OGH 6Ob80/01k

OGH6Ob80/01k16.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Ernest W*****, Landtagsabgeordneter, ***** vertreten durch Dr. Ewald Weiss, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei (Gegner der gefährdeten Partei) Ing. Hermann T*****, Geschäftsführer, ***** vertreten durch Dr. Heribert Kirchmayer und Dr. Ronald Rödler, Rechtsanwälte in Bruck/Leitha, wegen Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 100.000 S), über den Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 25. Jänner 2001, GZ 15 R 139/00x-15, womit der Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom 4. Mai 2000, GZ 16 Cg 79/99t-11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende und gefährdete Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Mitglied des Gemeinderates einer Gemeinde in Niederösterreich. Der Beklagte hat als Bürgermeister dieser Gemeinde einen in einer periodisch erscheinenden Parteizeitung veröffentlichten Bericht verfasst, in dem behauptet wird, der Kläger habe: a) seine Position als ressortverantwortlicher Gemeinderat zur Beschaffung von Spenden für Druckkostenbeiträge von Firmen mit Geschäftsbeziehungen zur Gemeinde ausgenützt und b) von Firmen, die bei der Sanierung der Gemeindewohnhäuser, für Kanalplanung und sonstige Arbeiten beschäftigt gewesen seien, Geldbeträge für seinen Landtagswahlkampf und für Veranstaltungen des F*****-Vereines "P*****" erhalten, worin eine Unvereinbarkeit liege.

Diese Äußerungen waren auch Gegenstand einer Privatanklage wegen übler Nachrede. Im Verfahren 17 E Hv 280/99 des Landesgerichtes Korneuburg schlossen die Streitteile am 11. 5. 1999 einen Vergleich, worin sich der Beklagte zum Widerruf der unter a) angeführten Äußerung in der nächsten Ausgabe der periodisch erscheinenden Parteizeitung, zu einer Spende für ein Kinderspital und zu einem Kostenbeitrag an den Kläger (Privatankläger) verpflichtete und der Privatankläger die Klage daraufhin zurückzog. Am Tag des Vergleiches langte bei Gericht die vorliegende Unterlassungsklage ein, zu deren Sicherung der Kläger die Erlassung einer inhaltsgleichen einstweiligen Verfügung begehrt: Dem Beklagten solle geboten werden, die Verbreitung der oben unter a) und b) angeführten Behauptungen zu unterlassen.

Diese Äußerungen verwirklichten nicht nur das Tatbild der üblen Nachrede im Sinn des § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB, sie verstießen auch gegen § 1330 Abs 1 ABGB, indem sie dem Kläger eine verächtliche Gesinnung bzw ein unehrenhaftes oder gegen die guten Sitten verstoßendes Verhalten anlasteten.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrages und verwies auf die im Privatanklageverfahren übernommene Verpflichtung, die unter a) wiedergegebene Äußerung zu widerrufen. Der Widerruf beinhalte auch die Unterlassung der Behauptung, sodass nicht anzunehmen sei, er werde sie wiederholen. Die unter Punkt b) wiedergegebene Behauptung sei richtig, habe doch der Kläger selbst zugestanden, in einem Fall eine Spende von jemandem erhalten zu haben, der mit der Gemeinde in Geschäftsbeziehung stehe.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Angesichts des im Privatanklageverfahren geschlossenen Vergleichs, worin sich der Beklagte verpflichtet habe, die Äußerung nicht aufrechtzuerhalten und zu widerrufen, sei Wiederholungsgefahr nicht gegeben.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob der in einem wegen übler Nachrede angestrengten Privatanklageverfahren ohne Vorbehalt abgeschlossene Vergleich die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruches nach § 1330 ABGB wegen derselben Äußerung hindere. Entscheidend sei der Umfang der Bereinigungswirkung des im Privatanklageverfahren geschlossenen Vergleichs. Für die Beurteilung sei dabei wesentlich, dass die vom Kläger angestrengte Privatanklage bereits umfassend all jene Äußerungen des Beklagten zum Gegenstand gehabt habe, auf welche sich der vorliegende Sicherungsantrag stütze. Die hier gewählte Vorgangsweise, nämlich Vereinbarung einer vergleichsweisen Bereinigung nach ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage im Privatanklageverfahren, wonach sich der Beschuldigte (Beklagte) zur Veröffentlichung eines Widerrufs, zu einer Spende und zu einem Kostenbeitrag an den Privatankläger verpflichtet und der Privatankläger daraufhin seine Privatanklage zurückgezogen habe, vermittle objektiv defn Eindruck einer abschließenden Regelung des Streits über jene Äußerung, deretwegen die Privatanklage erhoben worden sei. Hätte der Kläger die Verfolgung weiterer aus dieser Äußerung ableitbarer Ansprüche aus dem Vergleich ausklammern wollen, so hätte es eines klaren Vorbehaltes bedurft. Dies gelte gerade auch in Ansehung des Unterlassungsbegehrens, das bereits Gegenstand einer bereits eingebrachten, dem Beklagten damals aber noch nicht zugestellten Klage nach § 1330 ABGB sei. Auch in exekutionsrechtlicher Hinsicht sei sichergestellt, dass der Kläger eine Veröffentlichung der Widerrufserklärung mit gleicher Publizität auf Kosten des Beklagten erreichen könne. Die Verpflichtung zur Veröffentlichung des Widerrufs sei als vertretbare Handlung nach § 353 EO zu vollstrecken, es sei denn, die Veröffentlichung könnte nur vom Verpflichteten selbst vorgenommen werden. Im letzteren Fall könnte die Vornahme einer derart unvertretbaren Handlung nach § 354 EO erzwungen werden. In jedem Fall habe aber der Kläger gegen den säumigen Beklagten (auch) Anspruch auf Leistung des Interesses oder auf Ersatz des tatsächlich verursachten Schadens. Mangels Vorhandenseins eines zu sichernden Unterlassungsbegehrens erweise sich die Abweisung des Sicherungsbegehrens als zutreffend, ohne dass es noch auf einen (allfälligen) Wegfall der Wiederholungsgefahr ankomme.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Der Kläger macht geltend, der im Privatanklageverfahren geschlossene Vergleich entfalte - mangels entsprechender Parteiabsicht - keine Bereinigungswirkung hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsbegehrens. Verglichen seien nur die Ansprüche des Privatanklägers auf Bestrafung, Urteilsveröffentlichung und Entschädigung nach dem Mediengesetz. Ein darüber hinausgehender Parteiwille gehe weder aus dem Vergleichstext noch aus sonstigen Umständen hervor; es sei auch nicht festgestellt worden, ob die verfahrensgegenständlichen Unterlassungsansprüche im Zuge der Vergleichsgespräche erörtert wurden oder dass die Parteien auch diese hätten vergleichen wollen.

Dem Revisionsrekurswerber ist zuzugestehen, dass Feststellungen zur Parteiabsicht bei Abschluss des Vergleiches fehlen und das Rekursgericht seine Bereinigungswirkung daher nur aus der Urkunde selbst beurteilt hat. Der Revisionsrekurs weist auch zutreffend darauf hin, dass die Wiederholungsgefahr durch den im Privatanklageverfahren erfolgten Widerruf nicht weggefallen ist. Während der Widerruf der Beseitigung der negativen Folgen der Ehrverletzung dient (Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht, 76), ist Ziel des Unterlassungsanspruches die Verhinderung künftiger gleichartiger Verletzungen. Die Unterlassungsklage ist somit kein Minus zum Widerrufsanspruch, vielmehr sind beide Ansprüche kumulierbar (Reischauer in Rummel ABGB2 Rz 23 zu § 1330). Der Unterlassungsanspruch selbst wurde mangels gegenteiliger Feststellungen über die Parteiabsicht durch den Widerruf im Privatanklageverfahren nicht beseitigt. Sein Bestand kann Inhalt einer neuerlichen Überprüfung im Hauptverfahren sein.

Dessen ungeachtet erweist sich aber die Abweisung des Sicherungsbegehrens im Ergebnis als berechtigt. Zur Sicherung der in § 1330 ABGB bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung bestehen (anders als etwa nach § 24 UWG) keine Sondernormen. Der Sicherungsanspruch kann auf § 381 EO gestützt werden, nach dessen Z 2 eine Verfügung zur Sicherung anderer Ansprüche als Geldforderungen getroffen werden kann, wenn sie zur Verhütung drohender Gewalt oder zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheint. Von der Überlegung ausgehend, dass einer in ihrer Ehre beeinträchtigten Person nicht nur - durch Geld adäquat auszugleichende - Vermögensnachteile, sondern auch unmittelbare Eingriffe in ihr Persönlichkeitsrecht drohen, die sich außerhalb des vermögensrechlichen Bereiches durch Kränkung, gesellschaftliche Ächtung und Ähnliches auswirken könnten, vertritt der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, die Bescheinigung eines unwiederbringlichen Schadens sei bei Angriffen auf die Ehre einer Person nicht erforderlich; der wegen einer Ehrverletzung zustehende Unterlassungsanspruch könne daher durch einstweilige Verfügung gesichert werden, ohne dass es einer gesonderten Gefahrenbescheinigung bedürfe (MR 1996, 105 - "überhöhte Kosten" mwN; MR 1996, 238 - Hausdurchsuchung; RIS-Justiz RS0011399; Brandstetter/Schmid, Mediengesetz2 429 Anh I c Rz 40).

Der Widerruf ist die Zurücknahme einer Behauptung als unwahr (SZ 50/111; Harrer in Schwimann, ABGB2 Rz 38 zu § 1330), er dient der Naturalrestitution und beseitigt das vom Täter hervorgerufene rufschädigende Bild des durch die Äußerung Verletzten (Brandstetter/Schmid aaO 432 Rz 54 f; Korn/Neumayer aaO 76).

Hat der Täter (Gegner der gefährdeten Partei) - wie hier - die ehrverletzende Behauptung als unwahr zurückgenommen und so ein zunächst hervorgerufenes rufschädigendes Bild beseitigt, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass dem Verletzten nach wie vor unmittelbare Eingriffe in sein Persönlichkeitsrecht drohen, die sich außerhalb des vermögensrechtlichen Bereiches durch Kränkung, gesellschaftsrechtliche Ächtung oder Ähnliches auswirken könnten. Er müsste vielmehr in einem solchen Fall ausnahmsweise die Gefährdung als Voraussetzung der begehrten Sicherungsverfügung entsprechend § 381 Z 2 EO bescheinigen.

Eine derartige Bescheinigung hat der Kläger im vorliegenden Fall weder angeboten noch erbracht. Eine Gefährdung seiner Persönlichkeitsrechte für die Dauer des Verfahrens über den Unterlassungsanspruch (nur für diesen Zeitraum könnte eine einstweilige Verfügung erlassen werden und so dem Kläger Sicherheit bieten) ist auch keineswegs evident, weil nicht anzunehmen ist, dass der Beklagte im Hinblick auf seinen Widerruf die Behauptung noch während des laufenden Verfahrens über den Unterlassungsanspruch wiederholen werde. Der bloße Hinweis auf (bevorstehende) Wahlkämpfe kann in diesem Zusammenhang nicht ausreichen.

Die im vorliegenden Fall (ausnahmsweise) erforderliche, aber fehlende Gefahrenbescheinigung hindert die Erlassung einer einstweiligen Verfügung in Ansehung der zu lit a) angeführten Äußerung.

Zu der in lit b) des Sicherungsantrages angeführten Behauptung hat der Kläger selbst zugestanden, in einem Fall eine Spende von (glaublich) 3.000 S von jemandem erhalten zu haben, der tatsächlich mit der Gemeinde in Geschäftsverbindung gestanden sei. Er hat damit die Richtigkeit der Behauptung in ihrem Kern zugestanden, sodass auch insoweit die Voraussetzungen für die Erlassung der begehrten Unterlassungsverfügung fehlen.

Dem Revisionsrekurs wird aus den angeführten Gründen ein Erfolg versagt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO bzw § 78 EO, §§ 40, 50 ZPO. Ein Kostenersatz an den Beklagten, der keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet hatte, findet nicht statt.

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