European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00225.23A.0319.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Bestandrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.694,20 EUR (darin 282,40 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die klagende Hauseigentümerin vermietet der Beklagten aufgrund eines 1993 geschlossenen Mietvertrags ein Geschäftslokal Top 2 im Souterrain und Top 5 im Hochparterre ihres Hauses. Im Souterrain gibt es eine Bar, eine Dampfkammer, einen kleinen Tanzbereich, Garderoben, WC‑Anlagen und Duschen, ein Buffet und die Küche. Im Barbereich gibt es zehn bis zwölf Barhocker. Im Loungebereich gibt es einen Stehtisch für vier Personen, einen niedrigen Tisch, an dem vier Personen sitzen können, zwei Nischen, die jeweils acht Personen, wenn sie zusammenrücken, Platz bieten und eine Doppelnische, in der, wenn sie keinen Abstand halten, zwölf bis fünfzehn Personen sitzen können. Im Hochparterre gibt es 13 verschiedene Themenzimmer, die über Gänge, die etwa 80 cm bis einen Meter breit sind, erreicht werden.
[2] Das Mietobjekt ist im Vertrag als „Saunabetrieb mit Gastgewerbe, Solarium, Massage und Fitnessstudio“ bezeichnet, tatsächlich wird im Objekt seit Mietbeginn mit Wissen und Zustimmung der Vermieter ein Swingerclub betrieben. Der dem Vertrag zugrundeliegende Geschäftszweck ist die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten zur Pflege zwischenmenschlicher (sexueller) Kontakte; das Unternehmenskonzept eines Swingerclubs sind zwischenmenschliche Nähe, Körperkontakt und ein freizügiges sexuelles Miteinander; die Verabreichung von Speisen und Getränken ist kein vorrangiger oder selbstständiger Geschäftszweck.
[3] Bis Mitte März 2020 war der Swingerclub der Beklagten von Donnerstag auf Freitag von 19:00/20:00 Uhr bis etwa 1:00 Uhr Früh, von Freitag auf Samstag und von Samstag auf Sonntag jeweils von 20:00 Uhr bis 4:00 Uhr Früh geöffnet. Am Sonntag war nur für sporadisch durchgeführte größere Feiern geöffnet, und zwar von 19:00/20:00 Uhr bis 1:00 Uhr Früh. Montags, dienstags und mittwochs blieb der Club geschlossen. Als Speisen bot die Beklagte ihren Gästen ein kleines (kaltes) Buffet mit Snacks (Fingerfood) an, an der Bar gab es Getränke. Warme Speisen verabreichte die Beklagte nicht, ebenso wenig wurde Essen zu den Tischen serviert.
[4] Ab dem Beginn des ersten Lockdowns (16. 3. 2020) hielt die Beklagte den Betrieb geschlossen, und zwar auch nach Mai 2020, da die behördlich verordneten Einschränkungen (Abstandsregelung, Maskenpflicht, Vorverlegung der Sperrstunde, Verabreichung von Speisen und Getränken nur an den Tischen) eine dem Verwendungszweck entsprechende sinnvolle Nutzung des Objekts als Swingerclub nicht möglich machten.
[5] Am 15. 9. 2020 kündigte der Geschäftsführer der Beklagten über Facebook eine Party für den 19. 9. 2020 im Bestandobjekt an, da er Geld für Mietzinszahlungen auftreiben wollte, nahm davon aber wieder Abstand, da das Risiko einer Cluster‑Bildung zu groß erschien und die Sorge bestand, dass eine Cluster‑Bildung für die ohnehin schon kleine Szene das „Aus“ sein könnte. Auch eine weitere zunächst für den 18. 10. 2020 angekündigte Party im Bestandobjekt wurde aus Angst vor einer Cluster‑Bildung abgeblasen. Ende Oktober 2020 (30. und 31. 10.) unternahm der Geschäftsführer der Beklagten schließlich doch den Versuch, den Club für ein „Halloween Special“ zu öffnen. Aufgrund der Maskenpflicht und der nach wie vor bestehenden Beschränkungen erntete er dafür allerdings viel Kritik von den Gästen. Aufgrund des ab 3. 11. 2020 neuerlich behördlich verordneten Betretungsverbots blieb der Club in der Folge bis Ende Juni 2021 wieder geschlossen, und war ab 1. 7. 2021 wieder geöffnet. Ab Beginn des neuerlichen behördlich verordneten Betretungsverbots im November 2021 blieb das Bestandobjekt bis Anfang März 2022 wieder geschlossen. Seit 6. 3. 2022 ist der Club wieder geöffnet, derzeit nur einmal in der Woche (von Freitag auf Samstag von 21:00 Uhr bis 4:00 Uhr Früh).
[6] Ab Jänner 2019 wurde der Beklagten für das gegenständliche Objekt ein Gesamtmietzins von monatlich 3.863,81 EUR vorgeschrieben und von der Hausverwaltung aufgrund einer von der Beklagten erteilten Einzugsermächtigung, die zum Einzug der Mieten jeweils am 5. des Kalendermonats berechtigte, eingezogen. Ab Jänner 2020 betrug der monatliche Gesamtmietzins 3.796,53 EUR, ab April 2020 monatlich 4.021,34 EUR, ab Jänner 2021 monatlich 3.977,59 EUR, ab Jänner 2022 monatlich 3.911,88 EUR und ab Juli 2022 monatlich 4.178,90 EUR und wurde in dieser Höhe der Beklagten auch vorgeschrieben.
[7] Ende Februar 2020 bestand am Mieterkonto der Beklagten ein Guthaben von 5.186,35 EUR. Die Miete für März 2020 wurde von der Hausverwaltung eingezogen, allerdings am 10. 3. 2020 wieder rückgebucht und das Konto der Hausverwaltung wurde mit Rückbuchungsspesen von 5 EUR belastet. Die Betriebskosten‑Abrechnung für das Jahr 2019 ergab zugunsten der Beklagten ein anteiliges Guthaben in Höhe von 3.094,27 EUR und wurde dem Mieterkonto per 1. 8. 2020 gutgebucht. Am 27. 10. 2020 wurde von der Hausverwaltung am Mieterkonto der Beklagten eine Gutschrift mit der Widmung „Mietreduktion 5‑7/2020 – HMZ“ verbucht. Für Dezember 2020 und Jänner bis April 2021 wurde das Mieterkonto der Beklagten mit keinen Mietzinsvorschreibungen belastet. Am 19. 4. 2021 erfolgte von der Hausverwaltung die Verbuchung einer weiteren Gutschrift am Konto der Beklagten mit der Widmung „Mietreduktion f. 11/2020 50 %“ in Höhe von 2.010,67 EUR. Für den Zeitraum 19. bis 31. 5. 2021 wurde das Mieterkonto der Beklagten lediglich mit einer anteiligen Mietzinsvorschreibung in Höhe von 1.668,02 EUR belastet. Die Betriebskosten‑Abrechnung 2020 ergab zugunsten der Beklagten ein anteiliges Guthaben von 3.345,48 EUR und wurde dem Mieterkonto am 1. 8. 2021 gutgebucht. Für November 2021 wurde das Mieterkonto der Beklagten lediglich mit einer Mietzinsvorschreibung von 2.784,31 EUR belastet, für Dezember 2021 mit 1.411,40 EUR. Die Jahresabrechnung 2021 ergab zugunsten der Beklagten ein anteiliges Guthaben von 2.207,41 EUR und wurde dem Mieterkonto per 1. 8. 2022 gutgeschrieben.
[8] Die Beklagte leistete ab 1. 3. 2020 folgende Zahlungen:
EUR
25.05.2020 Widmung „nur BK netto“ 734,27
07.07.2020 Widmung „5.2020 BK“ 734,27
07.07.2020 Widmung „6.2020“ 734,27
06.08.2020 Widmung „Wasser/Abw.Geb.“ 5.119,07
19.08.2020 ungewidmet 1.000,00
01.09.2020 ungewidmet 4.000,00
09.10.2020 Widmung 10.2020 4.021,34
15.10.2020 „unter Vorbehalt“ 15.584,49
02.12.2020 Widmung 12.2020 „mit Vorbehalt“ 803,35
02.02.2021 „Betriebsk. Dez-Feb mit Vorbehalt“ 2.643,36
09.03.2021 „mit Vorbehalt Betriebsk.3Mon.“ 837,37
06.04.2021 „mit Vorbehalt Betriebskosten April“ 837,37
12.05.2021 „mit Vorbehalt“ 837,37
04.06.2021 „mit Vorbehalt Betriebskosten“ 837,37
13.07.2021 Widmung 7.2021 3.977,59
16.08.2021 Widmung 8.2021 632,11
28.10.2021 „mit Vorbehalt“ 3.977,59
25.04.2022 ungewidmet 2.800,00
24.06.2022 Widmung 6.2022 „unter Vorbehalt“ 3.911,88
24.08.2022 Widmung „April 22 unter Vorbehalt“ 1.111,88
24.08.2022 „Nov.21 aconto unter Vorbehalt“ 1.500,00
24.08.2022 Widmung „Mai 22 unter Vorbehalt“ 3.911,88
07.11.2022 Widmung 9.2022 „unter Vorbehalt“ 4.178,90
[9] Die Klägerin begehrte restlichen Mietzins für September 2021, November 2021 bis März 2022 und Zinsen für verspätet gezahlte Mietzinse von April bis Juni 2022 sowie die Feststellung, dass die drei von der Beklagten am 24. 8. 2022 gewidmet geleisteten Zahlungen nicht zurückzuzahlen seien (das ursprünglich erhobene, bereits vom Erstgericht abgewiesene Räumungsbegehren wurde nicht Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens). Die Klägerin brachte zusammengefasst vor, Zeiträume, in denen für das Bestandobjekt als Gastronomiebetrieb ein Betretungsverbot für Kunden bestanden habe, würden nicht geltend gemacht. Im Übrigen bestehe aber für den von der Beklagten im Bestandobjekt betriebenen Gastronomiebetrieb und Erotik‑Nachtclub kein Recht auf Mietzinsbefreiung.
[10] Die Beklagte wandte zusammengefasst ein, sie betreibe nicht einen normalen „Nachtclub“, sondern eine Party‑ und Clublocation mit abwechselnden DJs, Live‑Shows und vorwiegend elektronischer Tanzmusik sowie mit Rückzugsbereichen im oberen Stockwerk, wo Kunden sich zurückziehen und/oder ihrer Sexualität miteinander freien Lauf lassen könnten. Aufgrund dieses Konzepts als Swingerclub und der räumlichen Konfiguration sei ein „Gastronomiebetrieb“ im Sinne eines Restaurants oder eines Cafés nicht darstellbar. Die Verabreichung von Speisen sei nur im eingeschränkten Maß (Snacks) möglich, weil das Objekt nicht über eine richtige Küche verfüge. Darüber hinaus seien auch die Größe der Tische und die Anordnung der Sitzplätze nicht für die Verabreichung von Speisen geeignet; zudem sei der gesamte Gastraum abgedunkelt. Es handle sich um Nachtgastronomie, die aufgrund der gesetzlich angeordneten Restriktionen weitaus größeren und länger andauernden Einschränkungen unterlegen gewesen sei als die klassische Gastronomie. Die Saunabereiche würden darüber hinaus der Bäderordnung unterliegen und seien einem noch strengeren Sicherheitskonzept unterworfen gewesen. Das Bestandobjekt sei von 16. 3. 2020 bis Ende März 2022 für den vereinbarten Vertragszweck eines Swingerclubs nicht benützbar gewesen, sodass die Beklagte keinen bzw nur geminderten Mietzins geschuldet habe. Sie habe immer wieder Zahlungen teils unter Vorbehalt der Rückforderung geleistet; es bestehe kein Mietzinsrückstand.
[11] Das Erstgericht wies die Klage zur Gänze ab. Der Beklagten sei nicht nur zu Zeiten von Betretungsverboten, sondern auch aufgrund der sonst behördlich verordneten Einschränkungen (Beschränkung der Besuchergruppen, Abstandsregelungen, Pflicht zum Tragen eines Mund‑Nasen‑Schutzes, Vorverlegung der Sperrstunde) die dem vereinbarten Vertragszweck des Betriebs eines Swingerclubs entsprechende Benützung des Bestandobjekts nicht möglich gewesen. Im Zeitraum 16. 3. 2020 bis 14. 6. 2020, 21. 9. 2020 bis 30. 6. 2021 und 22. 11. 2021 bis 4. 3. 2022 sei daher die Beklagte von der Zahlung des Mietzinses gänzlich befreit gewesen. Im Zeitpunkt der Klagseinbringung am 24. 6. 2022 habe kein Mietzinsrückstand bestanden. Durch die Zahlungen vom 24. 8. 2022 gewidmet für April 2022 (1.111,88 EUR), für November 2021 (1.500 EUR) und Mai 2022 (3.911,88 EUR) seien Überzahlungen erfolgt; da sie unter Vorbehalt erfolgt seien, seien sie rückforderbar.
[12] Das von der Klägerin nur in Ansehung der Abweisung von Zahlungs‑ und Feststellungsbegehren angerufene Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, dessen Rechtsansicht es auch teilte. Es stehe unbekämpft fest, dass im Objekt seit Mietbeginn mit Wissen und Zustimmung der Vermieter ein Swingerclub betrieben werde; mit der Formulierung im Bestandvertrag, dass das Objekt als „Saunabetrieb mit Gastgewerbe, Solarium, Massage‑ und Fitnessstudio“ vermietet werde, sei der von Beginn des Bestandverhältnisses an vertraglich vereinbarte Vertragszweck lediglich euphemistisch umschrieben worden. Geschäftszweck des Betriebs eines Swingerclubs sei das Ermöglichen eines freizügigen sexuellen Miteinanders, was Körperkontakt abseits des eigenen Partners einschließe. Es sei davon auszugehen, dass Menschen nicht bereits in Gruppen den Swingerclub aufsuchten, sondern im Club Gleichgesinnte kennenlernen wollten, um dann in dessen Rückzugsbereichen ihre sexuellen Vorstellungen gemeinsam auszuleben. Der Vertragszweck könne nicht auf einen Bar‑ oder Saunabetrieb reduziert werden, nur weil sich aus von der Berufung selektiv herausgegriffenen Feststellungen ergäbe, dass sich in einem Teil des Bestandobjekts derartige Einrichtungen befänden. Dass die Rechtsprechung außerhalb der Zeiten eines Betretungsverbots keine Mietzinsminderungen gewähren würde, treffe so nicht zu. COVID‑19 sei eine Seuche, die zu den in § 1104 ABGB genannten Elementarereignissen zähle; die daraus resultierenden hoheitlichen Eingriffe (Betretungsverbote für bestimmte Geschäftslokale) hätten zur Folge, dass ein Bestandobjekt „gar nicht gebraucht oder genutzt“ werden könne. Sei hingegen die vertragsgemäße charakteristische Nutzung dadurch nur eingeschränkt, so komme es gemäß § 1105 ABGB zu einer Mietzinsminderung im Umfang der Gebrauchsbeeinträchtigung nach der relativen Berechnungsmethode; bei der Ermittlung des Restnutzens sei erforderlichenfalls § 273 ZPO anzuwenden. Die Beweislast für die eine Zinsminderung rechtfertigende mangelnde Brauchbarkeit des Bestandobjekts trage der Bestandnehmer. Die vom Bestandgeber zu tragende Preisgefahr ende dort, wo unternehmerische Entscheidungen des Bestandnehmers die Folgen bestimmen würden, weil dessen Entscheidungen außerhalb der Ingerenz des Bestandgebers lägen. Unter behördlichen Maßnahmen, mit denen Umsatzeinbußen als konkrete Folgen einer objektiven Einschränkung des vertraglich bedungenen Gebrauchs des Bestandobjekts einhergingen, seien nicht nur Betretungsverbote zu verstehen, sondern auch mit weniger gravierenden Folgen verbundene, aber ebenfalls durch die Pandemie verursachte behördliche Eingriffe wie Zutrittsbeschränkungen und die Anordnung von einzuhaltenden Mindestabständen, wenn sich solche behördliche Maßnahmen konkret und unmittelbar auf das Bestandobjekt auswirken würden. Die Judikatur verneine hingegen die Kausalität für Umsatzrückgänge bei Umständen und Maßnahmen, die unmittelbar nur das Verhalten potenzieller Kunden beeinflussten und sich nicht auf das konkrete Bestandobjekt bezögen, dessen Brauchbarkeit nicht unmittelbar beeinträchtigt sei, sodass sich damit ein Unternehmerrisiko verwirkliche.
[13] Die behördlich verfügten Betretungsverbote hätten sich auf die Zeiträume 16. 3. 2020 bis 15. 5. 2020, 3. 11. 2020 bis 19. 5. 2021 und 22. 11. 2021 bis 11. 12. 2021 erstreckt. Über diese Zeiträume hinaus habe das Erstgericht eine gänzliche Unbrauchbarkeit auch von 16. 5. 2020 bis 14. 6. 2020, von 21. 9. 2020 bis 2. 11. 2020, von 20. 5. 2021 bis 30. 6. 2021 und von 12. 12. 2021 bis 4. 3. 2022 angenommen. Zur Beurteilung der Brauchbarkeit bedürfe es der Differenzierung der einzelnen behördlich verhängten Maßnahmen nach dem jeweiligen Zeitraum:
[14] Ab 15. 5. 2020 hätten insbesondere die behördlich verordneten Abstandsregeln die dem Zweck eines Swingerclubs entsprechenden sexuellen Kontakte im Bestandobjekt verunmöglicht. Hinzu komme noch die in diesem Zeitraum verordnete Sperrstunde für das Bestandobjekt, in dem – unstrittig und auch aus den Feststellungen zu den vorpandemischen Kernöffnungszeiten ableitbar – ein Nachtlokal betrieben werde. Auch die behördlich verhängte Beschränkung auf eine Veranstaltung mit nicht mehr als zehn Personen lasse eine objektive Nutzbarkeit zum vereinbarten Vertragszweck gänzlich verneinen. Auch für den Zeitraum zwischen 21. 9. 2020 und 2. 11. 2020 habe neben anderen Einschränkungen eine behördlich verordnete Maßnahme auf Einhaltung eines Mindestabstands gegolten, woraus aus denselben Gründen wie zuvor erörtert Unbenützbarkeit folge. Zwischen 20. 5. 2021 und 30. 6. 2021 habe bis 9. 6. 2021 eine Sperrstunde von 22:00 Uhr und ab 10. 6. 2021 eine solche von 24:00 Uhr gegolten; auch in diesem Zeitraum habe es behördlich verhängte, Unbenützbarkeit verursachende Mindestabstände gegeben. Im Zeitraum nach der dritten Phase der behördlich verhängten Betretungsverbote ab dem 12. 12. 2021 bis 4. 3. 2022 sei die Nachtgastronomie bedingt durch die verhängten Sperrstunden noch geschlossen geblieben. Bis 21. 12. 2021 hätten Einschränkungen dahin bestanden, dass eine Sperrstunde um 23:00 Uhr und ab 22. 12. 2021 eine solche um 22:00 Uhr verordnet gewesen seien; die Öffnung der Nachtgastronomie sei erst mit 5. 3. 2022 erfolgt. Trotz des Umstands, dass in diesem Zeitraum keine behördlich verhängten Mindestabstände mehr bestanden hätten, habe ein als Nachtlokal geführter Swingerclub nicht ernsthaft betrieben werden können.
[15] Das Berufungsgericht sprach aus, dass sein Entscheidungsgegenstand 5.000 EUR, aber nicht 30.000 EUR übersteige und ließ die ordentliche Revision zu, weil sich der Oberste Gerichtshof noch nicht mit den Auswirkungen der behördlichen Einschränkungen auf Lokale der Nachtgastronomie bzw der Prostitution oder auf Swingerclubs beschäftigt habe.
[16] Mit ihrer ordentlichen Revision beantragt die Klägerin die Abänderung im gänzlich (erkennbar gemeint: noch verfahrensgegenständlichen) klagsstattgebenden Sinne; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[17] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
[18] Die Revision ist zur Verdeutlichung der Rechtslage zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[19] 1.1. Die behauptete Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes dadurch, dass das Berufungsgericht im Rahmen seiner rechtlichen Erwägungen auf eine „Wikipedia“‑Definition von „Swingerclubs“ Bezug genommen habe, liegt nicht vor: Schon das Erstgericht hat den wesentlichen Unternehmensgegenstand des hier vertragsgegenständlichen Swingerclubs dahin festgestellt, dass den Gästen – zusätzlich zu den näher beschriebenen Aufenthaltsräumlichkeiten im Souterrain mit Bar‑ und Loungebereich sowie Bar, Buffet und Küche, Tanzbereich, Garderoben, WC‑Anlagen und Duschen – 13 „Themenzimmer“ zur Ausübung zwischenmenschlicher (sexueller) Kontakte und Nähe und Körperkontakts sowie eines freizügigen sexuellen Miteinanders zur Verfügung gestellt werden; die Verabreichung von Speisen und Getränken ist nach den Feststellungen hingegen nicht Unternehmensgegenstand. Eine Erweiterung dieser unangefochten gebliebenen Tatsachenbasis ist den Ausführungen des Berufungsgerichts nicht zu unterstellen.
[20] 1.2. Eine Auslegung, wie sie die Revision erstmals vertritt, dass dieser Geschäftszweck auch bloß darin liegen könnte, dass sich „Gleichgesinnte“ im Swingerclub nur treffen und „zusammenkommen“, ohne dort auch sexuelle Kontakte zu pflegen, sondern diese allenfalls bloß anbahnen und dann in andere „private Bereiche“ wie etwa die eigene Wohnung verlegen, kann den dargelegten – für den Obersten Gerichtshof bindenden (vgl RS0043371 [T22, T24]; RS0069246 [T1]) – ausdrücklichen Feststellungen ebenfalls nicht entnommen werden. Die Klägerin hatte im Übrigen in zweiter Instanz gar keine Beweisrüge erhoben und diese Feststellungen in ihrer Berufung auch in genau dem oben bereits dargelegten Sinne verstanden, indem sie sich ausdrücklich etwa darauf bezog, dass der Beklagten im Rahmen einer an den behördlichen Maßnahmen angepassten Ausrichtung des Geschäftsbetriebs die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten zur Pflege zwischenmenschlicher (sexueller) Kontakte, insbesondere in den dreizehn Themenzimmern entgegen der Ansicht des Erstgerichts doch beispielsweise zu viert möglich gewesen wäre; dass die Klägerin dies nicht als Bezug auf die vertragsgegenstandsgemäße Ausübung sexueller Kontakte gemeint hätte, kann wohl nicht ernsthaft vertreten werden.
[21] 1.3. Auf die Frage, ob die Definition eines „Swingerclubs“ als notorisch nicht beweisbedürftig sei, kommt es angesichts der hinreichend klaren Feststellungen der Vorinstanzen nicht an.
[22] 1.4. Die behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens liegen somit nicht vor.
[23] 2.1. Zu den in § 1104 ABGB ausdrücklich genannten Elementarereignissen gehört die „Seuche“; COVID‑19 ist ein solcher Fall. Aus diesem Elementarereignis resultierende hoheitliche Eingriffe wie Betretungsverbote für bestimmte Geschäftslokale hatten zur Folge, dass diese Objekte „gar nicht gebraucht oder benutzt werden“ konnten (RS0133812). Wenn die in Bestand genommene Sache wegen eines außerordentlichen Zufalls gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann, so ist nach § 1104 ABGB kein Mietzins zu entrichten. Behält der Mieter trotz eines solchen Zufalls einen beschränkten Gebrauch des Mietstücks, so wird ihm gemäß § 1105 ABGB ein verhältnismäßiger Teil des Mietzinses erlassen.
[24] 2.2. Die Frage, ob (teilweise) Unbenützbarkeit des Bestandgegenstands vorliegt, ist nach dem Vertragszweck zu beurteilen. Die Bestandsache muss eine Verwendung zulassen, wie sie gewöhnlich nach dem Vertragszweck erforderlich ist und nach der Verkehrssitte erfolgt. Mangels anderer Vereinbarungen ist eine mittlere (durchschnittliche) Brauchbarkeit geschuldet (RS0021054; RS0020926). Für die Beurteilung ist daher in erster Linie die (ausdrückliche) Parteienvereinbarung bzw der dem Vertrag zugrundegelegte Geschäftszweck maßgeblich (RS0021044; 3 Ob 185/15z). Ist der bedungene Gebrauch des Bestandobjekts etwa durch Kundenverkehr gekennzeichnet, so kann ein Betretungsverbot aus Anlass der COVID‑19‑Pandemie zur (gänzlichen) Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts führen (vgl 1 Ob 181/22g Rz 24 ff mwN). Ist die vertragsgemäße charakteristische Nutzung hingegen nur eingeschränkt, so kommt es gemäß § 1105 ABGB zu einer Mietzinsminderung im nach der relativen Berechnungsmethode zu ermittelnden Umfang der Gebrauchsbeeinträchtigung; bei der Ermittlung des Restnutzens ist erforderlichenfalls § 273 ZPO anzuwenden (5 Ob 192/22d mwN). Ein Umsatzrückgang als solcher reicht dabei im Allgemeinen für sich allein nicht aus, um eine Mietzinsminderung zu begründen (vgl RS0119192; RS0117011).
[25] Unter behördlichen Maßnahmen, mit denen Umsatzeinbußen als „konkrete Folgen einer objektiven Einschränkung des vertraglich bedungenen Gebrauchs des Bestandobjekts“ einhergehen, sind grundsätzlich nicht nur Betretungsverbote zu verstehen, sondern auch mit weniger gravierenden Folgen verbundene (aber ebenfalls durch die Pandemie verursachte) behördliche Eingriffe, wie etwa Zutrittsbeschränkungen durch die Begrenzung der zulässigen Kundenzahl und die Anordnung von einzuhaltenden Mindestabständen. Demgegenüber wurden bislang – allerdings in Bezug auf den Besuch von Bekleidungsgeschäften – allfällige etwa maskenbedingte Unlustgefühle der Kunden deren individueller Sphäre zugeordnet, worauf die behördliche Maßnahme nur mittelbar Einfluss habe (vgl 4 Ob 221/22m; 10 Ob 46/22w; ähnlich 5 Ob 192/22d zu Abstandsregeln und Fitnessstudios).
[26] Ob gänzliche oder nur teilweise Unbrauchbarkeit vorliegt, ist somit – ausgehend vom vereinbarten Geschäftszweck – anhand eines objektiven Maßstabs zu beurteilen, wobei die Behauptungs‑ und Beweispflicht für die mangelnde Brauchbarkeit des Bestandobjekts, die eine Zinsminderung rechtfertigt, den Bestandnehmer trifft (RS0021416; 8 Ob 131/21d; 1 Ob 178/22s mwN; vgl 6 Ob 239/22y).
[27] 3.1. Bei Konsensualverträgen kommt der Vertrag so zustande, wie er von den Parteien übereinstimmend gewollt wurde („natürlicher Konsens“), sodass der sonst rechtlich erhebliche objektive Erklärungswert seine Bedeutung verliert und es nicht darauf ankommt, ob die erzielte Willensübereinstimmung auch einen hinreichend deutlichen Niederschlag in der Vertragsurkunde gefunden hat (vgl RS0017741).
[28] Soweit die Klägerin ihrer Rechtsrüge unter Hinweis auf die Mietvertragsformulierungen einen Vertragsinhalt und ‑zweck dahin zugrundelegen möchte, dass im Objekt nicht seit Mietbeginn mit Wissen und Zustimmung der Vermieter ein Swingerclub betrieben werde, so mag dies vielleicht (zumindest zum Teil) dem erstinstanzlichen Vorbringen der Klägerin entsprechen; sie entfernt sich damit jedoch von den unangefochten gebliebenen konträren Feststellungen und führt damit ihr Rechtsmittel insofern nicht gesetzmäßig aus.
[29] 3.2. Aus den Darlegungen zur zentralen Bedeutung des vereinbarten Vertragszwecks erhellt, dass die Erwägungen der Revision zur Frage, was unter einer „Branche“ zu verstehen sei, ins Leere gehen. Sie versucht damit, die Rechtsprechung – geradezu sinnwidrig – dahin umzudeuten, dass behördliche Maßnahmen, die unmittelbar eine gesamte Branche (also jeden Unternehmer aus einer Gruppe von Bestandnehmern mit im Kern gleichem in den jeweiligen Bestandverträgen vereinbartem Geschäftszweck) beträfen, im Ergebnis nie zu einer Mietzinsminderung führen könnten.
[30] Nach der Rechtsprechung sind jedoch Umsatzeinbußen, die sich auf behördliche Maßnahmen anlässlich der COVID‑19‑Pandemie zurückführen lassen, als konkrete Folgen einer objektiven Einschränkung des vertraglich bedungenen Gebrauchs zu berücksichtigen; dagegen sind nicht auf solche Einschränkungen rückführbare Umsatzeinbußen, die sämtliche Unternehmer wie (auch) den Mieter des Geschäftslokals treffen, dem Unternehmerrisiko zuzuordnen und keine Grundlage für eine allein darauf aufbauende Mietzinsminderung (vgl RS0020926 [T11, T12] = RS0021054 [T14, T15]; 9 Ob 84/21z; 10 Ob 46/22w; 5 Ob 192/22d; 5 Ob 88/23m).
[31] 3.3. Zu ihrer Ansicht nach außerhalb von Zeiten von Betretungsverboten bestehender Brauchbarkeit des Bestandobjekts bemüht die Revision eine Differenzierung zwischen Bordellen bzw Laufhäusern einerseits und Swingerclubs andererseits und meint, dass nur bei jenen gegen Bezahlung sexuelle Dienstleistungen angeboten würden, während es bei diesen „rein um das Kennenlernen und Anbahnen von Kontakten mit Gleichgesinnten, losgelöst von dem Umstand, dass die sexuelle Handlung in den Rückzugsbereichen dann auch tatsächlich vollzogen wird“, gehe; das Verabreichen und Konsumieren von Getränken und Speisen sei dabei von erheblicher Bedeutung.
[32] Dass dies mit den Feststellungen zum Geschäfts‑ und Vertragsgegenstand nicht vereinbar ist, wurde oben zu Pkt 1.2. bereits ausgeführt. Zudem übergeht die Revision damit die Feststellung, dass die behördlich verordneten Einschränkungen (Abstandsregelung, Maskenpflicht, Vorverlegung der Sperrstunde, Verabreichung von Speisen und Getränken nur an den Tischen) eine dem Verwendungszweck entsprechende sinnvolle Nutzung des Objekts als Swingerclub nicht möglich machten. Dies steht auch mit den Feststellungen zu den den mietvertraglich vereinbarten Zweck bildenden sexuellen Aktivitäten im Swingerclub im Einklang.
[33] 3.4. Die Revision geht auf die von den Vorinstanzen differenzierte Periodenbetrachtung in Ansehung der jeweils verordneten Einschränkungen nicht systematisch ein.
[34] Zur Verdeutlichung ist es daher ausreichend, zum Einen darauf hinzuweisen, dass der Senat die Überlegungen der Vorinstanzen zur Unbrauchbarkeit wegen des Bestehens von Abstandsregelungen im Hinblick auf die zum vertraglichen Nutzungszweck gehörende körperliche und auch sexuelle Nähe teilt (§ 500a ZPO).
[35] Soweit zum Anderen der Zeitraum ab 12. 12. 2021 bis 4. 3. 2022 betrachtet wird, so ändert das Fehlen von verordneten Mindestabständen an der Richtigkeit der Einschätzung der Vorinstanzen dennoch nichts. Zufolge § 5 4. COVID‑19‑MV, BGBl II 2022/34 (aufgehoben durch § 13 Abs 2 der ab 5. 3. 2022 geltenden COVID‑19‑BMV, BGBl II 2022/86), hatten Kunden beim Betreten und Befahren des Kundenbereichs von Betriebsstätten sowie der Verbindungsbauwerke baulich verbundener Betriebsstätten (zB Einkaufszentren, Markthallen) in geschlossenen Räumen eine FFP2‑Maske zu tragen; dasselbe galt nach § 9 Abs 2 4. COVID‑19‑MV für Kunden von Freizeiteinrichtungen (worunter im Übrigen nach § 9 Abs 1 Z 6 4. COVID‑19‑MV auch Einrichtungen zur Ausübung der Prostitution zählten; vgl schon § 9 Abs 2 COVID‑19‑ÖV, BGBl II 2021/214) sowie nach § 6 Abs 1 und Abs 4 4. COVID‑19‑MV auch für Kunden in Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe, die Masken nur während des Verweilens am Verabreichungsplatz von Speisen und Getränken abnehmen durften.
[36] Der Senat sieht die von der Rechtsprechung für den Besuch von Bekleidungsgeschäften angestellten Überlegungen (wonach maskenbedingte Unlustgefühle der Kunden keine Auswirkungen auf die bestandvertragsgemäße Brauchbarkeit hätten, weil es sich um einen die Allgemeinheit treffenden staatlichen Eingriff handle – vgl 5 Ob 192/22d mwN), in der hier zu beurteilenden Vertragskonstellation nicht als einschlägig an. Ausgehend vom vereinbarten Vertragszweck ist bei lebensnaher Betrachtung im Zeitraum ab 12. 12. 2021 bis 4. 3. 2022 auch ohne verordneten Mindestabstand die Nutzung des Bestandobjekts in einem Kernbereich der Anbahnung und Ausübung ungezwungener – privater und nicht kommerzieller – sexueller Begegnungen Fremder auch durch die Verpflichtung zum Tragen von FFP2‑Masken nicht möglich gewesen; ob dies auch für einen kommerziellen Prostitutionsbetrieb (Bordell, Laufhaus) ebenso gültig wäre, muss hier nicht beurteilt werden.
[37] 3.5. Auf die Ausführungen der Revision zur Frage der Auslastung kommt es daher ebenso wenig an wie auf solche zur Anpassung des Geschäftsmodells (wobei ähnliche Ausführungen der Klägerin in ihrer Berufung schon vom Berufungsgericht als unsubstanziiert und daher nicht stichhältig erachtet worden sind) oder zur Umstellung auf – nicht näher erläuterte – „Slot‑Buchungen“. Dasselbe gilt für die in der Revision erstmals kurz angedeuteten Überlegungen, die Beklagte hätte ihre Öffnungszeiten vorverlegen können, womit nur die Frage der letztlich nicht ausschlaggebenden – im Lichte der festgestellten Öffnungszeiten des Betriebs der Beklagten an sich unbedenklichen, hier jedoch nicht abschließend zu beurteilenden – Einordnung als Nachtgastronomie angesprochen wird.
[38] 4. Der Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die COVID‑19‑bedingten behördlichen Maßnahmen abseits von Betretungsverboten in den hier zum Gegenstand der Klage gemachten Zinsperioden grundsätzlich solche sind, die die vertragsgemäße Nutzung des Bestandobjekts zur Gänze verhinderten, ist somit – zum Teil im Ergebnis – zuzustimmen. Der Revision der Klägerin war daher nicht Folge zu geben.
[39] 5. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO.
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