OGH 3Ob212/12s

OGH3Ob212/12s19.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Dr. Klaus Rainer, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei K*****, vertreten durch Mag. Jasmine Riegler, Rechtsanwältin in Graz, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 28. August 2012, GZ 4 R 33/12w‑11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 15. November 2011, GZ 240 C 5/11y‑7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildet die Rechtsfrage, ob der Unterhaltsanspruch der beklagten, im April 1992 geborenen Tochter des Klägers, seit April 2010 erloschen ist, nachdem sie den an die Absolvierung von jeweils vier Jahren Volks- und Hauptschule anschließenden Besuch einer dreijährigen land- und forstwirtschaftlichen Fachschule im Juli 2009 positiv abgeschlossen hatte, jedoch im November 2009 eine dreijährige Lehre für den Beruf einer Restaurantfachfrau begann.

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision des Klägers beschränkt sich im Wesentlichen auf die Darstellung, dass die Beklagte aus dem Besuch der Fachschule für ihr weiteres Fortkommen als Restaurantfachfrau keinen Vorteil ziehe, weshalb keine Weiterbildung erfolge, und dass sie ihre erste Ausbildung zur Gänze absolviert habe, weshalb es an der Vergleichbarkeit mit einem Studienwechsel fehle und es der Beklagten zumutbar sei, im Rahmen ihrer ersten Ausbildung ihren Beruf aufzunehmen. Die Revision ist ungeachtet des nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darzustellen vermag, was wie folgt kurz zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).

1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass nicht nur beim Hochschulstudium, sondern auch bei anderen beruflichen Ausbildungen zumindest ein einmaliger Wechsel zu tolerieren ist (6 Ob 87/99h mwN = RIS‑Justiz RS0107722 [T3]). Bei einer Zweitausbildung ist das Weiterbestehen des Unterhaltsanspruchs jedoch an strengere Voraussetzungen gebunden als jene, die für die Finanzierung der Erstausbildung maßgeblich sind (3 Ob 7/97v = SZ 70/36; zuletzt 2 Ob 141/11s; RIS‑Justiz RS0107722 [T6]). Demnach kann einem Kind eine zweite Berufsausbildung dann zugebilligt werden, wenn es eine ernsthafte Neigung und besondere Eignung sowie ausreichenden Fleiß für eine derartige weitere Ausbildung erkennen lässt, es dem Unterhaltsschuldner zumutbar erscheint, dafür Leistungen zu erbringen, und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass dadurch eine nicht unbedeutende Verbesserung des künftigen Fortkommens des Kindes eintreten wird (RIS‑Justiz RS0107722 [T2]). Die Bestimmungsfaktoren bilden ein bewegliches System, das eine den jeweiligen Umständen des Einzelfalls angepasste Ausmittlung der weiterbestehenden Unterhaltspflicht ermöglichen soll (RIS‑Justiz RS0107723 [T3]). Dabei wird nicht verlangt, dass die Verbesserung der Berufs- und Einkommenschancen durch die Weiterausbildung des Unterhaltsberechtigten mit Sicherheit feststeht, es reicht vielmehr nach der neueren Judikatur aus, dass die künftige Verbesserung der beruflichen Position nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls überwiegend wahrscheinlich ist; solche verbesserte Fortkommenschancen können nicht nur in einer „höherwertigen“ akademischen Ausbildung liegen, sondern auch darin, dass ‑ auch wenn damit keine bessere Entlohnung verbunden ist ‑ ein sicherer, krisenfesterer Ausbildungszweig angestrebt wird (2 Ob 179/10b mwN = RIS‑Justiz RS0107722 [T7]).

Ob die kumulativen Voraussetzungen für ein Fortbestehen des Unterhaltsanspruchs vorliegen, ist eine Frage der konkreten Lebensumstände und wirft keine über den Anlassfall hinaus erhebliche Rechtsfrage auf (vgl RIS‑Justiz RS0043028).

2.1. Die Absolvierung der Fachschule vermittelte der Beklagten nicht unmittelbar eine abgeschlossene Berufsausbildung, weil dazu noch der Anschluss eines Praxisjahres erforderlich gewesen wäre. Wenn das Berufungsgericht daher (nur) von einer Schulausbildung der Beklagten ausging, an die eine Berufsausbildung zur Restaurantfachfrau angeschlossen wurde, sodass der Unterhaltsanspruch der Beklagten bestehen blieb (vgl RIS‑Justiz RS0047530 [T2]), liegt darin keine unvertretbare Fehlbeurteilung des vorliegenden Einzelfalls.

2.2. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass der Abschluss der Fachschule zur Selbsterhaltungsfähigkeit der Beklagten führte (vgl RIS‑Justiz RS0047530 [T5] [landwirtschaftlicher Facharbeiter]), und deshalb die Aufnahme der Lehre als Zweitausbildung anzusehen wäre, kann in der Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Unterhaltsleistung dem Kläger weiterhin zumutbar ist, keine aufzugreifende Fehlentscheidung erblickt werden.

Darauf, dass ihm die Aufrechterhaltung der Unterhaltspflicht wegen seines geringen Einkommens nicht zumutbar sei, kam der Kläger im Rechtsmittelverfahren nicht mehr zurück; Zweifel an seiner Leistungsfähigkeit für den Unterhaltsbetrag von 150 EUR sind daher nicht angebracht. Hinweise auf eine fehlende Eignung oder Neigung der Beklagten für den ausgewählten Beruf oder auf mangelnden Fleiß in der nunmehrigen Ausbildung haben sich im Verfahren nicht ergeben (und wurden vom Kläger auch gar nicht geltend gemacht). Es ist aber als wahrscheinlich anzusehen, dass die Schaffung eines zweiten beruflichen Standbeins in einer Branche, die nicht nur in Österreich, sondern auch international Chancen auf einen saisonunabhängigen Arbeitsplatz eröffnet, die künftige berufliche Situation der Beklagten verbessern wird. Unter diesen Umständen erscheint daher die Bejahung des Fortbestehens der Unterhaltspflicht, deren Erlöschen mit Abschluss der Lehre mit November 2012 absehbar ist, also um etwa eineinhalb Jahre, durchaus vertretbar.

3. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen und hat deshalb deren Kosten selbst zu tragen (§§ 41, 50 ZPO; RIS‑Justiz RS0035962).

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