Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Text
Begründung
Bei der Beklagten handelt es sich um die Gemeinschaft aller Wohnungseigentümer der auf der Liegenschaft Innsbruck, T*****straße 61, errichteten Wohnungseigentumsanlage. Martin W*****, einer der Wohnungseigentümer, hat seine Wohnungseigentumseinheit Top 17 der Klägerin mit Mietvertrag vom 5. 6. 1998 auf die Dauer von zwei Jahren vermietet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte eine Klage erhoben, in der sie wegen eines am 24. 12. 1998 auf der genannten Liegenschaft erlittenen Unfalls S 90.000,-- Schmerzengeld sowie die Feststellung begehrt, die Beklagte habe ihr auch für sonstige (zukünftige) Schäden zu haften. Sie begründet dieses Begehren damit, am genannten Tag mit ihrem Fahrrad zu dem links des Hauseingangs der Wohnungseigentumsanlage befindlichen Fahrradständer zugefahren und dabei auf dem seit mehreren Wochen vereisten Zufahrtsweg zu Sturz gekommen zu sein, wodurch sie sich schwer verletzt habe. Die Beklagte habe für die Unfallschäden einzustehen, weil es deren Leute schuldhaft unterlassen hätten, den Zufahrtsweg vom Eis zu befreien und/oder die erforderliche Streuung durchzuführen. Die diesbezügliche Pflichtverletzung des Hausverwalters und/oder des Hausmeisters sei der Beklagten zuzurechnen. Insoweit treffe die Beklagte eine vertragliche Haftung, weil es sich beim Mietvertrag der Klägerin um einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter handle. Die Passivlegitimation der Beklagten bestehe auch hinsichtlich deliktischer Schadenersatzansprüche. Unter Berücksichtigung der Art und der schwerwiegenden Folgen der Verletzungen der Klägerin gebühre dieser ein Schmerzengeld von S 90.000,--. Da weitere Schäden aus dem Unfall zu befürchten seien, sei der Klägerin auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung zuzubilligen.
Die Beklagte hat das Vorbringen der Klägerin bestritten, Klagsabweisung beantragt und ua den Einwand der mangelnden Passivlegitimation der Beklagten erhoben. Zwischen den Streitteilen habe nämlich zu keiner Zeit ein Vertragsverhältnis bestanden; ein nur deliktischer Schadenersatzanspruch könne nicht mit Erfolg gegen eine Wohnungseigentümergemeinschaft erhoben werden.
Das Erstgericht hat die Passivlegitimation der Beklagten für den von der Klägerin geltend gemachten Schadenersatzanspruch verneint und die Klage schon aus diesem Grund abgewiesen. Gemäß § 13c Abs 1 WEG könne eine Wohnungseigentümergemeinschaft zwar Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen sowie klagen und geklagt werden, doch komme ihr diese Quasi-Rechtspersönlichkeit nur in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft zu. Außerhalb des Geschäftskreises der Verwaltung der Liegenschaft könne die Wohnungseigentümergemeinschaft weder Rechte erwerben noch Verbindlichkeiten eingehen. Der Oberste Gerichtshof habe zwar in der in WoBl 1997/95 veröffentlichten Entscheidung 5 Ob 2023/96b die unterinstanzlichen Entscheidungen, in welchen die Passivlegitimation einer Wohnungseigentumsgemeinschaft bejaht wurde, nicht beanstandet, sei inhaltlich jedoch auf die Frage der Passivlegitimation nicht eingegangen, während er in der zu 1 Ob 72/97p (WoBl 1998/202) ergangenen Entscheidung ausgeführt habe, dass die durch die Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990 eingeführte Haftung des Liegenschaftseigentümers für Gewässerverunreinigungen keine Maßnahme der Verwaltung der Wohnungseigentumsliegenschaft im Sinne des § 13c Abs 1 WEG sei. Letztere Entscheidung sei zwar in der Literatur kritisiert worden, doch hätten landesgerichtliche Rechtsmittelsenate wiederholt die Ansicht vertreten, dass deliktische Schadenersatzansprüche auf Grund unterlassener Handlungen (Schneeräumung) nicht unter den Liegenschaftsverwaltungsbegriff des § 13c WEG fielen (WoBl 1996/78). Aus dem Wortlaut des § 13c Abs 1 zweiter Satz WEG ergebe sich, dass eine Wohnungseigentumsgemeinschaft nur im Zusammenhang mit rechtsgeschäftlichen Verwaltungshandlungen geklagt werden könne. Die Passivlegitimation der Beklagten sei daher hinsichtlich des von der Klägerin aus einem Deliktsfall erhobenen Schadenersatzanspruch nicht gegeben.
Das Rekursgericht war anderer Ansicht. Es bejaht aus folgenden Erwägungen die Passivlegitimation der Beklagten (was folgerichtig zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils führte, um das Verfahren zu ergänzen und über das Begehren der Klägerin neuerlich zu entscheiden):
Gemäß § 13c WEG bildeten alle Wohnungs- und sonstigen Miteigentümer einer Liegenschaft zu deren Verwaltung die Wohnungseigentümergemeinschaft, welche in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft als solche Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen sowie klagen und geklagt werden könne. Nach dem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel dieser durch das BGBl 1993/800 mit Wirksamkeit ab dem 1. 1. 1994 in das WEG eingefügten Regelung sollten Wohnungseigentümer in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft nur mehr als Wohnungseigentümergemeinschaft - einem Gebilde mit beschränkter Rechtspersönlichkeit - geklagt werden (1268 BlgNR, 18. GP 16). Eine Beschränkung dieser Klagsmöglichkeit auf vertraglich geregelte Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft könne weder aus dem Wortlaut des § 13c WEG noch aus dem vorerwähnten Zweck dieser Bestimmung abgeleitet werden.
Nach dem Wortlaut des § 13c Abs 1 zweiter Satz WEG könne eine Wohnungseigentümergemeinschaft in allen Angelegenheiten jedenfalls der ordentlichen Verwaltung der Liegenschaft geklagt werden. Eine Wohnungseigentümerschaft nach § 13c WEG sei zwar nicht selbst handlungsfähig und somit auch nicht selbst deliktsfähig, doch sei ihr - einem Gebilde gleich einer juristischen Person - ein deliktisches Verhalten ihrer Repräsentanten zuzurechnen. Ein Grund für die Verneinung der Passivlegitimation einer Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 13c WEG für Schadenersatzansprüche Dritter aus schuldhafter Nicht- oder Schlechterfüllung der mit der ordentlichen Verwaltung der Liegenschaft verbundenen Obliegenheiten sei nicht erkennbar. Es sei daher jener Rechtsprechung nicht zu folgen, die die Passivlegitimation ablehnte; vielmehr sei der in der Literatur wiederholt vertretenen Meinung zu folgen, wonach eine Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 13c WEG auch für Schadenersatzansprüche Dritter aus Deliktsfällen in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft klagbar ist (in diesem Sinn etwa Niedermayr in WoBl 1997, 237; Call zu WoBl 1998/202; Prader in AnwBl 1998, 424; Mayrhofer in immolex 1998, 17 und Löcker, Wohnungseigentümergemeinschaft, 78).
Zu den Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft gehöre auch die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der auf ihren allgemeinen Teilen verlaufenden Wege einschließlich einer allenfalls erforderlichen Befreiung von Eis sowie einer Streuung.
Im vorliegenden Fall sei die Klägerin als Mieterin einer Wohnungseigentumseinheit eines einzelnen Mitgliedes der Wohnungseigentümergemeinschaft im Verhältnis zu dieser als Dritte zu beurteilen, zumal zwischen ihr und der Wohnungseigentümergemeinschaft kein vertragliches Rechtsverhältnis begründet worden sei. Die Klägerin stütze den von ihr geltend gemachten Schadenersatzanspruch auf die Behauptung einer schuldhaften Verletzung der die Beklagte und deren Leute treffenden Verkehrssicherungspflicht. Für einen derartigen Schadenersatzanspruch erscheine die Beklagte aus den dargelegten Erwägungen klagbar.
Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es fehle nämlich eine gesicherte Rechtsprechung zur Frage der Passivlegitimation einer Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 13c WEG für Schadenersatzansprüche Dritter aus Deliktsfällen in Angelegenheiten der Verwaltung.
In ihrem Rekurs gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluss wiederholt die Beklagte mit dem Hinweis auf die bereits vom Erstgericht zitierte Entscheidung WoBl 1998/202 ihren Einwand der mangelnden Passivlegitimation. Gegenstand der Wohnungseigentümergemeinschaft sei nämlich die Summe der Forderungen und Schulden, die sich aus der Verwaltung der Liegenschaft ergeben. Ein Deliktsanspruch sei weder als Forderung noch als Schuld unter den Begriff der Liegenschaftsverwaltung zu subsumieren. Dementsprechend wurde beantragt, in Abänderung des zweitinstanzlichen Aufhebungsbeschlusses das Ersturteil wieder herzustellen.
Von der Klägerin liegt dazu eine fristgerecht erstattete Rekursbeantwortung mit dem Antrag vor, dem gegnerischen Rechtsmittel nicht Folge zu geben. Ergänzend zu der bereits vom Berufungsgericht zitierten Judikatur wurde auch noch auf die Entscheidung WoBl 1994, 209/55 hingewiesen, in der der Oberste Gerichtshof bereits einmal einem vom WE-Mieter erhobenen Schadenersatzanspruch dem Verwaltungsbegriff zugeordnet habe.
Der Rekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der erkennende Senat teilt die berufungsgerichtliche Rechtsansicht, sodass auf dessen Rechtsausführungen verwiesen werden kann (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO). Er hat, was weder das Berufungsgericht noch die Parteien des gegenständlichen Verfahrens wissen konnten, genau diese Rechtsansicht jüngst in der zu 5 Ob 283/99z ergangenen Entscheidung vom 9. 11. 1999 vertreten, die einen vergleichbaren Fall der Wegehalterhaftung zum Gegenstand hatte. Demnach gehört die Veranlassung des Winterdienstes zur Verwaltung einer Liegenschaft. Es besteht daher unter dem Aspekt, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft nur in Angelegenheiten der Verwaltung (Quasi-)Rechtspersönlichkeit besitzt, kein Grund, deren Deliktshaftung von vornherein auszuschließen. Werden ihr oder ihren Leuten - wie hier - Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit Streu- oder Räumpflichten zum Vorwurf gemacht und darauf Schadenersatzansprüche gegründet, ist folglich ihre passive Klagslegitimation - wie das Berufungsgericht mit zutreffenden Belegen aus der Rechtsliteratur ausführte - zu bejahen.
Aus diesem Grund war wie im Spruch zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)