Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Die klagende Partei ist eine in Mostar etablierte Kapitalgesellschaft, deren Unternehmensgegenstand der Import und Vertrieb diverser Produkte - nach Ende der Kriegshandlungen vorwiegend in der kroatisch-moslemischen Konföderation - war. Die beklagte Partei ist als österreichische Tochterunternehmung eines internationalen Nahrungsmittelkonzerns auf die Bearbeitung des südosteuropäischen Marktes spezialisiert. Sie schloss mit der klagenden Partei Verträge über den Vertrieb von Süßwaren bestimmter Marken ab.
Gegenstand des Revisionsverfahrens bildet nur mehr der von der klagenden Partei - analog § 24 HVertrG 1993 - begehrte Ausgleichsanspruch von 115.006,40 EUR.
Die klagende Partei brachte zusammengefasst vor, sie sei in die Absatzorganisation der beklagten Partei straff eingebunden gewesen. Ihre Investitionen in den Aufbau der Vertriebsorganisation seien nach Beendigung des Vertrags frustriert, während die beklagte Partei weiterhin erhebliche Vorteile aus der von der klagenden Partei erbrachten Aufbauleistung ziehe. Infolge der beratenden Tätigkeit eines Vertreters der beklagten Partei vor Ort habe diese bereits während der Vertragslaufzeit vom gesamten Kundenstock Kenntnis erlangt.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, die Stellung der klagenden Partei sei mit der eines Handelsvertreters nicht vergleichbar. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit sowie eine Verpflichtung zur Überlassung des Kundenstammes habe nicht bestanden. Aus der Kenntnis der Kundennamen allein sei nichts gewonnen, vielmehr sei auch die Kenntnis der Ansprechpartner, sowie der Vertrags- und Lieferbedingungen entscheidend; diese Informationen habe ihr die klagende Partei nicht verschafft.
Nach dem zweiten Rechtsgang steht zusammengefasst folgender Sachverhalt fest:
Die klagende Partei bereitete den Markt in Bosnien und Herzegowina für die Produkte der klagenden Partei auf. Vorrangig verkaufte sie an Großabnehmer wie Handelsketten, aber auch an Endverkäufer. Der Kundenstock umfasste ca 3.000 Kunden. In den ab 1996 jeweils auf ein Jahr abgeschlossenen Vertriebsverträgen war die Anwendung österreichischen Rechts vereinbart. Es bestanden weder ein Konkurrenzverbot noch konkrete Preisvorgaben. Der klagenden Partei wurden Rabatte und ein Jahresendbonus bei Erreichung bestimmter Zielmengen zugesagt, weiters wurde ihr ein 0,5%iger „Werbemittelrabatt" eingeräumt. Dabei handelte es sich um ein von der beklagten Partei verwaltetes Werbebudget, das die klagende Partei zum kostenlosen Bezug von Werbematerial berechtigte. Diese war verpflichtet, die Markteinführung neuer Produkte aktiv zu unterstützen. Für Lieferungen in ein anderes Vertragsgebiet hatte sie die Zustimmung der beklagten Partei einzuholen. Die Jahresverträge enthielten jeweils das Ersuchen, monatliche Verkaufsberichte einschließlich der Lagerbestände sowie Dreimonatsprognosen betreffend die einzelnen Artikel zu übersenden. Während der mehrjährigen Geschäftsbeziehung wurden diese Berichte und Prognosen jedoch niemals erstellt, was von der beklagten Partei ohne Rüge oder Urgenz hingenommen wurde. Die klagende Partei wurde von Mitarbeitern der beklagten Partei sachlich und fachlich beraten; dies insbesondere bei der Präsentation von Produkten in Groß- und Supermärkten. Zu Gunsten der beklagten Partei war zwischen 1. 7. und 31. 12. jeweils die Möglichkeit einer Aufkündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist vorgesehen, sollten bis 30. Juni bei zwei umsatzstarken Produkten 35 % der Zielmengen nicht erreicht worden sein. Eine Verpflichtung zur Bekanntgabe des Kundenstocks bei Beendigung des Vertrags bestand nicht. Zum Jahresende 2001 war die beklagte Partei mit den von der klagenden Partei erbrachten Leistungen unzufrieden und schloss mit dieser keinen weiteren Vertrag. Sie betraute ein anderes Unternehmen mit dem Vertrieb ihrer Produkte. Es kam zu keiner förmlichen Übergabe des Kundenstocks in Form einer detaillierten Auflistung; auch die bei den jeweiligen Kunden vorhandenen Ansprechpersonen wurden der beklagten Partei nicht zur Kenntnis gebracht. Die Großabnehmer, insbesondere die Handelsketten waren dem lokalen Vertreter der beklagten Partei aber bereits namentlich samt Adressen bekannt, weil dieser sich während laufender Vertragsbeziehungen im Rahmen seiner beratenden Tätigkeit im Büro der klagenden Partei aufgehalten hatte.
Das Erstgericht sprach im zweiten Rechtsgang mit Teil-Zwischenurteil aus, dass die Klageforderung betreffend den Ausgleichsanspruch dem Grund nach zu Recht bestehe. Es verwies auf die Ansicht des Berufungsgerichts in dessen nach dem ersten Rechtsgang ergangenen Aufhebungsbeschluss, aufgrund des wirtschaftlichen Machtgefälles und der Vertragsgestaltung sei eine so weitgehende Einbindung in die Vertriebsorganisation vorgelegen, dass eine Gleichbehandlung mit Handelsvertretern in Ansehung des Ausgleichsanspruchs geboten erscheine. Das ergänzende Beweisverfahren zu den vom Berufungsgericht im Aufhebungsbeschluss als noch fehlend erachteten Feststellungen, habe ergeben, dass der beklagten Partei die maßgeblichen Großkunden schon während der Vertragsbeziehung bekannt gewesen seien. Auch in Zukunft sei somit von der kontinuierlichen und gewinnbringenden Nutzung des Kundenstocks auszugehen, weshalb der Ausgleichsanspruch dem Grunde nach zu Recht bestehe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren mit Endurteil ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die vertraglichen Regelungen bewirkten - unabhängig von ihrer tatsächlichen Handhabung - eine weitgehende Einbindung der klagenden Partei in die Vertriebsorganisation der beklagten Partei. Eines der wesentlichen Merkmale dieser Einbindung sei weiters aber die vertragliche Verpflichtung zur Überlassung des Kundenstamms oder die dieser gleich stehende Ermöglichung dessen kontinuierlicher Weiternutzung. Letzteres Kriterium liege nicht vor, weil die beklagte Partei schon während der Vertragsbeziehung über den Abnehmerkreis, insbesondere die Großkunden Bescheid gewusst habe. Vor allem habe die klagende Partei nicht (aktiv) an der Ermöglichung der Weiternutzung des Kundenstocks mitgewirkt, weil sie keine Informationen über die bei den Kunden vorhandenen Ansprechpartner und über Details der mit den Abnehmern ausgehandelten Lieferkonditionen erteilt habe. Daraus folge, dass trotz der von der klagenden Partei geleisteten Aufbauarbeit kein Ausgleichsanspruch zustehe.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig (§ 508a Abs 2 ZPO). Im Ergebnis liegt keine über ein außerordentliches Rechtsmittel aufzugreifende Fehlbeurteilung vor (3 Ob 193/03h; Zechner in Fasching/Konecny2 § 502 ZPO Rz 60):
1. Mängel des Berufungsverfahrens liegen nicht vor:
1.1. Das Berufungsgericht ist von seiner im Aufhebungsbeschluss vertretenen Rechtsansicht, dass maßgeblich sei, ob der Vertragshändler seinem Vertragspartner zumindest tatsächlich ermöglicht habe, den von ihm erworbenen Kundenstock auch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses kontinuierlich zu nutzen, nicht abgegangen.
1.2. Überraschend ist eine Rechtsansicht nur dann, wenn sie von keiner der Parteien vor Schluss der mündlichen Verhandlung ins Treffen geführt wurde und der Prozessgegner keine Gelegenheit zur Stellungnahme hatte (1 Ob 356/98d = SZ 72/28; Schragel in Fasching/Konecny2, §§ 182, 182a ZPO Rz 10). Dass zur Nutzung des Kundenstocks auch die Bekanntgabe der Ansprechpartner und Lieferbedingungen maßgeblich sei, hat die beklagte Partei aber im (fortgesetzten) Verfahren erster Instanz vorgebracht und konnte die klagende Partei dazu Stellung nehmen.
2. Zur analogen Anwendung des § 24 HVertrG 1993 auf Vertrags-(Eigen-)händler werden in ständiger Rechtsprechung folgende Grundsätze vertreten:
Maßgeblich ist, ob die Auslegung der vereinbarten Vertragsbeziehung ergibt, dass es sich tatsächlich und wirtschaftlich um die Begründung von Rechtsbeziehungen handelt, die denen zwischen Unternehmer und Handelsvertreter entsprechen. Maßgebliche Kriterien dafür sind vor allem ob ein Wettbewerbsverbot, Weisungs- und Kontrollrechte, Abnahmeverpflichtungen und Preisbindungsvorschriften bestehen, der Händler eine entsprechende Verkaufs- und Kundendienstorganisation und ein angemessenes Lager zu unterhalten und sich an der Einführung neuer Modelle zu beteiligen hat (RIS-Justiz RS0018335 [T2 und T4]). Dazu kommt, dass der Vertragshändler verpflichtet sein muss, seinem Vertragspartner bei Vertragsbeendigung seinen Kundenstamm zu überlassen (RIS-Justiz RS0109284). Dem steht es gleich, wenn dem Vertragspartner bloß tatsächlich ermöglicht wird, den vom Vertragshändler erworbenen Kundenstamm auch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses kontinuierlich zu nutzen (8 Ob 4/07g; 3 Ob 66/05k; 1 Ob 251/98p). Beispielsweise wurde es als „Ermöglichen" der Nutzung des Kundenstammes angesehen, wenn während aufrechten Vertrags durch Übersendung von Kundenlisten Kenntnis über den Kundenstamm vermittelt wird, auch wenn die Kundenlisten nur zwecks Versendung von Werbematerial überlassen worden waren (3 Ob 10/98m). Entscheidend für den Zuspruch einer Entschädigung an den Vertragshändler analog § 24 HVertrG 1993 ist auch, ob dessen Tätigkeit zu einer Werterhöhung des Unternehmens des Herstellers (Zwischenhändlers) im Bereich des good will geführt hat, die nicht bereits durch die dem Vertragshändler eingeräumte Handelsspanne sowie sonstige Leistungen, zB Investitions- und Werbekostenzuschüsse, gedeckt sind (1 Ob 251/98p; 9 ObA 8/91, 9 ObA 9/91).
3. Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht im Ergebnis nicht abgewichen:
3.1. In Ansehung eines Teils des 3.000 Kunden umfassenden Kundenstammes - nämlich der Großabnehmer - ist zwar von einem „Ermöglichen" dessen Nutzung auszugehen, indem die Vertreter der klagenden Partei schon während des laufenden Vertragsverhältnisses zuließen, dass dem „Vorortvertreter" der beklagten Partei die Namen der Großkunden (samt Adressen) zur Kenntnis gelangten (vgl 3 Ob 10/98m). Dass für eine kontinuierliche Nutzung dieses Kundenstocks zusätzliche Informationen über Ansprechpartner und Lieferbedingungen erforderlich gewesen wären, ist eine vertretbare Rechtsansicht. Die Frage muss aber nicht näher erörtert werden, weil nach dem festgestellten Sachverhalt jedenfalls wesentliche und überwiegende Elemente fehlen, die für einen Handelsvertretervertrag sprechen:
3.2. An der Feststellung der Tatsacheninstanzen, die klagende Partei sei in ihrer Selbstständigkeit im Handel mit Fremdprodukten nicht durch ein Konkurrenzverbot beschränkt gewesen, können die (gegenteiligen) Behauptungen in der Revisionsschrift nichts ändern. Die klagende Partei war in ihrer wirtschaftlichen Gestion auch insofern frei, als keine Preisbindung bestand und der beklagten Partei keine ausdrücklichen Weisungs-, Kontroll- oder Einsichtsrechte eingeräumt waren. Dass die klagende Partei den in den Vertriebsverträgen festgelegten „Ersuchen" um Erstellung von monatlichen Verkaufsberichten und Dreimonatsprognosen niemals nachkam und dies sanktionslos blieb, zeigt, dass diese „Ersuchen" tatsächlich kein wirksames Kontrollinstrument ihrer Vertriebstätigkeit darstellten. Zu berücksichtigen ist weiters, dass die klagende Partei nicht verpflichtet war, eine entsprechende Verkaufs- und Kundendienstorganisation oder ein angemessenes Lager zu unterhalten. Dass die klagende Partei die Zustimmung der beklagten Partei einholen musste, wenn sie Vertragsware in einem anderen (als ihrem eigenen) Vertragsgebiet vertreiben wollte, fällt im Hinblick auf die ihr sonst zukommende Wettbewerbsfreiheit nicht entscheidend ins Gewicht. Dies trifft auch auf die der beklagten Partei eingeräumte Möglichkeit zu, den Ein-Jahresvertrag vorzeitig aufzulösen, wenn hinsichtlich zweier Vertragsprodukte die Zielmengen zur Jahresmitte erheblich unterschritten wurden. Dieses Kündigungsrecht bewirkt noch keine Annäherung an die Stellung eines Handelsvertreters im Sinn einer (indirekten) Abnahmeverpflichtung.
3.3. Die Revisionswerberin weist (zutreffend) darauf hin, für die analoge Anwendung des § 24 HVertrG 1993 auf Vertragshändler sei entscheidungswesentlich, ob dessen Tätigkeit zu einer weiter nutzbaren Werterhöhung des Unternehmens des Geschäftsherrn im Bereich des good will geführt habe. Sie behauptet aber nicht das Vorliegen der von der Rechtsprechung geforderten weiteren Voraussetzung, die ihr als Vertragshändlerin gewährten Handelsspannen oder sonstigen Leistungen hätten die durch ihre Tätigkeit erzielte Werterhöhung des Unternehmens nicht abgedeckt (siehe 1 Ob 251/98p) bzw die ihr eingeräumte Handelsspanne sei nicht derart hoch gewesen, dass damit ihr gesamter Einsatz abgegolten worden wäre (1 Ob 692/89 = SZ 62/184). Dazu ist auf die fehlende Vorgabe von Mindestpreisen zu verweisen.
Zusammenfassend ergibt sich aus der von den Vorinstanzen festgestellten Vertragsgestaltung im Zusammenhalt mit der festgestellten tatsächlichen Abwicklung, dass in der Verneinung eines Überwiegens der Elemente des Handelsvertretervertrags keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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