OGH 4Ob138/18z

OGH4Ob138/18z23.8.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb, *****, vertreten durch Dr. Marcella Prunbauer, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagten Parteien 1) p***** GmbH, *****, und 2) T***** B*****, beide vertreten durch e/n/w/c Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 55.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 24. Mai 2018, GZ 5 R 42/18k‑12, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 28. Februar 2018, GZ 28 Cg 4/18k‑8, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00138.18Z.0823.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Die beklagten Parteien haben die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

 

Begründung:

Der Zweitbeklagte ist Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Erstbeklagten und Inhaber der Domains www.e ***** und www.p *****. Die – bis Dezember 2017 direkt abrufbare – Website www.e ***** enthielt die Slogans „Dampfen ‑ Sag ja zur Freiheit“, „E‑Dampfzigarette – DER Shop für elektrische Zigaretten und Liquids!“, „Stop der Bevormundung“ und „E‑Zigaretten retten Leben“. Seit Dezember 2017 wird der Nutzer auf die Website www.p ***** umgeleitet, über die die Erstbeklagte unter Hinweis auf ihre Betriebsstätten (Shops) in Niederösterreich und der Steiermark einen Webshop für E‑Zigaretten und Zubehör betreibt. Bei einer Online‑Bestellung wird als Versandart „Selbstabholung“ in den Shops der Erstbeklagten angegeben; dabei scheint als „Shop“ auch „V.*****‑Abholstation Wien“ auf. Bei der Auswahl von V.***** wird dem Kunden per E‑Mail mitgeteilt, dass ihm der Einkauf auch vorbeigebracht werden könne, ein kurzer Anruf genüge. Zudem wird der Kunde in dieser „Abholinformation“ darüber informiert, dass V.***** kein gewerblicher Dienstleister sei, sondern ein kostenloser Service von Privatpersonen. Dass die Beklagten dem Initiator von V.***** für die Zustellungen ein Entgelt bezahlen, ist nicht bescheinigt.

Der klagende Schutzverband beantragte zur Sicherung des inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens, es den Beklagten im geschäftlichen Verkehr mit einstweiliger Verfügung zu verbieten,

a) den Versandhandel mit Tabakerzeugnissen sowie von verwandten Erzeugnissen im Sinn des TNRSG [E‑Zigaretten und Liquids] entgegen einem gesetzlichen Verbot zu betreiben und/oder zu bewerben, sowie

b) Werbung für Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse im Sinn des TNRSG [E‑Zigaretten und Liquids] entgegen dem gesetzlichen Werbeverbot zu betreiben, insbesondere Werbung über einen E‑Dampfzigaretten‑Shop unter einer näher genannten Domain, welche Website bzw Online‑Shop der direkten oder indirekten Verkaufsförderung von solchen Erzeugnissen dient.

Die Beklagten verstießen mit ihrem (eingangs wiedergegebenen) Verhalten gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG iVm § 2a und § 11 Abs 1 und 2 Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw Nichtraucherschutzgesetz – TNRSG.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Sicherungsantrags. Der Online-Shop der Erstbeklagten falle unter die Ausnahmeregelung des § 11 Abs 4 Z 3 TNRSG, hilfsweise dessen Z 4, und unterliege deshalb nicht dem Werbeverbot. Es liege auch kein Verstoß gegen das Versandhandelsverbot vor, weil es sich bei V.***** um eine private Initiative eines Kunden handle, die kostenlos sei.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung, soweit sich der Sicherungsantrag auf „verwandte Erzeugnisse“ bezieht (die implizite Abweisung hinsichtlich Tabakerzeugnissen blieb vom Kläger unbekämpft). Die Beklagten betrieben einen Versandhandel, weil beim Bestellvorgang auch angegeben werden könne, dass die bestellte Ware zugestellt werden solle. Dass die Zustellung von einem Privaten durchgeführt werde, ändere daran nichts. Die beanstandeten Slogans auf der Website der Beklagten seien als Werbung für E-Zigaretten samt Zubehör zu qualifizieren.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Das Versandhandelsverbot bezwecke, dass E‑Zigaretten und Zubehör nicht mehr von zu Hause aus bestellt und nach Hause geliefert werden könnten. Auf die Entgeltlichkeit des Versandvorgangs komme es nicht an. Werbung sei jede Form der kommerziellen Kommunikation. Nach der Richtlinie 2014/40/EU über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse sei kommerzielle Kommunikation in Diensten der Informationsgesellschaft mit dem Ziel oder der Wirkung verboten, den Verkauf von elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern zu fördern. Auf einen Ausnahmetatbestand könnten sich die Beklagten nicht stützen. Im Hinblick auf die eindeutigen unionsrechtlichen Vorgaben sei die Rechtsansicht der Beklagten nicht vertretbar. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zum Versandhandelsverbot nach § 2a TNRSG und zur Werbung für verwandte Erzeugnisse im Sinn des § 1 Z 1e TNRSG in Online‑Shops höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten, der auf eine Abweisung des Sicherungsantrags abzielt.

Mit seiner Revisionsrekursbeantwortung beantragt der klagende Schutzverband, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Die Beklagten vertreten in ihrem Rechtsmittel den Standpunkt, dass

‑ für das Vorliegen eines Versandhandels im Sinn des § 2a TNRSG die Lieferung entgeltlich erfolgen müsse; der Initiator von V.***** sei lediglich ein Abnehmer, der anderen Kunden deren Einkäufe kostenfrei mitnehme;

‑ die beanstandeten Slogans seien nur politische Statements, aber keine verkaufsfördernden Meinungs-äußerungen; der Hinweis auf den Shop der Erstbeklagten sei zudem nur ein Hinweis des allgemeinen Geschäftsverkehrs;

‑ außerdem liege eine Ausnahme vom Werbeverbot nach § 11 Abs 4 Z 4 TNRSG vor; unter dem Begriff „spezialisierter Fachhandel“ seien nicht nur Ladengeschäfte, sondern auch Online‑Shops zu verstehen.

Diese Ausführungen sind nicht berechtigt.

1. Versandhandelsverbot nach § 2a TNRSG:

1.1 Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist für den Versandhandel wesentlich, dass der Verkäufer seine Waren einem unbestimmten Personenkreis im nicht-persönlichen Kontakt anbietet und die bestellten Waren dem Abnehmer zugesandt werden (vgl RIS‑Justiz RS0112102). Unter Berücksichtigung der neuen Handelsformen im Fernabsatz ist der Versandhandel eine besondere Vertriebsform des Einzelhandels, bei dem die Produkte per Katalog, Prospekt, Vertreter oder per Fernkommunikationsmittel (Telefon, Telefax, Fernsehen oder Internet) ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit von Verkäufer und Käufer angeboten und bestellt und die Produkte an den Käufer geliefert werden (siehe dazu § 3 Z 2 FAGG; Brenn, ECG 193).

Die heute bedeutendste Form des Versandhandels sowie des Fernabsatzes ist der Internet‑Handel bzw Online‑Handel. Dieser besteht nach den einschlägigen unionsrechtlichen Vorgaben aus zwei Abschnitten, und zwar

‑ dem Online‑Bestellvorgang (Online-Vertragsabschluss) und

‑ der physischen Auslieferung der bestellten Waren.

Auf die physische Auslieferung von Waren, die aufgrund eines Online‑Vertrags gekauft wurden, bezieht sich die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr nicht (Art 2 lit h sublit ii; Erwägungsgrund 21). In Österreich wurden die Rechtsvorschriften für die Lieferung von Waren (insbesondere öffentlich‑rechtliche Lieferverbote und Beförderungs-beschränkungen) in § 21 Z 13 ECG vom Herkunftslandprinzip ausgenommen. Daraus folgt, dass innerstaatliche Versandhandelsverbote für online bestellte Waren aufrecht bleiben (Brenn, ECG 175, 323 und 331).

1.2  § 1 Z 12 TNRSG enthält folgende Definition:

„Versandhandel“ (Fernabsatz): Versand und Lieferung von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen insbesondere durch Herstellerinnen bzw Hersteller, Importeurinnen bzw Importeure, Händlerinnen bzw Händler an Verbraucherinn en bzw Verbraucher.

Diese Begriffsbestimmung fügt sich in das dargelegte allgemeine Verständnis ein. Sie erfasst vor allem auch den Online‑Handel, was durch den Klammerausdruck „(Fernabsatz)“ verdeutlicht wird, und ist im beschriebenen unionsrechtlichen Sinn zu verstehen. Die kommerzielle Tätigkeit des Verkäufers besteht demnach im Online‑Verkauf einerseits und der physischen Auslieferung andererseits. Der Verkäufer kann die Auslieferung entweder selbst vornehmen oder diese organisieren und durch einen beauftragten Dritten (Lieferer) vornehmen lassen. Maßgebend ist nur, dass der Lieferer dem Verkäufer zuzurechnen ist.

Entgegen der Ansicht der Beklagten besteht der geschäftliche Vorgang beim Versandhandel aus den beschriebenen beiden Abschnitten. Darauf, ob speziell für die Auslieferung ein Entgelt zu zahlen ist, kommt es nicht an.

1.3 Nach dem bescheinigten Sachverhalt ist die Auslieferung der online bestellten E‑Zigaretten samt Zubehör im Online‑Shop der Beklagten derart organisiert, dass der Kunde bei Auswahl (Anklicken) des Shops „V.*****“ die bestellten Produkte an die von ihm angegebene Lieferadresse zugestellt erhalten kann. Diese Bezugsvariante ist in den Online‑Shop der Beklagten integriert, daher von ihr organisiert und auch ihr zurechenbar. Damit liegen alle Voraussetzungen für einen Versandhandel im Sinn des TNRSG vor. Ob die Beförderung durch einen privaten (nicht gewerblichen) Service erfolgt und unentgeltlich ist, bleibt unerheblich. Die Beklagten unterliegen einem Irrtum, wenn sie meinen, dass der Beförderer der Versandhändler sei. Den Versandhandel betreibt im Anlassfall nicht der Organisator von V.*****, sondern die Erstbeklagte als Betreiberin des Online‑Shops.

1.4  § 2a TNRSG lautet:

Der Versandhandel mit Tabakerzeugnissen gemäß § 1 Z 1 sowie von verwandten Erzeugnissen gemäß § 1 Z 1e ist verboten.

§ 1 Z 1e TNRSG definiert als

„verwandtes Erzeugnis“ jedes neuartige Tabakerzeugnis, pflanzliche Raucherzeugnis, die elektronische Zigarette und deren Liquids.

Das TNRSG enthält somit ein absolutes Versandhandelsverbot für E‑Zigaretten und Zubehör im Verhältnis zu Verbrauchern. Dieses Verbot führt dazu, dass die in Rede stehenden Waren nicht von zu Hause aus bestellt und nicht direkt nach Hause geliefert werden dürfen, sondern dass für den Kauf der persönliche Besuch einer Trafik oder eines Einzelhandelsgeschäfts erforderlich ist.

Zu diesem Ergebnis gelangte auch der VfGH in der – die Verfassungswidrigkeit des Versandhandelsverbots für E-Zigaretten und Liquids verneinenden – Entscheidung zu G 164/2016, in der ausgeführt wurde:

„Zwar wird durch die angefochtene Rechtsvorschrift der Versandhandel mit elektronischen Zigaretten und Liquids nicht zur Gänze untersagt, da der Versandhandel an Händler weiterhin möglich ist. Der bisher zulässige Versandhandel an Verbraucher wird jedoch vollständig untersagt und der Vertrieb an den Verbraucher dem Verkauf in einem Geschäftslokal vorbehalten. Die angefochtenen Bestimmungen bewirken, dass die bisher über den Online‑Shop durchgeführte Tätigkeit im Hinblick auf den Verbraucher mit 20. Mai 2016 einzustellen war.“

1.5 Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass die Beklagten durch die Gestaltung des beschriebenen Bestell- und Auslieferungsvorgangs in ihrem Online‑Shop gegen das Versandhandelsverbot nach § 2a TNRSG verstoßen haben.

2. Werbeverbot nach § 11 TNRSG:

2.1  § 11 TNRSG lautet in seinen beiden ersten Absätzen:

„(1) Werbung und Sponsoring für Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse (§ 1 Z 1e) sind verboten.

(2) Das Werbeverbot umfasst dabei insbesondere Werbung im Dienste der Informationsgesellschaft, in der Presse oder anderen gedruckten Veröffentlichungen mit dem Ziel der direkten oder indirekten Verkaufsförderung; davon nicht erfasst ist der allgemeine Geschäftsverkehr.“

Nach § 1 Z 7 TNRSG ist

„Werbung“ jede Form der kommerziellen Kommunikation mit dem Ziel oder der direkten oder der indirekten Wirkung, den Verkauf eines Tabakerzeugnisses zu fördern.

2.2 Der – unionsrechtlich vorgegebene und einheitlich zu verstehende – Begriff der kommerziellen Kommunikation (siehe dazu vor allem Art 2 lit f EC‑RL und § 3 Z 6 ECG) ist weit auszulegen und erfasst sämtliche Formen der Kommunikation, die auf die (direkte oder indirekte) Förderung des Absatzes von Produkten oder Dienstleistungen oder des Images eines Unternehmens abzielen. Dazu zählen nicht nur die Absatzwerbung im engeren Sinn, sondern alle (direkten und indirekten) Maßnahmen der Verkaufsförderung, auch wenn sie keine auf den Preis oder die Warenqualität bezogene Werbeaussage enthalten, sondern durch andere absatzpolitische Instrumente auf die Schaffung eines Kaufanreizes angelegt sind (Brenn, ECG 198). Zu den Diensten der Informationsgesellschaften gehören alle Online‑Dienste, vor allem jene, die über Internet erbracht werden (Brenn, ECG 173).

2.3 Die beanstandeten über Internet verbreiteten Aussagen im Zusammenhang mit dem Online‑Shop der Erstbeklagten sollen – bei einer anzustellenden Gesamtbetrachtung – den Interessenten zum Konsum und damit zum Kauf von E‑Zigaretten animieren. Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass es sich dabei nicht um politische Slogans, sondern um Werbung im Sinn des TNRSG handelt, ist zutreffend. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist für Werbung im dargelegten Sinn keine Aussage über die Qualität der Produkte erforderlich.

2.4 Die Beklagten können sich auch nicht darauf berufen, ausschließlich Angaben des allgemeinen Geschäftsverkehrs gemacht zu haben.

Die Erläuterungen zur TNRSG‑Novelle BGBl I 2016/22 (RV 1056 BlgNR 25. GP  7) führen zu § 11 ua Folgendes aus:

In Österreich sind grundsätzlich Werbung und Sponsoring für alle Tabakerzeugnisse und verwandten Erzeugnisse (auch zB für nikotinfreie E‑Zigaretten) verboten, es bestehen jedoch Ausnahmen gemäß Abs 4. Vom Werbeverbot nicht umfasst ist der allgemeine Geschäftsverkehr; d.h., dass das Aushändigen von Visitenkarten wie auch die Nennung des Unternehmens, etwa bei Stellen-/Ausschreibungen, Vergaben oder Kundmachungen zulässig ist. Meinungsäußerungen sind dann ausgeschlossen, wenn sich diese verkaufsfördernd auswirken; d.h., dass zB die Teilnahme an öffentlichen Diskussionsveranstaltungen möglich ist, wenn damit kein Werbeauftritt verbunden ist.“

Die von den Beklagten im gegebenen Zusammenhang ins Treffen geführte Aussage „E‑Dampfzigarette – DER Shop für elektrische Zigaretten und Liquids“ ist nicht nur ein allgemeiner Hinweis auf die Existenz des Online‑Shops der Beklagten. Durch das in Großbuchstaben geschriebene „DER“ soll vielmehr eine besondere Bedeutung im Sinn eines Alleinstellungsmerkmals ausgedrückt und der Betrachter animiert werden, gerade in diesem Online‑Shop zu kaufen. Die Beklagten können sich damit nicht auf den „allgemeinen Geschäftsverkehr“ berufen. Die verwendete Formulierung widerspricht vielmehr der Intention des Gesetzgebers, Tabakwerbung auf ihre Rolle als Informationsträger zu beschränken und nicht ein positives Raucherimage zu schaffen (vgl VGW‑021/014/13613/2016; VGW‑021/020/16398/2017, jeweils unter Hinweis auf RV 163 BlgNR 14. GP  13).

2.5 Die Beklagten berufen sich zudem auf den Ausnahmetatbestand des § 11 Abs 4 Z 4 TNRSG; dieser lautet:

Ausgenommen vom Verbot der Absätze 1 und 2 sind Werbung durch Tabaktrafikantinnen und Tabaktrafikanten für Tabakerzeugnisse gemäß § 39 Abs 1 Tabakmonopolgesetz, BGBl Nr 830/1995, sowie Werbung für verwandte Erzeugnisse nach § 1 Z 1e in Trafiken und im darauf spezialisierten Fachhandel.“

Dieser Ausnahmetatbestand wurde mit der Novelle des Tabakgesetzes BGBl I 2004/167 (damals nur in Bezug auf Tabakerzeugnisse) eingefügt. Die Erläuterungen (RV 700 BlgNR 22. GP  5) dazu lauten:

Die Darbietung der zum Verkauf angebotenen Tabakerzeugnisse samt Preisangaben an den zum Verkauf von Tabakerzeugnissen befugten Stellen sowie die Werbung durch Trafikanten an ihren Verkaufsstellen für die dort angebotenen Produkte ist unter den in § 11 Z 5 aufgeführten Beschränkungen vom generellen Werbe‑/Sponsoringverbot für Tabakerzeugnisse ausgenommen. Dadurch soll den zum Verkauf von Tabakerzeugnissen befugten Stellen weiterhin die Möglichkeit belassen bleiben, ihre Waren offen– beispielsweise in Regalen – samt Preisangaben anzubieten, überdies soll damit den Konsumenten weiterhin die Möglichkeit der freien Wahl zwischen den angebotenen Produkten möglich bleiben. Personen, die hauptsächlich vom Verkauf von Tabakerzeugnissen und damit verbundenen Produkten leben und dadurch zur Tabakkontrolle durch Überprüfung bzw Beschränkung der Abgabe einen wesentlichen Beitrag leisten, sollen somit aus den getroffenen Werbe- und Sponsoring-Regelungen des § 11 [...] keine gravierenden wettbewerblichen Nachteile gegenüber anderen Personen erfahren, die auf die Bewerbung und den Verkauf anderer Produkte ausweichen können.“

Schon aufgrund des Hinweises auf die Darbietung in Verkaufsstellen der Trafikanten und in Regalen ergibt sich, dass bei der von den Beklagten beanspruchten Ausnahme des „spezialisierten Fachhandels“ nur Geschäftslokale (Laden- bzw Verkaufsgeschäfte) gemeint sein können. In der bereits zitierten Entscheidung zu G 164/2016 hat auch der VfGH darauf hingewiesen, dass der Vertrieb an den Verbraucher dem Verkauf (richtig der physischen Auslieferung) in einem Geschäftslokal vorbehalten und für den Kauf der persönliche Besuch einer Trafik oder eines Einzelhandelsgeschäfts erforderlich ist. Unbestritten ist, dass es sich bei einer Trafik um einen Geschäftsraum handelt. Da in der Ausnahmeregel des Abs 4 Z 4 leg cit die „Trafik“ mit dem „spezialisierten Fachhandel“ verknüpft ist und nur diese beiden Vertriebsformen (gegenüber Verbrauchern) legal sind, kann unter „Fachhandel“ nur ein Geschäftslokal verstanden werden.

Hinzu kommt, dass nach Art 20 Abs 5 lit a der Richtlinie 2014/40/EU über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen haben, dass kommerzielle Kommunikation in Diensten der Informationsgesellschaft mit dem Ziel oder der direkten oder indirekten Wirkung, den Verkauf von elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern zu fördern, verboten ist. Dies gilt mit Ausnahme von Veröffentlichungen, die ausschließlich für im Bereich des Handels mit elektronischen Zigaretten oder Nachfüllbehältern tätige Personen bestimmt sind, und von Veröffentlichungen, die in Drittländern gedruckt und herausgegeben werden, sofern diese Veröffentlichungen nicht hauptsächlich für den Markt der Union bestimmt sind. Werbung in Online-Diensten, insbesondere im Internet, ist nach diesen unionsrechtlichen Vorgaben somit verboten. Auch dies bestätigt die (richtlinienkonforme) Auslegung, dass die Ausnahmebestimmung des Abs 4 Z 4 leg cit nur Geschäftslokale (Laden- bzw Verkaufsgeschäfte) betrifft.

2.6 Auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu C‑477/14, Billbox, können sich die Beklagten ebenfalls nicht stützen. In Rn 117 führte der Gerichtshof aus:

„Zum Einwand, Art 20 Abs 5 der Richtlinie verbiete auch den Online‑Verkauf von elektronischen Zigaretten, ist festzustellen, dass er auf einer offenkundig falschen Lesart dieser Bestimmung beruht. Deren Wortlaut lässt nämlich nicht den Schluss zu, dass sie darauf abziele, diese Vermarktungsmethode in irgend einer Form zu verbieten. Vielmehr ergibt sich aus Art 20 Abs 6 der Richtlinie, der auf deren Art 18 verweist, dass diese Richtlinie kein solches Verbot vorschreibt, sondern den Mitgliedstaaten die Wahl lässt, den grenzüberschreitenden Verkauf von elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern im Fernabsatz einschließlich des Verkaufs über das Internet zu verbieten oder unter bestimmten Voraussetzungen zuzulassen.“

Es ist demnach richtig, dass aus dem Werbeverbot der Richtlinie 2014/40/EU nicht per se ein Verbot des Internets als Verkaufskanal folgt, weshalb das Internet als Verkaufskanal für E‑Zigaretten nach Unionsrecht nicht verboten ist. Daraus können die Beklagten allerdings nichts für sich gewinnen. Erstens betrifft die in Rede stehende Richtlinienbestimmung den grenzüberschreitenden Verkauf, um den es im Anlassfall nicht geht. Zweitens besteht für die Mitgliedstaaten keine verbindliche Vorgabe, sondern sie haben ein Wahlrecht. Drittens wird vom EuGH hier nur der Online‑Verkauf (also der Vertragsabschluss) und damit nur der erste Schritt im Versandhandel, nicht aber auch die nachfolgende physische Lieferung, angesprochen.

2.7 Als weiteres Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass die Beklagten mit den beanstandeten Werbeaussagen gegen das Werbeverbot für E‑Zigaretten und Liquids (als verwandte Erzeugnisse im Sinn des § 1 Z 1e TNRSG) verstoßen haben.

3. Rechtsbruch nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG:

3.1 Ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm ist dann als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht (RIS‑Justiz RS0123239).

3.2 Die den Beklagten vorgeworfenen Verstöße gegen die Bestimmungen des TNRSG sind eindeutig. Das Argument, der Lieferant sei der Versandhändler, weshalb der Transport per se entgeltlich sein müsse, ist unhaltbar. Dass auch die Beklagten um die Bedeutung der zugrunde liegenden rechtlichen Normen Bescheid wissen, zeigt schon die Gestaltung des Online‑Shops, mit der sie versuchen, den Zustellservice als „Abholvariante“ zu beschreiben. Die Bedeutung bzw Reichweite des Werbeverbots für Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse insbesondere in Diensten der Informationsgesellschaft ist ebenfalls unzweifelhaft. Auch wenn die beanstandeten Slogans in einer allgemeineren Weise formuliert sind, ist ihre Intention, die angesprochenen Betrachter der Website zum Kauf zu animieren, eindeutig erkennbar. Dass ein illegaler Online‑Shop (mit Versandhandel gegenüber Verbrauchern) nicht als „spezialisierter Fachhandel“ angesehen werden kann, liegt auf der Hand.

Die von den Beklagten ins Treffen geführten Rechtsansichten erweisen sich damit als nicht vertretbar.

 

4. Ergebnis:

Insgesamt stehen die Entscheidungen der Vorinstanzen mit der Beurteilung des Obersten Gerichtshofs im Einklang. Dem Revisionsrekurs der Beklagten war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

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