OGH 4Ob41/24v

OGH4Ob41/24v19.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei * mbH, *, vertreten durch Bock Fuchs Nonhoff Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei *, vertreten durch Mag. Franz Podovsovnik und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen zuletzt 701.275,04 EUR sA,  über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 29. Jänner 2023, GZ 19 R 65/23d‑27, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00041.24V.0319.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Bestandrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen wandten mit Blick auf die (erlaubten) Untervermietungen der beklagten Mieterin die Grundsätze zur pandemiebedingten Zinsminderung auch auf die hier vorliegende Mietzinsklage an und sprachen der klagenden Vermieterin für die Zeit des Lockdowns unter Anwendung der §§ 1104, 1105 ABGB (nur) einen Teil des begehrten Mietzinses zu.

[2] Die Beklagte begründet die Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision mit einer krassen Fehlentscheidung zum Ausmaß der konkreten Mietzinsminderung. Sie strebt einen gänzlichen Entfall des Bestandzinses wegen Unbenutzbarkeit an.

Rechtliche Beurteilung

[3] Damit zeigt sie keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[4] 1.1 Kommt es aufgrund einer pandemiebedingten (teilweisen) Unbenutzbarkeit des Objekts zu einer Reduktion oder zum Entfall des Untermietzinses, wird auch im Hauptmietverhältnis der vereinbarungskonforme Zweck pandemiebedingt nicht gewährleistet (vgl 9 Ob 98/22k Rz 26).

[5] 1.2 Bei der Beurteilung der Brauchbarkeit kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalls an (8 Ob 131/21d; 1 Ob 178/22s; 9 Ob 98/22k Rz 29; RS0021054 [T5]; RS0020926 [insb T3]), wobei die Behauptungs‑ und Beweislast für die mangelnde Brauchbarkeit des Bestandobjekts, die eine Zinsminderung rechtfertigt, den Bestandnehmer trifft (8 Ob 131/21d; 1 Ob 178/22s mwN; 4 Ob 143/23t; 6 Ob 239/22y; RS0021416).

[6] 1.3 Auch das konkrete Ausmaß einer pandemiebedingten Zinsminderung hängt naturgemäß von den Umständen des Einzelfalls ab, sodass schon deshalb dazu grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt (4 Ob 218/21v).

[7] 2. Hinsichtlich eines der beiden Untermietlokale reduzierte das Erstgericht den entsprechenden Anteil am Hauptmietzins um zwei Drittel. Diese Reduktion der Mietzinszahlung bedarf schon wegen des festgestellten (sinnvollen) Restnutzens zu diesem Objekt (= Anwesenheit der Mitarbeiter zur Filialpflege, zum Online-Versand und zur Durchführung von diversen Vorkehrungen) keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung, zumal sich die Vorinstanzen an der Judikatur zu vergleichbaren Fällen (4 Ob 218/21v) orientiert haben.

[8] 3.1 Beim anderen Untermietverhältnis, bei dem die Untermieterin im Zuge der Pandemie ihren Betrieb auf „Click & Collect“ modifiziert hat, haben die Vorinstanzen eine Reduktion verneint, weil die Untermieterin den Mietzins der beklagten Mieterin auch während der Lockdowns zur Gänze gezahlt hat. Der von der Beklagten behauptete „partnerschaftliche Nachlass“ von 65 % konnte nicht festgestellt werden. Damit kam es insoweit zu keiner Reduktion bzw zu keinem Entfall des Untermietzinses, sodass sich hier die Verneinung einer pandemiebedingten Zinsminderung im Rahmen der aufgezeigten Judikatur hält.

[9] 3.2 Ob dem Mieter eine Mietzinsminderung auch bereits dann zuzusprechen ist, wenn ihm von seinem Untermieter ein späterer Rückforderungsanspruch drohen könnte, kann hier dahinstehen, weil von der hier beweisbelasteten Mieterin (siehe oben Punkt 1.2) in erster Instanz kein Vorbringen dazu erstattet wurde, dass und warum ihr von ihrer Untermieterin überhaupt ein Rückforderungsanspruch drohen könnte. Zudem hat bereits das Berufungsgericht das Berufungsvorbringen der Beklagten, sie sei Rückforderungsansprüchen ihres Untermieters ausgesetzt, als Verstoß gegen das Neuerungsverbot qualifiziert. Die Klägerin macht in ihrer außerordentlichen Revision nicht geltend, dass das Berufungsgericht dies zu Unrecht angenommen hat.

[10] 4. Es wirft schließlich ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage auf, wenn bei der Prüfung des Restnutzens auch der vom Bestandvertrag umfasste Parkplatz (geringfügig) berücksichtigt wurde. Schon wegen der Mitarbeiter der beiden Untermieter war hier die Verneinung einer gänzlichen Unbrauchbarkeit jedenfalls vertretbar.

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