OGH 5Ob30/22f

OGH5Ob30/22f1.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers M*, vertreten durch Mag. Klaus Maier, Notar in Murau, wegen Grundbuchshandlungen ob den Liegenschaften EZ 15, 110 und 209 KG *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der S*, vertreten durch Mag. Clemens Schmied, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 20. Dezember 2021, AZ 1 R 231/21v, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Murau vom 21. Oktober 2021, TZ 2086/2021, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00030.22F.0601.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Der Vollzug und die Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.

 

Begründung:

[1] Der Antragsteller und seine Frau, die Revisionsrekurswerberin, sind jeweils Hälfteeigentümer der Liegenschaften EZ 15, 110 und 209 KG *. Bei diesen Liegenschaften findet sich jeweils im B‑Blatt bei den Hälfteanteilen das Wort „Gütergemeinschaft“ angemerkt. Mit Notariatsakt vom 21. Dezember 2020 („Übergabsvertrag mit Besitznachfolge“) erklärten die Eheleute, ihre am 26. September 2012 in Notariatsaktsform vereinbarte teilweise Gütergemeinschaft aufzuheben, sodass nunmehr wieder Gütertrennung gelte und auf das gesamte bestehende und zukünftige Vermögen anzuwenden sei. Eine Aufsandungserklärung, die sich auf die Löschung der Anmerkung der Gütergemeinschaft im Grundbuch bezieht, enthält dieser Übergabsvertrag nicht.

[2] Der Antragsteller begehrte die Einverleibung eines Belastungs‑ und Veräußerungsverbots zugunsten der H*, und des J*, einerseits in der allein in seinem Eigentum stehenden Liegenschaft EZ 12 KG *, und dessen Ersichtlichmachung im B-Blatt, sowie andererseits in den Liegenschaften EZ 15, 110 und 209 je KG * jeweils bei dem in seinem Eigentum stehenden Hälfteanteil sowie dessen Ersichtlichmachung im B-Blatt.

[3] Das Erstgericht bewilligte die Eintragung des Belastungs‑ und Veräußerungsverbots ob der Liegenschaft EZ 12 KG * sowie dessen Ersichtlichmachung im B‑Blatt und wies den weiteren Antrag ab.

[4] Aus dem Grundbuchsstand ergebe sich, dass bei den Liegenschaften EZ 15, 110 und 209 je KG * eine Gütergemeinschaft der beiden Hälfteeigentümer bestehe; daher sei der Antragsteller nicht berechtigt, ohne die Zustimmung seiner Frau als Miteigentümerin über seinen Hälfteanteil zu verfügen. Der nachgereichte Übergabsvertrag könne deren Zustimmung nicht ersetzen, weil die erforderliche Aufsandungserklärung fehle.

[5] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers Folge und bewilligte das gesamte Grundbuchgesuch.

[6] Die Gütergemeinschaft sei nur durch Aufnahme des Wortes „Gütergemeinschaft“ im B-Blatt angemerkt worden, weshalb ihr keine dingliche Wirkung zukomme. Aus dem vom Antragsteller vorgelegten Notariatsakt vom 21. Dezember 2020 gehe hervor, dass die obligatorische Wirkung der Gütergemeinschaft „weggefallen“ sei, und die Anmerkung könne daher die beantragte Einverleibung der Verbote nicht hindern. Auf die Frage, ob die Einverleibung eines Belastungs‑ und Veräußerungsverbots überhaupt einen Verstoß gegen die Gütergemeinschaft bedeute, sei daher nicht einzugehen. Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nicht zu.

[7] Gegen diese Entscheidung wendet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Ehefrau des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

[8] Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch (§ 71 Abs 1 AußStrG) des Rekursgerichts zulässig und berechtigt.

[9] 1.1 Im Grundbuchsverfahren ist im Regelfall (neben dem mit seinem Rechtsschutzbegehren gescheiterten Antragsteller) derjenige zum Rekurs legitimiert, der geltend machen kann, durch die bekämpfte Entscheidung in seinen bücherlichen Rechten verletzt worden zu sein; sei es, dass diese Rechte belastet, abgetreten, beschränkt oder aufgehoben werden (RIS‑Justiz RS0006710 [T5], RS0006677 [T8]).

[10] 1.2 Die Revisionsrekurswerberin ist Hälfte-eigentümerin der genannten Liegenschaften, bei denen jeweils zu beiden Hälfteanteilen im B‑Blatt das Wort „Gütergemeinschaft“ angemerkt ist, wobei das Rekursgericht mit der angefochtenen Entscheidung jeweils die Einverleibung eines Belastungs‑ und Veräußerungsverbots zugunsten der erwähnten Dritten beim Hälfteanteil des Antragstellers anordnete. Dass der bisher nicht am Verfahren beteiligte Miteigentümer bei einer Gütergemeinschaft unter Lebenden bezüglich grundbücherlicher Beschlüsse, die das Gemeinschaftsgut betreffen, zum Rekurs legitimiert ist, wurde bereits entschieden (RS0015600). Die Revisions-rekurswerberin als Hälfteeigentümerin macht nachvollziehbar geltend, dass sie durch die Anordnung des Rekursgerichts in ihren bücherlichen Rechten beeinträchtigt werde, weshalb ihre Rechtsmittellegitimation nicht zweifelhaft ist.

[11] 1.3 Das Rechtsmittelverfahren in Grundbuch-sachen ist einseitig (§ 124 letzter Satz, § 126 Abs 2 letzter Satz GBG; RS0116902); eine Beantwortung des Revisionsrekurses der Einschreiterin war daher dem Antragsteller, der seinen Rechtsstandpunkt bereits in seinem Antrag sowie im Rekurs darlegen konnte, nicht einzuräumen.

[12] 2.1 Die eheliche Gütergemeinschaft unter Lebenden begründet nach herrschender Auffassung schlichtes Miteigentum am Gesamtgut; dies zunächst nur obligatorisch. Erst durch die Verbücherung wird die wechselseitige Verpflichtung, über das Gesamtgut nur gemeinsam zu verfügen, mit dinglicher Wirkung ausgestattet. Kein Teil ist allein zu einer Handlung befugt, mit der auch nur über den eigenen Anteil am Gesamtgut verfügt wird (RS0089454; RS0022320 [T5]; Koch in KBB6 § 1236 Rz 1). Um dingliche Wirkung zu haben, muss die Gütergemeinschaft unter Lebenden im Grundbuch in der Weise ersichtlich gemacht werden, dass für jeden Ehegatten das Eigentumsrecht mit der Beschränkung einverleibt wird, dass während der Dauer der Gütergemeinschaft kein Teil allein bzw einseitig über seinen ideellen Anteil verfügen kann. Wird im Hauptbuch nur auf einen Ehevertrag und Erbvertrag verwiesen, tritt keine dingliche Wirkung der dort vereinbarten Gütergemeinschaft ein (RS0022373; vgl auch RS0125567; Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 10 Rz 40).

[13] 2.2 Hier ist bei den Liegenschaften jeweils beim Hälfteanteil der beiden Miteigentümer im B-Blatt das Wort „Gütergemeinschaft“ angemerkt. Damit ist die mit der Vereinbarung einer Gütergemeinschaft unter Lebenden verbundene Beschränkung des Eigentumsrechts verdinglicht. Entgegen der Rechtsansicht des Rekursgerichts macht diese Anmerkung die Vereinbarung auch gegenüber Dritten wirksam, sodass grundbücherliche Verfügungen über den jeweiligen Miteigentumsanteil einer entsprechenden, urkundlich nachgewiesenen Zustimmung des anderen (in einverleibungsfähiger Form, vgl § 32 Abs 1 lit b GBG) bedürfen. Eine derartige Zustimmung der nunmehrigen Revisionsrekurswerberin lässt sich weder dem Antrag noch den Urkunden entnehmen.

[14] 3.1 Durch die Einräumung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots nach § 364c ABGB erhält der Verbotsberechtigte eine absolute Rechtsposition gegenüber jedem Dritten (vgl RS0108057 [T2] = RS0062140 [T6]). Ein Belastungs- und Veräußerungsverbot im Sinn des § 364c ABGB hindert grundsätzlich jede rechtsgeschäftliche Verfügung über die Liegenschaft; der Eigentümer kann nur gemeinsam mit dem Verbotsberechtigten wirksam über die Liegenschaft verfügen (s Holzner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 364c Rz 6 mwN; Winner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 364c Rz 25f mwN).

[15] 3.2 Auch die Einverleibung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots auf nur einem Hälfteanteil, wie hier vom Antragsteller begehrt, ist daher – wie das Erstgericht zutreffend erkannte – infolge der (nach wie vor) im Hauptbuch eingetragenen Gütergemeinschaft ohne die Zustimmung der anderen Miteigentümerin nicht zulässig.

[16] 3.3 Ein Antrag auf Löschung oder Berichtigung des Grundbuchsstands im Bezug auf die Anmerkung der – laut Übergabsvertrag vom 21. Dezember 2020 materiell‑rechtlich aufgehobenen – Gütergemeinschaft lässt sich dem Gesuch nicht entnehmen. Der Grundbuchsstand steht daher der Bewilligung der begehrten Eintragung entgegen.

[17] 4. Die abweisende Entscheidung des Erstgerichts war daher wiederherzustellen.

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