European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00007.17H.0221.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Der 29 Jahre alte Antragsteller ist geistig schwer behindert und lebt „in sogenannter Drittpflege“ in einem Heim; es wurde ein Behinderungsgrad von 100 % mit Dauerzustand attestiert, er ist nicht arbeitsfähig und weist keine versicherungspflichtigen Jahre auf. Für ihn ist ein Sachwalter für alle Angelegenheiten bestellt. Er bezieht „derzeit lediglich die erhöhte Familienbeihilfe“ von monatlich 373,30 EUR, das Pflegetaschengeld von monatlich 44,30 EUR ist „aktuell ruhend gestellt“. Gegenüber seiner Mutter hat er einen monatlichen Unterhaltsanspruch von 226 EUR. Er begehrt von seinem Vater, dem Antragsgegner, Unterhalt.
Der Antragsgegner bezieht aus einer Teilzeitbeschäftigung ein monatliches Nettoeinkommen von monatlich 1.108 EUR; er ist weiters für eine acht Jahre alte Tochter sorgepflichtig, die an einer „Beeinträchtigung von 50 %“ leidet.
Der durch seinen Sachwalter vertretene Antragsteller begehrte am 30. 11. 2015, den Antragsgegner zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts zu verpflichten; nach dessen eigenen Angaben errechne sich ein Anspruch von 182 EUR, aufgrund seiner angespannten finanziellen Situation würden aber nur 100 EUR geltend gemacht. Der Antragsteller habe als Einkommen lediglich das Pflegetaschengeld in Höhe von 44,30 EUR, welches „derzeit aufgrund des Überbezuges ruhend gestellt“ sei; erhöhte Familienbeihilfe beziehe der Antragsteller selbst, der aufgrund seiner hochgradigen psychomentalen Retardierung dauerhaft nicht selbsterhaltungsfähig sei.
Der Antragsgegner wandte ein, er sei alleinerziehend, habe nach mehrjähriger Arbeitslosigkeit erst seit kurzem einen Teilzeitjob und verdiene gerade so viel, dass er keinen Anspruch auf Mindestsicherung habe. Sein Einkommen von 950 EUR im Monat sei andererseits so niedrig, dass es zur Gänze unpfändbar sei; er habe den Exekutor im Haus. Er habe keine Ersparnisse.
Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner zur Zahlung eines Unterhalts von 100 EUR pro Monat ab 1. 1. 2016. Es sei von einem Einkommen von 1.108 EUR (einschließlich Sonderzahlungen) auszugehen. Der prozentuelle Anspruch des Antragstellers betrage 22 % des Einkommens des Unterhaltsschuldners, wobei im Falle des Antragsgegners 3 % für die unter einer „Beeinträchtigung von 50 %“ leidende Tochter abzuziehen seien. Bei Eigen- bzw Drittpflege eines Kindes seien die Unterhaltsquoten aber nicht nach jenen Prozentsätzen zu bestimmen, die angemessen wären, wenn der andere Elternteil seinen Betrag durch die Betreuung des Kindes leisten würde, sondern derart, dass alle Beteiligten in etwa gleichem Maß in der Lage sein sollten, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Hier seien beide Elternteile nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit und ihrer Lebensverhältnisse zur Zahlung von Geldunterhalt verpflichtet. Der Ausgleichszulagenrichtsatz von 977 EUR repräsentiere den Gesamtbedarf des Antragstellers; unter Abzug seines Eigeneinkommens von 373,30 EUR verbleibe ein ungedeckter Bedarf von 603,70 EUR, für den beide Elternteile im Verhältnis ihrer Leistungsfähigkeit aufzukommen hätten. Die Mutter leiste 226 EUR. Dem Antragsgegner habe von seinem Einkommen ein Betrag von 772 EUR pro Monat zu verbleiben, der zur Erhaltung seiner Körperkräfte und seiner geistigen Persönlichkeit unbedingt notwendig sei; unter Berücksichtigung dieser absoluten Belastbarkeitsgrenze sowie seines Einkommens entsprächen 100 EUR seinen wirtschaftlichen Verhältnissen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Unterhaltspflichtige dürfe nicht so weit belastet werden, dass er in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet wäre; ihm habe ein Betrag zu verbleiben, der zur Erhaltung seiner Körperkräfte und seiner geistigen Persönlichkeit notwendig sei. Als Richtsatz für diese Belastungsgrenze orientiere sich die Rechtsprechung am Unterhaltsexistenzminimum des § 291b EO, das bei Bedarf in den Grenzen des § 292b EO noch unterschritten werden dürfe. Dem Antragsgegner verbleibe hier ohnehin mehr als diese Untergrenze. Der erstmals im Rekurs erhobene Einwand des Antragsgegners, seine Vaterschaft zum Antragsteller sei „auch öffentlich in Frage zu stellen“, sei eine unzulässige Neuerung; zudem sei eine selbstständige Beurteilung der Vaterschaft als Vorfrage im Unterhaltsverfahren ausgeschlossen.
Das Rekursgericht sprach nachträglich aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil ungeprüft und mit dem – in erster und zweiter Instanz noch unvertretenen – Antragsgegner unerörtert geblieben sei, ob der in einem Heim lebende Antragsteller Sozialleistungen beziehe, womit Anhaltspunkte für eine weitere Aufklärung im Hinblick auf eine Doppelversorgung vorlägen.
Mit seinem Revisionsrekurs wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung beantragt der Antragsgegner die Abänderung im Sinne der Abweisung des Unterhaltsantrags.
Eine Revisionsrekursbeantwortung wurde nicht erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zur Klärung der Rechtslage zulässig; er ist – im Sinne des im Abänderungsantrag hier enthaltenen Aufhebungsantrags (RIS‑Justiz RS0041774) – auch berechtigt.
Der Revisionsrekurswerber führt zusammengefasst ins Treffen, das Verfahren sei mangelhaft geblieben, weil sich die Vorinstanzen nicht mit der Frage auseinandergesetzt hätten, ob der Antragsteller im Heim, in dem er unstrittig untergebracht sei, eine „Vollverpflegung“ erfahre, die durch öffentlich-rechtliche Leistungen nach dem sbg Behindertengesetz 1981 gewährleistet werde. Diese offenkundige Tatsache hätte im Hinblick auf den im Außerstreitverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatz berücksichtigt werden müssen.
Den Antragsteller treffe im Verhältnis zum Antragsgegner in der Regel die Obliegenheit, öffentlich-rechtliche Leistungen zu beantragen und in Anspruch zu nehmen, widrigenfalls er (in Anwendung des Anspannungsgrundsatzes) so zu behandeln sei, als würde er die ihm zustehenden und ohne Weiteres verfügbaren Leistungen beziehen. Ob der Unterhaltsberechtigte einen Anspruch auf Doppelversorgung habe, sei nach dem Gesetzeszweck zu beurteilen. Anhaltspunkte für die Absicht des Gesetzgebers böten die gesetzlichen Regelungen über den Rechtsübergang der Unterhaltsansprüche und über die Kostenbeitragspflicht von Unterhaltsverpflichteten. Eine solche Doppelversorgung werde im Ergebnis ausgeschlossen, wenn Sozialhilfegesetze eine (aufgeschobene) Legalzession der bestehenden gesetzlichen Unterhaltsansprüche anordnen würden. Sehe das jeweilige Sozialhilfegesetz weder eine den Sozialhilfeempfänger treffende Rückzahlungsverpflichtung noch eine (aufgeschobene) Legalzession des Unterhaltsanspruchs vor, könne also die einmal gewährte Sozialhilfe nicht (mehr) zurückgefordert werden, sei sie als anrechenbares Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten anzusehen. § 16 sbg BehindertenG verweise hinsichtlich der Tragung der Kosten der Behindertenhilfe auf §§ 40 f sbg Sozialhilfegesetz, wonach die Kosten der Sozialhilfe vom Land und von den Gemeinden zu tragen seien. § 17 sbg BehindertenG sehe lediglich Kostenbeiträge des Leistungsempfängers sowie der für ihn gesetzlich unterhaltspflichtigen Personen vor. Darüber hinaus bestimme § 17 Abs 3 sbg BehindertenG, dass bei Hilfe zur sozialen Betreuung gemäß § 10a sbg BehindertenG der Kostenersatz für Eltern gegenüber volljährigen Kindern entfalle. Schließlich entfalle auch gemäß § 44 Abs 2 sbg Sozialhilfegesetz ein allfälliger Kostenersatz im Rahmen der Sozialhilfe für Eltern gegenüber großjährigen Kindern. Insgesamt wirkten daher die öffentlich-rechtlichen Leistungen unterhaltsentlastend. Im Ergebnis schulde der Antragsgegner daher keinen Unterhalt.
Der Senat hat dazu erwogen:
1.1. Lebt ein Kind nicht im Haushalt der Eltern, weil es sich zur Gänze in Drittpflege befindet, sind nach der Grundregel des § 231 Abs 1 ABGB beide Elternteile nach ihrer Leistungsfähigkeit geldunterhaltspflichtig (RIS-Justiz RS0047403 [T8]). Die Unterhaltsbemessung ist gemäß § 231 Abs 1 ABGB anteilig vorzunehmen. „Anteilig“ bedeutet, dass jeder Elternteil unter Berücksichtigung seiner eigenen Leistungsfähigkeit zum Unterhalt des Kindes beizutragen hat (RIS-Justiz RS0047415). Dabei kann die Unterhaltsbemessung nicht isoliert für einen Elternteil erfolgen, sondern es sind das Einkommen und die Leistungsfähigkeit beider Elternteile zu überprüfen. Die Methode, den Unterhalt nach Prozentsätzen zu bestimmen (die angemessen wäre, wenn der andere Elternteil seinen Beitrag durch die Betreuung des Kindes leistet), würde dem Grundsatz der anteiligen Tragung des Unterhalts nicht gerecht. Die Gesamtbeurteilung muss vielmehr so erfolgen, dass die Eltern in etwa in gleichem Maß in die Lage versetzt werden, die Bedürfnisse der Kinder zu befriedigen. Bei unterschiedlicher Leistungsfähigkeit ist von den Unterhaltsbemessungsgrundlagen jeweils der Betrag abzuziehen, der für den eigenen Unterhalt der Eltern erforderlich ist. Sodann sind die für den Unterhalt des Kindes erforderlichen Beträge im Verhältnis der Restsummen aufzuteilen (1 Ob 24/14g; 5 Ob 106/10i; RIS-Justiz RS0047403).
1.2. Der Anspruch auf Unterhalt mindert sich insoweit, als das Kind eigene Einkünfte hat oder unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse selbsterhaltungsfähig ist (§ 231 Abs 3 ABGB). Eigeneinkommen des Kindes vermindert seinen gesamten Unterhaltsanspruch und kommt daher allen Unterhaltspflichtigen zugute (vgl RIS-Justiz RS0047440).
Zum Eigeneinkommen zählen sowohl Erwerbseinkommen als auch arbeitslose Einkommen und die Alterspension oder Berufsunfähigkeitspension; es ist darunter grundsätzlich alles zu verstehen, was dem Unterhaltsberechtigten, sei es als Naturalleistung oder in Geldleistungen welcher Art immer aufgrund eines Anspruchs zukommt, sofern gesetzliche Bestimmungen die Anrechenbarkeit bestimmter Einkünfte auf den Unterhalt nicht ausschließen (RIS-Justiz RS0009550).
Bezieht ein in Drittpflege befindliches Kind eigene Einkünfte, dürfen diese nicht zu einer einseitigen Entlastung eines Elternteils führen. Gleichzeitig dürfen eigene Einkünfte aber auch nicht dazu führen, dass für den Unterhaltsberechtigten die durch mangelnde Leistungsfähigkeit des (der) Unterhaltspflichtigen bewirkte eingeschränkte Bedürfnisbefriedigung nur deswegen beibehalten wird, um die geldunterhaltspflichtigen Elternteile zu entlasten (5 Ob 513/91). Wie dieses Ergebnis zu erzielen bzw der nicht gedeckte „Restunterhaltsbedarf“ zu ermitteln und auf die Elternteile anteilig aufzuteilen ist, bleibt der jeweiligen Entscheidung im Einzelfall vorbehalten, weil eine Unterhaltsbemessung immer die konkreten Umstände zu berücksichtigen hat (10 Ob 17/13t).
Im Falle der Drittpflege kann sich die Berücksichtigung des Eigeneinkommens nicht an der „Richtwertformel“ orientieren, nach welcher bei einfachen Lebensverhältnissen (bei denen der Regelbedarf höher ist als der nach der Prozentsatzmethode ermittelte Unterhaltsanspruch) das Eigeneinkommen des Minderjährigen auf die Leistungen des Geldunterhaltspflichtigen und des betreuenden Elternteils im Verhältnis zwischen dem Durchschnittsbedarf der Altersgruppe, der der Minderjährige angehört, und dessen Differenz zur Mindestpensionshöhe anzurechnen ist (RIS-Justiz RS0047565 [insb T2]). Diese Berechnungsmethode wurde von der Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0047514) für den Fall erarbeitet, dass nur ein Elternteil geldunterhaltspflichtig ist, weil der andere Elternteil seinen Anteil durch Betreuungsleistungen erbringt und das unterhaltspflichtige Kind ein Eigeneinkommen erzielt, ohne dabei die Selbsterhaltungsfähigkeit erlangt zu haben. Diese Methode kann aber dort keine Anwendung finden, wo infolge Drittpflege beide Eltern geldunterhaltspflichtig sind und daher die Ausnahme des § 231 Abs 2 ABGB nicht Platz greift (10 Ob 17/13t; RIS‑Justiz RS0047403 [T7]).
Bei Beurteilung einfacher Lebensverhältnisse kann nach der Rechtsprechung der Ausgleichszulagenrichtsatz nach § 293 Abs 1 lit a/bb und lit b ASVG als tauglicher Anhaltspunkt bzw Orientierungshilfe für die Annahme eines durchschnittlichen Bedarfs herangezogen (RIS-Justiz RS0047514 [T2, T4, T5]; RS0047645) und die Differenz zwischen Eigenverdienst und Richtsatz verhältnismäßig auf die unterhaltspflichtigen Eltern aufgeteilt werden (6 Ob 238/98p); als vertretbar erachtet wurde auch, dass der Gesamtunterhaltsbedarf mit dem doppelten Regelbedarf ausgemessen und auf dieser Basis nach Abzug des Eigeneinkommens der von den Eltern anteilig zu deckende Restunterhaltsbedarf ermittelt wird (9 Ob 222/02s mwN).
Jedenfalls bedarf es bei der Entscheidung, wie die Eigeneinkünfte eines Kindes bei der Bemessung seiner Unterhaltsansprüche zu veranschlagen sind, regelmäßig einer sorgfältigen Erhebung seiner eigenen Lebensverhältnisse und der seiner Eltern (10 Ob 17/13t mwN).
1.3. Die Familienbeihilfe soll die Pflege und Erziehung des Kindes als Zuschuss erleichtern sowie die mit dessen Betreuung verbundenen Mehrbelastungen – zumindest zum Teil – ausgleichen. Sie ist als Sozialbeihilfe des öffentlichen Rechts eine besondere Form der Drittzuwendung. Der Staat verfolgt mit ihr einen doppelten Zweck: Den Mindestunterhalt des Kindes zu gewährleisten und gleichzeitig die Eltern von ihrer Unterhaltspflicht zu entlasten (RIS-Justiz RS0058747). Die vom Gesetzgeber vorgesehene Entlastung des Unterhaltspflichtigen erfolgt nach der ständigen Rechtsprechung durch die Kürzung des Geldunterhalts um jenen Teil der Familienbeihilfe, der zur steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bestimmt ist (4 Ob 215/09k); dies gilt auch für die erhöhte Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder (8 Ob 50/10a).
Dementsprechend gelten Transferleistungen (Unterhaltsabsetzbetrag, Kinderabsetzbetrag und Familienbeihilfe) nicht als Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten, sondern sind im Rahmen der steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen zu berücksichtigen (zur Berechnung im Einzelnen: RIS-Justiz RS0117023; RS0117082; RS0117084; RS0117015; RS0117016; vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht³ [2015] Rz 731 ff [insb Rz 756 ff]).
1.4. Soweit Unterhaltsbedürfnisse einer Person infolge einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung von einem Dritten gedeckt werden, bestehen keine Unterhaltsansprüche gegen einen nach Privatrecht Unterhaltspflichtigen, weil kein Anspruch auf Doppelversorgung besteht. Ob der Unterhaltsberechtigte einen Anspruch auf Doppelversorgung hat, ist nach dem Gesetzeszweck zu beurteilen; Anhaltspunkte für die Absicht des Gesetzgebers bieten die gesetzlichen Regelungen über den Rechtsübergang der Unterhaltsansprüche und über die Kostenbeitragspflicht des Unterhaltsverpflichteten (6 Ob 257/01i; 7 Ob 225/04w mwN). Demnach werden Sozialleistungen, die nicht dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwands für einen Sonderbedarf dienen oder nach gesetzlichen Bestimmungen auf den Unterhalt nicht anrechenbar sind, als Einkommen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen. Anderes gilt dagegen für Sozialleistungen zur Deckung des Mehraufwands für einen bestimmten – den Regelbedarf übersteigenden – Sonderbedarf, der dem Unterhaltsberechtigten infolge Berücksichtigung der bei der Ermittlung des Regelbedarfs bewusst außer Acht gelassenen Umständen erwächst (RIS‑Justiz RS0047564; RS0107180; RS0047531; zum Pflegegeld: RIS-Justiz RS0013477; RS0013251; vgl auch RS0009552); jedoch findet auch hier ein Ausschluss eines erhöhten Unterhaltsanspruchs gegenüber dem Unterhaltspflichtigen statt (RIS-Justiz RS0080395; RS0047456). Erbringt der Sozialhilfeträger dem Unterhaltsberechtigten Leistungen, die Bedürfnisse decken, die durch den Unterhalt zu decken wären, so kann der Unterhaltsberechtigte im Umfange dieser Leistungen seinen Unterhaltsanspruch nicht geltend machen (RIS-Justiz RS0009583).
1.5. Der Grundsatz, dass eine Person, deren Unterhaltsbedürfnisse aufgrund einer öffentlichen Verpflichtung zur Gänze von einem Dritten gedeckt werden, schon deswegen keine Unterhaltsansprüche gegen einen zivilrechtlich Unterhaltspflichtigen stellen kann, weil ihr kein Anspruch auf Doppelversorgung zusteht, kann aber dort nicht angewendet werden, wo der Gesetzgeber durch Anordnung aufgeschobener (also erst mit Verständigung des Unterhaltsverpflichteten durch den Sozialhilfeträger bewirkter) Legalzession ausdrücklich das Weiterbestehen des Anspruchs des Unterhaltsberechtigten vorausgesetzt hat (RIS‑Justiz RS0063121). Nur wenn das jeweilige Sozialhilfegesetz keine den Sozialhilfeempfänger betreffende Rückzahlungsverpflichtung oder keine (aufgeschobene) Legalzession des Unterhaltsanspruchs vorsieht, also die einmal gewährte Sozialhilfe nicht (mehr) zurückgefordert werden kann, ist sie als anrechenbares Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten anzusehen (4 Ob 29/14i mwN = RIS‑Justiz RS0129380; RS0118565 [insb T2]; RS0047347 [T3]). In den übrigen Fällen bleibt der volle Unterhaltsanspruch bestehen (1 Ob 29/16w).
2. Das vom Antragsgegner herangezogene Salzburger Behindertengesetz 1981, LGBl 1981/93 (in der Folge: sbg BehindertenG, gemäß dessen § 4a Abs 2 Leistungen nach diesem Gesetz als lex specialis solchen nach dem Salzburger Sozialhilfegesetz – S.SHG, LGBl 1975/19, vorgehen; vgl ErläutRV 362 Blg sbgLT 15. GP 15), sieht in seinem § 17 Abs 1 vor, dass Menschen mit Behinderungen sowie die für sie gesetzlich unterhaltspflichtigen Personen entsprechend ihrer finanziellen Leistungskraft im Rahmen ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht zu den Kosten der Wiedereingliederungshilfe (§§ 6 bis 11 sbg BehindertenG) beizutragen haben; von einem Kostenbeitrag kann insoweit abgesehen werden, als dadurch der Erfolg der Hilfeleistung gefährdet oder ihrer Zielsetzung widersprochen würde. Menschen mit Behinderungen haben nach § 17 Abs 2 leg cit aus ihrem Einkommen zu den Kosten der ihnen gewährten Wiedereingliederungshilfe (§§ 6 bis 11 sbg BehindertenG) beizutragen. § 17 Abs 3 sbg BehindertenG schließt bei der Hilfe zur sozialen Betreuung nach § 10a sbg BehindertenG den Kostenersatz unter anderem für Eltern gegenüber volljährigen Kindern aus. § 17 Abs 5 sbg BehindertenG ordnet an, dass für diese Kostenbeiträge und den Ersatz der Kosten der Eingliederungshilfe durch Dritte, soweit nicht anderes bestimmt ist, die Bestimmungen des 9. Abschnitts (§§ 42 ff) des S.SHG, gelten.
§ 44 Abs 1 S.SHG sieht zwar eine aufgeschobene Legalzession vor und lässt Ersatzansprüche nach § 1042 ABGB unberührt. § 44 Abs 2 S.SHG schließt den Kostenersatz unter anderem für Eltern gegenüber volljährigen Kindern aber ebenfalls aus (ebenso wie § 31 Abs 3 Salzburger Mindestsicherungsgesetz, LGBl 2010/63, in der Folge: sbg MSG). Die Geltendmachung der Ersatzansprüche gegenüber unterhaltspflichtigen Personen darf generell die wirtschaftliche Existenz der Ersatzpflichtigen und den Unterhalt deren Angehörigen sowie Lebensgefährten nicht gefährden. § 43 Abs 1 S.SHG ordnet an, dass der Leistungsempfänger selbst zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet ist, wenn er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt. Der Ersatz darf insoweit nicht verlangt werden, als dadurch der Erfolg der Hilfeleistung gefährdet würde; generell ausgeschlossen ist dieser Ersatz bei Vorliegen hier nicht in Betracht kommender Umstände (§ 43 Abs 1 und 2 S.SHG). § 45 S.SHG beschränkt die Geltendmachung von Ersatzansprüchen in zeitlicher Hinsicht noch weiter.
Auf Personen, die in stationären Einrichtungen untergebracht sind, findet das sbg MSG gemäß seinem § 1 Abs 3 keine Anwendung, was nach den Materialien auch für Heime für Menschen mit Behinderung gilt (ErläutRV 687 Blg sbgLT 14. GP 37).
Im sbg BehindertenG sowie im S.SHG finden sich somit in Ansehung von Eltern großjähriger Leistungsempfänger weder eine (aufgeschobene) Zession noch eine sanktionsbewehrte Verfolgungs- oder Abtretungspflicht, welche einer aufgeschobenen Zession gleichzuhalten wäre (vgl 4 Ob 29/14i). Die Zusammenschau der zitierten landesgesetzlichen Bestimmungen führt vielmehr zum Ergebnis, dass die öffentlich-rechtlichen Leistungen nach dem sbg BehindertenG unterhaltsentlastend wirken, weil mit ihnen nicht beabsichtigt ist, dem Unterhaltsberechtigten einen Anspruch auf Doppelversorgung zu verschaffen. Für die Annahme einer solchen Überversorgung zu Lasten der Unterhaltsverpflichteten, auf deren Leistungsfähigkeit der Landesgesetzgeber mit seinen Kostenbeitragsregelungen durchaus Bedacht nimmt, fehlt hier ebenso jeder Anhaltspunkt wie zu den oberösterreichischen (6 Ob 257/01i = RIS-Justiz RS0115888) und steiermärkischen (7 Ob 225/04w) Behindertengesetzen. Es ist daher auch für das sbg BehindertenG festzuhalten, dass Leistungen nach diesem Gesetz als anrechenbares Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten anzusehen wären und insbesondere mit Unterbringung und Vollversorgung eines unterhaltsberechtigten großjährigen Antragstellers eine volle Deckung seiner Bedürfnisse erfolgt, die insoweit einen Unterhaltsanspruch ausschließt.
3. Nach den unpräzisen und nicht hinreichenden Feststellungen der Vorinstanzen befindet sich der Antragsteller einerseits „in sogenannter Drittpflege“ in einem Heim und bezieht andererseits „lediglich“ Familienbeihilfe.
3.1. Nicht erörtert oder festgestellt wurde, wer auf welcher Rechtsgrundlage die Kosten dieser Unterbringung sowie des sonstigen Lebensunterhalts des Antragstellers in welcher Höhe trägt. Es kann daher derzeit noch nicht beurteilt werden, ob die dem großjährigen Antragsteller zukommenden Leistungen solche sind, die im Lichte der oben dargestellten Rechtslage als Eigeneinkommen anzusehen sind.
3.2. Nicht geklärt ist im vorliegenden Fall weiters, was es (im Lichte etwa des § 10a Abs 2 iVm § 10 Abs 3 sbg BehindertenG) mit der „Ruhendstellung“ des Taschengeldes oder einem diesbezüglichen „Überbezug“ auf sich hat.
3.3. Schließlich wurden die tatsächlichen Voraussetzungen für die vom Gesetzgeber vorgesehene anteilige Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen durch die Familienbeihilfe nicht erörtert oder festgestellt.
3.4. Ohne Klärung dieser Umstände und Aufklärung dieser Widersprüche ist es aber nicht möglich, die Berechtigung des vom Antragsteller begehrten Unterhaltsbetrag zu beurteilen. Widersprüchliche Feststellungen, die eine abschließende rechtliche Beurteilung nicht ermöglichen, sind Feststellungsmängel, deren Vermeidung zur Wahrung der Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042744). Sekundäre Feststellungsmängel können im Rahmen der Rechtsrüge aufgegriffen werden (RIS-Justiz RS0099349 und RS0043304); sie wären schon vom Rekursgericht angesichts der gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge von Amts wegen wahrzunehmen gewesen (RIS-Justiz RS0114379).
4. Das Erstgericht wird die dargestellte Rechtslage mit den Parteien zu erörtern und sie zur Erstattung geeigneten Vorbringens zur Aufklärung der aufgezeigten Unklarheiten anzuleiten haben.
5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 78 Abs 1 iVm § 101 Abs 2 AußStrG.
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