OGH 4Ob106/21y

OGH4Ob106/21y27.7.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätin Dr. Kodek sowie Hofrat MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, Wien 4, Prinz-Eugen-Straße 20–22, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei E*gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Schaffer Sternad Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 30.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 4.400 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Februar 2021, GZ 2 R 61/20k‑14, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27. April 2020, GZ 43 Cg 23/19h‑8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132506

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.197,80 EUR (darin 366,30 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die nach § 29 KSchG zur Unterlassungsklage berechtigte klagende Kammer wendet sich gegen mehrere Klauseln, die die Beklagte als unternehmerische Bestandgeberin im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern verwendet.

[2] Das Berufungsgericht erachtete (für das drittinstanzliche Verfahren noch von Relevanz) die Klauseln 8, 9, 11 und 35 wegen Intransparenz (§ 6 Abs 3 KSchG), aber auch nach § 879 Abs 3 ABGB als unwirksam. Die Klausel 46 verstoße gegen § 6 Abs 1 Z 2 KSchG.

[3] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Klauseln für eine größere Anzahl von Verbrauchern bestimmt und von Bedeutung seien.

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Die Revision der Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Rechtsmittel wird eine solche Rechtsfrage ausgeführt.

[5] 2. Der Oberste Gerichtshof ist zur Auslegung von AGB-Klauseln nicht „jedenfalls“, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtete oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind (RIS‑Justiz RS0121516). Demnach genügt für die Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs nicht schon der Umstand, dass es an einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu gleichen oder ähnlichen Klauseln mangelt (RS0121516 [T4]). Der Umstand allein, dass im konkreten Fall mehrere Vertragspartner Verträge mit der beklagten Partei abgeschlossen haben, die gleichartige (oder ähnliche) Klauseln enthalten, bewirkt nicht das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0042816 [T1]).

[6] 3. Selbst wenn das Berufungsgericht aussprach, die ordentliche Revision sei zulässig, das Rechtsmittel aber dann nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist die Revision trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RS0102059).

[7] 4. Die Beklagte wirft folgende drei Themenkreise ausdrücklich als erhebliche Rechtsfrage auf:

[8] 4.1 Es stelle sich die Frage, ob es im Teilanwendungsbereich des MRG tatsächlich gröblich benachteiligend iSv § 879 Abs 3 ABGB sei, wenn mit einer Klausel vereinbart werde, dass bestimmte Versicherungsprämien Teil der vom Mieter geschuldeten Betriebskosten sind.

[9] 4.2 Eine weitere erhebliche Rechtsfrage liege darin begründet, ob die Vereinbarung, dass Wohnungen vertragsmäßig zu Wohnzwecken vermietet werden, sowohl iSd § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend als auch iSd § 6 Abs 3 KSchG intransparent sei.

[10] 4.3 Schließlich sei es eine erhebliche Rechtsfrage, den Bereich der (unzulässigen) geltungserhaltenden Reduktion einer Klausel von der Frage abzugrenzen, ob ein Inhalt von bestimmten AGB rechtlich als „Zusammenziehung“ mehrerer Klauseln zu werten sei, sodass die bloße Rechtswidrigkeit eines Teils dieses Vertragspunkts nicht auch den restlichen Teil dieses Vertragspunkts mit Unzulässigkeit seiner Verwendung gleichsam „infiziert“; dies mit der Konsequenz, dass der fragliche Vertragspunkt bezüglich seiner rechtlichen Beurteilung eben zu „teilen“ sei und dann gegebenenfalls auch nur ein teilweiser Unterlassungsanspruch der Klägerin bestehe.

[11] 5. Wie nachfolgend auszuführen sein wird, sind die von der Beklagten als erheblich angesehenen Rechtsfragen zu 4.1 und 4.3 in casu nicht relevant, ihnen kommt daher nur theoretische Bedeutung zu. Die Anrufung des Obersten Gerichtshofs ist aber nach § 502 Abs 1 ZPO nur zulässig, wenn die Entscheidung gerade von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, die angeschnittene Rechtsfrage also für die Entscheidung präjudiziell ist (RS0088931). Fehlende Relevanz für die Entscheidung des zu beurteilenden Falls schließt aber das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage aus. Letzteres gilt auch für die Frage zu 4.2, weil dazu keine gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge vorliegt.

[12] 6.1 Die unter 4.1 referierte Zulassungsfrage tangiert im weiteren Sinne die die Betriebskosten betreffenden Klauseln 8, 9 und 11, die wie folgt lauten:

Klausel 8:

Der Mieter hat – zuzüglich zu dem in Punkt III) vereinbarten Nettomietzins – auch sämtliche mit dem Betrieb des Gebäudes und des Mietgegenstandes verbundenen Betriebskosten, öffentlichen Abgaben und Verwaltungskosten anteilig zu tragen, soweit diese nicht durch Verbrauchszähler eindeutig zurechenbar vollständig von ihm zu tragen sind.

 

Klausel 9:

Zu den Betriebskosten und öffentlichen Abgaben zählen jedenfalls die in den §§ 2124 MRG normierten Positionen, sowie sämtliche Kosten, die mit dem Betrieb, der Pflege, Wartung, Instandhaltung und Verwaltung des Objektes verbunden sind, das sind:

a) sämtliche die Liegenschaft und/oder Gebäude betreffenden öffentliche Abgaben (z.B. Grundsteuer, Wasser- und Kanalgebühren), die aufgrund des Eigentums an der Liegenschaft und/oder Gebäude kraft Gesetzes, Verordnung oder gesetzlicher Verfügung an den Grund- oder Gebäudeeigentümer zur Vorschreibung gelangen;

b) Kosten für die Versicherungen betreffend die Allgemeinflächen (Gebäudehaftpflicht, Feuer, Sturm, Leitungswasser [inklusive Korrosion und Verstopfung], Dachabwässer, Vandalismus, Glasbruch, Steinschlag);

c) Kosten für Wartung, Instandhaltung, Reparatur, Strom, TÜV-Überprüfung, Störungsbehebung (Verschleißteile) des Lifts;

d) Kosten für Wartung, Instandhaltung, Reparatur, Strom, Störungsbehebung (Verschleißteile) der Beleuchtung der Außenanlagen und Allgemeinflächen;

e) Kosten für Wartung, Instandhaltung, Reparatur, Reinigung (inklusive Streuung z.B. durch Split und Schneeräumung, Dachabschöpfung des Schnees bei starken Wintern) der Außenanlagen und Allgemeinflächen, wie z.B. Zufahrten, Parkplätze, udgl;

f) Kosten für Betreuung der Grünanlagen und Bepflanzungen (inklusive Rasenpflege, Baumschneidarbeiten, Entlaubung usw.);

g) Kosten für Wartung, Instandhaltung, Reparatur, Strom, Eichung, TÜV-Überprüfung, Störungsbehebung (Verschleißteile) der technischen Anlagen und Einrichtungen(= sämtliche Haustechnikanlagen, Außenjalousien und sonstige Gemeinschaftsanlagen, wie z.B. Lift, Heizungs- und Warmwasserversorgungs- und Enthärtungsanlagen, Abwasser-entsorgungsanlagen, Lüftungsanlagen, Brandmeldeeinrichtungen, Brandrauchentlüftung, Feuerlöscher, CO-Warnanlage, Garagentor, Stapelparkeranlage, Schrankenanlage, Video-überwachung, Gegensprechanlage, Blitzschutz, Haus-SAT-Anlage und Telekabel, Waschküche, Garagentore, Brandschutztüren, Brandschutztore udgl.,

h) Kosten der Schädlingsbekämpfung; Rauchfangkehrer, Kanalräumer;

i) Kosten der jeweiligen An- und Abmeldung von Zählern für die Verbrauchsmessung und die Strombezugs-berechtigung gemäß den öffentlichen Tarifen des E-Werkes;

j) Allfällige Bewachungskosten; (Der Mieter nimmt zur Kenntnis, dass eine gesonderte Bewachung derzeit nicht vorgesehen ist. Sollte aus sicherheitstechnischen Gründen eine gesonderte Bewachung erforderlich werden, nimmt der Mieter zur Kenntnis, dass auch diese Kosten im Rahmen der Betriebs- und Nebenkosten anteilsmäßig von ihm zu übernehmen sind.)

k) Kosten für die Beseitigung von Beschädigungen von Einfriedungszäunen, Einfahrtstoren, Lichtmasten und zugehöriger technischer Geräte, sowie der Werbeanlagen und Fahnenmasten;

l) Kosten für die Beseitigung von Vandalismusschäden oder Verschmutzungen durch Spraymalereien;

m) Kosten für Schmutzmattentausch;

n) Kosten für Müllabfuhr und Abfallbeseitigung auf Allgemeinflächen;

o) Kosten für einen allfälligen Austausch der Schließanlage bei Einbruch oder Zerstörung durch Unbekannte;

p) Kosten der laufenden Gebäudebetreuung (Gebäudewart/technische Objektbetreuung, Rufbereitschaft) und der Verwaltung;

q) Kosten für Kinderspielplätze (Sand-/Gerätetausch, Kinderspielgerätewartung, TÜV-Überprüfung, Störungsbehebung [Verschleißteile]).

 

Klausel 11:

Der Mieter stimmt dem Abschluss, der Erneuerung, der Erweiterung und/oder der Änderung von Verträgen über die angemessene Versicherung des Hauses gemäß vorstehendem Absatz 2 lit. b) zu bzw. tritt den bestehenden Vereinbarungen bei.

 

[13] 6.2 Nach der Entscheidung des Berufungsgerichts verstoßen die Klauseln 8, 9 und 11 gegen das Transparenzgebot (§ 6 Abs 3 KSchG). Das Erstgericht bejahte die Intransparenz bei den Klauseln 8 und 9.

[14] 6.3 Gemäß § 6 Abs 3 KSchG ist eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Das Transparenzgebot soll es dem Kunden ermöglichen, sich aus den AGB oder Vertragsbestandteilen zuverlässig über seine Rechte und Pflichten bei der Vertragsabwicklung zu informieren (RS0115217 [T41]). Das Transparenzgebot begnügt sich nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher durchschaubar sind (RS0122169 [T2]). Damit sollen auch Klauseln beseitigt werden, die den Verbraucher – durch ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild über seine vertragliche Position – von der Durchsetzung seiner Rechte abhalten oder ihm in unberechtigter Weise Pflichten auferlegen sollen (RS0115217 [T8]; RS0121951 [T4]). Aus dem Transparenzgebot kann eine Pflicht zur Vollständigkeit folgen, wenn die Auswirkungen einer Klausel für den Kunden andernfalls unklar bleiben (RS0115219). Einzelwirkungen des Transparenzgebots sind demnach das Gebot der Erkennbarkeit und Verständlichkeit, das Gebot, den anderen Vertragsteil auf bestimmte Rechtsfolgen hinzuweisen, das Bestimmtheitsgebot, das Gebot der Differenzierung, das Richtigkeitsgebot und das Gebot der Vollständigkeit (RS0115217 [T12]; RS0115219 [T12]). Maßstab für die Transparenz ist das Verständnis des für die jeweilige Vertragsart typischen Durchschnittskunden (RS0126158).

[15] 6.4 Der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Klauseln 8, 9 und 11 (auch) gegen das Transparenzgebot verstoßen, entspricht der aufgezeigten Rechtsprechung und bedarf keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.

[16] 6.4.1 Bezüglich der Klausel 8 und 9 vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, dass der Verbraucher wegen der weiten und wenig konkreten Formulierung in Klausel 8 nicht abschätzen könne, welche „Betriebskosten, öffentliche Abgaben und Verwaltungskosten“ mit der Liegenschaft anfallen und welche Belastung für ihn daraus resultiere, zumal in Klausel 9 die in §§ 21 bis 24 MRG genannten Positionen nicht taxativ genannt würden (arg „zählen jedenfalls“). Das Berufungsgericht wies darauf hin, dass es eine gesetzliche Festlegung der Aufwände, die als Betriebskosten anzusehen seien, nur im Vollanwendungsbereich des MRG gebe, nicht aber auch im Teilanwendungsbereich, aus dem die Klauseln stammten. Diese Rechtsansicht wendet die aufgezeigten (allgemeinen) Grundsätze der Rechtsprechung richtig an. Sie korrespondiert auch mit Entscheidungen zu vergleichbaren Klauseln im Zusammenhang mit der Definition der Betriebskosten (7 Ob 78/06f [Klausel 8] und 2 Ob 215/10x [Klauseln 8 und 9]), bei denen der Oberste Gerichtshof ebenfalls von Intransparenz ausgegangen ist, wenn für den Mieter nicht absehbar ist, welche Kosten als „Betriebskosten“ allenfalls auf ihn zukommen.

[17] Auch die vom Berufungsgericht erkennbar gebilligte Ansicht des Erstgerichts, dass sich die Beklagte in den AGB im Zusammenhang mit den Betriebskosten einer unterschiedlichen Terminologie bediente („Gebäude und Mietgegenstand“ in Klausel 8 bzw „Objekt“ in Klausel 9) und auch deshalb Intransparenz vorliege, wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf. Das wird auch durch den Umstand verstärkt, dass die Kosten in der Klausel 8 (nur) an den „Betrieb“, in der Klausel 9 aber (auch) an „Betrieb, Pflege, Wartung, Instandhaltung und Verwaltung“ geknüpft werden.

[18] 6.4.2 Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Intransparenz der Klausel 11 finden in der Judikatur Deckung. Die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht, aufgrund der Nichterwähnung des Umstands, dass mit der in der Klausel erwähnten Zustimmung eine mögliche Kostenerhöhung verbunden sei, sodass der Mieter über die Tragweite seiner Einwilligung im Unklaren gelassen werde, folgt gesicherter Rechtsprechung und deckt sich insbesondere mit der Entscheidung 1 Ob 241/06g, bei der eine ähnliche Klausel („Der Mieter stimmt dem Abschluss, der Erneuerung oder der Änderung von Verträgen über die angemessene Versicherung des Hauses gegen Glasbruch-, Sturmschäden ... zu bzw tritt den bestehenden Vereinbarungen bei.“) im Vollanwendungsbereich des MRG als intransparent qualifiziert wurde. Zum selben Ergebnis gelangte der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 6 Ob 81/09v (Teilanwendungsbereich des MRG) und 5 Ob 64/10p (vgl RS0122134).

[19] 6.5 Der Verstoß gegen dasTransparenzgebot bei jenen Klauseln, die die Betriebskosten betreffen, wurde vom Berufungsgericht im Sinne der bisherigen Judikatur vertretbar bejaht, weshalb eine Korrektur der Entscheidung in diesem Umfang schon deshalb ausscheidet. Es ist daher irrelevant, ob die Klauseln auch gegen § 879 Abs 3 ABGB verstoßen. Damit kommt es auf die in der Revision im Zusammenhang mit § 879 Abs 3 ABGB aufgeworfenen Fragen (Punkt 4.1) nicht mehr an, sodass die Zulässigkeit des Rechtsmittels mangels Relevanz darauf nicht gestützt werden kann.

[20] 7. Die Beklagte erachtet es als unproblematisch, dass im Teilanwendungsbereich des MRG Wohnungen vertragsgemäß „zu Wohnzwecken“ vermietet werden. Mit ihren Ausführungen (vgl auch oben Punkt 4.2) bezieht sie sich auf die Klausel 35, die das Berufungsgericht ebenfalls als intransparent qualifizierte.

[21] 7.1 Die Klausel lautet:

Klausel 35:

Der Mietgegenstand darf nur zu Wohnzwecken benützt werden.

 

[22] 7.2 Die Rechtsrüge der Beklagten ist in diesem Punkt nicht gesetzmäßig ausgeführt und kann schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage zur vom Berufungsgericht bejahten Intransparenz aufzeigen. Den Rechtsausführungen der Beklagten liegt nicht der vollständige Wortlaut der Klausel 35 zugrunde. Es sei nach ihrer Ansicht unerfindlich, warum die Klausel: „Der Mietgegenstand darf zu Wohnzwecken benützt werden.“ unzulässig bzw intransparent sein soll.

[23] Die Rechtsrüge ist damit nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt, weil sie nicht von der konkreten Entscheidungsgrundlage des Berufungsgerichts ausgeht (RS0043603 [T2, T8]) und sich die Beklagte auch nicht mit der tragenden Begründung des Berufungsgerichts (RS0043603 [T16]) auseinandersetzt.

[24] 8.1 Die unter Punkt 4.3 referierte Rechtsfrage bezieht sich erkennbar nur auf die Klauseln 8 und 9, zumal das Rechtsmittel zu den anderen noch verfahrensgegenständlichen Klauseln nicht vertritt, dass sich dort der rechtswidrige Teil vom nicht rechtswidrigen Teil (im Sinne eines „blue pencil Tests“; zu diesem Begriff siehe Geroldinger, Klauselbegriff und „blue pencil test“ in der AGB‑Rechtsprechung, ALJ 2/2015, 196, 200) trennen ließe. Schließlich führt die Beklagte im Zusammenhang mit der von ihr vertretenen „Restwirksamkeit“ des Klauselwerks („geltungserhaltende Teilung“ eines Vertragspunkts) auch nur die Klauseln 8 und 9 an, und zwar sowohl bei der Zulässigkeitsfrage, als auch bei der inhaltlichen Ausführung ihres Rechtsmittels und bei der Anregung auf Einholung einer Vorabentscheidung beim EuGH am Ende ihres Rechtsmittels.

[25] 8.2 Oben wurde aber bereits ausgeführt, dass das Berufungsgericht diese Klauseln vertretbar als intransparent qualifiziert hat, sodass eine inhaltliche Korrektur der Entscheidung ausscheidet. Die Intransparenz umfasst wegen des unklaren Regelungsinhalts jedenfalls die gesamten Klauseln; eine Teilung im Sinne des Rechtsmittels in einen zulässigen und einen unzulässigen Teil muss daher schon im Ansatz scheitern. Damit stellen sich auch hier die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen nicht, sodass keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt.

[26] 9. Im Übrigen lässt sich auch (über die in Punkt 4 referierten Themen hinaus) aus dem sonstigen Inhalt des Rechtsmittels keine erhebliche Rechtsfrage ableiten.

[27] 9.1.1 Das betrifft die Ausführungen zur Klausel 46, die wie folgt lautet:

Klausel 46:

Änderungen/Ergänzungen der Hausordnung werden wirksam, wenn die Vermieterin dem Mieter diese Änderungen/Ergänzungen, die dem Mieter zumutbar sein müssen, insbesondere, weil sie geringfügig oder sachlich gerechtfertigt sind, schriftlich mitteilt und der Mieter dazu binnen 4 Wochen keinen Widerspruch erhebt.

 

[28] 9.1.2 Die vom Berufungsgericht bejahte Unzulässigkeit der Klausel 46 kann sich auf den eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs 1 Z 2 KSchG berufen, sodass schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt (RS0042656). Nach dieser Bestimmung sind nämlich Vertragsbestimmungen nicht verbindlich, nach denen ein bestimmtes Verhalten des Verbrauchers als Abgabe oder Nichtabgabe einer Erklärung gilt, es sei denn, der Verbraucher wird bei Beginn der hiefür vorgesehenen Frist auf die Bedeutung seines Verhaltens besonders hingewiesen und hat zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eine angemessene Frist. Das Berufungsgericht ist jedenfalls vertretbar davon ausgegangen, die Klausel (allein) sehe nicht vor, dass der Verbraucher auf die Erklärungsbedeutung seines Verhaltens besonders hingewiesen wird, was auch von der Beklagten unter Hinweis auf ihre nachträgliche „Anmerkung“ bei ihrer modifizierten Unterlassungserklärung (siehe dazu 9.2.3) in ihrer Klagebeantwortung eingeräumt wurde.

[29] 9.2 Auch die (nur die Klauseln 8, 9 und 46 betreffenden) Ausführungen zur Wiederholungsgefahr werfen jedenfalls keine Rechtsfrage in der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[30] 9.2.1 Nach ständiger Rechtsprechung beseitigt nur die vollständige Unterwerfung unter den Anspruch einer gemäß § 29 KSchG klageberechtigten Einrichtung die Wiederholungsgefahr (RS0111637; RS0119007 [T1, T10, T14]; 6 Ob 24/11i [verstärkter Senat]). In der Unterlassungserklärung dürfen weder Einschränkungen noch Bedingungen angeführt sein (2 Ob 153/08a; 6 Ob 81/09v). Fügt der Verwender von AGB seiner nach Abmahnung gemäß § 28 Abs 2 KSchG abgegebenen Unterlassungserklärung neu formulierte Ersatzklauseln mit dem Bemerken bei, diese seien von der Unterlassungserklärung ausgenommen, liegt keine vollständige Unterwerfung unter den Anspruch einer gemäß § 29 KSchG klageberechtigten Einrichtung vor. Die Wiederholungsgefahr wird nicht beseitigt (RS0125395). Eine zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr geeignete Unterlassungserklärung liegt auch dann nicht vor, wenn die Unterlassungserklärung mit der Ankündigung verknüpft wird, die „konsumentenschutzrechtlich unbedenklichen“ Teile der beanstandeten Klauseln in deren künftigen Neufassung weiter zu verwenden, obgleich der mit der Abmahnung vorprozessual geltend gemachte Unterlassungsanspruch die davon umfassten Klauseln in ihrem gesamten Wortlaut und nicht bloß in einzelnen Worten oder Textteilen betraf (RS0125395 [T1]).

[31] 9.2.2 Die Beklagte verpflichtete sich gegenüber der Klägerin hinsichtlich der Klauseln 8 und 9 nur eingeschränkt zur Unterlassung bestimmter Teile der Klauseln. Die restlichen Teile wurden aus der Erklärung „gestrichen“ und sollten aufrecht bleiben. Wenn die Vorinstanzen aufgrund dieser Vorgangsweise davon ausgegangen sind, dass die Wiederholungsgefahr nach wie vor besteht, entspricht dies der referierten Rechtsprechung bei Klauselprozessen und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[32] 9.2.3 Entsprechendes gilt für die Klausel 46. Zu dieser Klausel gab die Beklagte die Unterlassungserklärung nach einer handschriftlich beigefügten „Anmerkung“ nur mit der Maßgabe ab, dass sie sich gegenüber der Klägerin unter Vereinbarung einer Konventionalstrafe von 700 EUR je Verstoß dazu verpflichte, sich bei bestehenden Verträgen nur insoweit auf die Klausel zu berufen, als die Mieter bei Ausübung des Änderungsrechts durch sie auf die Rechtsfolgen der Unterlassung eines Widerspruchs binnen vier Wochen ausdrücklich hingewiesen werden. Auch hier entspricht die Bejahung der Wiederholungsgefahr durch das Berufungsgericht (unter Hinweis auf die Einschränkungen und Bedingungen der „Anmerkung“) der Rechtsprechung.

[33] 10. Die Anregung der Beklagten auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens ist wegen Unerheblichkeit ihrer dazu gemachten Ausführungen (Fragen zum Verbot der geltungserhaltenden Reduktion bzw zum Schicksal eines Vertrags ohne missbräuchliche Klauseln) nicht aufzugreifen.

[34] 11. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision mangels erheblicher Rechtsfrage hingewiesen.

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