OGH 2Ob73/19b

OGH2Ob73/19b28.11.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Adoptionssache des mj L* D*, geboren am * 2010, *, wegen Aufhebung der Wahlkindschaft, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Wahlvaters D* D*, vertreten durch Mag. Matthias Bonelli, Rechtsanwalt in Wels, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 20. März 2019, GZ 21 R 35/19z‑36, womit infolge Rekurses des leiblichen Vaters der Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom 22. November 2018, GZ 17 P 91/18p‑30, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127323

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der leibliche Vater hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

Der am * 2010 geborene Minderjährige ist das leibliche Kind der M* D* und des G* L*. Mit Beschluss vom 8. 6. 2016 wurde die Adoption des Kindes durch den mit der leiblichen Mutter verheirateten Wahlvater bewilligt. Der leibliche Vater hatte dieser Adoption zugestimmt.

Am 20. 9. 2018 beantragten die Mutter und der Wahlvater die Aufhebung der Wahlkindschaft. Nach der Trennung der Mutter vom Wahlvater habe letzterer keinen Kontakt mehr zum Wahlkind und jede emotionale Bindung zu diesem verloren. Die Aufrechterhaltung der Annahme an Kindes statt bei de facto fehlendem Vater‑Kind‑Verhältnis gefährde das Kindeswohl. Die Annahme an Kindes statt sei überdies auf Wunsch der Mutter erfolgt. Der Wahlvater habe gefürchtet, die Mutter würde ihn verlassen, wenn er ihrem Wunsch nicht entspreche.

Der leibliche Vater sprach sich gegen die Aufhebung der Adoption aus.

Das Erstgericht gab dem Antrag statt und hob die Wahlkindschaft auf, weil dies dem Kindeswohl entspreche.

Das vom leiblichen Vater angerufene Rekursgericht bejahte die Rechtsmittellegitimation des leiblichen Vaters und änderte den Beschluss des Erstgerichts im antragsabweisenden Sinn ab. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Nach Ansicht des Rekursgerichts sei das Kindeswohl nicht gefährdet. Der spätere Wegfall des Motivs für eine Adoption, enttäuschte Erwartungen über den Verlauf des neuen Verhältnisses oder das Fehlen einer Eltern‑Kind‑Beziehung seien keine ausreichenden Gründe für eine Aufhebung der Adoption.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Wahlvaters mit dem Antrag, die angefochtene Rekursentscheidung dahin „abzuändern“, dass der Rekurs des leiblichen Vaters mangels Rekurslegitimation zurückgewiesen werde. Im Ergebnis wird damit die Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses geltend gemacht.

Von der den Parteien durch den Obersten Gerichtshof freigestellten Möglichkeit der Revisionsrekursbeantwortung machte lediglich der leibliche Vater Gebrauch. Er beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Entscheidung 7 Ob 325/99s, auf die sich das Rekursgericht gestützt hat und in der ein Revisionsrekurs des leiblichen Vaters gegen die Bestätigung der Aufhebung der Wahlkindschaft mangels erheblicher Rechtsfrage (nicht aber mangels Rechtsmittellegitimation) zurückgewiesen wurde, enthält keine inhaltlichen Ausführungen zur Frage der Rekurslegitimation des leiblichen Vaters. Wegen des Fehlens höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu dieser Frage ist der außerordentliche Revisionsrekurs daher zulässig. Er ist aber nicht berechtigt.

Der Wahlvater macht geltend, das Rekursgericht habe die Rechtsmittellegitimation des leiblichen Vaters zu Unrecht bejaht. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hätten die leiblichen Eltern lediglich im Verfahren zur Bewilligung der Adoption ein Zustimmungsrecht. Gegen die Versagung der Bewilligung seien diese nicht rechtsmittellegitimiert, weil kein subjektives Recht auf Adoption bestehe. Im Verfahren über die Aufhebung der Wahlkindschaft komme dem leiblichen Elternteil nicht einmal ein Zustimmungsrecht zu. Ein Recht des leiblichen Elternteils auf Beibehaltung der Wahlkindschaft bestehe nicht.

Hiezu wurde erwogen:

1. Bei der Prüfung der Rechtsmittellegitimation ist die Frage zu klären, welcher Personenkreis abstrakt zur Erhebung eines Rechtsmittels befugt sein soll. Die Rekurslegitimation einer Person wird deren Parteistellung in der Regel voraussetzen, doch handelt es sich bei Rechtsmittellegitimation und Parteistellung um zwei rechtlich getrennte Fragen, die auch unterschiedlich geregelt sein können (RS0122917).

2. Die hier zunächst einschlägige Bestimmung des § 91 AußStrG enthält keine besonderen Regelungen über die Parteistellung oder die Rechtsmittellegitimation der leiblichen Eltern im Verfahren zur Aufhebung der Annahme an Kindes statt. Grundlage für deren Beurteilung ist daher § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG, wonach jede Person Partei ist, soweit ihre rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung unmittelbar beeinflusst würde. Das ist dann der Fall, wenn die Entscheidung unmittelbar Rechte oder Pflichten dieser Person ändert (RS0123028). Die Rechtsmittellegitimation ist nach allgemeinen Grundsätzen zu bejahen, wenn durch die anzufechtende Entscheidung ein Eingriff in die geschützte Rechtssphäre der betreffenden Person erfolgt (RS0006497; RS0006641).

3. Mit Wirksamkeit der Adoption wird der leibliche Elternteil nicht nur von seiner primären Unterhaltsverpflichtung befreit (§ 198 Abs 3 ABGB), vielmehr erlöschen gemäß § 197 Abs 2 und 3 ABGB auch dessen familienrechtliche Beziehungen zum Wahlkind, sodass er gleichzeitig seine aus dem Eltern‑Kind‑Verhältnis erwachsenden Rechte verliert (Höllwerth in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 197 Rz 6). Mit Eintritt der Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses leben gemäß § 202 Abs 2 ABGB die familienrechtlichen Beziehungen zwischen dem leiblichen Elternteil und dem Wahlkind, soweit sie nach § 197 ABGB erloschen sind, wieder auf. Durch einen solchen Beschluss wird in die Rechtsposition dieses leiblichen Elternteils unmittelbar eingegriffen, weil er eine Änderung der elterlichen Rechte und Pflichten bewirkt. Schon dies führt aber nach § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG zur Parteistellung und auch zur Rechtsmittellegitimation dieses leiblichen Elternteils, ohne dass es dazu eines materiell‑rechtlich eingeräumten Zustimmungsrechts zur Aufhebung der Adoption bedürfte. Er kann – wie im vorliegenden Fall – jedenfalls geltend machen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufhebung der Adoption nicht gegeben sind.

4. Dem steht die vom Revisionsrekurswerber zitierte Rechtsprechung zur Parteistellung und Rechtsmittellegitimation im Verfahren zur Bewilligung der Annahme an Kindes statt nicht entgegen. Dort kommen den leiblichen Eltern diese Rechte zwar nicht als Vertragsteil des Adoptionsvertrags zu (2 Ob 220/12k; 2 Ob 239/09z). Ihre Parteistellung ergibt sich aber aus ihrem Zustimmungsrecht nach § 195 Abs 1 Z 1 ABGB (2 Ob 220/12k; 1 Ob 100/01i; 7 Ob 510/94), mit dem ihrer geschützten Rechtsposition Rechnung getragen wird. Wird die Adoption ohne Zustimmung des leiblichen Elternteils bewilligt, kommt diesem die Rechtsmittellegitimation zu (vgl 7 Ob 510/94). Hingegen greift die Versagung der Bewilligung der Adoption in die Rechte des zustimmenden Elternteils nicht ein und es fehlt diesem daher an der Rechtsmittelbefugnis zur Bekämpfung derartiger Beschlüsse (9 Ob 16/14i; 2 Ob 220/12k; 1 Ob 100/01i [mit Ablehnung der gegenteiligen Entscheidung 5 Ob 304/69]; 7 Ob 510/94; RS0014466). Im Gegensatz zur Situation bei Aufhebung der Adoption erfahren in diesem Fall die Rechte und Pflichten des leiblichen Elternteils durch die gerichtliche Entscheidung keine unmittelbare Änderung.

5. Zutreffend ist daher das Rekursgericht von der Rekurslegitimation des leiblichen Vaters ausgegangen. Da der Wahlvater die zweitinstanzliche Entscheidung inhaltlich nicht bekämpft hat, hat es bei der Abweisung des Aufhebungsantrags zu bleiben. Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.

6. Im Verfahren über die Aufhebung der Annahme an Kindes statt werden Kosten nicht ersetzt (§ 91 iVm § 90 Abs 2 AußStrG).

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