European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00138.15W.0811.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die minderjährige V***** S***** wohnt bei ihrer Mutter in Wien, der mit Beschluss des Erstgerichts vom 29. 3. 2005 die alleinige Obsorge übertragen wurde. Der Vater ist aufgrund des erstgerichtlichen Beschlusses vom 10. 4. 2006 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 50 EUR verpflichtet, wobei der Unterhaltsbetrag im Zeitraum Juli bis November 2011 185 EUR betrug.
Das Erstgericht erhöhte auf Antrag der Minderjährigen, wonach der Vater als Hilfsarbeiter mindestens 1.000 EUR netto monatlich inklusive anteilige Sonderzahlungen verdienen könnte, die monatliche Unterhaltspflicht des Vaters ab 1. 12. 2014 auf 200 EUR. Der sonst nicht sorgepflichtige Vater habe sich zum Erhöhungsantrag nicht geäußert, weshalb nach § 17 AußStrG davon ausgegangen werden könne, dass er keine Einwendungen gegen eine beabsichtigte Entscheidung auf der Grundlage der Behauptungen des Kindes habe.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nachträglich zu, weil es „unter Berücksichtigung des bisherigen Akteninhalts auch möglich ist, den Sachverhalt im Sinne einer Abweisung des Unterhaltserhöhungsbegehrens zu beurteilen“.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Vaters ist entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) ‑ Ausspruch des Rekursgerichts mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
1. Die Säumnisvorschrift des § 17 AußStrG findet ganz allgemein im Bereich des Außerstreitgesetzes Anwendung (RIS‑Justiz RS0120657; Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 17 Rz 31). Nach einhelliger Rechtsprechung ist § 17 AußStrG auch im Verfahren über den Unterhalt anzuwenden (vgl zuletzt 1 Ob 238/14b mwN).
2. Die Vorinstanzen haben das nach § 17 AußStrG maßgebliche Tatsachensubstrat des schlüssigen Antrags, wonach dem arbeitslosen Vater ein künftiges monatliches Einkommen als Hilfsarbeiter von 1.000 EUR möglich sei, ihrer rechtlichen Beurteilung zugrundegelegt. Der Vater habe aktenkundig 2004 1.130 EUR netto monatlich und 2011 1.303 EUR netto monatlich inklusive Sonderzahlungen erzielt.
2.1 Der Revisionsrekurswerber bezweifelt hier auch nicht die Anwendbarkeit des § 17 AußStrG, sondern führt aus, dass es ihm wegen der derzeitigen wirtschaftlichen Lage aufgrund seiner mangelnden Ausbildung und seiner ausländischen Herkunft sehr schwierig sei, eine Arbeitsstelle zu bekommen. Eine Anspannung sei daher ausgeschlossen. Damit versucht der Revisionsrekurswerber unzulässigerweise (RIS‑Justiz RS0120657; Gitschthaler / Höllwerth , AußStrG § 17 Rz 98) die Säumnisfolgen nach § 17 AußStrG durch vom erstinstanzlichen Vorbringen des Kindes abweichende Neuerungen zu umgehen. Die Rechtsrüge vermag schon deshalb keine korrekturbedürftige Fehlentscheidung aufzuzeigen.
2.2 Die von den Vorinstanzen an den Antragsinhalt anknüpfende rechtliche Beurteilung, wonach der sonst nicht sorgepflichtige Vater zur monatlichen Zahlung eines Unterhaltsbetrags von 200 EUR zu verpflichten sei, begegnet vielmehr keinen Bedenken und wird im Rechtsmittel auch nicht hinterfragt. Die damit verbundenen Rechtsfragen über die mögliche Leistungsfähigkeit des Vaters, seine Anspannung und sonstige Fragen zur Unterhaltsbemessung sind stark vom Einzelfall geprägt (vgl RIS‑Justiz RS0053263; RS0113751; RS0007096 [T4, T5, T7]), weshalb die Zulässigkeit des Rechtsmittels darauf nicht gestützt werden kann.
3.1 Ungeachtet des Vorliegens der Anwendungsvoraussetzungen des § 17 AußStrG darf ein Tatsachenzugeständnis nach der Rechtsprechung dann nicht angenommen werden, wenn entweder das Kindeswohl eine amtswegige Aufklärung und Erhebung der Entscheidungsgrundlagen erfordert, der Akteninhalt gegen die Richtigkeit des Vorbringens des Antragstellers spricht oder aus besonderen Gründen anzunehmen ist, dass der Antragsgegner dem Antrag ungeachtet seines Schweigens entgegentrete (RIS‑Justiz RS0006941 [T7]; RS0006783 [T3]; Höllwerth aaO AußStrG § 17 Rz 85 ff). Unterbleiben ‑ entgegen § 16 Abs 1 AußStrG ‑ amtswegige Erhebungen, obwohl sie wegen des Vorliegens (einer) dieser Voraussetzungen durch das Erstgericht vorgenommen werden hätten müssen, begründet dies einen Mangel des Verfahrens erster Instanz (5 Ob 71/13x; 1 Ob 238/14b).
3.2 Der Vater hat in seinem Rekurs einen derartigen Mangel nicht gerügt. Vom Rekursgericht wurde ausdrücklich festgehalten, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des § 17 AußStrG vorlagen. Ebensowenig wie ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens bildet auch ein im Rekurs nicht geltend gemachter Mangel grundsätzlich auch im Verfahren außer Streitsachen keinen Revisionsrekursgrund (RIS‑Justiz RS0050037 [insb T13] ua). Allfällige fehlende Erhebungen des Erstgerichts können daher im drittinstanzlichen Verfahren nicht geprüft werden. Die davon bei Vorliegen besonderer Umstände aus Gründen des Kindeswohls auch im Verfahren über den Unterhalt minderjähriger Kinder mögliche Ausnahme (vgl RIS‑Justiz RS0030748 [T4]) kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil der Vater eine Reduzierung seiner Unterhaltspflicht anstrebt.
3.3 Eine dem Rekursgericht selbst unterlaufene Aktenwidrigkeit oder Mängel des zweitinstanzlichen Verfahrens macht der Revisionsrekurs nicht geltend (vgl Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 17 Rz 105).
4. Auch das Rekursgericht zeigt in seiner Entscheidung über die Zulassungsvorstellung keine erhebliche Rechtsfrage auf. Aus einem Gutachten aus dem Jahr 2012 gehe hervor, dass es dem Vater ab diesem Jahr nur möglich gewesen sei, eine Teilzeitstelle anzunehmen. Das damit in den Raum gestellte Übersehen eines allfälligen Widerspruchs der Antragsbehauptungen aus dem Dezember 2014 mit dem Akteninhalt könnte allenfalls eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens begründen, die ‑ wie aufgezeigt ‑ im drittinstanzlichen Verfahren aber nicht mehr aufgegriffen werden kann.
5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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