European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00066.23A.0118.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Bestandrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 1.003,39 EUR (darin enthalten 167,23 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 1.527,12 EUR (darin enthalten 114,82 EUR USt und 838,20 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin und die beiden Beklagten (Ehegatten) sind Mit‑ und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. In dem auf der Liegenschaft errichteten Mehrparteienhaus gibt es 13 Wohnungseigentumsobjekte: 11 Wohnungen und zwei im Souterrain des Hauses gelegene Werkstätten. Die Kellerabteile sind allgemeine Teile der Liegenschaft, sie wurden im Rahmen einer Benützungsvereinbarung den einzelnen Wohnungseigentumsobjekten zugeordnet.
[2] Die Klägerin ist Wohnungseigentümerin der Werkstätte Top 1 und der Wohnungen Top 3, 4, 7, 11 und 12, die Erstbeklagte ist Wohnungseigentümerin der Wohnungen Top 8, 9 und 10 und der Zweitbeklagte ist Wohnungseigentümer der Werkstätte Top 2 und der Wohnungen Top 13 und 14. Die Wohnung Top 5 steht im Wohnungseigentum einer nicht am Verfahren beteiligten Dritten.
[3] In den Jahren 2014/15 baute der Zweitbeklagte seine Werkstätte Top 2 unter Einbeziehung zweier Kellerabteile zu einer Wohnung um. Wegen dieser baulichen Veränderung und Widmungsänderung waren zwei weitere Verfahren beim Erstgericht anhängig.
[4] Die zu einer Wohnung zusammengelegten Wohnungen Top 9 und 10 bewohnen die Beklagten. In der Wohnung Top 14 betreibt der Zweitbeklagte seine Praxis als Psychologe. Die Wohnung Top 13 wurde seit 1995 jeweils befristet auf 3 Jahre vermietet.
[5] Die Wohnung Top 8 wurde bis Jänner 2014 vom Sohn der Beklagten bewohnt. Ab 2014 boten die Beklagten diese Wohnung auf drei Internetplattformen und einer eigenen Webseite zur Kurzzeitvermietung, auch an Touristen, an. Ab 2018 boten die Beklagten diese Wohnung auch über die Plattform „willhaben“ für eine zumindest monatsweise Vermietung zu einem Pauschalpreis pro Monat an. Die Wohnung Top 8 wurde auch tatsächlich von Kurzzeitmietern, auch von Touristen, gebucht und genutzt. Die Wohnung Top 8 steht zwar im Wohnungseigentum der Erstbeklagten, die Kurzzeitvermietung war aber ein „Gemeinschaftsprojekt“ beider Beklagter. Die Mieteinnahmen kamen dem Zweitbeklagten zu und wurden von ihm versteuert.
[6] Am 5. 6. 2019 wurde die dieses Verfahren einleitende Klage an die Beklagten zugestellt. Diese hatten zwar schon im Mai 2019 beschlossen, die Wohnung Top 8 für eine „normale“ befristete MRG‑Vermietung anzubieten. Im Juli und August 2019 wurde diese Wohnung aber noch tageweise an Touristen vermietet. Am 9. 9. 2019 aktivierten die Beklagten ihre Website mit einem geänderten Text wieder; sie fügten „Mindestaufenthalt 30 Tage“ in den Text ein.
[7] Die Klägerin begehrte, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, es ab sofort zu unterlassen, Wohnungseigentumsobjekte ob der Liegenschaft auf andere Weise als im Wohnungseigentumsvertrag vom 16./17. 2. 2000 gewidmet zu nutzen oder nutzen zu lassen, so insbesondere diese auf booking.com, airbnb.at oder auf anderen ähnlichen Plattformen oder in sonstiger Weise zur kurzfristigen Vermietung zu Fremdenverkehrszwecken oder sonstiger Beherbergung von Touristen anzubieten oder zu vermieten sowie jede weitere derartige oder ähnliche Störung zu unterlassen.
[8] Das Erstgerichtgab der Klage statt.
[9] Die kurzzeitige Vermietung eines als Wohnung gewidmeten Wohnungseigentumsobjekts zu Fremdenverkehrszwecken sei eine nach § 16 Abs 2 Z 1 WEG genehmigungspflichtige Widmungsänderung. Die Beklagten hätten die Wohnung Top 8 sowohl vor als auch nach der Klagezustellung in diesem Sinn kurzfristig vermietet. Es mögen nicht alle Mieter Touristen gewesen sein, doch sei die Beschreibung der Wohnung auf der Webseite der Beklagten und auf den diversen Vermietungsplattformen erkennbar auf die Bedürfnisse von Touristen zugeschnitten. Die Wohnung sei auch tatsächlich von Touristen gemietet worden. Die Klägerin habe dieser Widmungsänderung unbestritten nie zugestimmt und sei daher berechtigt, die Unterlassung dieser Art der Wohnungsnutzung gerichtlich durchzusetzen.
[10] Die Wiederholungsgefahr sei zwar materiell-rechtliche Voraussetzung für eine Unterlassungsklage, für deren Wegfall sei aber der Beklagte beweispflichtig. Er habe besondere Gründe darzutun, die eine Wiederholung in Zukunft als völlig ausgeschlossen oder doch zumindest als äußerst unwahrscheinlich erscheinen ließen. Dass die Wohnung Top 8 derzeit mit einem „normalen“ Mietvertrag befristet auf drei Jahre vermietet sei, beseitige die Wiederholungsgefahr nicht. Das Verhalten der Beklagten nach Klageeinbringung zeige, dass eine weitere touristische Kurzzeitvermietung durchaus im Bereich des Möglichen liege und nicht ausgeschlossen werden könne. Ebenso könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagten in Zukunft auch andere Objekte des Hauses, etwa die Top 2 oder die Top 13 zur Kurzzeitvermietung anbieten.
[11] Das Berufungsgerichtgab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil ab. Es erkannte die Beklagten gegenüber der Klägerin zur ungeteilten Hand schuldig, es ab sofort zu unterlassen, die Wohnung Top 8 auf andere Weise als ihrer Widmung als Wohnung gemäß zu nutzen oder nutzen zu lassen, so insbesondere diese auf booking.com, airbnb.at oder auf anderen ähnlichen Plattformen oder in sonstiger Weise zur kurzfristigen Vermietung zu Fremdenverkehrszwecken oder sonstiger Beherbergung von Touristen anzubieten oder zu vermieten sowie jede weitere derartige oder ähnliche Störung zu unterlassen. Das Klagebegehren, die Beklagten seien gegenüber der Klägerin zur ungeteilten Hand schuldig, es ab sofort zu unterlassen, die Wohnungen Top 9 und Top 10, Top 13 und Top 14, sowie die Werkstätte Top 2 auf andere Weise als im Wohnungseigentumsvertrag gewidmet zu nutzen oder nutzen zu lassen, so insbesondere diese auf booking.com, airbnb.at oder auf anderen ähnlichen Plattformen oder in sonstiger Weise zur kurzfristigen Vermietung zu Fremdenverkehrszwecken oder sonstiger Beherbergung von Touristen anzubieten oder zu vermieten sowie jede weitere derartige oder ähnliche Störung zu unterlassen, wies das Berufungsgericht ab.
[12] Die von der Klägerin behauptete widmungswidrige Nutzung habe sich nur auf die Wohnung Top 8 bezogen und entsprechend diesem Klagevorbringen habe das Erstgericht auch nur eine solche festgestellt. Aus der widmungswidrigen Nutzung nur der Wohnung Top 8 folge die Abweisung des Klagebegehrens hinsichtlich der vier weiteren Wohnungseigentumsobjekte der Beklagten.
[13] Die Klägerin habe kein Vorbringen erstattet, dass dieanderen Wohnungseigentumsobjekte widmungswidrig genützt würden, die beiden Beklagten also die im Wohnungseigentumsvertrag vereinbarte Widmung ihrer übrigen vier Wohnungseigentumsobjekte missachteten, oder dass der Umbau der Top 2 auch der Kurzzeitvermietung dienen habe sollen. Zwar hätten beide Parteienvertreter ihr Vorbringen in den zwei vom Erstgericht geführten Parallelverfahren ausdrücklich auch zu ihrem Vorbringen in diesem Akt erhoben und die Akten dazu seien auch verlesen worden. Diese Vorgangsweise sei aber unzulässig, weil sie dem Bestimmtheitserfordernis des Zivilprozesses nicht gerecht werde.
[14] Entgegen der Argumentation der Klägerin in ihrer Berufungsbeantwortung sei der Urteilstenor nicht etwa deshalb per se unteilbar, weil auch bei widmungswidriger Verwendung nur einesWohnungseigentumsobjekts gegen den Wohnungseigentumsvertrag verstoßen werde. Gegenstand des Verfahrens sei die widmungswidrige Nutzung der fünf Wohnungseigentumsobjekte. Werde ein Wohnungseigentumsobjekt widmungswidrig genutzt, werde dadurch zwar gegen den Wohnungseigentumsvertrag verstoßen, das aber ohne dass dies die Nutzung der vier anderen Objekte ebenfalls zu einer widmungswidrigen mache.
[15] Die Voraussetzungen für eine vorbeugende Unterlassungsklage lägen nicht vor. Dafür müssten Umstände bewiesen werden, die eine ernstlich drohende, unmittelbar bevorstehende Gefahr erstmaliger Begehung begründeten; die bloß theoretische Möglichkeit der Begehung genüge nicht. Diese geforderte Intensität für eine Erstbegehungsgefahr lasse sich aus der dislozierten Feststellung, dass „nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Beklagten in Zukunft auch andere Objekte des Hauses, etwa die Top 2 oder die Top 13 zur Kurzzeitvermietung anbieten“ nicht herleiten. Im Übrigen habe die Klägerin auch dazu kein Vorbringen erstattet.
[16] Einem Unterlassungsbegehren könne eine allgemeinere Fassung gegeben werden, um Umgehungen zu vermeiden. Dementsprechend sei es zulässig, die konkrete Verletzungshandlung zu nennen und das Verbot auf ähnliche Eingriffe zu erstrecken oder das unzulässige Verhalten verallgemeinernd zu umschreiben und durch „insbesondere“ aufgezählte Einzelverbote zu verdeutlichen. Würden in einem Urteilsspruch Beispielfälle unter „insbesondere“ angeführt, so werde das Unterlassungsgebot dadurch nur verdeutlicht, nicht aber eingeschränkt. Ein Unterlassungsgebot habe sich in seinem Umfang stets am konkreten Verstoß zu orientieren. Demnach nehme das Berufungsgericht anstelle des Verweises auf den Wohnungseigentumsvertrag die Widmung der Top 8 als Wohnung in den Spruch auf. Darüber hinaus sei die gewählte Formulierung des Spruchs nicht korrekturbedürftig, insbesondere bedürfe es keiner Anführung von Ausnahmen.
[17] Die Klägerin rüge in der Berufungsbeantwortung sekundäre Feststellungsmängel zu Umbau und Umwidmung der Werkstätte Top 2 in eine Wohnung, deren Bewerbung und Vermietung als Wohnung. Dazu fehle aber ein Tatsachenvorbringen im erstinstanzlichen Verfahren. Der Verweis auf den Vortrag in den Parallelverfahren sei – wie ausgeführt – unzulässig, Beweisergebnisse wie Zeugen‑ und Parteienaussagen könnten fehlendes Vorbringen nicht ersetzen.
[18] Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand insgesamt mit zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigend und ließ die Revision zu. Zur Frage, ob ein Unterlassungsbegehren, das pauschal für eine Gesamtheit von Wohnungseigentumsobjekten formuliert ist, hinsichtlich der Objekte einzeln beurteilt werden könne, liege keine Rechtsprechung vor.
[19] Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin. Die Klägerin ficht dieses zur Gänze aus den Rechtsmittelgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens an und beantragt die Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
[20] Die Beklagten beantragen in ihrerRevisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
[21] Die Revision ist zulässig und berechtigt.
[22] 1. Die Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts zu einer bestimmten Nutzung und das Festhalten an der dadurch definierten Nutzung gehört zu den absolut geschützten Rechten jedes Wohnungseigentümers. Eine Änderung dieses Rechtszustands ist nur nach Maßgabe des § 16 Abs 2 WEG möglich (5 Ob 38/19b; RIS‑Justiz RS0120725 [T5]; RS0119528 [T2]; RS0101800 [T6]).
[23] Der Wohnungseigentümer, der eine Widmungsänderung iSd § 16 Abs 2 WEG ohne vorherige Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer und ohne Genehmigung des Außerstreitrichters vornimmt, handelt in unerlaubter Eigenmacht und kann im streitigen Rechtsweg petitorisch mit Klage nach § 523 ABGB zur Beseitigung der Änderung und Wiederherstellung des früheren Zustands sowie gegebenenfalls auf Unterlassung verhalten werden (RS0083156; RS0005944). Zu prüfen ist dabei die Genehmigungsbedürftigkeit und Eigenmacht der Änderung als Vorfrage für die Berechtigung eines Unterlassungs- und Wiederherstellungsbegehrens; die Genehmigungsfähigkeit ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens (RS0083156 [T20]).
[24] Die Klage nach § 523 ABGB auf Beseitigung der Änderung, Wiederherstellung des früheren Zustands und gegebenenfalls auf Unterlassung richtet sich zwar grundsätzlich gegen den unmittelbaren Störer, sie kann aber auch gegen denjenigen gerichtet werden, der den unerlaubten Zustand aufrecht hält (5 Ob 147/23p; RS0012129; RS0012131 [T8]); sie richtet sich daher sowohl gegen den Wohnungseigentümer als auch gegen störende Dritte (5 Ob 216/20f; RS0012137).
[25] 2. Die Klägerin stützt den geltend gemachtenAnspruch auf Unterlassung der widmungswidrigen Nutzung von Wohnungseigentumsobjekten auf unerlaubte Eigenmacht der Beklagten in diesem Sinn; der geltend gemachte Rechtsgrund ist demnach die Eigentumsfreiheit (§ 523 ABGB). Die Beklagten seien als Wohnungseigentümer und unmittelbare Störer passiv legitimiert. Die von der Klägerin (in ihrer Klage) behauptete widmungswidrige Nutzung betraf zwar nur die kurzfristige touristische Vermietung der Wohnung Top 8. Deren Urteilsbegehren bezieht sich aber auf (alle) nicht näher spezifizierten Wohnungseigentumsobjekte der Liegenschaft. Die Wiederholungsgefahr bestehein Bezug auf sämtliche Wohnungseigentumsobjekte, die in der Verfügungsgewalt der Beklagten stünden.
[26] Dass hier mit der festgestellten Art der Nutzung der Wohnung Top 8 eine von der Widmung als Wohnung abweichende Verwendung eines der in der Verfügungsgewalt der Beklagten stehenden Wohnungseigentumsobjekts erfolgte, ist im Revisionsverfahren zu Recht nicht strittig. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass die wiederholte kurzfristige Vermietung eines als Wohnung gewidmeten Wohnungseigentumsobjekts zu Fremdenverkehrszwecken eine genehmigungspflichtige Widmungsänderung ist (5 Ob 216/20f; 5 Ob 59/14h; 3 Ob 158/11y; RS0083132 [T7, T9]; RS0119528 [T5]; RS0101800 [T10]). Daraus resultiert zunächst eine entsprechende Unterlassungspflicht der Beklagten.
[27] 3. Ein Unterlassungsanspruch wird allerdings durch zwei Elemente konkretisiert: eine Unterlassungspflicht und die Gefahr, dass dieser Unterlassungspflicht zuwidergehandelt wird. Fehlt eines dieser Elemente, dann besteht kein Unterlassungsanspruch (RS0037660). Die Gefahr einer Zuwiderhandlung besteht entweder in Form der Wiederholungs‑ oder in Form der Erstbegehungsgefahr. Die Wiederholungsgefahr setzt dabei eine bereits erfolgte Zuwiderhandlung voraus (6 Ob 36/22w). Wenn der zu einer bestimmten Unterlassung Verpflichtete bereits einmal zuwidergehandelt hat, wird vermutet, dass er wieder zuwiderhandeln werde. Es ist dann Sache des Beklagten, Umstände zu behaupten und zu beweisen, denen gewichtige Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (RS0037661). Erstbegehungsgefahr wird demgegenüber dann bejaht, wenn ein Eingriff in eine fremde Rechtssphäre unmittelbar und konkret droht; nur in diesem Fall ist auch eine vorbeugende Unterlassungsklage zulässig (RS0037661 [T3]; RS0012061 [T1]; RS0010479; RS0009357 [T18]).
[28] Die Klägerin stützt ihren Unterlassungsanspruch – jedenfalls, also unter Ausklammerung der Frage der Zulässigkeit der Erstattung eines Vorbringens durch Verweis auf das Vorbringen in einem Parallelverfahren – auf die tatsächlich bereits erfolgte widmungswidrige Verwendung eines konkreten Wohnungseigentumsobjekts; den Beklagten gelang es nicht, den Wegfall der damit zu vermutenden Wiederholungsgefahr zu beweisen. Aus dieser Störungshandlung leitet die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch ab und an dieser Störungshandlung orientiert die Klägerin auch die Formulierung des begehrten Unterlassungsgebots.
[29] Die Formulierung des Unterlassungsgebots durch die Klägerin wird auch den von Rechtsprechung dazu entwickelten allgemeinen Grundsätzen gerecht. Bei einer Unterlassungsklage muss die Unterlassungspflicht so deutlich gekennzeichnet sein, dass ihre Verletzung gemäß § 355 EO exekutiv geahndet werden kann (RS0000878 [T1]). Ein Unterlassungsbegehren ist also zu konkretisieren; allgemeine Umschreibungen genügen nicht. Die Abgrenzungskriterien müssen derart bestimmt angegeben sein, dass es zu keiner Verlagerung des Rechtsstreits in das Exekutionsverfahren kommt (RS0000878 [T7, T10]). Demgemäß bildet eine generelle Verpflichtung zur Unterlassung keinen ausreichend bestimmten Exekutionstitel; es muss vielmehr die Verpflichtung zur Unterlassung bestimmter Handlungen festgelegt sein (RS0000771). Der Begriff der Bestimmtheit eines Unterlassungsbegehrens darf allerdings nicht allzu eng ausgelegt werden, weil es praktisch unmöglich ist, alle nur denkbaren Eingriffshandlungen zu beschreiben (RS0000845 [T3]). Insbesondere ist es zulässig, die konkrete Verletzungshandlung zu nennen und das Verbot auf ähnliche Eingriffe zu erstrecken, oder das unzulässige Verhalten verallgemeinernd zu umschreiben und durch „insbesondere“ aufgezählte Einzelverbote zu verdeutlichen (5 Ob 134/22z mwN; vgl RS0037733). Eine gewisse allgemeine Fassung des Unterlassungsgebots ist – im Verein mit konkreten Einzelverboten – meist schon deshalb notwendig, um Umgehungen nicht allzu leicht zu machen (RS0037607 [T1]; RS0000845 [T14]). Das erlassene Eingriffsverbot umfasst alle gleichen oder ähnlichen Handlungsweisen (RS0000845 [T4]). Hat der Beklagte schon eine Verletzungshandlung begangen, ist für die allgemeinere Fassung des Verbots also nicht das Vorliegen der strengen Voraussetzungen einer vorbeugenden Unterlassungsklage erforderlich (RS0037733 [T9]).
[30] Bei einem Begehren auf Beseitigung und Unterlassung eigenmächtiger Änderungen durch einen Wohnungseigentümer hat der Streitrichter – wie erwähnt – die Genehmigungsbedürftigkeit der Änderung und die eigenmächtige Rechtsanmaßung als Vorfrage zu prüfen. Das erfordert für die Bestimmtheit des Klagebegehrens, dass ihm Art und Umfang der Änderungen, die die Beklagte zu beseitigen und/oder zu unterlassen hat, eindeutig entnommen werden können (5 Ob 181/22m). Dazu ist es nicht notwendig, dass alle Indentifizierungsangaben im Begehren selbst erschöpfend wiedergegeben sind; es kann auch auf Urkunden oder auf andere Unterlagen verwiesen werden, wenn diese zu einem Bestandteil des Begehrens gemacht werden. Die Identifizierung der vom Klagebegehren erfassten Änderungen muss aber einwandfrei möglich sein (5 Ob 181/22m; RS0037420).
[31] Den Beklagten soll hier jede der Widmung im Wohnungseigentumsvertrag widersprechende Nutzung eines Wohnungseigentumsobjekts untersagt werden. Durch den in das Unterlassungsgebot aufgenommenen Verweis auf die Widmung gemäß dem Wohnungseigentumsvertrag vom 16./17. 2. 2000 (vgl zu dessen Maßgeblichkeit RS0120725; RS0119528 [T4]) ist die zu unterlassende Nutzung hier daher sowohl in Bezug auf die Eingriffshandlung und die möglichen Eingriffsobjekte ausreichend bestimmt. Dass die Klägerin als beispielhafte Nutzungsart, die die Beklagte zu unterlassen haben, nur die auf entsprechenden Plattformen beworbene Kurzzeitvermietung der Wohnungen zu Fremdenverkehrszwecken oder Beherbergung von Touristen, nicht aber die dafür in Frage kommenden Wohnungseigentumsobjekte und/oder andere widmungswidrige Nutzungsarten, etwa die Nutzung der Werkstätte als Wohnung, einzeln aufzählt, sie also nicht konkrete Handlungen, die sich auf bestimmte einzelne Wohnungseigentumsobjekte beziehen, auflistet, begründet keine überschießende Formulierung des Verbots (vgl 5 Ob 134/22z).
[32] 4. Entgegen dem Verständnis des Berufungsgerichts machte die Klägerin nicht mehrere selbständige Ansprüche aus einer Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB geltend, die sich auf einzelne, voneinander unabhängige Eingriffshandlungen der Beklagten, nämlich jeweils die widmungswidrige Verwendung eines in ihrer Verfügungsmacht stehenden Wohnungseigentumsobjekts, stützen. Mangels einer solchen objektiven Klagehäufung ist daher nicht in Ansehung jedes einzelnen Wohnungseigentumsobjekts zu beurteilen, ob die auf Unterlassung gerichtete Eigentumsfreiheitsklage berechtigt ist (vgl 5 Ob 149/14v).
[33] Die Klägerin steht daher zu Recht auf dem Standpunkt, ihr Klagebegehren beziehe sich nicht und müsse sich nicht auf einzelne Wohnungseigentumsobjekte beziehen, sie kumuliere also nicht mehrere zwar gleichartige, aber selbständige Ansprüche, vielmehr erhebe sie einen Unterlassungsanspruch auf Basis einer Störungshandlung und gebe dem daraus abgeleiteten Unterlassungsgebot eine zulässige weite Fassung, die im Ergebnis auch die gleichartige Störung durch widmungswidrige Verwendung der Werkstätte Top 2 umfasse. Darauf, ob die Klägerin durch den Verweis auf ihr Vorbringen in einem Parallelverfahren die Voraussetzungen für die Annahme einer selbständigen Störungshandlung durch Verwendung der Werkstätte Top 2 als Wohnung in diesem Verfahren wirksam vorgebracht hat oder nicht, kommt es für die Entscheidung über diese Klage daher nicht an. Gleiches gilt für die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens durch das Treffen einer Überraschungsentscheidung (vgl RS0037166 [T1]; RS0031014 [T10]; RS0037516 [T4]; RS0037161; RS0117576; RS0037300).
[34] 5. Das Ersturteil war somit einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederherzustellen.
[35] Die Entscheidung über die Kosten der Verfahren in zweiter und dritter Instanz beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO.
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