European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00076.14V.0723.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die (schon vom Rekursgericht verneinte) Frage, ob das Erstgericht, das seine Entscheidung über einen rückwirkenden Unterhaltsherabsetzungsantrag des Vaters (von 300 EUR/ 275 EUR auf je 40 EUR) wegen unterbliebener Äußerung der Kinder, vertreten durch einen Jugendwohlfahrtsträger, auf § 17 AußStrG stützte, ungeachtet der unterbliebenen Äußerung zu amtswegigen Erhebungen in Richtung einer möglichen Anspannung und möglichen Unterhaltsempfängen des Vaters von seiner zweiten, getrennt von ihm lebenden Ehegattin verpflichtet war.
Rechtliche Beurteilung
Der von den Kindern wegen Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revisionsrekurs ist entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) ‑ Ausspruch des Rekursgerichts mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig . Die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).
1. Gemäß § 17 AußStrG kann das Gericht eine Partei unter Setzung einer angemessenen Frist auffordern, sich zum Antrag einer anderen Partei oder zum Inhalt der Erhebungen zu äußern, oder die Partei zu diesem Zweck zu einer Vernehmung oder Tagsatzung laden. Lässt die Partei die Frist ungenützt verstreichen oder leistet sie der Ladung nicht Folge, so kann das Gericht annehmen, dass keine Einwendungen gegen die Angaben der anderen Partei oder gegen eine beabsichtigte Entscheidung auf der Grundlage des bekannt gegebenen Inhalts der Erhebungen bestehen.
2. Im vorliegenden Fall ließen die qualifiziert vertretenen Kinder die Äußerungsfrist ungenützt verstreichen, weshalb das Erstgericht grundsätzlich von der Richtigkeit der Tatsachenangaben des Vaters zu seinem Unterhaltsherabsetzungsantrag ausgehen durfte.
Ein Tatsachenzugeständnis darf allerdings trotz des Vorliegens der Anwendungsvoraussetzungen des § 17 AußStrG dann nicht angenommen werden, wenn das Kindeswohl eine amtswegige Aufklärung und Erhebung der Entscheidungsgrundlagen erfordert, wenn der Akteninhalt gegen die Richtigkeit des Vorbringens des Antragstellers spricht oder wenn aus besonderen Gründen anzunehmen ist, dass der Antragsgegner dem Antrag ungeachtet seines Schweigens entgegentrete (RIS‑Justiz RS0006941 [T7]; RS0006783 [T3]; Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG § 17 Rz 85 ff).
3. Unterlässt das Erstgericht entgegen § 16 Abs 1 AußStrG amtswegige Erhebungen, obwohl dies wegen Vorliegens (einer) der zuvor genannten Voraussetzungen erforderlich gewesen wäre, so begründet dies einen Mangel des Verfahrens erster Instanz. Das Rekursgericht hat aber hier das Vorliegen eines solchen Verfahrensmangels verneint und ein vom Rekursgericht verneinter (einfacher) Mangel des außerstreitigen Verfahrens erster Instanz kann keinen Revisionsrekursgrund bilden (RIS‑Justiz RS0050037 ua; 5 Ob 71/13x mwN). Die diesen Grundsatz einschränkende, von der Rechtsprechung entwickelte Negativvoraussetzung, „sofern eine Durchbrechung dieses Grundsatzes nicht aus Gründen des Kindeswohls erforderlich ist“, ist im Regelfall nur in Obsorge‑ und Besuchsrechtsverfahren von Bedeutung; in Unterhaltsverfahren müssen besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, sowohl das grundsätzliche Neuerungsverbot des § 49 AußStrG als auch die sich aus § 16 Abs 2 AußStrG ergebenden Parteienpflichten zu unterlaufen (RIS‑Justiz RS0030748 [T4]), wobei das Vorliegen solcher Umstände, selbst im Fall eines Rechtsmittels des Kindes (4 Ob 135/05i; 10 Ob 13/08x), jeweils verneint wurde. Für das Unterhaltsvorschussverfahren hat der zuständige Fachsenat des Obersten Gerichtshofs ‑ im Zusammenhang mit der Herabsetzung von Vorschüssen und einem Revisionsrekurs des Kindes ‑ schon klargestellt, dass die genannte Einschränkung nicht zum Tragen kommt (10 Ob 54/10d).
4. Auch hier liegt ein von dieser Einschränkung erfasster Ausnahmefall nicht vor. Der Revisionsrekurs erblickt diesen (erkennbar) darin, dass die beträchtliche Herabsetzung der Unterhaltsbeträge das Kindeswohl „tangiere“. Dabei übersieht der Kinder‑ und Jugendhilfeträger ‑ aber die sekundäre Unterhaltspflicht des betreuenden Elternteils nach § 231 Abs 2 ABGB. Dass deren Erfüllung (hier) der ‑ nach der Aktenlage berufstätigen (AS 33) ‑ Mutter (gar) nicht möglich sein sollte, wird nicht einmal im Rechtsmittelverfahren behauptet.
5. Zuzugestehen ist dem Revisionsrekurs, dass sich das Rekursgericht mit der von den Kindern aufgeworfenen Frage, ob allfällige Unterhaltsempfänge des Vaters von seiner zweiten Ehegattin von Amts wegen zu prüfen gewesen wären, in seiner Begründung nicht auseinandersetzte.
Darin kann aber kein relevanter Mangel erblickt werden. Eine Pflicht zur amtwegigen Sachverhaltsermittlung, die in Verfahren zur Unterhaltsbemessung grundsätzlich nicht besteht ( Höllwerth § 17 Rz 92 mwN), ist nämlich auch deshalb zu verneinen, weil ‑ wie bereits dargelegt ‑ eine Gefährdung des Kindeswohls nicht zu unterstellen ist. Der aktenkundige Umstand, dass der Vater von seiner zweiten Ehegattin getrennt lebt (vgl Protokoll vom 9. März 2010 [!] ON 37 und Beschluss ON 53 vom 30. September 2011), löste daher keine Pflicht des Erstgerichts aus, sich mit deren möglichen Unterhaltsleistungen an den Vater auseinander zu setzen.
Abgesehen davon nahmen nicht einmal die Kinder diesen (ihrer Vertretung seit zumindestens April 2010 bekannten) Umstand bisher zum Anlass, solche Unterhaltsempfänge des Vaters zu behaupten (vgl die Stellungnahme ON 42 [zum Herabsetzungsantrag ON 37], die Unterhaltsfestsetzungsanträge ON 55 und 56 sowie vor allem den verspäteten Rekurs ON 73 [gegen die amtswegige Herabsetzung der Unterhaltsvorschüsse mit den Beschlüssen ON 71 und 72]).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)