die Gesellschafter als Prozessparteien aufzutreten haben. Im Gesellschaftsprozess wäre ein einzelner Gesellschafter nur dann klagslegitimiert, wenn er die Zustimmung der Mitgesellschafter nachweist oder auf Hinterlegung des Geschuldeten für alle Gesellschafter klagt. Die Forderungen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts seien nämlich regelmäßig als Gesamthandforderungen anzusehen. Infolge dieser Rechtsnatur besitze ein Gesellschafter schon zufolge § 890 Satz 2 ABGB bei Nachweis der „Übereinkunft aller Mitgläubiger“ die Legitimation zur Einklagung der gesamten Forderung (RS0017326). Im vorliegenden Fall trete jedoch der Kläger als Jagdleiter und Mitgesellschafter auf, ohne dass dem Vorbringen eine allfällige entsprechende Zustimmung der übrigen Mitgesellschafter zu entnehmen wäre.
[16] 3.2. Die vom Berufungsgericht zitierte Rechtsprechung bezieht sich jedoch nicht auf bloße Abwehransprüche. Nach herrschender Auffassung sind auch Miteigentümer – unabhängig von der Größe ihrer Quote – zur Erhebung von Ansprüchen nach § 364 ABGB legitimiert (Kerschner/Wagner aaO § 364 Rz 241, 244 und die dort angeführten Nachweise); anderes gilt hingegen für Schadenersatzansprüche (dazu Kerschner/Wagner aaO § 364 Rz 244; 5 Ob 169/68 SZ 41/82; 7 Ob 189/07f wobl 2008/49 [Perner]).
[17] Eine Wahrung des Gesamtrechts liegt vor, wenn ein Teilhaber bei tatsächlichem Eingriff in das dingliche Recht der Gemeinschaft die Feststellung der Störung, die Beseitigung der Beeinträchtigung und die Wiederherstellung des vorherigen Zustands, allenfalls die Unterlassung künftiger Störungen begehrt (RS0013151).
[18] 3.3. Nach § 1180 Abs 1 ABGB stehen, soweit nichts anderes vereinbart ist, körperliche Sachen, die von Gesellschaftern in das Gesellschaftsvermögen übertragen oder für das Gesellschaftsvermögen (§ 1178 Abs 1 ABGB) erworben worden sind, im Miteigentum der Gesellschafter; unkörperliche Sachen, insbesondere schuldrechtliche Forderungen, sind den Gesellschaftern zur gesamten Hand zugeordnet.
[19] Bei einer Gesamthandforderung kann nach § 890 Satz 2 ABGB die Leistung grundsätzlich nur von allen Gläubigern gefordert werden. Eine Einzelklagebefugnis besteht jedoch dann, wenn ein Gläubiger eine Leistung begehrt, die ihrer Art nach von vornherein zur Befriedigung aller Gläubiger führt (7 Ob 727/79 JBl 1980, 318; P. Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB5 § 890 Rz 2; Gamerith/Wendehorst in Rummel/Lukas, ABGB4 § 890 Rz 7; G. Kodek in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON § 890 Rz 11; Perner, Gemeinschaftliche Forderungen [2004] 102; Riedler in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 890 Rz 14). Als Beispiele werden in der Literatur neben Räumung, Wiederherstellung des Vorzustands und der Abgabe von Erklärungen auch Unterlassungen angeführt (Gamerith/Wendehorst, G. Kodek, Perner, Riedler, alle aaO).
[20] 3.4. Ob diese Einzelklagebefugnis stets besteht oder nur als Notkompetenz in dringenden Fällen (dazu G. Kodek aaO mwN), kann hier dahingestellt bleiben, weil die Abwehr eines drohenden Eingriffs jedenfalls auch von einer bloßen Notkompetenz gedeckt wäre.
[21] 3.5. Die Aussage in den Materialien zum GesBR‑Reformgesetz, wonach die Gesellschafter über ihre Forderungen nur gemeinsam verfügen können (270 BlgNR 25. GP 11), steht damit nicht in Widerspruch. Abgesehen davon, dass eine Klage zur Verteidigung des gemeinsamen Rechts keine „Verfügung“ über dieses Recht darstellt, wollten die Gesetzesverfasser damit ersichtlich bloß die allgemeine Regel für die Geltendmachung von Gesamthandforderungen wiedergeben, ohne damit zu von der herrschenden Ansicht anerkannten Ausnahmen Stellung zu nehmen.
[22] Bereits zur Rechtslage nach § 1203 ABGB aF entsprach es aber herrschender Auffassung, dass der einzelne Gesellschafter trotz des Charakters als Gesamthandforderung das Recht hat, sich der zur Wahrung des Gesamtrechts erforderlichen Rechtsbehelfe zu bedienen (Jabornegg/Resch/Slezak in Schwimann/Kodek ABGB4 § 1203 Rz 4 mwN). So wurde ein einzelner Gesellschafter etwa als befugt angesehen, ohne Zustimmung der übrigen Gesellschafter gegen einen Dritten die Negatorienklage zu erheben oder auch possessorische Rechtsmittel zu ergreifen (1 Ob 33/79 SZ 53/2; Jabornegg/Resch/Slezak aaO).
[23] 3.6. Diese Auffassung lässt sich auf die neue Rechtslage übertragen. Ein Grund für die abweichende Behandlung der Rechtsstellung einzelner Gesellschafter im Zusammenhang mit bloßen Abwehransprüchen im Vergleich zur früheren Rechtslage und zur geltenden Rechtslage bei Miteigentümern ist nicht ersichtlich.
[24] 4.1. Ziel des Unterlassungsanspruchs ist die Verhinderung künftiger gleichartiger Verletzungen (6 Ob 80/01k; 6 Ob 126/12s; vgl Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek, UWG § 14 Rz 7, 11). Er steht immer zu bei der Gefahr eines künftigen Schadenseintritts, und zwar sowohl bei bereits erfolgter Rechtsverletzung als auch vorbeugend, wenn Begehungsgefahr, also die Gefahr eines erstmaligen Schadenseintritts, besteht (6 Ob 37/95 SZ 69/12; 6 Ob 126/12s; vgl E. Wagner, Gesetzliche Unterlassungsansprüche im Zivilrecht [2006] 101 ff).
[25] Nach § 364 Abs 2 ABGB besteht daher auch ein vorbeugender Unterlassungsanspruch (Kerschner/Wagner aaO § 364 Rz 53). Diese vorbeugende Unterlassungsklage setzt eine ernstliche und unmittelbar drohende Gefahr einer Immission voraus (vgl 4 Ob 22/04w; E. Wagner aaO97; Kerschner/Wagner aaO § 364 Rz 59; Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1294 Rz 4; Holzner in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.05 § 364 Rz 16).
[26] 4.2. Der Kläger muss in einem solchen Fall die tatsächlichen Umstände, die eine ernstlich drohende und unmittelbar bevorstehende Gefahr erstmaliger Begehung begründen, im Einzelnen darlegen und im Bestreitungsfall beweisen (4 Ob 22/04w; 6 Ob 131/18k; Kerschner/Wagner aaO § 364 Rz 63). Die bloße theoretische Möglichkeit der Begehung genügt nicht; es müssen vielmehr greifbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Eingriff der bezeichneten Art in naher Zukunft bevorsteht (vgl 4 Ob 22/04w; 6 Ob 131/18k; RS0009357 [T19]).
[27] Bei der Beurteilung der Frage, ob nach den Umständen des Einzelfalls die ernste Besorgnis einer Gefährdung vorliegt, sind deren Eintrittswahrscheinlichkeit, das Ausmaß der zu erwartenden Rechtsgutverletzung und die Bedeutung des bedrohten Rechtsguts im Sinne eines beweglichen Systems zu berücksichtigen (E. Wagner, Gesetzliche Unterlassungsansprüche 203 ff; Kerschner/Wagner aaO § 364 Rz 59; 1 Ob 5/06a).
[28] Eine Erstgefahr kann etwa bei beginnender Eingriffshandlung, bei Vorbereitungshandlungen oder auch bei bloßer Rechtsberühmung anzunehmen sein (Kerschner/Wagner aaO Rz 63). Ob aufgrund der Berühmung lediglich eine abstrakte Gefahr oder eine bereits konkrete Gefahr besteht und somit Anspruchsaktualisierung eingetreten ist, ist anhand weiterer situationsbezogener Aspekte wie Ernstlichkeit, Entschlossenheit und Hinderungsfaktoren zu beurteilen (vgl E. Wagner aaO197; Kerschner/Wagner aaO).
[29] 4.3. Im vorliegende Fall sind nach den Feststellungen an der Jagdkanzel zwei entsprechende Öffnungen angebracht, hinter denen zwei durch Schall wirkende Wildvertreibungsanlagen montiert sind. Damit liegt bereits eine konkrete Vorbereitungshandlung vor. Dass die Wildvertreibungsanlagen derzeit nicht an eine externe Stromquelle angeschlossen sind, schadet nicht, weil für die vorbeugende Unterlassungsklage nicht erforderlich ist, dass die Störung ohne jedes weitere Zutun des Störers bewirkt werden kann. Dazu kommt, dass dem Kläger schon faktisch eine dauernde Überwachung seines Jagdreviers und der Wildvertreibungsanlagen nicht möglich ist. Auch dies spricht dafür, dem Kläger bereits im Vorfeld entsprechenden Rechtsschutz zu gewähren. Schutzwürdige Interessen der Beklagten stehen dem nicht entgegen, ist doch ein gesetzeskonformer Zweck der Aufstellung und des Unterhaltens von Wildvertreibungsanlagen mit Wirkrichtung auf das Jagdgebiet des Klägers nicht ersichtlich.
[30] 5. Nicht entscheidend ist, ob die Beklagte die Wildvertreibungsanlagen selbst installiert hat. Sowohl der Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB als auch jener nach § 523 ABGB können sich auch gegen denjenigen richten, der die Störung nur mittelbar veranlasst hat; auch derjenige ist passiv legitimiert, der den Eingriff nicht selbst vornimmt, sondern veranlasst, indem er durch Handlungen oder Unterlassungen die Voraussetzungen dafür schuf, dass Dritte die Störung begehen können (5 Ob 133/09h; ausführlich 6 Ob 126/12s). So wurde etwa die passive Klagslegitimation eines Liegenschaftseigentümers für Handlungen seiner Jagdgäste bejaht (2 Ob 147/10x).
[31] 6. Dass entgegen der Auffassung des Erstgerichts Wiederholungs- bzw Ausführungsgefahr vorliegt, war ungeachtet des Umstands aufzugreifen, dass der Kläger in seiner Revision nur auf die Frage der Aktivlegitimation einging. Nach ständiger Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof, wenn er überhaupt in der Rechtsfrage angerufen ist und wegen Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage (s eingehend bei § 502 ZPO) angerufen werden kann, die materiell‑rechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach allen Richtungen hin zu prüfen (RS0043352). Bei einer gehörig ausgeführten Rechtsrüge und Geltendmachen einer erheblichen Rechtsfrage ist die rechtliche Beurteilung grundsätzlich ohne Beschränkung auf die vom Rechtsmittelwerber geltend gemachten Gründe (Lovrek in Fasching/Konecny³ § 503 ZPO Rz 183 mwN; 3 Ob 90/11y; 6 Ob 163/06y; 1 Ob 37/93 uva) und ohne Beschränkung auf die erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu prüfen. Anderes würde nur dann gelten, wenn nicht bekämpfte Streitpunkte bzw ein nicht bekämpfter „selbständiger Teilbereich“ (vgl 7 Ob 187/18b) vorläge (dazu Lovrek in Fasching/Konecny³ § 503 ZPO Rz 188 ff). In diesem Fall sind die anderen (Gegen-)Forderungen bzw Tatsachen oder Einwendungen außer Betracht zu lassen (Lovrek in Fasching/Konecny³ § 503 ZPO Rz 188). Ein solcher „nicht mehr bekämpfter Teilbereich“ kann jedoch nicht angenommen werden, wenn das Berufungsgericht seine Entscheidung – wie im vorliegenden Fall – ausschließlich auf die fehlende Aktivlegitimation gestützt hat und der Revisionswerber diese Rechtsfrage in der Revision eingehend behandelt und die vom Erstgericht als Begründung für die Klagsabweisung herangezogene fehlende Begehungsgefahr in der Berufung bekämpft hat. In einer derartigen Konstellation besteht keine Grundlage für die der zitierten Rechtsprechung zugrundeliegende Annahme, der Rechtsmittelwerber habe in Ausfluss seiner Dispositionsbefugnis die Nachprüfung der rechtlichen Beurteilung auf bestimmte Aspekte beschränken wollen (vgl Lovrek in Fasching/Konecny³ § 503 ZPO Rz 188 mwN).
[32] 7. Damit erweist sich das Unterlassungsbegehren aber als berechtigt, sodass in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen der Klage spruchgemäß stattzugeben war.
[33] 8. Im Hinblick auf die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen war auch die Kostenentscheidung für das erstinstanzliche und das Berufungsverfahren neu zu fassen. Diese sowie die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet auf §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)