OGH 3Ob96/15m

OGH3Ob96/15m15.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

 Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar, Dr. Norbert Marschall Rechtsanwälte OG in Wien, wider die beklagte Partei Dr. K*****, vertreten durch Gabler Gibel & Ortner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen Unterhalt, infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 23. Februar 2015, GZ 43 R 700/14f‑160, womit über Berufung beider Parteien das Endurteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 30. September 2014, GZ 25 C 13/09t‑146, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00096.15M.0715.000

 

Spruch:

Den Revisionen wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die im Umfang der unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Abweisung des Begehrens auf Zahlung eines Unterhaltsrückstands von 195.500 EUR unberührt bleiben, werden im Übrigen aufgehoben und dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Der im Jahr 1980 geschlossenen Ehe der Streitteile entstammen zwei 1983 bzw 1993 geborene Söhne, deren Selbsterhaltungsfähigkeit nicht feststeht. Aufgrund der von den Ehegatten einvernehmlich gewählten Lebensgestaltung machte der Beklagte als Manager Karriere, während sich die Klägerin ab 1983 der Betreuung der Kinder und dem Haushalt widmete. Im August 1999 wurde die eheliche Lebensgemeinschaft aufgehoben. Der Beklagte leistet der Klägerin seither ‑ auf Basis eines monatlichen Nettoeinkommens von 8.333 EUR und unter Berücksichtigung seiner Sorgepflichten für die beiden Söhne - einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 2.180 EUR. Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Erstgerichts vom 18. 12. 2006 nach § 55 EheG geschieden, wobei gemäß § 61 Abs 3 EheG das alleinige Verschulden des Beklagten an der Zerrüttung der Ehe festgestellt wurde.

Als der Beklagte Ende Juli 2009 aus dem Unternehmen seines damaligen Arbeitgebers ausschied, erhielt er eine Abfertigung in Höhe von sechs Monatsgehältern. Beginnend mit November 2009 nahm er eine unselbständige Erwerbstätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber auf.

Im Zeitraum November 2009 bis inklusive Dezember 2012 bezog der Beklagte netto durchschnittlich folgendes Monatseinkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit: Im Jahr 2009 (unter Einrechnung der von ihm erhaltenen Abfertigung) 15.749 EUR, im Jahr 2010 8.552 EUR, im Jahr 2011 8.541 EUR und im Jahr 2012 6.194 EUR. In diesem Jahr (2012) bezog er außerdem Honorare aus selbständiger Erwerbstätigkeit in Höhe von durchschnittlich 1.323,25 EUR monatlich netto. Seit dem Jahr 2013 beträgt sein monatliches Nettoeinkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit 8.333,33 EUR.

Der Beklagte errichtete mit Notariatsakt vom 10. 12. 2002 ‑ also in der Zeit zwischen der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft und der Scheidung und in Kenntnis seiner laufenden Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Klägerin ‑ eine Privatstiftung, in die er einen Barbetrag von 70.000 EUR einbrachte. Der Zweck der Stiftung ist laut Stiftungsurkunde in erster Linie die wirtschaftliche Sicherung des Fortbestands und des Wachstums des in der Stiftung vorhandenen Vermögens durch entsprechende Anlage und Verwaltung des Vermögens sowie die Unterstützung der jeweiligen Begünstigten, insbesondere durch Gewährung einer Geldleistung zur Sicherung und Verbesserung ihres Lebensunterhalts und ihrer standesgemäßen Versorgung sowie Abdeckung sonstiger Bedürfnisse. Der Beklagte ist der Erstbegünstigte der Stiftung und hat sich ausdrücklich das Recht des Widerrufs der Stiftung vorbehalten. Im Fall eines solchen Widerrufs erhalten die Letztbegünstigten das gesamte Stiftungsvermögen nach Abwicklung der Stiftung. Die Tätigkeit der Stiftung besteht im Erwerb, in der Verwaltung und in der Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen und Finanzanlagen.

Der Beklagte hat seit Gründung der Stiftung keine Zuwendungen von dieser erhalten. Über seine Vermittlung erwarb die Privatstiftung noch im Jahr 2002 die Anteile der M***** Ltd ‑ eines Unternehmens, das zu jenem Konzern gehörte, bei dem der Beklagte damals beschäftigt war ‑ um einen symbolischen Kaufpreis zwischen 1 EUR und 1.000 EUR. Er errichtete die Privatstiftung, um so die sich ihm aufgrund seiner Managertätigkeit im Zusammenhang mit einem „Management‑Buy‑out“ bietende Geschäftschance des Erwerbs der Anteile am genannten Unternehmen zu nutzen. Im September 2009 veräußerte die Privatstiftung die Unternehmensanteile wieder, wobei sie einen Veräußerungsüberschuss von 4.300.000 EUR erzielte. Diese exorbitante Wertsteigerung der Unternehmensanteile in nur wenigen Jahren war auf Sanierungsleistungen des Managements, also auch jene des Beklagten, zurückzuführen.

Die Privatstiftung zahlte den erlösten Betrag von 4.300.000 EUR in eine von ihr damals neu gegründete GmbH (als Stammkapital von 100.000 EUR und als zusätzliches Agio von 4.200.000 EUR) ein. Aufgrund der steuerlichen Begünstigung der Übertragung von stillen Reserven gemäß § 13 Abs 4 KStG war für diesen Beteiligungsveräußerungs-überschuss keine Zwischen‑Körperschaftssteuer zu entrichten.

Die GmbH erwarb in den Jahren 2011 und 2012 drei in Wien gelegene Liegenschaften mit darauf errichteten Zinshäusern. In den Jahren 2010 bis 2012 machte sie jeweils einen Bilanzverlust, sodass es keine Gewinnausschüttungen an den Beklagten gab. Im Jahr 2012 gründete sie eine weitere GmbH, deren Geschäftszweck der Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen ist.

Der Beklagte hat bisher auch aus dieser zweiten GmbH keine Bezüge oder geldwerten Vorteile erhalten; dies ist auch für die Zukunft nicht geplant.

Hätte der Beklagte die sich ihm im Jahr 2002 bietende Geschäftschance des Unternehmenserwerbs selbst wahrgenommen, wäre ihm bei Veräußerung dieses Unternehmens im Jahr 2009 nach Abzug der Steuern ein Betrag von 3.219.928 EUR zugekommen.

Hätte er die von ihm in die Privatstiftung eingebrachten 70.000 EUR veranlagt, hätte er auf dem österreichischen Rentenmarkt pro Monat durchschnittlich eine Nettorendite (nach Abzug der KESt) von 146 EUR im Jahr 2009 und 109 EUR im Jahr 2010 erzielen können.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten ‑ soweit im Revisionsverfahren noch von Relevanz ‑ weitere monatliche Unterhaltsbeiträge von 7.820 EUR (zusätzlich zu dem mit Teilanerkenntnisurteil vom 9. 2. 2010 zugesprochenen Betrag von 2.180 EUR, insgesamt also 10.000 EUR pro Monat) beginnend mit 1. 11. 2009. Der Beklagte leiste seit Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft einen monatlichen Unterhalt von 2.180 EUR auf Basis seines behaupteten Geschäftsführergehalts von 100.000 EUR pro Jahr. Gelegentliche außergerichtliche Prüfungen hätten im Zeitraum von zehn Jahren ein stets gleichbleibendes Einkommen des Beklagten von 100.000 EUR pro Jahr (8.333 EUR monatlich) gezeigt, was jedoch bei einem erfolgreichen Geschäftsführer unwahrscheinlich sei. Realistisch sei vielmehr ein monatliches Einkommen des Beklagten von zumindest 40.000 EUR. Im Sinn des Anspannungsgrundsatzes seien außerdem nicht nur die tatsächlich erzielten Einkünfte des Beklagten in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, sondern auch erzielbare Vermögenserträgnisse, insbesondere jene Begünstigungen, die er aus der Stiftung lukrieren könnte.

Der Beklagte wendete zusammengefasst ein, Unterhaltsbemessungsgrundlage sei sein weit überdurchschnittliches Einkommen, auf dessen Basis er der Klägerin auch weit überdurchschnittliche Unterhaltszahlungen leiste. Durch die Stiftungsgründung sei es zu keiner Änderung seiner Einkommensverhältnisse gekommen. Er habe aus der Stiftung auch noch nie irgendwelche Ausschüttungen erhalten. Bei der Stiftung handle es sich um eine eigene Rechtsperson, und nach dem Anspannungsgrundsatz könnten maximal jene Vermögenswerte angerechnet werden, die er in die Stiftung eingebracht habe, nicht aber auch wirtschaftliche Erträgnisse aus Aktivitäten der Stiftung, die nicht aus von ihm eingebrachten Vermögenswerten bestünden. Entweder seien die Erträgnisse des in die Stiftung eingebrachten Vermögens zu berücksichtigen oder die Nettozuwendungen der Stiftung. Aufgrund der Höhe seines Einkommens bestehe aber für die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes ohnehin kein Raum.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Leistung eines (zusätzlichen) monatlichen Unterhaltsbeitrags von 2.446,25 EUR für den Zeitraum 1. 11. 2009 bis 31. 12. 2009, von 1.165,50 EUR für das Jahr 2010, von 233,58 EUR für das Jahr 2014 und von 593,83 EUR ab 1. 1. 2015. Das Unterhaltsmehrbegehren wies es für den Zeitraum 1. 11. 2009 bis 31. 12. 2010 sowie ab 1. 1. 2014 teilweise und für die Jahre 2011 bis 2013 zur Gänze ab.

Nach dem sich aus § 94 ABGB ergebenden Anspannungsgrundsatz seien bei der Unterhaltsbemessung insbesondere fiktive Erträge des ‑ unterhaltsrechtlich - sorgfaltswidrig verwendeten Vermögens zu berücksichtigen. Der Stifter, dem die Erträgnisse der Stiftung widmungsgemäß nicht zukämen, sei daher auf jene Beträge anzuspannen, die aus dem Vermögen, dessen er sich zugunsten der Stiftung begeben habe, erzielbar gewesen wären, wenngleich dadurch der angemessene Unterhalt, der sich nach dem von den Ehegatten einvernehmlich gewählten Lebenszuschnitt richte, nicht überschritten werden dürfe. Da der Beklagte bereits aufgrund seines Angestelltenverhältnisses ein weit überdurchschnittliches Einkommen beziehe, sei er unterhaltsrechtlich nicht dazu verpflichtet gewesen, sich ihm bietende weitere außergewöhnliche Geschäftschancen selbst zu nutzen. Hingegen seien die fiktiven Erträgnisse aus den 4.300.000 EUR, die die Privatstiftung in den Jahren 2009 und 2010 und die GmbH seit 2013 (voraussichtlich) erzielen hätte können, anzurechnen, weil der Beklagte in der Privatstiftung nach wie vor so viel Einfluss habe, dass er eine Ausschüttung der Erträgnisse an sich erwirken könnte.

Die vom Beklagten erhaltene Abfertigung habe über das Jahr 2009 hinaus keine Überbrückungsfunktion gehabt, sodass sie nur in diesem Jahr zu berücksichtigen sei. Zum Nettoeinkommen des Beklagten aus unselbständiger Tätigkeit seien einerseits jene Vermögenserträgnisse hinzuzurechnen, die sich aus einer zinsbringenden Veranlagung des Veräußerungserlöses von 4.300.000 EUR durch die Privatstiftung bzw deren Gesellschaften ergeben hätten, und andererseits die fiktiven Erträgnisse im Fall einer durchschnittlichen Veranlagung des vom Beklagten in die Stiftung eingebrachten Kapitals von 70.000 EUR. Die Klägerin habe angesichts der weiteren Sorgepflichten des Beklagten Anspruch auf 25 % der Bemessungsgrundlage.

Das Berufungsgericht gab den von beiden Parteien gegen dieses Urteil erhobenen Berufungen nicht Folge. Dem Beklagten könne es nicht als Verschulden angelastet werden, nicht jede sich ihm bietende Geschäftschance, die zudem auch mit Risiken verbunden sei, zu nutzen, zumal er ohnehin über ein weit überdurchschnittliches Einkommen verfüge, an dem die Klägerin iSd § 94 ABGB partizipiere. Die Klägerin habe deshalb keinen Anspruch auf Beteiligung an dem von der Privatstiftung erzielten Veräußerungsüberschuss von 4.300.000 EUR. Hingegen habe das Erstgericht zu Recht sowohl die dem Beklagten nach Anspannungsgrundsätzen zuzurechnenden Einkünfte aus der Privatstiftung (aus der fiktiven Veranlagung der 4.300.000 EUR) als auch die hypothetischen Erträge des in die Stiftung eingebrachten Kapitals von 70.000 EUR in die Unterhaltsbemessungs-grundlage einbezogen.

Bei der Einbeziehung einer Abfertigung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage komme es stets auf die Umstände des konkreten Einzelfalls an. Nach der Rechtsprechung könne demnach eine Aufteilung des Gesamtbetrags auf jenen Zeitraum, der den in der Abfertigung enthaltenen Monatsentgelten entspreche, ebenso gerechtfertigt sein wie eine Zuschussrechnung zur Erhaltung des früheren monatlichen Durchschnittseinkommens oder schlechthin die Verteilung auf ein Jahr oder auf einen sonstigen längeren Zeitraum bis hin zu jenem, der der statistischen Restlebenserwartung des Unterhaltspflichtigen entspreche. Die vom Erstgericht vorgenommene Zurechnung der Abfertigung allein im Jahr 2009 sei im Hinblick darauf, dass ihr unter Bedachtnahme auf die festgestellten Einkommensverhältnisse des Beklagten und sein Lebensalter keine Überbrückungsfunktion zugekommen sei, nicht zu beanstanden.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob bzw inwieweit bei der Unterhaltsbemessung der Anspannungsgrundsatz auch auf das von einer Privatstiftung „originär“ erworbene Vermögen und die daraus erzielten Erlöse anwendbar sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich einerseits die Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, ihrem Unterhaltsbegehren (ab 1. 11. 2009) gänzlich stattzugeben, hilfsweise einem Aufhebungsantrag, und andererseits jene des Beklagten aus den Revisionsgründen der Nichtigkeit und der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit einem Abänderungsantrag auf Abweisung des gesamten Unterhaltsbegehrens mit Ausnahme eines Zuspruchs von 1.757,25 EUR monatlich für die Monate November und Dezember 2009; auch der Beklagte stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

Die Revisionen sind aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und im Sinn der Aufhebungsanträge berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Entgegen der Ansicht des Beklagten begründet der Zuspruch nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz fällig gewordener Unterhaltsbeträge auf Basis prognostizierter künftiger Änderungen der Verhältnisse keine Nichtigkeit iSd § 477 Abs 1 Z 4 ZPO, weil dieser Nichtigkeitsgrund nur bei völligem Ausschluss von der Verhandlung gegeben ist (RIS‑Justiz

RS0107383). Das rechtliche Gehör ist gewahrt, wenn den Parteien ‑ wie es hier geschehen ist ‑ Gelegenheit gegeben wird, ihren Standpunkt darzulegen und wenn sie sich im Verfahren zu allen Tatsachen und Beweisergebnissen, die der Entscheidung zugrunde gelegt werden sollen, äußern können (RIS‑Justiz

RS0005915 [T17]).

2.1. Vom Berufungsgericht verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz (hier: das von der Klägerin gerügte gänzliche Fehlen einer Beweiswürdigung zu bestimmten Feststellungen und das Unterbleiben der Einvernahme einiger der von ihr namhaft gemachten Zeugen) können nach ständiger Rechtsprechung nicht nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden, es sei denn, das Berufungsgericht hätte sich mit der Mängelrüge überhaupt nicht befasst oder diese mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen (RIS‑Justiz

RS0042963 [T9, T12, T28, T52]). Dies war hier entgegen der Ansicht der Klägerin nicht der Fall.

2.2. Haben zwei Instanzen die Verfahrensfrage, ob eine Tatsache als zugestanden anzusehen sei (hier: ob der Beklagte die Höhe des von ihm seit 2013 bezogenen Einkommens außer Streit gestellt hat), übereinstimmend gelöst, kann der behauptete Verfahrensverstoß in dritter Instanz nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963 [T26]).

2.3. Auf die weitere Mängelrüge des Beklagten, wonach das Berufungsgericht die von ihm mit der Berufung vorgelegten Urkunden im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Feststellungen zu den fiktiven Erträgen einer Veranlagung der 4.300.000 EUR zu Unrecht als gegen das Neuerungsverbot verstoßend qualifiziert habe, ist mangels Relevanz nicht näher einzugehen. Wie noch zu zeigen sein wird, kommt es auf die Höhe der fiktiven Vermögenserträge aus dieser Summe nämlich nicht an.

3.1. 

Zum als Unterhaltsbemessungsgrundlage dienenden Einkommen zählen alle tatsächlich erzielten Einnahmen des Unterhaltspflichtigen in Geld oder geldwerten Leistungen, über die er verfügen kann; ausgenommen sind solche Einnahmen, die der Abgeltung von effektiven Auslagen dienen (RIS‑Justiz

RS0107262 [T1]). Aus diesem Grund ist auch eine vom Unterhaltspflichtigen bezogene Abfertigung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen (RIS‑Justiz RS0013386 [

T14, T15]).

3.2. 

Nach einhelliger Judikatur kommt es für die Einbeziehung einer Abfertigung in die Unterhalts-bemessungsgrundlage auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls an (RIS‑Justiz

RS0009667; jüngst: 3 Ob 5/15d). Eine Aufteilung des Gesamtbetrags auf jenen Zeitraum, der den in der Abfertigung enthaltenen Monatsentgelten entspricht, kann ebenso gerechtfertigt sein wie eine Zuschussrechnung zur Erhaltung des früheren monatlichen Durchschnittseinkommens oder schlechthin die Verteilung auf ein Jahr oder auf einen sonstigen längeren Zeitraum bis hin zu einem Zeitraum, der der statistischen Lebenserwartung des Unterhaltspflichtigen entspricht (

RIS‑Justiz

RS0047428 [T7]). Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls sei die Aufteilung der Abfertigung auf das Jahr 2009 angemessen, ist nicht zu beanstanden.

4.1. Der Anspannungsgrundsatz geht von der aus § 94 Abs 1 ABGB abgeleiteten Obliegenheit der Ehegatten aus, bei einem für den angemessenen Unterhalt nicht ausreichenden Einkommen eine ihren Fähigkeiten entsprechende und zumutbare Erwerbstätigkeit auszuüben, sofern nur diese nach der Wirtschaftslage ein deutlich höheres Einkommen verspricht. Er wird nur in Fällen angewendet, in denen der betreffende Ehegatte schuldhaft (vorsätzlich oder fahrlässig) die zumutbare Erzielung deutlich höherer Einkünfte verabsäumt. Die Fahrlässigkeit ist an der Sorgfalt eines ordentlichen familien- und pflichtbewussten Ehepartners zu messen. Die Anspannung des Unterhaltsschuldners dient somit als eine Art Missbrauchsvorbehalt, wenn schuldhaft die zumutbare Erzielung deutlich höherer Einkünfte versäumt wird (RIS‑Justiz RS0047495 [T4, T8, T15]). Verfügt der Unterhaltspflichtige ‑ wie hier der Beklagte ‑ über ein Einkommen, so setzt seine

Anspannung voraus, dass die tatsächlich bezogenen Einkünfte in auffälliger Weise hinter den nach den Umständen gerechtfertigten Erwartungen zurückbleiben (RIS‑Justiz

RS0110314).

4.2. Nach der Entscheidung 2 Ob 295/00x

ist der geldunterhaltspflichtige Ehegatte, der einen wesentlichen Teil seines Vermögens in eine Privatstiftung eingebracht hat, deren Erträge ihm widmungsgemäß nicht zufließen, auf die fiktiven Erträge jenes Vermögens, dessen er sich zugunsten der Stiftung begeben hat, anzuspannen (RIS‑Justiz

RS0114445). Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist zwar dadurch gekennzeichnet, dass die vom Beklagten errichtete Privatstiftung selbst jene Unternehmensbeteiligung erworben hat, aus deren Veräußerung ihr ein Erlös von 4.300.000 EUR zugekommen ist. Ausgehend von den konkreten Umständen, wonach der Beklagte die Stiftung in Kenntnis seiner Unterhaltsverpflichtung gerade zum Zweck des Erwerbs dieser Unternehmensbeteiligung gegründet hat, kann aber auch hier kein Zweifel daran bestehen, dass er es schuldhaft unterließ, den letztlich erzielten Veräußerungsgewinn selbst zu lukrieren, indem er es der von ihm errichteten Privatstiftung, deren alleiniger Begünstigter er ist, ermöglichte, diese Geschäftsgelegenheit zu nutzen. Unterhaltsrechtlich ist der Beklagte deshalb so zu behandeln, als hätte er selbst die Unternehmensbeteiligung erworben.

4.3. Den Vorinstanzen ist dahin zuzustimmen, dass der Beklagte angesichts seines überdurchschnittlich hohen Einkommens aus unselbständiger Tätigkeit ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht ‑ bei sonstiger Anspannung ‑ gehalten war, die sich ihm bietende Geschäftsgelegenheit zu nutzen. Hätte er davon Abstand genommen, wäre er deshalb nicht auf die hypothetischen Erträge aus dieser Tätigkeit anzuspannen. Allerdings darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Beklagte diese Geschäftsgelegenheit ohnehin ergriffen hat, wenn auch nicht selbst, sondern über die von ihm eigens zu diesem Zweck errichtete Privatstiftung, deren Begünstigter er ist.

4.4. Im Hinblick darauf, dass ein pflichtgemäß handelnder Unterhaltsschuldner unter den gegebenen Umständen die Unternehmensbeteiligung selbst erworben hätte und in weiterer Folge die Unterhaltsberechtigten am erzielten Gewinn teilhaben hätte lassen (vgl RIS‑Justiz

RS0047421), schadet es nicht, dass die Klägerin, wie der Beklagte hervorhebt, in erster Instanz kein Vorbringen zur Angemessenheit ihres Unterhaltsbegehrens erstattet hat.

4.5. Die vom Beklagten für seinen Standpunkt, dass es zu keiner Anspannung zu kommen habe, ins Treffen geführten Entscheidungen 3 Ob 63/13f und 4 Ob 100/08x, sowie 44 R 1070/84 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, sind nicht einschlägig, weil sie gänzlich anders gelagerte Sachverhalte betrafen.

4.6.1. 

In die Unterhaltsbemessungsgrundlage sind insbesondere auch Erträge von Vermögen einzubeziehen (RIS‑Justiz RS0122837;

RS0122836), während der Stamm des Vermögens grundsätzlich nicht heranzuziehen ist (RIS‑Justiz

RS0122838; 10 Ob 93/07k, SZ 2007/169) und demgemäß etwa der beim Verkauf einer Liegenschaft erzielte Kaufpreis nicht als Einkommen zu behandeln ist, weil er nicht als „Erträgnis des Vermögens“, sondern als Gegenwert für die Sachsubstanz selbst und damit als „Vermögenssubstanz“ anzusehen ist. Der Verkauf eines privaten Vermögensgegenstands bewirkt nämlich lediglich eine Umschichtung der Vermögenssubstanz (RIS‑Justiz

RS0113786 [T3 und T10]).

4.6.2. Nichts anderes kann für den hier zu beurteilenden Kaufpreis im Rahmen der Beteiligungsveräußerung gelten, den der Beklagte lukriert hätte, wenn er nicht dafür gesorgt hätte, dass die Privatstiftung an seiner Stelle die Unternehmensbeteiligung erwirbt (und in weiterer Folge nach erfolgreicher Sanierung wieder veräußert). Da dieser Veräußerungserlös also nicht als (fiktives) Einkommen des Beklagten zu werten ist, kommt auch die von der Klägerin primär angestrebte Einbeziehung jener Summe, die dem Beklagten, hätte er die Unternehmensanteile persönlich erworben und in weiterer Folge veräußert, nach Abzug der Steuern zugekommen wäre (3.219.928 EUR bzw 9.938 EUR monatlich, umgelegt auf seine statistische restliche Lebenserwartung von rund 27 Jahren) in die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht in Betracht.

4.6.3. Allerdings kann der Unterhaltsschuldner, der sein Vermögen ertraglos angelegt hat, auf eine erfolgversprechendere Anlageform eines Verkaufserlöses angespannt werden. Unterhaltsrechtlich ist er deshalb so zu behandeln, als hätte er sein Kapital (hier also den ‑ ohne „Zwischenschaltung“ der Stiftung zu erzielenden - Verkaufserlös von rund 3,2 Mio EUR) unter Abwägung von Ertrag und Risiko möglichst erfolgversprechend angelegt (RIS‑Justiz RS0047643 [T4 und T5]).

4.6.4. Welche Erträge der Beklagte (fiktiv) erzielen hätte können, wenn der Verkaufserlös ihm selbst ‑ und damit nicht in Höhe von 4.300.000 EUR, sondern „nur“ von netto 3.219.928 EUR ‑ zugekommen wäre und er diesen nicht in ein anderes Unternehmen (oder den Erwerb von Zinshäusern etc) investiert, sondern am Kapitalmarkt angelegt hätte, kann ausgehend von den bisher getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden. Das Erstgericht wird diese Frage im fortgesetzten Verfahren durch Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens zu klären haben.

4.7. Die Argumentation des Beklagten, die von den Vorinstanzen bejahte Anspannung auf die hypothetischen Erträge aus dem in die Stiftung eingebrachten Kapital von 70.000 EUR sei unzulässig, weil dieser Betrag aus dem von ihm nach der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwirtschafteten, bereits durch Unterhaltszahlungen an die Klägerin „bereinigten“ Einkommen stamme, geht ins Leere, weil er nicht einmal behauptet hat, bei Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft über keinerlei Geldvermögen verfügt zu haben. Schon deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, er habe den Betrag von 70.000 EUR tatsächlich erst nach der Trennung der Streitteile im August 1999 angespart.

Das Erstgericht wird im weiteren Verfahren auch die bisher fehlenden Feststellungen zu den hypothetischen Erträgen aus dem Betrag von 70.000 EUR ab dem Jahr 2011 nachzuholen haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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