OGH 5Ob2023/96b

OGH5Ob2023/96b26.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ilse N*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr.Norbert Kohler, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagte Partei Wohnungseigentümergemeinschaft betreffend die Liegenschaft *****, vertreten durch Dr.Wilhelm Winkler und andere Rechtsanwälte in Bregenz, wegen S 129.035,- s.A. und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das mit Beschluß vom 11.März 1996 berichtigte Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 23.November 1995, GZ 2 R 1016/95v-15, womit das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 28. Juli 1995, GZ 9 Cg 154/94w-9, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.370,-

(darin enthalten S 1.395,- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin, Mieterin einer Eigentumswohnung in der Wohnungseigentumsanlage der die beklagte Partei repräsentierenden Miteigentümer begehrt die Zahlung von S 129.035,- s.A. aus dem Titel des Schadenersatzes sowie die Feststellung der Haftung für künftige Schäden mit der Begründung, sie sei auf dem zu Müllcontainern führenden Weg, der mit naßem Laub bedeckt gewesen sei, ausgerutscht und über einen vom Laub bedeckten und daher nicht erkennbaren Eisenteil gestolpert. Die beklagte Partei treffe an diesem Unfall das Alleinverschulden, weil sie grob fahrlässig gegen die ihr obliegenden Verkehrssicherungspflichten verstoßen habe.

Die beklagte Partei wendete sowohl Mangel der Passivlegitimation - § 13 c WEG sei erst am 1.1.1994, also nach dem am 15.10.1993 von der Klägerin erlittenen Unfall, in Kraft getreten - als auch mangelnde Haftung der Hauseigentümergemeinschaft ein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme eines Teiles des Zinsenbegehrens statt. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Vom Haupteingang des Hauses B*****, führen zwei asphaltierte Fußwege zu den Müllcontainern. Einer der Wege verläuft direkt entlang der Hauswand und ist überdacht. Dieser Weg wird häufig durch unter dem Vordach abgestellte Fahrräder und Mofas verstellt oder gar völlig versperrt. Aus diesem Grund pflegte die Klägerin schon fast gewohnheitsmäßig den äußeren, nicht überdachten Weg zu benützen; so auch am Unfallstag. In der Mitte dieses ca. 2,5 m breiten, ebenfalls aphaltierten Weges war früher ein Metallpfosten aufgestellt, der die Benützung des Weges durch mehrspurige Fahrzeuge verhindern sollte. Dieser Pfosten konnte über ein in den Boden eingelassenes Gelenk bei Bedarf flach auf den Boden gekippt werden. Da der Pfosten mehrfach beschädigt worden war, wurde er auf Grund einer Entscheidung des Hausausschusses, einer Verbindungsstelle der Wohnungseigentümer zur Hausverwaltung, entfernt. Im Boden blieb allerdings die Verankerungsplatte im Ausmaß von ca. 15 cm im Quadrat zurück, die ca 1 cm über dem umgebenden Asphaltboden erhaben war. Aus dieser Metallplatte ragten drei massive Metallösen mit einer Höhe von jeweils ca. 5 cm.

Zur Unfallszeit lag auf dem äußeren Weg feuchtes Laub, das zumindest zum Teil auch die Verankerungsplatte bedeckte.

Die damals 81-jährige sehbehinderte Klägerin wollte am Unfallstag zwei Abfallsäcke zu den Müllcontainern tragen. Sie trug flache Straßenschuhe ohne Profilsohle, kam auf dem feuchten Laub mit einem Fuß ins Rutschen und drohte, nach vorne zu fallen. Um dies zu verhindern, machte sie mit dem anderen Fuß einen Schritt nach vorne, stieß dabei aber gegen die Metallösen der Befestigungsplatte, stolperte in der Folge über dieses Hindernis nach vorne und fiel auf die linke Seite.

Die Befestigungsplatte war ihr bekannt, sie hatte sie aber in der Unfallssituation wegen der Überdeckung mit Laub nicht wahrgenommen.

Die Verwalterin der Wohnungseigentumsanlage beschäftigte eine Hausmeisterin, die die Wege außerhalb des Hauses einmal wöchentlich regelmäßig reinigte. Bei starkem Laubfall wurde je nach Bedarf auch öfters gekehrt.

Vor dem Unfall der Klägerin waren auch schon andere Benützer des Weges über die aus dem Boden ragenden Metallösen gestolpert. Daß solche Vorfälle vor diesem Unfall jemals dem Obmann des Hausausschusses, der Hausverwalterin oder der Hausmeisterin gemeldet worden wären, kann nicht festgestellt werden.

Das Erstgericht bejahte die Passivlegitimation der beklagten Partei und ging vom Vorliegen groben Verschuldens der beklagten Partei im Sinne des § 1319 a ABGB aus.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes in klageabweisendem Sinn ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht bejaht die Passivlegitimation der Wohnungseigentümergemeinschaft im Sinne des § 13 c WEG. Da eine vertragliche Beziehung des Mieters eines Wohnungseigentümers zu den übrigen Wohnungseigentümern nicht bestehe, sei der Mieter mit Schadenersatzansprüchen in erster Linie an den Verwalter der Liegenschaft verwiesen. Die Wohnungseigentümergemein- schaft hafte insoweit nur im Rahmen des § 1315 ABGB oder im Falle gesetzlich zulässiger, den Schadensfall verursachender Weisungen. Dazu habe aber die Klägerin nichts vorgebracht.

Eine Haftung der beklagten Partei nach § 1319 a ABGB sei nicht gegeben, weil unter grober Fahrlässigkeit im Sinne dieser Gesetzesstelle nur eine auffallende Sorglosigkeit zu verstehen sei, die bei der gebotenen Sorgfalt nach den Umständen des Falles in ungewöhnlicher Weise verletzt werde und der Eintritt des Schadens nicht nur möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich anzusehen sei (MGA ABGB34 § 1319 a/E 27).

Im vorliegenden Fall stelle die nach Entfernung des Pfostens überflüssig gewordene Befestigungsvorrichtung zwar ein leicht vermeidbares, gefahrenträchtiges Hindernis dar, zu dessen Entfernung der WE-Verwalter verpflichtet gewesen wäre. Das Hindernis sei aber im allgemeinen gut sichtbar gewesen, sodaß dadurch ausgelöste Stürze zwar möglich und vorhersehbar, aber nicht geradezu wahrscheinlich gewesen wären, eine Vergrößerung der Gefahr sei bloß vorübergehend durch die Bedeckung des Hindernisses durch abgefallene Blätter bewirkt worden. Diese Gefahrenerhöhung erreiche aber nicht ein solches Ausmaß, daß daraus grobe Fahrlässigkeit abgeleitet werden könne.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil seit Neueinführung des § 13 c WEG zur Haftung einer Wohnungseigentümergemeinschaft eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin mit dem primären Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die beklagte Partei beantragte, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig.

Vorweg ist darauf hinzuweisen, daß beide Vorinstanzen die Passivlegitimation der beklagten Partei im Hinblick auf die durch § 13 c WEG geschaffene Neuregelung bejahten. Diesbezüglich wird daher die Rechtsmittelwerberin nicht beschwert, sodaß unter diesem Gesichtspunkt zunächst bei Behandlung des Rechtsmittels der Klägerin eine erhebliche Rechtsfrage nicht vorliegt.

Der in § 1319 a ABGB verwendete Begriff der groben Fahrlässigkeit wurde vom Berufungsgericht im Sinne der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze ausgelegt, wobei zusätzlich noch zu beachten wäre, daß grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 1319 a ABGB neben dem objektiv schweren Verstoß auch noch erfordert, daß dieser Verstoß subjektiv schwer anzulasten ist (ZVR 1986, 62/11). In der letztgenannten Entscheidung wurde auch ausgesprochen, daß der Oberste Gerichtshof durch § 502 Abs 4 Z 1 ZPO (nunmehr § 502 Abs 1 ZPO) - von grundsätzlichen Fragen abgesehen - unter anderem nicht Entscheidungen über die Art der Verschuldensabwägung und die Schwere eines Verschuldens zu treffen haben soll. Bei Anwendung der zur Auslegung des § 1319 a ABGB entwickelten oben wiedergegebenen Grundsätze bewegte sich jedoch das Berufungsgericht im Rahmen des dabei gegebenen Beurteilungsspielraumes, sodaß diesbezüglich keine erhebliche Rechtsfrage zu lösen ist.

Da auch andere für die rechtliche Beurteilung der vorliegenden Rechtssache erhebliche Rechtsfragen nicht aufgezeigt werden und der Oberste Gerichtshof gemäß § 508 a Abs 1 ZPO bei Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs 3 ZPO nicht gebunden ist, war die Revision trotz des anders lautenden Zulässigkeitsausspruches des Berufungsgerichtes aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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