OGH 4Ob64/19v

OGH4Ob64/19v25.4.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Priv.‑Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichische Apothekerkammer, *****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei Shop‑Apotheke B.V., *****, Niederlande, vertreten durch Polak & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 40.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. Februar 2019, GZ 129 R 11/19i‑15, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00064.19V.0425.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist als Körperschaft öffentlichen Rechts zur Vertretung der Apothekerschaft eingerichtet und hat deren wirtschaftliche Interessen wahrzunehmen und zu fördern. Die Beklagte, eine Gesellschaft mit Sitz in den Niederlanden, betreibt unter der Domain „shop‑apotheke.at“ einen Online‑Shop für rezeptfreie Arzneimittel und verwendet dabei folgendes Zeichen:

Im oberen Bereich der Startseite befindet sich ein rotes „Banner“ mit Hinweisen auf die Gutschein‑Codes „servus10“ und „servus“. Zudem enthält die Startseite Hinweise auf eine sichere Lieferung durch die österreichische Post, auf den Verkauf von Originalprodukten aus Österreich und Deutschland und auf die kostenlose Hotline mit der internationalen „Freephone“-Telefonnummer 0800‑100 383. Im unteren Bereich der Startseite befindet sich das Sicherheitslogo für Versandapotheken der Europäischen Union nach der Richtlinie 2011/62/EU (zuvor Richtlinie 2001/83/EG ), das die niederländische Flagge beinhaltet. Die Angaben in diesem Logo sind in niederländischer Sprache gehalten. Der weiterführende Link führt auf eine niederländische Internetseite, die in niederländischer Sprache darauf hinweist, dass die Beklagte einen Online‑Handel für Arzneimittel betreibt. Im Rahmen des Bestellvorgangs wird der Nutzer durch einen in grau gehaltenen Hinweis darauf aufmerksam gemacht, dass sich der Sitz der Beklagten in den Niederlanden befindet.

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen, vor allem auf § 2 Abs 1 Z 6 UWG gestützten Unterlassungsanspruchs beantragte die Klägerin, der Beklagten mittels einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr insbesondere durch die Gestaltung der von ihr betriebenen Website www.shop‑apotheke.at den Eindruck zu erwecken, die von ihr betriebene Versandapotheke habe ihren Sitz in Österreich.

Die Vorinstanzen wiesen den Sicherungsantrag ab. Die Gestaltung des Zeichens der Beklagten suggeriere keine Apotheke mit Sitz in Österreich. Dies gelte auch im Zusammenhang mit dem verwendeten Slogan und den anderen Gestaltungselementen der Startseite. Zudem sei das Sicherheitslogo für EU‑Versandapotheken ungeachtet seiner exakten Größe in die Gesamtbetrachtung miteinzubeziehen. Insgesamt werde beim Durchschnittsverbraucher nicht der Eindruck erweckt, es handle sich bei der Beklagten um eine Apotheke mit Sitz in Österreich.

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs vertritt die Klägerin die Ansicht, dass das von der Beklagten verwendete Sicherheitslogo den Vorgaben der Durchführungs-VO 699/2014/EU der Europäischen Kommission im Hinblick auf die Mindestbreite von 90 Pixeln nicht entspreche, dies einen Verstoß gegen die Informationspflichten nach § 2 Abs 5 UWG begründe und darin per se eine irreführende Geschäftspraktik zu erblicken sei. Zudem werde durch die Gestaltung der Startseite der Eindruck erweckt, dass es sich bei der Beklagten um eine Apotheke mit Sitz in Österreich handle.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1. Im Anlassfall ist strittig, welche Bedeutung dem Sicherheitslogo für EU‑Versandapotheken für die lauterkeitsrechtliche Beurteilung zukommt. Die Vorinstanzen vertreten dazu die Ansicht, dass das Sicherheitslogo bei der Beurteilung des Gesamteindrucks zu berücksichtigen sei.

2.1 Nach Art 85c Abs 3 der RL 2011/62/EU über einen Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel (zuvor RL 2001/83/EG ) wurde für den Fernabsatz von Arzneimitteln ein EU‑weites Logo geschaffen, anhand dessen der Niederlassungsstaat des Arzneimittelanbieters festgestellt werden kann. Die nähere Ausgestaltung dieses Logos wurde der Europäischen Kommission übertragen, die dazu die Durchführungsverordnung 699/2014/EU erlassen hat. Danach muss das Sicherheitslogo folgendem Muster entsprechen und eine Breite von mindestens 90 Pixeln aufweisen:

2.2 In lauterkeitsrechtlicher Hinsicht ist das Sicherheitslogo für EU‑Versandapotheken als besondere sekundärrechtliche Informationsanforderung für den Online‑Versandhandel von Arzneimitteln (zum Online-Versandhandel siehe 4 Ob 138/18z) zu qualifizieren.

Nach § 2 Abs 4 Z 1 UWG (Art 7 Abs 1 RL‑UGP) gilt eine Geschäftspraktik dann als irreführend, wenn sie unter Berücksichtigung der Beschränkungen des Kommunikationsmediums wesentliche Informationen vorenthält, die der Marktteilnehmer benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und die somit geeignet ist, einen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Nach § 2 Abs 5 UWG (Art 7 Abs 5 RL‑UGP) gelten jedenfalls die im Unionsrecht festgelegten Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing als wesentliche Informationen (4 Ob 107/15m). Dabei kann es keinen Unterschied machen, in welchem (rechtmäßig zustande gekommenen) Unionsrechtsakt die jeweilige Informationsanforderung normiert ist.

2.3 Für den Anlassfall folgt daraus, dass es bei einem Vorenthalten des Sicherheitslogos an einer wesentlichen Information im Sinn des § 2 Abs 4 UWG fehlt und in einem solchen Fall eine gesonderte Prüfung der Irreführungseignung (Wesentlichkeit) der unterbliebenen Information zu entfallen hat (4 Ob 211/13b; 4 Ob 4/16s). Der Wortlaut der genannten Bestimmung spricht eindeutig dafür, dass auch die Spürbarkeit (Relevanz) nicht mehr gesondert zu prüfen ist (RIS‑Justiz RS0078202; RS0078296).

3.1 Im Anlassfall kommt es somit darauf an, ob die Beklagte den Verbrauchern die unionsrechtlich vorgeschriebene Information durch eine (behauptetermaßen) gegen die Durchführungs‑VO der Europäischen Kommission (Tertiärrecht) verstoßende Gestaltung des Sicherheitslogos (zu geringe Mindestbreite) vorenthalten hat.

3.2 Zur Frage, ob eine unionsrechtliche Informationsanforderung „vorenthalten“ wurde, enthält § 2 Abs 5 UWG im Einklang mit der RL‑UGP (vgl dazu EuGH C‑632/16 , Dyson) keine Rechtsvermutung.

Daraus folgt, dass das deutlich sichtbare und zur Ermittlung des Niederlassungsstaats des Arzneimittelanbieters dienende Sicherheitslogo, auch wenn es den unionsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Mindestbreite nicht entsprechen sollte, in die Gesamtbetrachtung miteinzubeziehen ist.

4. Das Rekursgericht ist von dieser Rechtslage ausgegangen. Das von ihm erzielte Ergebnis, dass die exakte Größe des sichtbaren Sicherheitslogos für EU‑Versandapotheken an der maßgebenden Gesamtbetrachtung (vgl RS0078352 [T24]; RS0078470 [T39]) nichts ändere, das Sicherheitslogo einen entscheidenden Unterschied zum Vergleichsfall 4 Ob 29/13p begründe und im Anlassfall beim Durchschnittsverbraucher nicht der Eindruck erweckt werde, die Beklagte sei eine Apotheke mit Sitz in Österreich, orientiert sich an den konkreten Umständen des Einzelfalls (vgl RS0107771; RS0053112) und begründet keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.

5. Insgesamt gelingt es der Klägerin mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen. Da der Beklagten eine Revisionsrekursbeantwortung nicht freigestellt wurde, dient die dennoch eingebrachte Rechtsmittelbeantwortung nicht der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung (§ 508a Abs 2 Satz 2 ZPO).

Die Anregung der Klägerin auf Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH war nicht aufzugreifen, weil sich eine ungeklärte unionsrechtliche Frage, die für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung wäre, nicht stellt. Dem geltend gemachten sekundären Feststellungsmangel zur exakten Größe des Sicherheitslogos kommt keine Bedeutung zu.

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