European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E117172
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 501,91 EUR (hierin enthalten 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
1.1. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, ob der Besitzergreifungsakt dadurch in einer Weise an Erkennbarkeit verliert, dass es zur Unterbrechung der Ersitzung kommt, wenn anstelle der zu Beginn der Ersitzungszeit benutzten Dienstbarkeitstrasse im Verlauf der Ersitzungszeit (zusätzlich) eine alternative Zufahrtsmöglichkeit in Anspruch genommen und „öfter“ als die ursprüngliche (weiterhin, wenn auch seltener genutzte) Trasse befahren wird, ist im Ergebnis nichts anderes als die Umkehrung der – durch höchstgerichtliche Rechtsprechung bereits beantworteten – Frage nach dem erforderlichen Ausmaß der Ausübung des Rechtsbesitzes während der Ersitzungszeit.
1.2. Für die Begründung einer Servitut durch Ersitzung ist nach ständiger Rechtsprechung eine für den Eigentümer des belasteten Gutes erkennbare, während der Ersitzungszeit im Wesentlichen gleichbleibende Rechtsausübung zu bestimmten Zwecken und im bestimmten Umfang notwendig (RIS‑Justiz RS0105766, RS0033018). Ob der Eigentümer der belasteten Liegenschaft erkennen kann, dass Benützungshandlungen in Ausübung eines Rechts erfolgen, hängt letztlich immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0033021). Es kommt nicht auf die objektive Erkennbarkeit einzelner Ersitzungshandlungen schlechthin an; der Eigentümer der belasteten Liegenschaft muss vielmehr aus der Art der Benützungshandlungen erkennen können, dass damit ein Recht ausgeübt wird. Die Regelmäßigkeit der Benützung und die Bedürfnisse für die Liegenschaft des Rechtsausübenden bilden wesentliche Anhaltspunkte für die Erkennbarkeit. Wege- und Bringungsrechte sind als solche aufgrund der Bewirtschaftungsart leicht erkennbar, auch wenn sie nicht häufig, sondern nur wenige Male im Jahr ausgeübt werden. Es kann wegen der geringen Erfordernisse des herrschenden Gutes auch selten ausgeübte Wegerechte geben (1 Ob 33/09y mwN). Die Dienstbarkeit wird nur in jenen räumlichen Grenzen, aber auch nur in jenem Umfang durch Ersitzung erworben, wie deren Rechtsinhalt schon vor dreißig Jahren ausgeübt wurde (RIS‑Justiz RS0011702).
1.3. Nach den Feststellungen haben die Pächter des Klägers (als seine Besitzmittler) zum Zweck der Bewirtschaftung seiner landwirtschaftlichen Flächen zwar ab dem Jahr 1989 auch eine seit damals alternativ zur Verfügung stehende Zufahrtsmöglichkeit (nördlich des Gebäudes des Beklagten) in Anspruch genommen, sie wählten die hier zu beurteilende Fahrlinie südlich des Gebäudes allerdings weiterhin regelmäßig, wenn auch seltener, wobei sie, je nachdem, wo sie gerade tätig waren, nach Möglichkeit die kürzeste Strecke zurücklegten. Ausgehend davon haben die Vorinstanzen die regelmäßige Besitzausübung während der Ersitzungszeit zu Recht bejaht.
1.4. Auf Grundlage dieser Feststellungen kann auch keine Rede davon sein, dass die ersessene Dienstbarkeit nicht der bequemeren und vorteilhafteren Nutzung der herrschenden Grundstücke des Klägers gedient hätte.
2.1. Ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entspricht es aber auch, dass der Pächter einer Liegenschaft als Besitzmittler ein „selbständiger“ und „selbstnütziger“ Inhaber kraft eigenen Rechtsbesitzes ist, durch dessen Ausübung sich zugleich der Sachbesitz des Eigentümers auswirkt. Die Wirkung dieser Vermittlung kommt sowohl für die Erhaltung des Besitzers als auch für dessen Erwerb in Betracht (RIS‑Justiz RS0034597; zuletzt 4 Ob 49/16h).
2.2. Dass die Pächter des Klägers ab irgendeinem Zeitpunkt schlechtgläubig gewesen wären, ist den Feststellungen nicht zu entnehmen. Für die vom Beklagten vermisste Feststellung, die Pächter seien am 18. Juni 1994 von einem Bruder des Klägers beim Abtransport von Heu angewiesen worden, das Heu ein oder zwei Mal pro Jahr über die Grundstücke des Klägers abzutransportieren, „damit das kein Recht wird“, ist angesichts der zu diesem Thema getroffenen anderslautenden Feststellung (Seite 11 vierter Absatz des Ersturteils) kein Raum.
3.1. Eine nicht verbücherte Dienstbarkeit, die nicht offenkundig ist, erlischt durch den gutgläubigen Erwerb des belasteten Grundstücks (RIS‑Justiz RS0012151). Um den Liegenschaftserwerber des Schutzes des § 1500 ABGB teilhaftig werden zu lassen, ist es erforderlich, dass diesem sowohl im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs als auch in jenem der Antragstellung auf Einverleibung seines Eigentumsrechts eine allenfalls vom Grundbuchstand abweichende wahre Sachlage unbekannt war (RIS‑Justiz RS0034776 [T1]). Der redliche Erwerber wird jedoch nicht geschützt, wenn seine irrige Vorstellung über den Umfang eines fremden Rechts auf – auch nur leichter – Fahrlässigkeit beruht (RIS‑Justiz RS0034776 [T4, T6, T11, T23]). Die Sorgfaltsanforderungen an den Erwerber dürfen zwar nicht überspannt werden, weil sonst das Grundbuch entwertet würde (RIS‑Justiz RS0034776 [T3]), er muss allerdings Nachforschungen anstellen, wenn der indizierte Verdacht besteht, dass die tatsächlichen Besitzverhältnisse nicht dem Grundbuchstand entsprechen, wenn sich also nach den Umständen des Einzelfalls konkrete Bedenken ergeben (RIS‑Justiz RS0034776 [T13, T22]).
3.2. Nach den Feststellungen war dem Beklagten bei Erwerb der Liegenschaft im Oktober 2001 bewusst, dass zur Bewirtschaftung zahlreicher an diese Liegenschaft grenzender landwirtschaftlich genutzter Grundstücke (unter anderem jener des Klägers) sowohl südlich als auch nördlich des auf der Liegenschaft errichteten Gebäudes mit einem Traktor gefahren wurde. Er wusste damals (nur), dass die landwirtschaftlichen Grundstücke nicht ausschließlich im Eigentum seiner Rechtsvorgängerin standen; vom Eigentum des Klägers an einigen dieser Grundstücke erfuhr er hingegen erst im Oktober 2013.
3.3. Entgegen seinen Revisionsausführungen hatte der Beklagte bei Erwerb der Liegenschaft also gerade keine Kenntnis von „dieser verwandtschaftlichen Konstellation im Eigentum an den in Rede stehenden Liegenschaften“, sodass er auch nicht darauf vertrauen konnte, dass die Benutzung seiner Liegenschaft nur aufgrund einer „überkommenen verwandtschaftlichen Gefälligkeit“ erfolge.
4. Der vom Revisionswerber behauptete Widerspruch zwischen der Formulierung im Urteilsspruch, wonach der Beklagte es zu unterlassen hat, die näher umschriebene Dienstbarkeit „in einer Breite von drei Metern südlich des […] Gebäudes“ zu erschweren oder zu verunmöglichen, und der Aussage des Klägers, der Abstand zwischen der Fahrlinie und der südlichen Wand des Gebäudes habe jeweils einen Meter betragen, besteht nicht: Bereits das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass auch die angegebenen drei Meter angesichts der durchschnittlichen Breite der benutzten landwirtschaftlichen Fahrzeuge und des Umstands, dass sich die Distanz von einem Meter nur auf den Abstand zwischen dem Fahrzeug und dem Gebäude beziehen kann, durchaus nachvollziehbar sind.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979 [T16]).
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