Spruch:
I. Die Parteienbezeichnung der klagenden Partei wird von „V***** e. Gen.“ auf „V***** AG“ richtiggestellt.
II. Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.019,42 EUR (darin 336,55 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Zu I.:
Laut Firmenbuch (FN 352685 f) wurde das bankgeschäftliche Unternehmen V***** e. Gen. mit Einbringungsvertrag und Verschmelzungsvertrag vom 7. September 2010 gemäß § 92 BWG im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in die V***** AG eingebracht. Die Parteienbezeichnung der klagenden Partei ist entsprechend richtigzustellen.
Zu II.:
Über das Vermögen der B***** Handelsgesellschaft mbH wurde mit Beschluss des Landesgerichts ***** vom 22. Juli 2008, *****, das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte Dr. G***** zum Masseverwalter bestellt. Die Gesellschaft wird in der Folge (auch für Vorgänge vor Konkurseröffnung) als Gemeinschuldnerin bezeichnet.
Am 13. August 2007 schloss die klagende Bank mit der Gemeinschuldnerin einen Haftungskreditvertrag über 2.000.000 EUR zum Zweck der Erstellung von Dokumentenakkreditiven ab; sie verpflichtete sich, über Auftrag der Gemeinschuldnerin bis zur Höhe der Kreditsumme (in deren Interesse und auf deren Rechnung) Akkreditivverpflichtungen zu Gunsten Dritter einzugehen. Bei den Begünstigten (aus den Akkreditiven) handelte es sich um die Verkäufer bzw Hersteller der von der Gemeinschuldnerin vertriebenen Waren mit Sitz im Ausland, vornehmlich in der Volksrepublik China. Bei der Gewährung dieses Haftungskredits entstand der klagenden Bank gegenüber der Gemeinschuldnerin ein Anspruch auf Leistung des Entgelts (der Provision) sowie ein Anspruch auf Aufwandersatz.
Im Haftungskreditvertrag wurde unter der Überschrift „Sicherheiten“ unter anderem vereinbart:
„Zur Sicherstellung der der Bank gegen den Kreditnehmer bereits zustehenden oder künftig zustehenden Forderungen sowie Ansprüche, gleich welcher Art, aus der Inanspruchnahme des gegenständlichen Kredites sowie aus allen darüber hinaus bestehenden oder künftig zu gewährenden Krediten und Darlehen werden Zug um Zug in einer der Bank genehmen Form insbesondere folgende Sicherheiten bestellt:
...
Abtretung sämtlicher Rechte aus dem im Zusammenhang mit der Eröffnung von Akkreditiven verlangten und/oder dazugehörigen Dokumenten wie z.B. B/L, Versicherungspolizzen, sonstige Frachtpapiere, udgl. lt. gesonderter Vereinbarung. Konnossemente sind an „Order V***** e.Gen.“ auszustellen.“
Weiters wurde die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Bankgeschäfte (AGB) vereinbart. Gemäß Z 49 dieser AGB räumt der Kunde dem Kreditinstitut ein Pfandrecht an Sachen und Rechten jeder Art ein, die in die Innehabung des Kreditinstituts gelangen.
Mit Generalabtretungsvereinbarung vom 21. August 2007 trat die Gemeinschuldnerin (nochmals) zur Sicherstellung aller Forderungen und Ansprüche der klagenden Bank alle bestehenden und zukünftigen Forderungen und Ansprüche aus im Zusammenhang mit der Eröffnung von Akkreditiven verlangten und/oder dazugehörigen Dokumenten wie zB B/L, Versicherungspolizzen, sonstige Frachtpapiere udgl erworbenen Rechte ab. Insbesondere waren Konnossemente an „Order V***** e.Gen.“ auszustellen.
Am 30. Mai 2008 eröffnete die klagende Bank über Auftrag der Gemeinschuldnerin zur Nr A 098 ein Akkreditiv zugunsten der O***** International Limited (mit Sitz in Hongkong) in Höhe von 27.010,68 EUR. Am 9. Juni 2008 eröffnete sie - wiederum über Auftrag der Gemeinschuldnerin - zur Nr A 099 ein weiteres Akkreditiv zu Gunsten der J***** Ltd (mit Sitz in China) in Höhe von 30.751,81 EUR. Beide Akkreditive waren nicht schon bei der Dokumentenvorlage zu honorieren, sondern es war die Bank verpflichtet, 90 Tage nach der Dokumentenvorlage bzw nach dem Datum des jeweiligen (Schiffs-)Konnossements („bill of lading“) Zahlung zu leisten.
Die (Schiffs-)Konnossemente wurden am 2. Juli 2008 im Hafen von Hongkong (zur Nr A 098) und am 12. Juli 2008 im Hafen von Ningbo, China (zur Nr A 099), jeweils an die Order der Klägerin ausgestellt. Aus den beiden Urkunden ist zu ersehen, dass als Bestimmungshafen jeweils Hamburg angeführt ist.
In einer sogenannten „Bankenrunde“ am 14. Juli 2008 informierte die Gemeinschuldnerin ihre Gläubiger von ihrer (schon länger bestehenden) Konkursreife. Der Konkurs wurde - wie erwähnt - am 22. Juli 2008 eröffnet.
Die vom jeweiligen Akkreditivbegünstigten bei der Klägerin einzureichenden Dokumente (Konnossement, Handelsfaktura, Packliste) langten am 16. Juli 2008 für das Akkreditiv Nr A 098 (also zwei Tage nach der Bankenrunde, aber vor Konkurseröffnung) und am 28. Juli 2008 für das Akkreditiv Nr A 099 (also nach der Konkurseröffnung) bei der klagenden Bank ein.
Die Klägerin zahlte 27.010,68 EUR nach 90 Tagen ab der „bill of lading“ und 30.751,81 EUR nach 90 Tagen ab Dokumentvorlage, insgesamt daher den Klagebetrag von 57.762,49 EUR.
Zur bestmöglichen Verwertung der Ware räumte die klagende Bank dem Masseverwalter die Verfügungsgewalt über die Ware aus beiden Akkreditiven ein. Der Masseverwalter verkaufte die Ware vereinbarungsgemäß im Rahmen des Konkurses und überwies den Verkaufserlös bis zur Klärung des rechtlichen Schicksals auf ein Sonderkonto. Im Konkursverfahren wurden die beiden Forderungen der klagenden Bank als bedingte Konkursforderungen angemeldet und vom Masseverwalter anerkannt.
Mit der am 1. April 2010 eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei vom Masseverwalter die Zahlung von 57.762,49 EUR sA aus Massemitteln der Gemeinschuldnerin. Nur die klagende Partei als Inhaberin der Dokumente habe über die Ware verfügen können. Sie habe an dieser Ware ein Zurückbehaltungsrecht gehabt, welches im Konkurs wie ein Pfandrecht als Absonderungsrecht zu behandeln sei. Durch die Vereinbarung, dem Masseverwalter die Dokumente auszuhändigen, sei es zu einer Vereinbarung gekommen, den Vertrag beiderseits zu erfüllen, wobei die Klägerin ihren Teil bereits erfüllt habe. Sie sei zum Zeitpunkt der Eröffnung der Akkreditive gutgläubig gewesen und habe ihr alleiniges und ausschließliches Recht, über die Ware zu verfügen, direkt von den Kunden durch die Ausstellung der Konnossemente an ihre Order erworben, ohne dass es eines weiteren Abtretungsakts bedurft hätte. Außerdem seien beide Akkreditiveröffnungen als Zug-um-Zug-Geschäfte unanfechtbar. Die klagende Bank habe beide Akkreditive nur gegen Übergabe der Papiere an ihre Order eröffnet. Weiters habe die Klägerin an der Ware ein Pfandrecht erworben (Z 49 der AGB), das sie bei der Indossierung an den Masseverwalter aufrecht erhalten und keinesfalls aufgegeben habe. Die Ware sei nie Teil der Konkursmasse geworden. Die Konnossemente hätten das Verfügungsrecht an der Ware verbrieft, sodass der Masseverwalter die klagende Partei nicht zur Herausgabe der Ware zwingen hätte können, sondern ohne aktive Mitwirkung der klagenden Partei nie an die Ware herangekommen wäre.
Der beklagte Masseverwalter wandte ein, dass der klagenden Bank ein Provisions- und Aufwandersatzanspruch entstanden sei, sodass die Übertragung von Sicherheiten keine Gegenleistung aus dem Haftungskredit, sondern Teil der Besicherung gewesen sei. Er habe als Masseverwalter hinsichtlich jener Akkreditivdokumente, die die klagende Partei am 16. Juli 2008 erhalten habe, die Anfechtung nach § 31 Abs 1 Z 2 1. Fall KO erklärt, weil die klagende Partei ihre Sicherstellung durch die Dokumente zu einem Zeitpunkt erhalten habe, als ihr die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin bereits bekannt gewesen sei. Die Begründung eines Zurückbehaltungsrechts für die erst nach der Konkurseröffnung erhaltenen Akkreditivdokumente scheitere an den zwingenden Bestimmungen der §§ 3, 10 und 11 KO. Die klagende Partei habe ihre einen Absonderungsanspruch rechtfertigende Gläubigerposition erst im Zeitpunkt des Verfügungsgeschäfts mit der Übergabe der Konnossemente erhalten.
Das Erstgericht gab der Klage statt und führte in der rechtlichen Beurteilung zusammengefasst Folgendes aus:
Bei einer Akkreditivvereinbarung verpflichte sich die Bank gegenüber ihrem Kunden, auf Rechnung des Kunden einem Dritten eine Leistung zu erbringen, wenn die Akkreditivbedingungen erfüllt seien. Die Leistung der Bank sei somit von einer Gegenleistung des aus dem Akkreditiv Begünstigten abhängig.
Voraussetzung der wirksamen Entstehung etwaiger Absonderungsrechte der klagenden Partei an den eingelangten Dokumenten bzw der Ware sei nach dem Prinzip der kausalen Tradition das Vorliegen von Titel und Modus. Als Modus für die Einräumung solcher Sicherungsrechte an der gelieferten Ware komme gemäß § 427 ABGB die Übergabe der Akkreditivdokumente, insbesondere der Konnossemente in Betracht. Werden Konnossemente als Orderpapier ausgestellt, könnten sie durch Indossament nach sachenrechtlichen Grundsätzen übertragen werden (§ 364 Abs 1 UGB). Durch das Indossament würden alle Rechte aus dem indossierten Papier auf den Indossatar (hier: auf die klagende Partei) übertragen. Eine Besonderheit solcher unternehmerischen Wertpapiere bestehe darin, dass ihnen das UGB eine sachenrechtliche Bedeutung zumesse. Sei die Ware vom Transporteur übernommen worden, habe die Übergabe der Papiere an den durch das Indossament Legitimierten dieselbe Wirkung für den Erwerb von Rechten an den Gütern wie die Übergabe des Gutes selbst. Diese sogenannte Traditionswirkung der unternehmerischen Wertpapiere halte § 650 UGB für das Konnossement eindeutig fest. Da die klagende Partei durch die Orderklausel in den Konnossementen als Indossatar zur Empfangnahme der Ware legitimiert gewesen sei, liege ein tauglicher Modus für die Entstehung eines dinglichen Sicherungsrechts vor.
In den „Sicherungsvereinbarungen“ vom 13. August 2007 und 21. August 2007 sei die Abtretung sämtlicher Rechte aus den Akkreditivdokumenten sowie die Ausstellung der Konnossemente an die Order der klagenden Partei vereinbart worden, weshalb Gegenstand eines Sicherungsrechts nur der schuldrechtliche Anspruch auf Herausgabe der Ware gegen den Transporteur sein könne. In Z 49 Abs 1 der AGB habe die Gemeinschuldnerin der klagenden Partei ein Pfandrecht an jenen Sachen und Rechten eingeräumt, die in ihre Innehabung kommen. Nach herrschender Lehre beschränke sich dieses Pfandrecht auf jene Dokumente bzw jene Ware, die die klagende Partei erst nach Eröffnung des Konkurses erhalten habe. Aufgrund dieses Pfandbestellungstitels habe die klagende Partei ein „Aussonderungsrecht“ in Form eines Pfandrechts an der Ware laut Akkreditivdokumente Nr A 099 erworben.
Weil sie ein vor dem Insolvenzverfahren eröffnetes Akkreditiv honorieren habe müssen, stehe der klagenden Partei ebenso nach § 471 ABGB ein Zurückbehaltungsrecht (für ihren Aufwand) gegen den Herausgabeanspruch ihres Auftraggebers an den Dokumenten zu, zu deren Erlangung sie den Aufwand getätigt habe. In der Insolvenz des Auftraggebers werde ein solches Zurückbehaltungsrecht formal wie ein Pfandrecht behandelt (§ 10 Abs 2 KO). Wegen der Unternehmereigenschaft stehe der klagenden Partei auch das mit einem Verwertungsrecht ausgestattete Zurückbehaltungsrecht nach §§ 369 ff UGB an den Dokumenten bzw der dadurch repräsentierten Ware zu.
Die klagende Partei habe ihre vor Konkurseröffnung bestehende Pflicht zur Leistung erbracht und zur Sicherung ihrer Forderung ein Zurückbehaltungsrecht an den Akkreditivdokumenten erworben. Die herrschende Lehre und Rechtsprechung würde das rechtsgültige Entstehen von gesetzlichen Absonderungsrechten auch nach der Konkurseröffnung befürworten. Demnach habe die Klägerin für ihren Aufwandersatzanspruch bezüglich beider Akkreditive ein Zurückbehaltungsrecht iSd § 471 ABGB und daher ein Absonderungsrecht nach § 10 Abs 2 KO.
Nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit seien Rechtshandlungen gemäß § 31 Abs 1 Z 2 1. Fall KO anfechtbar, durch die ein Konkursgläubiger Sicherstellung oder Befriedigung in der Krise erlangt habe. Danach könne das Verfügungsgeschäft angefochten werden, wenn der Anfechtungsgegner in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des späteren Gemeinschuldners eine Sicherstellung erlangt habe.
Die Sicherstellung durch Pfandrechtsbestellung iSd § 31 Abs 1 Z 2 KO habe die klagende Partei erst mit der Übergabe der Dokumente für das Akkreditiv Nr A 098 am 16. Juli 2008, also zwei Tage nach der Bankenrunde begründen können. Da hier die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin bereits bekannt gewesen sei, wäre die Rechtshandlung grundsätzlich anfechtbar. Allerdings seien Zug-um-Zug-Geschäfte nach herrschender Meinung und Rechtsprechung unanfechtbar. Hier liege ein solches Geschäft vor, weil das Einlangen der Dokumente für das Akkreditiv Nr A 098 nur mehr die nachträgliche Einräumung der bereits ausbedungenen Sicherheit sei. Trotz dieses „time lags“ zwischen der Vereinbarung, die Akkreditivauszahlung sicherzustellen, und der tatsächlichen Sicherstellung (mit Einlangen der Dokumente) liege eine solche unanfechtbare Rechtshandlung vor, weil von einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang, der in einem ursächlichen Zusammenhang stehe, auszugehen sei. Die Dokumente beider Akkreditive seien - wie bei Schiffslieferungen nicht unüblich - etwa eineinhalb Monate nach der Akkreditiveröffnung bei der Klägerin eingelangt, wodurch die Sicherheiten entstanden seien. Aufgrund der rechtswirksamen Absonderungsrechte aus der Konkursmasse sei dem Klagebegehren zu entsprechen gewesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Masseverwalters nicht Folge. Es übernahm die erstgerichtliche Feststellung (samt einer zusätzlichen Feststellung) und bestätigte zumindest teilweise die Rechtsansichten des Erstgerichts.
Nach § 363 Abs 2 UGB könnten Konnossemente der Verfrachter durch Indossament übertragen werden, wenn sie an Order lauten. Das Konnossement (bill of lading) sei eine Urkunde des Seefrachtrechts. Darin erkläre der Verfrachter, bestimmte Güter vom Ablader empfangen zu haben, und verpflichte sich, sie im Bestimmungshafen dem in der Urkunde bezeichneten Empfänger oder dessen Order auszuhändigen. Das Konnossement sei ein Traditionspapier. Seine Übergabe habe die gleiche Wirkung wie die Übergabe der Ware selbst. Der Eigentumserwerb erfolge hier durch Übergabe durch Zeichen.
Die Übergabe des Konnossements an denjenigen, der durch das Konnossement zur Empfangnahme legitimiert werde, habe - sobald die Güter von dem Schiffer oder einem anderen Vertreter des Verfrachters zur Beförderung übernommen seien - für den Erwerb von Rechten an den Gütern dieselben Wirkungen wie die Übergabe der Güter (§ 650 UGB).
Traditionspapiere würden nicht nur das Recht an der Forderung übertragen, sondern auch das an der zu fordernden Sache. Die Bestimmung (Vereinbarung, Genehmigung) der Überschickungsart durch den Erwerber rechtfertige es, Gefahr und Eigentum schon mit Absendung auf ihn übergehen zu lassen. Einverständnis mit der verkehrsüblichen Versendung dürfe regelmäßig angenommen werden. Der Eigentumsübergang trete damit faktisch in aller Regel schon mit der Übergabe der Ware zum Transport ein, wenn eine übliche Transportart gewählt worden sei. Damit sei der sachenrechtlich wirksame Eigentumsübergang hier schon mit der Übergabe der Ware an die Verfrachter und mit der Ausstellung der Konnossemente an die Order der klagenden Partei erfolgt.
Nach § 10 Abs 1 KO könne nach der Konkurseröffnung wegen einer Forderung gegen den Gemeinschuldner an den zur Konkursmasse gehörigen Sachen kein richterliches Pfand- oder Befriedigungsrecht erworben werden. Nach § 11 Abs 1 KO würden Absonderungsrechte sowie Rechte auf Aussonderung nicht zur Konkursmasse gehöriger Sachen durch die Konkurseröffnung nicht berührt.
Das Berufungsgericht teile die Rechtsansicht der klagenden Bank, dass die Ware wegen der Ausstellung der Konnossemente an ihre Order nicht zur Konkursmasse gehört habe, weil die Ware schon durch die vereinbarte und vorgenommene Ausstellung der Konnossemente an die Order der klagenden Bank dem Zugriff der Gemeinschuldnerin entzogen gewesen sei. Da der Eigentumserwerb an der Ware durch die Übergabe an die Verfrächter und die Ausstellung der Konnossemente an die Order der klagenden Bank erfolgt sei, hätte die Ware beim Einlangen nicht zur Konkursmasse gehört, sodass das bereits übergegangene Verfügungsrecht der klagenden Partei an der Ware durch die Konkurseröffnung nicht berührt worden sei.
Nach der höchstgerichtlichen Judikatur könnten gesetzliche Absonderungsrechte auch nach Konkurseröffnung entstehen (RIS-Justiz RS0051718). Wenn sich der Masseverwalter auf den Anfechtungstatbestand der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit beim Einlangen der Dokumente am 16. bzw 28. Juli 2008 stütze, vernachlässige er, dass die klagende Bank iSd §§ 30, 31 KO ihre Sicherstellung schon durch die Ausstellung der Konnossemente an ihre Order zu einem Zeitpunkt sowohl vor der Bankenrunde als auch vor der Konkurseröffnung erlangt habe.
Das Ergebnis des Erstgerichts sei auch sachgerecht. Die klagende Bank habe nämlich aufgrund der schon im Mai bzw Juni 2008 eingegangenen Akkreditiveröffnung Zahlung trotz der Konkurseröffnung leisten müssen, weil die Dokumente vereinbarungsgemäß an ihre Order ausgestellt gewesen seien. Wären die Konnossemente nicht an ihre Order ausgestellt gewesen, wäre die klagende Partei auch nicht zur Zahlung verpflichtet gewesen.
Schließlich müsse eine Zug-um-Zug-Abwicklung, die eine Anfechtung ausschließe, nicht nur gesetzlich festgelegt oder vereinbart, sondern auch tatsächlich als solche effektuiert worden sein. Die gleichzeitige Bewirkung von Leistung und Gegenleistung werde allerdings nicht gefordert, sondern es genüge, dass derjenige, der sich bei seiner Leistung gleichzeitige Sicherstellung bedungen habe, diese Sicherstellung erst nachträglich tatsächlich eingeräumt erhalte. Trotz des time lags zwischen der Zug-um-Zug-Erfüllungspflicht bzw der Vereinbarung, dass die Leistung gleichzeitig sicherzustellen (oder zu befriedigen) sei, und der tatsächlichen Sicherstellung (oder Befriedigung) könne immer noch ein Zug-um-Zug-Geschäft vorliegen. Bei der Beurteilung, ob es sich (noch) um ein Zug-um-Zug-Geschäft (Bargeschäft) handle, sei die Verkehrsauffassung maßgebend, stets jedoch ein enger zeitlicher Zusammenhang erforderlich.
Auch hier sei schon im Haftungskreditvertrag und in der Generalabtretungsvereinbarung vereinbart worden, die Ansprüche der klagenden Bank gegen die Gemeinschuldnerin aufgrund eröffneter Akkreditive durch Zug-um-Zug auszustellende Konnossemente an die Order der klagenden Bank sicherzustellen. Auch die Akkreditiveröffnungen der Klägerin seien tatsächlich mit der Ausstellung der Konnossemente an ihre Order verknüpft worden und es sei diese Besicherung mit den ausgestellten Dokumenten auch tatsächlich eingehalten worden. Schließlich sei auch die Zahlung durch die klagende Bank Zug-um-Zug gegen Übergabe der Warendokumente, wenngleich mit einem 90-tägigen Zahlungsziel, erfolgt.
Zusammenfassend könne in der erstgerichtlichen Rechtsansicht, dass die klagende Partei ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 471 ABGB und daher ein Absonderungsrecht gemäß § 10 Abs 2 KO für ihren Aufwandersatzanspruch bezüglich beider Akkreditive gehabt habe, keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden, sodass der Masseverwalter zur Herausgabe des eingeklagten Erlöses aus der einvernehmlich vorgenommenen Verwertung der Ware verpflichtet sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof die Frage, ob gesetzliche Sicherungsrechte auch noch nach der Konkurseröffnung zugunsten von Konkursforderungen entstehen könnten, zu 6 Ob 16/02z offen gelassen habe. Auch die weiters angesprochenen Fragen des Zeitpunkts des Entstehens der Forderungen der Begünstigen aus einer Akkreditiveröffnung sowie der Wirksamkeit des Eigentumsübergangs aufgrund der ausgestellten Konnossemente ließen eine Befassung des Höchstgerichts gerechtfertigt erscheinen.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des beklagten Masseverwalters aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsabweisenden Sinn.
Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Ausgehend vom österreichischen Sachen- und Anfechtungsrecht bestreitet die beklagte Partei in ihren Revisionsausführungen auf mehreren Ebenen grundlegend jedweden Erwerb einer gesicherten Rechtsposition durch die klagende Partei. Kurz zusammengefasst stehen folgende Argumente der beklagten Partei im Vordergrund:
- Der Aufwandersatzanspruch der klagenden Partei sei grundsätzlich als Konkursforderung zu qualifizieren, auch wenn die Zahlung aus dem Akkreditiv erst nach der Eröffnung des Konkursverfahrens erfolgt ist.
- Das ursprüngliche Kaufgeschäft zwischen der Gemeinschuldnerin und den chinesischen Lieferanten sei auf Eigentumsverschaffung zugunsten der Gemeinschuldnerin und nicht der klagenden Partei gerichtet gewesen; letzterer fehle es an einem Titel für einen Eigentumserwerb. Die spätere Gemeinschuldnerin sei bereits mit der Verladung der Ware an Bord des Schiffes Eigentümerin geworden.
- Objekt der Sicherungsvereinbarung und Sicherungsgegenstand habe nur der Anspruch auf Herausgabe der Ware am Bestimmungshafen und nicht etwa die Übertragung von Eigentumsrechten (zu Sicherungszwecken) sein können.
- Für die Begründung von dinglichen Sicherungsrechten fehle es an einem Titel; in den Urteilen der Vorinstanzen herrsche völlige Unklarheit, welche Rechte der klagenden Bank eingeräumt werden hätten sollen bzw worden seien. Weiters fehle es an einem wirksamen Begebungsvertrag und an einem Indossament, weshalb die Traditionswirkung durch die tatsächliche Übergabe der Konnossemente nicht erreicht werden habe können.
- Für die Begründung von dinglichen Sicherungsrechten fehle es - mangels Publizität - bis zur Übergabe der Konnossemente durch die klagende Bank auch an einem tauglichen Modus.
- Bei Entstehen des vom Erstgericht angenommenen gesetzlichen Pfand- oder Zurückbehaltungsrechts durch Übernahme der Papiere im Juli 2008 sei die eingetretene Zahlungsunfähigkeit bereits bekannt gewesen bzw sei (in Bezug auf das Konnossement im Akkreditiv Nr A 099) überhaupt schon der Konkurs eröffnet gewesen; der Erwerb eines gesetzlichen Pfand- oder Zurückbehaltungsrechts bei den am 16. Juli 2008 erhaltenen Dokumenten sei (zumindest) nach § 31 Abs 1 Z 2 1. Fall KO anfechtbar, bei den am 28. Juli 2008 erhaltenen jedenfalls unwirksam (nach Konkurseröffnung könnten aber auf vertraglicher Grundlage beruhende Sicherungsrechte nicht mehr begründet werden). Die Berufung auf ein Zug-um-Zug-Geschäft scheide bei einem gesetzlichen Pfandrecht aus.
Dazu wurde erwogen:
1. Die klagende Bank hat am 13. August 2007 mit der Gemeinschuldnerin einen Haftungskreditvertrag zum Zweck der Erstellung von Dokumentenakkreditiven abgeschlossen; sie verpflichtete sich, über Auftrag der Gemeinschuldnerin Akkreditivverpflichtungen zugunsten von Herstellern bzw Verkäufern von Waren mit Sitz im Ausland einzugehen. In der Generalabtretungsvereinbarung vom 21. August 2001 wurde vereinbart, dass Konnossemente an Order der Bank auszustellen sind.
Die beiden nun streitgegenständlichen Akkreditive wurden am 30. Mai 2008 bzw am 9. Juni 2008 eröffnet; beide waren 90 Tage nach der Dokumentenvorlage bzw nach dem Datum des jeweiligen Konnossements zu honorieren. Die Konnossemente wurden am 2. Juli 2008 bzw 9. Juli 2008 jeweils an Order der klagenden Bank ausgestellt. Die bei der klagenden Bank einzureichenden Dokumente langten bei dieser am 16. Juli 2008 bzw am 28. Juli 2008 ein; die Honorierung der Akkreditive über insgesamt 57.762,49 EUR erfolgte jeweils vereinbarungsgemäß.
Am 14. Juli 2008 informierte die Gemeinschuldnerin ihre Gläubiger über die Konkursreife; der Konkurs wurde am 22. Juli 2008 eröffnet.
1.1. Das Akkreditiv ist die von einem Kreditinstitut im Auftrag eines Kunden oder im eigenen Interesse dem Begünstigten gegenüber rechtsgeschäftlich eingegangene abstrakte Verpflichtung, ihm auf Rechnung ihres Auftraggebers unter bestimmten Voraussetzungen - insbesondere bei fristgerechter Vorlage der vereinbarten Dokumente - eine Leistung (zB Zahlung) zu erbringen. Es dient der Abwicklung (bzw auch der Finanzierung) eines Geschäfts (Valutaverhältnis) zwischen dem Akkreditivauftraggeber (zB Käufer) und dem Akkreditivbegünstigten (zB Verkäufer), die in ihrem Vertrag vereinbaren, dass die Zahlungsabwicklung durch Akkreditiv erfolgen solle (Akkreditivklausel); daraufhin beauftragt der Akkreditivauftraggeber seine Bank (Deckungsverhältnis), ein Akkreditiv gegenüber dem Begünstigten zu eröffnen, wodurch sich die Bank zu einer Leistung (Einlösungsverhältnis) verpflichtet (Apathy/Katzenberger in Apathy/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht V2 [2009] Rz 1/1). Die Eröffnung eines Akkreditivs wirkt in der Regel nur zahlungshalber (Apathy/Katzenberger in BVR V2 Rz 1/23).
1.2. Ein Konnossement ist ein Wertpapier des Seefrachtrechts. In Österreich ist es in den §§ 642 ff UGB geregelt. In der Regel erfüllt es drei Funktionen: Es ist Empfangsbekenntnis des Verfrachters und verbrieft den schuldrechtlichen Herausgabeanspruch gegen den Verfrachter, es ist Beweisurkunde für den Frachtvertrag und kann als Orderpapier Traditionspapier sein (siehe Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse im Internationalen Privatrecht [1995] 125 f), um die Verfügung über das (regelmäßig längere Zeit) schwimmende Gut zu erleichtern. Die Traditionsfunktion äußert sich darin, dass die Übergabe des Konnossements an den daraus Legitimierten die gleichen Wirkungen wie die Übergabe der Ware zeitigt (dazu Rabe, Seehandelsrecht4 [2000] § 650 HGB Rz 1 ff; zum Ladeschein nach österreichischem Recht Csoklich in Jabornegg/Artmann2 § 450 Rz 15).
Hervorzuheben ist, dass das Konnossement nicht das Eigentum an der Sache oder sachenrechtliche Verwertungsansprüche verbrieft, sondern den schuldrechtlichen Herausgabeanspruch des Konnossementsberechtigten gegen den Verfrachter (Mankowski, Konnossemente und die Rom I-VO, TranspR 2008, 417 [425]; von Bar, Wertpapiere im deutschen Internationalen Privatrecht, in FS Werner Lorenz [1991] 273 [280]).
1.3. Im vorliegenden Fall geht es darum, ob der klagenden Akkreditivbank - über die bei ihr eingereichten, auf sie lautenden Orderkonnossemente - eine insolvenzsichere Rechtsposition in Bezug auf die letztlich für die Gemeinschuldnerin bestimmte Ware zukommt; der nunmehr auf einem Sonderkonto erliegende Erlös aus dem zwischen den Parteien abgestimmten Verkauf der Ware ist als Surrogat für die Ware anzusehen.
1.4. Diesbezüglich beruft sich die klagende Partei insbesondere auch darauf, dass sie an der Ware ein Zurückbehaltungsrecht nach § 471 ABGB bzw § 369 UGB erworben habe. Auszugehen ist davon, dass die von § 471 ABGB geforderte Leistung eines Aufwands auf die fremde Sache - so wie hier - auch in Form der vereinbarungsgemäßen Zahlung des Kaufpreises liegen kann (RIS-Justiz RS0011487; Koch in KBB3 § 471 ABGB Rz 4 mwN).
2. Die Vorinstanzen beurteilten den Sachverhalt - ebenso wie der Revisionswerber - nach österreichischem Sachrecht. Insbesondere die Frage des auf Konnossemente anzuwendenden Rechts wird nun von der klagenden Bank in ihrer Revisionsbeantwortung aufgegriffen („bislang im Verfahren noch nicht ausreichend beachtet worden“).
Haben auch die Parteien im Verfahren vor dem Erstgericht und dem Berufungsgericht die Anwendung österreichischen Rechts nicht in Zweifel gezogen, sondern sich vielmehr wechselseitig ausdrücklich darauf berufen, muss vom Obersten Gerichtshof nicht mehr darauf eingegangen werden, ob allenfalls auf die hier relevanten Fragen ein anderes Sachrecht anzuwenden ist (7 Ob 148/03w = SZ 2003/87 mwN; RIS-Justiz RS0040169).
3. Ein Zurückbehaltungsrecht ist im Insolvenzverfahren formal wie ein Pfandrecht als Absonderungsrecht zu behandeln (§ 10 Abs 2 KO; RIS-Justiz RS0011497); der Zurückbehaltungsberechtigte darf daher gegenüber dem Insolvenzverwalter die Herausgabe verweigern (Oberhammer/Domej in ABGB-ON 1.00 § 471 Rz 4).
3.1. Unabhängig von der Redlichkeit (RIS-Justiz RS0011521 [T1]) setzt das Zurückbehaltungsrecht (§ 471 ABGB) Innehabung dessen voraus, der auf eine im fremden Eigentum stehende Sache einen Aufwand tätigt (7 Ob 634/92 uva).
3.1.1. Der Beklagte selbst geht in seinem Vorbringen davon aus, dass die Ware nicht in das unbeschränkte Eigentum der klagenden Bank gelangt ist - schließlich behauptet er sowohl in der Klagebeantwortung (Seite 7 in ON 2) als auch in der Revision (Punkt 2.2.2.), dass die Gemeinschuldnerin mit der Übergabe der Ware an den Verfrachter Eigentümerin geworden sei. Unstrittig ist, dass die Masse spätestens mit Zahlung des Kaufpreises durch die klagende Partei das Eigentumsrecht an der Ware erworben hat.
3.1.2. Zu Recht (siehe § 650 UGB) lässt der Beklagte auch unbestritten (Punkt 2.2.5. der Revision), dass die Bank mit der Übergabe der Dokumente an sie den Besitz an der Ware erlangt hat, ist doch gerade eine dadurch erlangte Sicherheit Gegenstand der Anfechtungseinrede des Masseverwalters nach § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO.
3.2. Das gesetzliche Zurückbehaltungsrecht und das gesetzliche Pfandrecht können nach herrschender Ansicht und mit der wesentlichen Begründung, dass § 10 Abs 1 KO nur richterliche Pfandrechte nennt, auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen (3 Ob 178/26 = SZ 8/278; 3 Ob 994/26 = SZ 9/5; 5 Ob 626/80 = SZ 53/133; obiter 1 Ob 697/88 = SZ 62/32; Petschek/Reimer/Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht [1973] 545; Wegan/Reiterer, Österreichisches Insolvenzrecht [1973] 44; Braumüller, Das Zurückbehaltungsrecht in Exekution und Insolvenz [1991] 113 f; Deixler-Hübner in Konecny/Schubert § 10 KO Rz 36 mwN; Apathy in Buchegger 44 § 10 KO Rz 19; Hofmann in Rummel 3 § 447 ABGB Rz 5; Hinteregger in Schwimann, ABGB3 § 450 Rz 2; zum gesetzlichen Bestandgeberpfandrecht 3 Ob 3/80 = JBl 1980, 480; 3 Ob 149/83 = EvBl 1984/112, 437; Reckenzaun, Das gesetzliche Bestandgeberpfandrecht [1989] 74 ff; Würth in Rummel 3 § 1101 ABGB Rz 7; aA unter Berufung auf das Prinzip der Gleichbehandlung aller Gläubiger nur Bachmann, Welchen Schutz bieten das anwaltliche Zurückbehaltungs- und Pfandrecht nach §§ 19, 19a RAO im Konkurs? AnwBl 1996, 501 [502]).
Dieser herrschenden Ansicht ist zu folgen. Für ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers bei der Formulierung des § 10 Abs 1 KO, der ausdrücklich nur richterliche Absonderungsrechte nennt, oder für eine planwidrige Gesetzeslücke fehlt es an Anhaltspunkten. Auch aus § 3 KO ergibt sich nur, dass auf Rechtshandlungen des Gemeinschuldners beruhende vertragliche Absonderungsrechte den Gläubigern gegenüber unwirksam sind. Gesetzliche Zurückbehaltungsrechte können aber auch ohne solche Rechtshandlungen des Schuldners entstehen. Voraussetzung ist nur die Innehabung der Sache, wobei die Verfügungsgewalt auch von einem Dritten eingeräumt werden kann.
Es schadet also der Umstand, dass die Innehabung an der fremden Sache und die vereinbarungsgemäße Zahlung des Kaufpreises erst nach Konkurseröffnung erfolgten, der Entstehung des gesetzlichen Zurückbehaltungsrechts nicht.
3.3. Sowohl bei der klagenden Bank als auch bei der Gemeinschuldnerin handelt es sich um Unternehmer, weshalb das unternehmerische Zurückbehaltungsrecht nach §369 UGB zur Anwendung kommt. Ein solches besteht an den beweglichen Sachen und Wertpapieren des Schuldners, die in die Innehabung (hier) der Bank gelangt sind, sich noch in ihrer Innehabung befinden und worüber die Bank „insbesondere mittels Konnossements“ verfügen kann. Das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht kann auch wegen nicht konnexer Forderungen begründet werden (Koch in KBB3 § 471 ABGB Rz 5) und gibt dem Berechtigten ein pfandähnliches Befriedigungsrecht (§ 371 Abs 1 Satz 1 UGB). Im Hinblick auf die zwischen der klagenden Partei und dem Masseverwalter unter dem Vorbehalt der späteren Klärung der Rechtsfragen getroffenen Vereinbarung steht die Freigabe der Ware an den Masseverwalter dem Anspruch auf den Verwertungserlös nicht entgegen.
4. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass die klagende Bank sowohl vor Konkurseröffnung (Akkreditiv vom 30. Mai 2008, A 098) als auch nach Konkurseröffnung (Akkreditiv vom 9. Juni 2008, A 099) jeweils durch die Einreichung der Konnossemente Inhaberin der Waren wurde und dass die Voraussetzungen für ihre Retentionsrechte nach § 471 ABGB erfüllt waren, ab Fälligkeit des Aufwandsersatzanspruchs der Klägerin auch das unternehmerische Zurückbehaltungsrecht nach § 369 Abs 1 UGB. Zurückbehaltungsrechte sind im Konkurs - wie erwähnt - wie Pfandrechte zu behandeln (§ 10 Abs 2 KO).
Es bedarf daher keines Eingehens auf die Frage, ob die klagende Partei als Akkreditivbank ein vertragliches Pfandrecht an der Ware laut Akkreditiv zur Nr A 098 erworben hat.
5. Der Hinweis des Masseverwalters auf die Rechtsprechung zu einer vor dem Konkurs eröffneten und während des laufenden Konkurses erfüllten Bankgarantie (8 Ob 200/02y) ist insofern nicht ausreichend, als die nunmehr streitgegenständlichen Akkreditive zum Zweck des Ankaufs von Waren eröffnet wurden und bei vereinbarungsgemäßer Abwicklung ein gesetzliches Zurückbehaltungsrecht entstand. Bei einer Bankgarantie ist dies mangels Sachinnehabung des Garanten nicht der Fall. Einzuräumen ist lediglich, dass da wie dort der Aufwandsersatzanspruch wegen Zahlung nach Konkurseröffnung keine Masseforderung, sondern eine (bedingte) Konkursforderung ist, weil schon mit der Eröffnung eines Akkreditivs ein aufschiebend bedingter Anspruch (§ 16 KO) entsteht, wie dies ganz allgemein für potentielle Rückgriffsforderungen von Bürgen, dritten Pfandbestellern oder Mitschuldnern gilt (RIS-Justiz RS0051527). Entscheidungswesentlich ist nun, ob diese zunächst nur bedingte Konkursforderung anfechtungsfest gesichert war.
6. Mit der vom Masseverwalter erhobenen Anfechtungseinrede (§ 43 Abs 1 KO) wird die „Sicherstellung in Form der Dokumente“ (seien es Pfandrechte, Sicherungseigentum oder Retentionsrechte) wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit (§ 31 Abs 1 Z 2 1. Fall KO) angefochten, im Ergebnis also die über die Konnossemente vermittelte Innehabung der Waren. Wäre diese Innehabung nach Anfechtungsrecht gegenüber den Gläubigern der Gemeinschuldnerin unwirksam, fehlte es für die auch noch nach Konkurseröffnung bestehende Innehabung an einer Tatbestandsvoraussetzung des Retentionsrechts, weil zur Herausgabe einer Sache nur derjenige verpflichtet sein kann, der die Sache auch innehat (§ 471 ABGB).
6.1. Zur Durchsetzung der konkursrechtlichen Zielsetzung der Gleichbehandlung aller Gläubiger ist der Begriff der anfechtbaren Rechtshandlung weit zu fassen. Anfechtbar sind Handlungen des Gemeinschuldners oder Dritter, die in irgendeiner Weise rechtliche Wirkungen hervorrufen, also auch Realakte (Rebernig in Konecny/Schubert § 27 KO Rz 48 mwN). Es ist also nicht erforderlich, dass die Sicherstellung durch den späteren Gemeinschuldner vorgenommen wurde. Der beauftragte oder angewiesene oder sonstige Mittelsmann, der die Handlung für den Gemeinschuldner vornimmt, steht insoweit für ihn (König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung4 Rz 10/18).
7. Einer erfolgreichen Anfechtung steht hier das Zug-um-Zug-Prinzip entgegen:
7.1. Eine Sicherstellung, die gleichzeitig mit der Begründung der Schuld gewährt wird und sich als Teil des die Schuld begründenden Rechtsgeschäfts darstellt, ist nicht nach § 30 Abs 1 Z 2 1. Fall KO anfechtbar (Koziol/Bollenberger in Buchegger 4 § 31 KO Rz 11 ff; RIS-Justiz RS0064426; RS0064859; 3 Ob 246/09m = ÖBA 2010, 831/1669 [Bollenberger]), weil der Gläubiger dann nur das erhält, was ihm der Schuldner aufgrund der Vereinbarung leisten musste, um das Schuldverhältnis zu begründen („Zug-um-Zug“). Dabei ist erforderlich, dass die Sicherstellung nicht bloß vereinbart, sondern in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehend auch tatsächlich gewährt wird (3 Ob 246/09m = ÖBA 2010, 831/1669 [Bollenberger]).
7.2. Im Anfechtungsrecht ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten (2 Ob 177/02x; 6 Ob 172/06x uva; Rebernig in Konecny/Schubert § 27 KO Rz 53 mwN). Bei der Prüfung des Zug-um-Zug-Leistungsaustausches ist auf den zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang abzustellen bzw darauf, ob ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang vorliegt (König, Anfechtung4 Rz 10/4 mwN; Rebernig in Konecny/Schubert § 30 Rz 59 mwN).
7.3. Hier war im Haftungskreditvertrag vom 13. August 2007 vereinbart worden, dass alle Rechte aus im Zusammenhang mit der Eröffnung von Akkreditiven erlangten Dokumenten abgetreten werden und Konnossemente an Order der klagenden Partei auszustellen sind. Die in der Folge tatsächlich eröffneten Akkreditive sehen eine Zahlungsverpflichtung der klagenden Bank 90 Tage nach Dokumentenvorlage vor. Sowohl die Vereinbarung zwischen der klagenden Bank und der Gemeinschuldnerin als auch die gegenüber den Verkäufern übernommenen Akkreditivverpflichtungen enthalten somit eine Sicherstellungsvereinbarung in dem zu 7.1. beschriebenen Sinn.
7.4. Der Sachverhalt zum Zeitpunkt der Übergabe des ersten Konnossements vor Konkurseröffnung an die klagende Partei war also dadurch gekennzeichnet, dass mit der Dokumenteneinreichung zeitgleich nicht nur der aufschiebend bedingte Auszahlungsanspruch des Begünstigten (Verkäufers), sondern auch der ebenfalls zuvor nur bedingte Aufwandersatzanspruch der Bank gegenüber dem Gemeinschuldner zu jeweils unbedingten Ansprüchen wurden und mit der Innehabung der Urkunden durch die Bank für diese ein gesetzliches Retentionsrecht entstand. Im Sinne der oben dargelegten Grundsätze kann daher wegen des konditionalen Zusammenhangs von einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang ausgegangen werden, bei dem die erforderliche Zug-um-Zug-Verknüpfung vorliegt. Im Austauschverhältnis zwischen Bank und Gemeinschuldnerin kann die vereinbarte Bedingung der Dokumenteneinreichung und deren Erfüllung aber auch als Vorleistung der Gemeinschuldnerin qualifiziert werden, die erst zum Entstehen der Zahlungspflicht gegenüber dem Verkäufer und gleichzeitig zum Entstehen eines unbedingten Aufwandsersatzanspruchs führte.
7.5. Die zu 7.1. beschriebenen Voraussetzungen für eine anfechtungsfeste Zug-um-Zug-Sicherstellung liegen daher vor.
8. Ob in Ansehung des am 9. Juni 2008 eröffneten Akkreditivs, zu dem das Konnossement erst nach Konkurseröffnung bei der Bank einlangte, eine Anfechtung der bekämpften Rechtshandlung nach § 31 Abs 1 Z 2 1. Fall KO noch möglich ist (§ 27 KO; vgl 6 Ob 324/98k; RIS-Justiz RS0034005; Rebernig in Konecny/Schubert § 27 KO Rz 62), braucht hier nicht weiter untersucht werden. Wäre eine Anfechtbarkeit gegeben, müsste sie am schon erläuterten Zug-um-Zug-Prinzip scheitern. Im Sinn der unter 3.2. angeführten herrschenden Meinung stand der klagenden Bank auch mit der erst nach Konkurseröffnung erfolgten Übergabe des Konnossements das gesetzliche Zurückbehaltungsrecht nach § 471 ABGB zur Verfügung, nach eingetretener Fälligkeit des Aufwandersatzanspruchs auch das Retentionsrecht nach § 369 UGB.
9. Wohl erlischt das Zurückbehaltungsrecht mit dem Wegfall der gesetzlichen Voraussetzungen, also auch bei freiwilliger Aufgabe des Besitzes des Gläubigers, der seinen Aufwand noch nicht ersetzt erhalten hat (RIS-Justiz RS0015228; 5 Ob 113/09t). Einer solchen Rechtsfolge steht aber hier die getroffene Verwertungsvereinbarung entgegen, womit zwar dem Masseverwalter die Verfügung über die Ware zur Verwertung überlassen wurde, der Anspruch auf den Erlös aber noch - allenfalls vor Gericht - geklärt werden sollte.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 und
41 ZPO.
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