OGH 5Ob72/23h

OGH5Ob72/23h3.7.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. E*, 2. M*, beide vertreten durch Reiffenstuhl & Reiffenstuhl Rechtsanwaltspartnerschaft OG in Wien, gegen die Antragsgegnerin I* GesmbH, 1*, vertreten durch Dr. Bertram Broesigke, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 iVm § 16 MRG über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 1. März 2023, GZ 39 R 238/22x‑16.3, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00072.23H.0703.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Antragsteller haben das von einem der Mitmieter des Bestandobjekts im Haus der Antragsgegnerin dort geführte Unternehmen von ihm mit Zustimmung der weiteren Mitmieterin gekauft und sind nun Hauptmieter des Objekts. Die Antragsteller und der Veräußerer zeigten mit getrennten Schreiben vom 1. 2. 2018 der Hausverwaltung die Unternehmensveräußerung an. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist nur die Frage, ob das Mietzinsanhebungsbegehren der Antragsgegnerin vom 28. 9. 2021 präkludiert ist.

[2] Das Erstgericht bejahte dies, gab dem Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der mit diesem Schreiben bekannt gegebenen Erhöhung des Nettohauptmietzinses statt und stellte die Überschreitung des gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes durch die Vorschreibungen der Antragsgegnerin im näher bezeichnetem Umfang fest.

[3] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[5] 1.1. Veräußert der Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit das von ihm im Mietgegenstand betriebene Unternehmen zur Fortführung in diesen Räumen, so tritt der Erwerber gemäß § 12a Abs 1 MRG anstelle des bisherigen Hauptmieters in das Hauptmietverhältnis ein. Sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber sind verpflichtet, die Unternehmensveräußerung dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen. Diese Anzeige hat Ordnungsfunktion, sie soll den Vermieter informieren und die in § 12a Abs 2 MRG vorgesehene Möglichkeit eröffnen, die Anhebung des Mietzinses auf den nach § 16 Abs 1 MRG zulässigen Betrag zu begehren (vgl 5 Ob 157/17z; Auer/H. Böhm in GeKo Wohnrecht I § 12a MRG Rz 59).

[6] 1.2. Gemäß § 12a Abs 2 MRG hat – ist der bisherige Hauptmietzins niedriger als der angemessene Hauptmietzins nach § 16 Abs 1 MRG – der Vermieter die Möglichkeit, bis spätestens sechs Monate nach Anzeige der Unternehmensveräußerung die Anhebung des Hauptmietzinses auf den nach § 16 Abs 1 MRG zulässigen Betrag, dies unter Berücksichtigung der Art der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit, zu verlangen. Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich dabei um eine Präklusivfrist (RIS‑Justiz RS0116905), die der Sicherheit des rechtsgeschäftlichen Verkehrs durch eine rasche Bereinigung der offenen Streitfragen dient (5 Ob 79/02g). Die Frist beginnt nur durch die Anzeige der Unternehmensveräußerung zu laufen und ist nicht mehr – wie zum früheren Gesetzeswortlaut des § 12a Abs 3 aF MRG judiziert – ab verlässlicher Kenntnis des Vermieters von der Unternehmensveräußerung zu berechnen (RS0113457). Das Recht zur Ausübung des Gestaltungsrechts auf Hauptmietzinsanhebung ist daher nicht präkludiert, wenn keine ordnungsgemäße Anzeige erfolgt sein sollte. Diesfalls könnte der Vermieter den Mietzins auch rückwirkend auf den dem Zeitpunkt des Eintritts der Änderung folgenden Zinstermin geltend machen (RS0113457 [T6]).

[7] 1.3. Im Hinblick auf den durch das dritte WÄG, BGBl 800/1993, gegenüber der vorherigen Fassung des § 12 Abs 3 aF geänderten Wortlaut der für die Anzeigepflicht einschlägigen Bestimmung bedarf es weder einer gemeinsamen Anzeige oder Doppelanzeige (Auer/H. Böhm in GeKo Wohnrecht I § 12a MRG Rz 60; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht23 § 12a MRG Rz 15; Würth in Rummel ABGB3 § 12a MRG Rz 16). Der geänderte Wortlaut stellt auch klar, dass bereits die Anzeige eines Teils den Fristenlauf auslöst; soweit der Entscheidung 5 Ob 111/89 – die noch zur früheren Rechtslage ergangen war – anderes zu entnehmen ist, kann dies nicht mehr aufrecht erhalten werden (vgl auch Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 12a MRG Rz 87 mwN).

[8] 2.1. Hier steht fest, dass jedenfalls die Antragsteller als Unternehmenserwerber der Hausverwaltung als Vertreterin der Antragsgegnerin die Mitteilung über den Verkauf des im Bestandobjekt betriebenen Unternehmens vom 1. 2. 2018 übermittelten, wo sie Anfang Februar 2018 einlangte. Auch der Veräußerer – Mitmieter des Geschäftslokals, der aber das Unternehmen allein und auf eigene Rechnung betrieb – schickte eine gleichlautende Mitteilung an die Hausverwaltung der Antragsgegnerin. Davon auszugehen, damit sei der Beginn der sechsmonatigen Präklusivfrist des § 12a Abs 2 MRG ausgelöst worden, kann sich auf die zitierte Lehre und Rechtsprechung stützen und ist daher nicht korrekturbedürftig.

[9] 2.2. Damit kommt es auf die im Revisionsrekurs aufgeworfene Frage, ob die Anzeige der Unternehmensveräußerung nicht nur der Unternehmensinhaber selbst, sondern auch die weitere Mitmieterin verfassen hätte müssen, nicht an. Ergänzend sei aber darauf hingewiesen, dass der Gesetzeswortlaut des § 12a Abs 1 MRG den Unternehmensveräußerer zur Anzeige verpflichtet, nach den Feststellungen die weitere Mitmieterin aber gar nicht Unternehmensinhaberin war.

[10] 3.1. Zu Form und Inhalt der Anzeige ist es ständige, von der Lehre geteilte Rechtsprechung (5 Ob 157/17z; 5 Ob 101/07z; Auer/H. Böhm in GeKo Wohnrecht I § 12a MRG Rz 59; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht23 § 12a MRG Rz 15), dass die Anzeige formfrei ist, der Inhalt aber klar sein muss. Sie hat die wesentlichen Sachverhaltselemente zu enthalten, aus denen sich der Vertragsübergang bzw die Grundlage für die Mietzinsanhebung zuverlässig und eindeutig ergibt (5 Ob 191/19b mwN). Wie im Licht dieses Zwecks der Anzeige der konkrete Wortlaut einer als solche gedachten Mitteilung zu werten ist, ist typischerweise eine Frage des Einzelfalls, der keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt (RS0113457 [T5]; 5 Ob 101/07z). Eine im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Rekursgerichts liegt nicht vor.

[11] 3.2. Der hier festgestellte Inhalt der Mitteilung lässt keinen Zweifel offen, dass das im Bestandobjekt betriebene Unternehmen an die Antragsteller verkauft wurde. Schon ihr Betreff lautet: „Mitteilung der Neumieter über den Verkauf des im Geschäftslokal in [...] betriebenen Unternehmens“. Der Unternehmenskaufvertrag vom 1. 2. 2018 samt Inventarliste wurde angeschlossen. Der bloße Umstand, dass als Veräußerer (entsprechend dem Inhalt des Unternehmensveräußerungsvertrags) nur ein Mitmieter angeführt war, ändert daran nichts, weil – wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat – dieser Umstand allein eine Mitwirkung des Mitmieters am Veräußerungsvorgang nicht ausschloss. Nach der ständigen Rechtsprechung (RS0069998) ist der Übergang der Mietrechte im Fall der Unternehmensveräußerung nach § 12a Abs 1 MRG auch dann anzunehmen, wenn alle Mitmieter der Veräußerung des Unternehmens durch dessen Inhaber und dem Übergang ihrer Hauptmietrechte auf den Erwerber zustimmen. Dass die Mitmieterin der Unternehmensveräußerung hier nicht nur zugestimmt, sondern an dieser aktiv teilgenommen hatte, wurde schon in dem zwischen den Streitteilen geführten Verfahren 6 Ob 19/21v geklärt und ist im Revisionsrekursverfahren nicht mehr strittig. Auch insoweit ist dem Rekursgericht keine Fehlbeurteilung vorzuwerfen.

[12] 4. Auf die Frage, ob die Antragsgegnerin verpflichtet gewesen wäre, mangels zuverlässiger Kenntnis vom Mietrechtsübergang ein bedingtes Erhöhungsbegehren zu stellen (vgl hiezu Auer/H. Böhm GeKo Wohnrecht I § 12a MRG Rz 63; RS0070170 [zur früheren Rechtslage]), wovon das Rekursgericht ausging, kommt es für die rechtliche Beurteilung nicht mehr an.

[13] 5. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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