OGH 4Ob4/16s

OGH4Ob4/16s15.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei W***** AG, *****, vertreten durch Dr. Sascha Salomonowitz und Dr. Michael Horak, Rechtsanwälte in Wien, gegen die Gegnerin der gefährdeten Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung (Streitwert 30.500 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 30. November 2015, GZ 5 R 133/15p‑13, mit dem die einstweilige Verfügung des Handelsgerichts Wien vom 6. Juli 2015, GZ 39 Cg 75/14v‑8, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00004.16S.0615.000

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass in der einstweiligen Verfügung in Punkt (i) der Satzteil „weil die verantwortliche Person nicht angegeben wird und/oder“ zu entfallen hat.

Die gefährdete Partei ist schuldig, der Gegnerin die mit 4.073,47 EUR (darin enthalten 535,19 EUR USt und 862,33 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die gefährdete Partei (in der Folge: Klägerin) ist exklusive Vertriebsgesellschaft für die von einer US-amerikanischen Gesellschaft hergestellten Kosmetikprodukte der Marke „Paul Mitchell“ und Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz ua für Österreich an der Gemeinschaftswortmarke PAUL MITCHELL.

Die Gegnerin der gefährdeten Partei (in der Folge: Beklagte) betreibt in Österreich Drogeriemärkte und einen Webshop. Über diesen und in einigen ihrer Filialen bewirbt und verkauft sie Kosmetikprodukte der Marke „Paul Mitchell“.

Die Klägerin führte im Juni und September 2014 bei der Beklagten Testkäufe von Paul Mitchell‑Produkten durch. Dabei stellte sie fest, dass bei den ihr gelieferten Shampooflaschen die Chargennummern ganz bzw teilweise fehlten und weiters die ausdrückliche Angabe der Firma und der Adresse einer „verantwortlichen Person“ laut europäischer Kosmetikverordnung fehlte. Angegeben war nämlich nur: „Distributed by: John Paul Mitchell Systems“ samt Adressen in den USA, United Kingdom und Deutschland, wobei die United Kingdom‑Adresse unterstrichen war. „Verantwortliche Person“ ist – seit 11. 7. 2013 – die Firma B***** aus Belgien. Weitere Testkäufe ergaben, dass die Beklagte offensichtlich mit unzulässigen Parallelimporten handelte.

Die Klägerin sieht in dieser Vorgehensweise der Beklagten einen Verstoß gegen Kennzeichnungsvorschriften der KosmetikVO und des UWG sowie gegen das Markenrecht.

Es fehle die Angabe der verantwortlichen Person; als solche habe der Markeninhaber seit Juli 2013 die belgische Firma B***** ernannt. Sie forderte die Beklagte zur Abgabe einer Unterlassungs‑ und Verpflichtungserklärung auf. Die Beklagte lehnte dies ab, da keinerlei Verstoß vorliege. Die Klägerin beantragte daher die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Die Beklagte bestritt einen Verstoß gegen Kennzeichnungsvorschriften; sie sei als Händlerin nur verpflichtet zu überprüfen, ob die in der KosmetikVO genannten Angaben (etwa ein Name samt Adresse einer in der EU ansässigen Person) vorhanden seien, nicht aber, ob diese Angaben auch richtig seien.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung, womit der Beklagten aufgetragen wurde, es ab sofort bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils zu unterlassen,

(i) Kosmetikprodukte der „John Paul Mitchell Systems“, die nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, insbesondere weil die verantwortliche Person nicht angegeben wird und/oder weil die Chargennummer gar nicht oder nur teilweise angegeben wird, in Österreich zum Verkauf anzubieten, zu vertreiben und/oder zu solchen Zwecken zu besitzen;

(ii) Kosmetikprodukte der „John Paul Mitchell Systems“, insbesondere „Paul Mitchell Platinum Blonde Shampoo“, nach Österreich und/oder Deutschland einzuführen und/oder zum Verkauf anzubieten, zu vertreiben und/oder zu solchen Zwecken zu besitzen, wenn solche Produkte nicht von der Markeninhaberin das erste Mal im EWR in den Verkehr gebracht worden sind.

 

Zu der – einzig in dritter Instanz noch strittigen – Frage der fehlenden bzw unrichtigen Angabe der „verantwortlichen Person“ führte das Erstgericht aus, dass selbst wenn der Beklagten allenfalls nicht der Vorwurf gemacht werden könnte, dass sie die Richtigkeit der Angaben über die verantwortliche Person nicht überprüft habe, dies nur so lange gelten könne, als die Beklagte keinen Grund zur Annahme der Unrichtigkeit der Angaben hatte. Jedenfalls seit der Abmahnung durch die Klägerin habe sie annehmen können, dass die Angaben nicht verordnungskonform seien, und ab diesem Zeitpunkt hätte sie die Produkte nicht mehr auf dem Markt bereitstellen dürfen. Insofern sei ihr durch den Verstoß gegen die Kennzeichnungsverpflichtungen der KosmetikVO ein tatbestandsmäßiges Verhalten vorzuwerfen. Ein Verstoß gegen eine aufgrund des § 32 UWG erlassene Verordnung begründe bereits für sich einen Unterlassungsanspruch, ohne dass es eines Rückgriffs auf §§ 1 oder 2 UWG bedürfe. Es bedürfe daher auch nicht der Prüfung, ob die Beklagte ihre Rechtsansicht mit guten Gründen vertreten konnte; vielmehr begründe schon allein der (objektive) Verstoß gegen die Verordnung einen verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch. Die Beklagte habe bis dato keine Verhaltensweisen gesetzt, die annehmen ließen, dass sie die Produkte nicht mehr vertreibe. Damit habe sie keine Umstände dargetan, die die Wiederholungsgefahr verneinen ließen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Auf den von der Beklagten verkauften Produkten sei lediglich ein Händler („distributed by“), nicht aber eine „verantwortliche Person“ (responsible person) genannt worden. Damit sei den Anforderungen der KosmetikVO nicht entsprochen worden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn auf den Shampoo‑Flaschen die verantwortliche Person ausdrücklich als solche („responsible person“) benannt werde. Die Beklagte habe daher gegen Art 6 Abs 2 und Abs 3 iVm Art 19 Abs 1 lit a und lit e KosmetikVO verstoßen. Dieser Rechtsbruch erfülle den Tatbestand der sonstigen unlauteren Handlung nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG. Die Frage, ob die Beklagte die Richtigkeit der Angaben hinsichtlich der verantwortlichen Person prüfen müsse, stelle sich nicht, weil auf den Verpackungen der von ihr verkauften kosmetischen Mitteln überhaupt keine verantwortliche Person genannt gewesen sei. Auch auf die Fragen, ob der Klägerin ein Unterlassungsanspruch gemäß § 34 Abs 3 UWG zustehe und ob eine irreführende Geschäftspraktik vorliege, insbesondere ob es sich bei den fehlenden Informationen um wesentliche Informationen iSd § 2 Abs 5 UWG handle, müsse nicht mehr eingegangen werden, weil der Unterlassungsanspruch schon gemäß § 14 Abs 1 iVm § 1 UWG zustehe.

Die Beklagte ficht diesen Beschluss des Rekursgerichts mittels außerordentlichen Revisionsrekurses (nur) in dem Umfang an, in dem ihrem Rekurs gegen die Wortfolge „weil die verantwortliche Person nicht angegeben wird und/oder“ in Pkt (i) der einstweiligen Verfügung nicht Folge gegeben wurde. Es sei nach der KosmetikVO nicht erforderlich, die verantwortliche Person ausdrücklich als „verantwortliche Person“ bzw „responsible person“ zu bezeichnen.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht jedenfalls unzulässig:

1. Das Rekursgericht hat ausgesprochen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt. Entgegen der Auffassung der gefährdeten Partei ist für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses auf den Geldwert des Entscheidungsgegenstands im Zeitpunkt der Entscheidung zweiter Instanz abzustellen; das Revisionsrekursinteresse ist nicht von Bedeutung (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 ZPO Rz 134 iVm § 528 Rz 57). Dass in dritter Instanz nur mehr ein Teilanspruch im Zusammenhang mit der Angabe der „verantwortlichen Person“ bekämpft wird, ist somit für die Zulässigkeit des Rechtsmittels im Lichte des Werts des Entscheidungsgegenstands ohne Bedeutung.

Das Rechtsmittel ist zulässig und berechtigt.

2.1. Art 19 der Verordnung (EG) Nr 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (KosmetikVO) lautet auszugsweise:

Kennzeichnung

(1) Unbeschadet der anderen Bestimmungen dieses Artikels dürfen kosmetische Mittel nur auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn die Behältnisse und Verpackungen kosmetischer Mittel unverwischbar, leicht lesbar und deutlich sichtbar folgende Angaben tragen:

a) den Namen oder die Firma und die Anschrift der verantwortlichen Person. Die Angaben dürfen abgekürzt werden, sofern diese Person und ihre Adresse aus der Abkürzung identifiziert werden kann. Werden mehrere Anschriften angegeben, so ist die Anschrift der verantwortlichen Person, bei der die Produktinformationsdatei leicht zugänglich gemacht wird, hervorzuheben. Für importierte kosmetische Mittel muss das Ursprungsland angegeben werden;

2 .2. Art 6 der KosmetikVO lautet auszugsweise:

Verpflichtungen der Händler

(1) Im Rahmen ihrer Tätigkeiten berücksichtigen die Händler die geltenden Anforderungen mit der gebührenden Sorgfalt, wenn sie ein kosmetisches Mittel in Verkehr bringen.

(2) Bevor sie ein kosmetisches Mittel auf dem Markt bereitstellen, überprüfen die Händler, ob

- die Kennzeichnungsinformationen gemäß Artikel 19 Absatz 1 Buchstaben a, e und g sowie Artikel 19 Absätze 3 und 4 vorliegen,

- der Sprachanforderungen gemäß Artikel 19 Absatz 5 genügt wird,

- gegebenenfalls das Mindesthaltbarkeitsdatum nach Artikel 19 Absatz 1 nicht abgelaufen ist.

(3) Sind Händler der Auffassung oder haben sie Grund zu der Annahme, dass

- ein kosmetisches Mittel nicht den Anforderungen dieser Verordnung genügt, stellen sie das kosmetische Mittel so lange nicht auf dem Markt bereit, bis es mit den geltenden Anforderungen in Übereinstimmung gebracht wurde;

- ein von ihnen auf dem Markt bereitgestelltes kosmetisches Mittel nicht dieser Verordnung entspricht, stellen sie sicher, dass die erforderlichen Korrekturmaßnahmen ergriffen werden, um die Konformität dieses Mittels herzustellen oder es gegebenenfalls vom Markt zu nehmen und zurückzurufen.

Außerdem unterrichten die Händler, wenn von dem kosmetischen Mittel ein Risiko ausgeht, unverzüglich die verantwortliche Person und die zuständigen nationalen Behörden der Mitgliedstaaten, in denen sie das Produkt auf dem Markt bereitgestellt haben, darüber und machen dabei ausführliche Angaben, insbesondere über die Nichtkonformität und die ergriffenen Korrekturmaßnahmen.

...

3.1. Der auf Rechtsbruch gestützte Unterlassungsanspruch setzt auf Sachverhaltsebene den Verstoß gegen eine (bestimmte) generelle abstrakte Norm voraus. Er besteht daher nur dann zu Recht, wenn die Beklagte dadurch verbotswidrig (und damit unlauter iSd § 1 UWG) gehandelt hat, dass sie gegen eine der im Sachvorbringen genannten Verbotsnormen verstoßen hat (RIS‑Justiz RS0129497). Ein Rechtsbruch kann auch in der Verletzung von Kennzeichnungsvorschriften liegen, wenn sich der Rechtsbrecher dadurch einen Vorsprung gegenüber Mitbewerbern verschafft (Burgstaller/Handig/Heidinger/ Schmid/Wiebe in Wiebe/Kodek, UWG² § 1 Rz 805; 4 Ob 29/07d – Gebrauchsanleitung; 4 Ob 34/15a – Agaricus Pulver Kapseln). Auch die Verletzung der Kennzeichnungsvorschriften der KosmetikVO als Marktverhaltensregeln zum Schutz der menschlichen Gesundheit ist daher geeignet, den Rechtsbruchtatbestand zu begründen (Köhler in Köhler/Bornkamm³³, dUWG § 4 Rz 11.123; Reinhard, EU‑Kosmetikverordnung erlangt unmittelbare Geltung: Wegfall des deutschen Kosmetikrechts, GRUR‑Prax 2013, 307).

3.2. Die verantwortliche Person hat die Einhaltung der in der KosmetikVO aufgeführten, einschlägigen Verpflichtungen zu garantieren (Art 4 Abs 2), die vor allem in Art 5 konkretisiert werden. Verantwortliche Person ist grundsätzlich der in der Gemeinschaft ansässige Hersteller, wenn das kosmetische Mittel in der Gemeinschaft hergestellt und nicht aus- und wieder eingeführt wurde (Art 4 Abs 3). Ist der Hersteller nicht in der Gemeinschaft ansässig, so muss er mit schriftlichem Mandat eine in der Gemeinschaft ansässige verantwortliche Person benennen (Art 4 Abs 4), ansonsten steht ihm dies frei (Abs 3). Der Händler (in der englischen Fassung „distributor“) ist nach Art 4 Abs 6 nur dann verantwortliche Person, wenn er ein kosmetisches Mittel unter seinem eigenen Namen und seiner eigenen Marke in Verkehr bringt oder ein Produkt, das sich bereits in Verkehr befindet, so ändert, dass die Einhaltung der geltenden Anforderungen berührt sein kann (Reinhard aaO; Bruggmann, Harmonisierung des Kosmetikrechts: Die neue EG‑Kosmetikverordnung; LMuR 2010, 141 [142]).

Nach Art 4 Abs 5 KosmetikVO ist für ein importiertes kosmetisches Mittel jedenfalls der Importeur die verantwortliche Person für das spezifische kosmetische Mittel, das er in Verkehr bringt.

3.3. Für die Einhaltung der Kennzeichnungsverpflichtung nach Art 19 Abs 1 lit a KosmetikVO ist grundsätzlich die verantwortliche Person zuständig (Art 3 lit b). Den Händler trifft nur eine eingeschränkte Überwachungspflicht. Nach Art 6 Abs 2 erster Gedankenstrich hat er zu überprüfen, ob die Kennzeichnungsinformationen gemäß Art 19 Abs 1 lit a vorliegen („shall verify, that […] is present“). Nur wenn der Händler danach der Auffassung ist oder Grund zu der Annahme hat, dass ein kosmetisches Mittel nicht den Anforderungen dieser Verordnung genügt, darf er das kosmetische Mittel so lange nicht auf dem Markt bereitstellen, bis es mit den geltenden Anforderungen in Übereinstimmung gebracht wurde (Art 6 Abs 3 erster Gedankenstrich).

3.4. Unstrittig ist, dass der auf der Verpackung angegebene Unternehmer nicht ausdrücklich als „verantwortliche Person“, sondern als Händler („distributed by“) bezeichnet wurde. Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, bereits dieser Umstand hätte der Beklagten Grund zur Annahme geben müssen, dass den Kennzeichnungsvorschriften nicht entsprochen worden sei, weil die verantwortliche Person ausdrücklich als solche bezeichnet werden müsse. Deshalb komme es nicht darauf an, ob die Beklagte die inhaltliche Richtigkeit der Angabe hätte verifizieren müssen.

3.5. Diese Argumentation greift zu kurz. Eine Verpflichtung, die Angaben zur verantwortlichen Person mit dem ausdrücklichen Hinweis „Verantwortliche Person“ zu kennzeichnen, ist Art 19 Abs 1 lit a Kosmetik‑VO nämlich nicht zu entnehmen. Dieser sieht ausdrücklich nur die Angabe „des Namens oder der Firma und der Anschrift der verantwortlichen Person“ vor (vgl EuGH C‑321/14 – Colena, Rz 7). Da nach der KosmetikVO – anders als nach der Vorgängerbestimmung Art 6 Abs 1 lit a der Richtlinie 76/768/EWG  – zwingend nur die Angaben zur verantwortlichen Person zulässig, zugleich aber auch ausreichend sind [wohingegen nach Art 6 Abs 1 lit a RL EG/76/768 alternativ der Hersteller genannt werden durfte], wäre eine solche Pflicht zur ausdrücklichen Bezeichnung jedenfalls im – hier vorliegenden – Fall entbehrlich, dass überhaupt nur eine Person auf der Verpackung genannt wird. Denn nach Art 9 KosmetikVO dürfen Mitgliedstaaten das Bereitstellen von kosmetischen Mitteln auf dem Markt nicht auf Grund der in dieser Verordnung enthaltenen Anforderungen ablehnen, verbieten oder beschränken, wenn die kosmetischen Mittel den Bestimmungen dieser Verordnung entsprechen. Es verstößt folglich gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs, Angaben auf Kosmetikverpackungen zu fordern, die nicht ausdrücklich von der KosmetikVO verlangt werden (vgl EuGH Rs 150/88 Rz 22 f zur Pflicht, außer der verantwortlichen Person auch den Hersteller zu nennen).

3.6. Besteht demnach keine Verpflichtung, die verantwortliche Person auf der Verpackung ausdrücklich auch als solche zu bezeichnen, bestand auch kein Anlass für die Beklagte, an der Richtigkeit der Verpackungsangaben zu zweifeln, hat sie doch als Händler grundsätzlich nur zu prüfen, ob die erforderlichen Angaben „vorliegen“. Zur Überprüfung deren Richtigkeit ist der Händler erst verpflichtet, wenn er Grund zur Annahme hat, die Kennzeichnungsinformationen seien mangelhaft. Ein solcher Grund ist dem bescheinigten Sachverhalt nicht zu entnehmen, war doch auf den Shampoo‑Flaschen angegeben: „Distributed by: John Paul Mitchell Systems“, wobei die ebenfalls angegebene Adresse in der Europäischen Union unterstrichen war. Die Beklagte konnte daher davon ausgehen, die auf dem Behältnis angegebene Person sei nicht nur für den Vertrieb zuständig, sondern zugleich auch die verantwortliche Person. Damit geht der Vorwurf ins Leere, die Beklagte habe Kosmetikprodukte ohne Angabe einer verantwortlichen Person auf dem Behältnis vertrieben.

3.7. Ein Grund für die Beklagte zur Annahme, die Kennzeichnungsinformationen seien mangelhaft, könnten in der Abmahnung der Klägerin vom 6. 10. 2014 gesehen werden (so schon das Erstgericht). Allerdings hat sich die Klägerin nicht auf Art 6 Abs 3 KosmetikVO berufen und auch kein Tatsachenvorbringen zu einem Vertrieb der Beklagten nach Abmahnung erstattet.

4.1. Der Tatbestand des Wettbewerbsvorsprungs durch Rechtsbruch bei Verletzung von Informationspflichten kann sich mit dem Irreführungstatbestand durch Unterlassung überschneiden (Sosnitza in Ohly/Sosnitza, dUWG6 § 5a Rz 7; Lindacher, Allgemeines Irreführungsverbot und konditioniertes Informationsgebot, FS Spellenberg, 43 [46 f]).

4.2. In Umsetzung von Art 7 Abs 1 RL‑UGP legt § 2 Abs 4 UWG (bzw § 2 Abs 4 Z 1 UWG idF UWG‑Novelle 2015) fest, dass eine Geschäftspraktik dann als irreführend gilt, wenn sie unter Berücksichtigung der Beschränkungen des Kommunikationsmediums wesentliche Informationen nicht enthält, die der Marktteilnehmer benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und die somit geeignet ist, einen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Als wesentliche Informationen im Sinne dieser Norm gelten nach § 2 Abs 5 UWG (entspricht Art 7 Abs 5 RL‑UGP) jedenfalls die im Unionsrecht festgelegten Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing (4 Ob 107/15m, Pauschalreisen).

4.3. Die Informationspflicht über Name und Anschrift der verantwortlichen Person ist in einem sekundären Gemeinschaftsrechtsakt festgelegt. Dass die KosmetikVO nicht im Anhang II der RL‑UGP aufgeführt ist, steht – der Revisionsrekursbehauptung zuwider – nicht der Annahme entgegen, dass es sich dabei um jedenfalls wesentliche Informationen iSd § 2 Abs 5 UWG handelt, enthält der Anhang doch nur eine demonstrative Aufzählung (Art 7 Abs 5 RL‑UGP; Dreyer in Harte‑Bavendamm/Hennig‑Bodewig, dUWG³ § 5a Rz 134). Zumal die Kennzeichnungsvorschriften der KosmetikVO als Marktverhaltensregeln dem Schutz der menschlichen Gesundheit und damit dem Verbraucherschutz dienen (Reinhard, EU‑Kosmetikverordnung erlangt unmittelbare Geltung: Wegfall des deutschen Kosmetikrechts, GRUR‑Prax 2013, 307), unterfallen sie § 2 Abs 5 UWG (Sosnitza in Ohly/Sosnitza, dUWG6 § 5 Rz 42). Weshalb Produktverpackungen (entgegen ständiger Rechtsprechung, vgl etwa 4 Ob 34/15a: Pillendose; 4 Ob 203/15d: Mineralwasserflasche) nicht geeignet sein sollten, eine „kommerzielle Kommunikation“ (vgl zum Begriff Alexander in MüKomm Lauterkeitsrecht², § 5a UWG Rz 221) zu enthalten, legt das Rechtsmittel ebenfalls nicht nachvollziehbar dar.

4.4. Eine gesonderte Prüfung der Irreführungseignung (Wesentlichkeit) der unstrittig unterbliebenen Information hat daher nach § 2 Abs 5 UWG zu entfallen (vgl 4 Ob 211/13b – Offenlegung im E‑Commerce).

4.5. Auf die Einhaltung der beruflichen Sorgfalt kommt es – anders als beim Rechtsbruchtatbestand – bei irreführenden Geschäftspraktiken nicht an (4 Ob 183/13k = RIS‑Justiz RS0129125). Ob die Beklagte daher von der Unrichtigkeit der Information wusste, ist im Zusammenhang mit dem Irreführungstatbestand irrelevant.

5.1. Der geltend gemachte und auf §§ 1 und 2 UWG gestützte Unterlassungsanspruch scheitert aber schon daran, dass es sich im vorliegenden Fall um Parallelimporte handelt. Art 4 Abs 5 KosmetikVO sieht diesbezüglich vor, dass für ein importiertes kosmetisches Mittel jedenfalls der Importeur die verantwortliche Person für das spezifische kosmetische Mittel, das er in Verkehr bringt, ist.

5.2. Die Klägerin hat aber nur vorgebracht, dass der Hersteller eine bestimmte Person als verantwortliche Person „benannt“ hat. Das ist aber wegen der zwingenden Bestimmung des Art 4 Abs 5 KosmetikVO irrelevant. Damit fehlt letztlich ein schlüssiges Vorbringen, dass die Kennzeichnung inhaltlich falsch ist.

6. Somit sind die Voraussetzungen für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht ausreichend bescheinigt, sodass der Sicherungsanspruch im angefochtenen Umfang nicht zu Recht besteht. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher dahin abzuändern, dass in der einstweiligen Verfügung der vom Revisionsrekurs bekämpfte Passus zu entfallen hat.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO. Da die Beklagte letztlich mit ihrem Abwehranspruch zunächst zur Hälfte, sodann zu einem Drittel und in dritter Instanz zur Gänze durchgedrungen ist, war ihr Schriftsatz zu ON 4 zur Hälfte, jener zu ON 7 und der Rekurs je zu einem Drittel und der Revisionsrekurs zur Gänze zu honorieren. Die Klägerin hat ihre Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz vorläufig selbst zu tragen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte