European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00158.22D.1205.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Grundbuchsrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung lautet:
„Urkunden
1 Schenkungsvertrag 25. 01. 2022
Bewilligt wird
1 in EZ * KG *
auf Anteil B‑LNR 1
1 ANTEIL: 1/1
J* S*
GEB: * ADR: *
zu 1/1 (hinsichtlich der Liegenschaft)
die Einverleibung des Eigentumsrechts
für M* *, geb. *, *, mit der Beschränkung durch das Besitznachfolgerecht auf den Überrest gemäß Punkt II. des Schenkungsvertrags vom 25. 01. 2022 für Ing. C* K*, geb. *.
Verständigt werden:
1 Dr. Bernhard Schöniger‑Hekele, *
2 M* S*
3 J* S*
4 Ing. C* K*
5 Magistrat der Stadt Wien,
*
6 Finanzamt Österreich,
*
Der Vollzug und die Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.
Begründung:
[1] Der Vater des Antragstellers hat diesem eine in seinem Alleineigentum stehende Liegenschaft mit notariellem Schenkungsvertrag vom 25. 1. 2022 geschenkt. Auf dieser Liegenschaft lastet ein Vorkaufsrecht für die Stadt Wien. Die diesbezügliche Eintragung C‑LNr 2lautet „Vorkaufsrecht für Stadt Wien“ und enthält keine weiteren Hinweise oder Zusätze.
[2] Der Antragsteller begehrtedie Einverleibung seines Eigentumsrechts ob dieser Liegenschaft; dies mit der Beschränkung durch das im Schenkungsvertrag vom 25. 1. 2022 vereinbarte Besitznachfolgerecht auf den Überrest für seine Schwester.
[3] Das Erstgericht wies den Antrag mit der Begründung ab, dass der begehrten Einverleibung das eingetragene Vorkaufsrecht der Stadt Wien sowie der fehlende urkundliche Nachweis der Staatsbürgerschaft entgegenstünden.
[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge.
[5] Die hier in den Schenkungsvertrag aufgenommene, dem § 89b NO entsprechende notarielle Beurkundung der Staatsbürgerschaft stehe der Beurkundung durch die Behörde gleich. Die vom Erstgericht geforderte Vorlage des Staatsbürgerschaftsnachweises sei daher entbehrlich.
[6] Das Erstgericht habe das Gesuch dennoch zu Recht abgewiesen. Mangels weiterer Hinweise oder Zusätze könne nur aus der „Vorkaufsrecht für Stadt Wien“ lautenden Eintragung erkannt werden, ob der Vorkaufsfall eingetreten sei. Blieben Zweifel, ob dies der Fall sei, wirke das verbücherte Vorkaufsrecht wie ein vom Grundbuchsgericht amtswegig zu beachtendes Veräußerungsverbot, das ohne zureichenden urkundlichen Nachweis der Zustimmung des Vorkaufsberechtigten oder der Nichtannahme eines gehörigen Einlösungsangebots der Einverleibung des Eigentumsübergangs entgegen stehe, weil derartige Zweifelsfragen nicht im Grundbuchsverfahren zu lösen seien.
[7] Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen abzuändern und die Einverleibung seines Eigentumsrechts zu bewilligen.
Rechtliche Beurteilung
[8] Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt, weil dem Rekursgericht eine auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen ist.
[9] 1. Für das Grundbuchsgericht bildet ein einverleibtes Vorkaufsrecht grundsätzlich ein Eintragungshindernis. Das Grundbuchsgericht darf die Einverleibung des Eigentumsrechts an einer Liegenschaft, bei der ein Vorkaufsrecht einverleibt ist, nur bewilligen, wenn a) gar kein Vorkaufsfall vorliegt, b) der Vorkaufsberechtigte zustimmt oder c) urkundlich nachgewiesen wird, dass dem Vorkaufsberechtigten die Liegenschaft zum Kauf angeboten wurde und er von seinem Recht keinen Gebrauch gemacht hat (5 Ob 52/21i mwN; RIS‑Justiz RS0021839). Im Vorkaufsfall ist für die Bewilligung der Einverleibung des Eigentums also der urkundliche Nachweis der Zustimmung der Vorkaufsberechtigten oder der Nichtannahme eines gehörigen Einlösungsangebots erforderlich (5 Ob 17/15h mwN; RS0020157).
[10] Liegt kein Vorkaufsfall vor, bleibt das verbücherte Vorkaufsrecht bestehen, haftet weiterhin auf der belasteten Liegenschaft und kommt erst zum Tragen, wenn der Erwerber seinerseits die Liegenschaft veräußern will (6 Ob 179/18v; 5 Ob 17/15h mwN; RS0014294).
[11] Bleiben Zweifel, ob der Vorkaufsfall eingetreten ist, wirkt das verbücherte Vorkaufsrecht wie ein vom Grundbuchsgericht von Amts wegen zu beachtendes Veräußerungsverbot, das ohne zureichenden urkundlichen Nachweis der Zustimmung des Vorkaufsberechtigten oder der Nichtannahme eines gehörigen Einlösungsangebots der Einverleibung eines Eigentumsübergangs entgegen steht, weil derartige Zweifelsfragen nicht im Grundbuchsverfahren gelöst werden können (RS0020201).
[12] 2. Ist eine Sache mit einem (reinen) Vorkaufsrecht iSd § 1072 ABGB belastet, dann bildet nur der Abschluss eines Kaufvertrags den Vorkaufsfall. Die Ausdehnung des Vorkaufsrechts auf „andere Veräußerungsarten“ im Sinn des § 1078 ABGB bedarf einer besonderen Vereinbarung (RS0109624).
[13] Liegt eine Vereinbarung vor, nach welcher sich das Vorkaufsrecht auch auf „andere Veräußerungsarten“ erstrecken soll („erweitertes Vorkaufsrecht“), dann kommt es auf die Vereinbarung an, ob die Anbotsverpflichtung bei jeder Veräußerung oder nur bei bestimmten Veräußerungsarten besteht. Wird ein Vorkaufsrecht pauschal und ohne Einschränkung für alle Veräußerungsarten vereinbart, kann es grundsätzlich ausgeübt werden, sofern nur irgendein Veräußerungsfall vorliegt (5 Ob 17/15h mwN).
[14] Andere Veräußerungsarten im Sinn des § 1078 ABGB sind alle Geschäfte, die das endgültige Ausscheiden einer Sache aus dem Vermögen einer Person und ihre Übertragung auf eine andere bezwecken oder bewirken (RS0107637). Der vorliegende Schenkungsvertrag zwischen nahen Angehörigen bildet demnach eine „andere Veräußerungsart“ im Sinn des § 1078 ABGB und ist grundsätzlich ein möglicher Vorkaufsfall (5 Ob 17/15h; RS0020199 [T1]; zur Problematik des Einlösungspreises siehe RS0020204).
[15] 3. Nach § 5 GBG ist, wenn die Eintragung eines bücherlichen Rechts in einer Kurzfassung nicht möglich ist, eine Berufung auf genau bezeichnete Stellen der der Eintragung zugrunde liegenden Vertragsurkunde mit der Wirkung zulässig, dass die bezogenen Stellen als im Hauptbuch eingetragen anzusehen sind (RS0060233 [T2]).
[16] Eine solche ausdrückliche Bezugnahme macht nicht etwa den gesamten Vertragsinhalt, sondern lediglich die bezeichnete Stelle zum Inhalt der Eintragung im Hauptbuch (RS0060233 [T2]). In Ermangelung einer genauen Bezeichnung des betreffenden Vertragspunkts ist nur die Eintragung im Hauptbuch maßgeblich (6 Ob 43/21y; RS0060231; Rassi in Kodek Grundbuchsrecht2 § 5 GBG Rz 7).
[17] 4. Die hier zu beurteilende Eintragung des Vorkaufsrechts enthält keine Berufung auf die ihr zugrunde liegende Vertragsurkunde oder einen sonstigen Rechtsgrund. Der damit allein maßgebliche Wortlaut („Vorkaufsrecht“) deutet eine Erweiterungsvereinbarung nicht einmal an. Grundbuchsperrende Wirkung gegenüber einer anderen Veräußerungsart entfaltet das verbücherte Vorkaufsrecht aber nur, wenn die Erweiterungsabrede im Hauptbuch eingetragen ist oder das Hauptbuch diesbezüglich zumindest auf die Urkundensammlung verweist (6 Ob 179/18v; 5 Ob 195/99h; 5 Ob 4/76).
[18] Damit ist eine Ausdehnung des Vorkaufsrechts auf „andere Veräußerungsarten“ im Sinn des § 1078 ABGB zweifelsfrei nicht im Hauptbuch eingetragen. Mangels Eintragung einer Erweiterungsabrede bildet ausschließlich der Verkauf den Vorkaufsfall; bei der vorliegenden Schenkung kann das Vorkaufsrecht daher nicht ausgeübt werden (RS0020203). Damit bedarf es weder des Nachweises eines Anbots gegenüber der Vorkaufsberechtigten noch deren Zustimmung.
[19] 5. Die von den Vorinstanzen bejahten Eintragungshindernisse liegen nicht vor; andere sind nicht zu erkennen (zur Zulässigkeit der Anmerkung des Besitznachfolgerechts siehe 5 Ob 148/19d).
[20] Die Beschlüsse der Vorinstanzen waren daher im Sinn der Bewilligung des Antrags abzuändern.
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