OGH 2Ob301/05m

OGH2Ob301/05m13.7.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Univ. Doz. Dr. Bydlinski und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Anton H*****, wegen EUR 22.345,40 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 23. September 2005, GZ 12 R 108/05y-31, womit das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 4. März 2005, GZ 3 Cg 46/03g-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 749,70 (darin EUR 124,95 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Nach den maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen beauftragte der Beklagte im September 2001 die klagende Partei auf der Grundlage deren Vertragsanbotes mit der Revitalisierung einer historischen Fassade. Vom Anbot und somit auch vom Auftrag umfasst war die Putzergänzung und das Aufbringen eines Fassadenanstriches, wobei die Positionen „Sichtprüfung" und „Putzsanierung" nach tatsächlichem Aufwand verrechnet werden sollten. Bereits beim Aufstellen des Gerüstes stellte sich heraus, dass das Ausmaß der Putzschäden die Erwartungen der klagenden Partei übertraf. Im Zuge eines Gespräches am 17. 10. 2001 schlug deren Geschäftsführer dem Beklagten vor, er solle die Putzsanierung durch ein Maurerunternehmen durchführen lassen. Auf den angebotenen Rücktritt vom gesamten Vertrag ging der Beklagte bei diesem Gespräch nicht ein. Man kam vielmehr überein, noch Anbote anderer Unternehmen über die Instandsetzung der Putzschäden einzuholen. Das von der klagenden Partei präsentierte Anbot einer Bau GmbH sowie ein eigenes „Nachtragsangebot", in welchem jeweils nur die partielle Ausbesserung der Fassadenfläche und die Anpassung des optischen Erscheinungsbildes an den Bestand vorgesehen war, lehnte der Beklagte ab. Die im Beisein eines Mitarbeiters der klagenden Partei durchgeführte Besichtigung der Fassade durch einen vom Beklagten beauftragten Bautechniker ergab, dass eine „Komplettsanierung" der Fassade (Abschlagen des alten und Neuaufbringen des neuen Putzes samt anschließender Färbelung) erforderlich war. Nach Einholung mehrerer Anbote beauftragte der Beklagte am 9. 11. 2001 schließlich die P***** GmbH mit den Fassadenrenovierungsarbeiten einschließlich der Färbelung. Hievon wurde der Geschäftsführer der klagenden Partei durch den erwähnten Bautechniker namens des Beklagten in Kenntnis gesetzt. Die klagende Partei vertritt den Prozessstandpunkt, dass ihr der Auftrag zur Färbelung der Fassade zu Unrecht entzogen worden sei. Sie habe lediglich der Weitergabe der Putzsanierungsarbeiten zugestimmt. Die Vorinstanzen verneinten in Ansehung des in dritter Instanz noch streitverfangenen Betrages von EUR 12.078,02 den eingeschränkten Entgeltanspruch der klagenden Partei gemäß § 1168 Abs 1 ABGB mit der Begründung, dass der Werkvertrag von den Parteien einvernehmlich aufgehoben worden sei. Das Berufungsgericht erklärte auf Antrag der klagenden Partei in Abänderung seines ursprünglichen Ausspruches die ordentliche Revision doch für zulässig, weil es bei seiner Entscheidung von der Vereinbarung einer unteilbaren Werkleistung ausgegangen sei, diese „angenommene Sachverhaltsfeststellung" aber nun von der klagenden Partei als aktenwidrig bezeichnet werde.

Rechtliche Beurteilung

Die von der klagenden Partei gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig. Das Berufungsgericht zeigt in seinem Beschluss nach § 508 Abs 3 ZPO keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf. Aber auch in der Revision wird eine solche Rechtsfrage nicht dargetan. Vorauszuschicken ist, dass die klagende Partei in ihrem Rechtsmittel keine Aktenwidrigkeit, sondern die Revisionsgründe der Nichtigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend macht. Die Geltendmachung einer Nichtigkeit begründet eine erhebliche Rechtsfrage aber nur dann, wenn der Nichtigkeitsgrund auch tatsächlich gegeben ist (2 Ob 320/99v; 3 Ob 58/05h; RIS-Justiz RS0043067). Dies ist hier nicht der Fall. Eine Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO, wie sie die klagende Partei releviert, liegt nämlich nur vor, wenn die Fassung des Urteils so mangelhaft ist, dass dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann oder das Urteil mit sich selbst in Widerspruch steht oder für die Entscheidung keine Gründe angegeben sind (E. Kodek in Rechberger, ZPO2 § 477 Rz 12 mwN). Keiner dieser Tatbestände trifft auf die angefochtene Berufungsentscheidung zu. Nach deren Begründung ging das Berufungsgericht eindeutig von einer über das Gespräch vom 17. 10. 2001 und das Nachtragsangebot vom 19. 10. 2001 zeitlich hinausreichenden Bindung der klagenden Partei an ihr Rücktrittsangebot aus. Warum diese Rechtsansicht nicht überprüfbar sein sollte, geht aus den Revisionsausführungen nicht hervor. Ebenso kann von einem völligen Mangel der Gründe keine Rede sein. Die Behauptung allfälliger Begründungsmängel reicht aber zur Darlegung des angezogenen Nichtigkeitsgrundes keinesfalls aus (vgl RIS-Justiz RS0042206, RS0042203; E. Kodek aaO).

Gemäß § 1168 Abs 1 ABGB, auf den die klagende Partei ihren Anspruch stützt, behält der Unternehmer im Fall des Unterbleibens der Ausführung des Werkes den Anspruch auf das Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände auf Seiten des Bestellers daran gehindert worden ist; er muss sich jedoch anrechnen lassen, was er wegen des Unterbleibens der Leistung erspart, durch andere Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Zu der Sphäre des Werkbestellers gehört gemäß § 1168a letzter Satz ABGB der von ihm beigestellte Stoff. Als solcher ist bei Fassadenarbeiten das zu behandelnde Mauerwerk anzusehen. Erweist sich dieser Stoff zur Erbringung des Werkes nicht tauglich, ist dies der Sphäre des Werkbestellers zuzurechnen (1 Ob 192/97k = EvBl 1997/200 = RdW 1997, 657 mwN). Wird aber die Ausführung des Werkes nicht verhindert sondern nur erschwert, bleibt die Leistungsverpflichtung des Unternehmers bestehen, sofern der Vertrag nicht aufgelöst wird. Dem Unternehmer steht dann nach herrschender Rechtsprechung das Recht auf verhältnismäßige Erhöhung (Aufstockung) des Werklohnes zu (10 Ob 205/01x = SZ 2000/23 = JBl 2002, 717; 2 Ob 248/05t mwN; RIS-Justiz RS0021825; M. Bydlinski in KBB, § 1168 ABGB Rz 7; Rebhahn in Schwimann, ABGB3 § 1168 Rz 26 und [dort kritisch] Rz 39 sowie Rz 40 ff).

Hier haben die Parteien für den Fall des Eintrittes von Erschwernissen vertraglich vorgesorgt, indem sie die Verrechnung der Positionen „Sichtprüfung" und „Putzsanierung" nach tatsächlichem Aufwand vereinbarten. In der Folge stellte sich heraus, dass die Herstellung des von der klagenden Partei geschuldeten Werkes eine „Komplettsanierung" der Fassade erforderte. Die klagende Partei hat im Prozess nie behauptet, dass sie zur Erbringung dieser Leistung nicht imstande war. Wurde der Vertrag weder abgeändert noch aufgelöst, blieb sie daher - gegen Verrechnung des Mehraufwandes - ohne Einschränkung zur Herstellung des vereinbarten Werkes, nämlich der Fassadenrevitalisierung, verpflichtet.

Der Anspruch auf das Entgelt nach § 1168 Abs 1 ABGB setzt die Leistungsbereitschaft des Unternehmers voraus, die im Regelfall nicht erklärt werden muss. Sie muss nur tatsächlich gegeben sein und kann insbesondere aus den Umständen erschlossen werden (1 Ob 506/85;

Rebhahn aaO Rz 20 mwN; Krejci in Rummel, ABGB3 § 1168 Rz 6). Wird das Werk mangels eigener Leistungsbereitschaft des Unternehmers vereitelt, steht ihm somit kein Entgeltanspruch zu (7 Ob 14/89;

Krejci aaO).

Aus den Feststellungen über das Rücktrittsangebot der klagenden Partei, deren (wieder) nur partielle Ausbesserungen des Putzes beinhaltendes Nachtragsangebot und ihre Untätigkeit ab Kenntnis des Erfordernisses einer „Komplettsanierung" ist zwanglos ableitbar, dass die Bereitschaft der klagenden Partei zur vollständigen Erfüllung des Vertrages („Komplettsanierung") tatsächlich nicht mehr gegeben war. Dies entspricht auch dem Prozessstandpunkt der klagenden Partei, nach welchem sie auf Grund einer mit dem Beklagten getroffenen Vereinbarung nur noch zur Färbelung der Fassade, nicht aber zur Erbringung der Vorarbeiten verpflichtet gewesen sei (ON 10 Pkt III). Eine derartige Vereinbarung geht jedoch aus den Feststellungen nicht hervor.

Fehlte es der klagenden Partei ernstlich an der Bereitschaft, den Vertrag zu erfüllen, war der Beklagte gemäß § 918 ABGB zum Rücktritt berechtigt, ohne dass es einer Nachfristsetzung bedurfte (vgl 3 Ob 511/96 = SZ 69/11 mwN; RIS-Justiz RS0018428, insbesondere T5). Die klagende Partei hat selbst vorgebracht, der Beklagte habe - zu Unrecht - den Rücktritt vom Vertrag erklärt (ON 10 VI). Nur in diesem Zusammenhang stellt sich die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete, in seiner Entscheidungsbegründung aber gar nicht näher erörterte Frage nach der Teilbarkeit der Leistung: Muss die vereinbarte Vertragsleistung als teilbar beurteilt werden, wäre der Beklagte nicht berechtigt gewesen, vom gesamten Vertrag zurückzutreten, wenn die Bereitschaft der klagenden Partei zur Erbringung einer Teilleistung (Färbelung) aufrecht war. Bei Unteilbarkeit der Leistung wäre hingegen § 918 Abs 1 ABGB maßgebend geblieben und der Beklagte hätte das Recht zum Gesamtrücktritt gehabt (vgl 3 Ob 328/99b = RdW 2001/229; Binder/Reidinger in Schwimann, ABGB3 § 918 Rz 105).

Ob Teilbarkeit oder Unteilbarkeit vorliegt, bestimmt sich nach dem Willen beider Parteien oder nach dem dem Kontrahenten bei Vertragsabschluss bekannten oder erkennbaren Willen einer Partei. Die Teilbarkeit nach dem Parteiwillen kann sich auch aus dem Geschäftsbzw Leistungszweck ergeben (6 Ob 116/03g = RdW 2003/547; RIS-Justiz RS0018438, insbesondere T1; Binder/Reidinger aaO Rz 106). Die Streitteile schlossen einen einheitlichen Vertrag über die Revitalisierung einer Fassade. Anhaltspunkte für einen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorgelegenen Parteiwillen, wonach nur die Färbelung der Fassade, nicht aber die ihr vorgeordnete Putzsanierung als Erfüllung anzusehen sei, gehen aus den Feststellungen nicht hervor. Zu einer einvernehmlichen Änderung des Vertrages durch Kürzung des Leistungsumfanges um die Maurerarbeiten kam es nicht, mag eine solche Vorgangsweise von den Parteien anlässlich des Gespräches vom 17. 10. 2001 und in den Tagen danach auch erwogen worden sein. Auch nach dem Kriterium des Geschäfts- bzw Leistungszwecks ergibt der festgestellte Sachverhalt keinen Hinweis auf die Teilbarkeit der Vertragsleistung der klagenden Partei; sprach doch gerade der enge zeitliche Rahmen, innerhalb dessen die Leistung infolge der öffentlichen Förderung des Projektes zu erbringen war, für den Wunsch des Beklagten, die Arbeiten zur Begünstigung einer zügigen Abwicklung in einer Hand zu vereinen.

Dem Berufungsgericht ist jedenfalls keine gravierende Fehlbeurteilung unterlaufen, wenn es unter diesen Voraussetzungen von einer unteilbaren Werkleistung ausgegangen ist. Daraus folgt jedoch, dass dem Beklagten mangels Bereitschaft der klagenden Partei zur gänzlichen Erfüllung das Recht auf Rücktritt vom gesamten Vertrag offen gestanden ist. Auch wenn daher der Beklagte einseitig vom Vertrag zurückgetreten ist, wie dies die klagende Partei behauptet, kommt dieser ein Entgeltanspruch nach § 1168 Abs 1 ABGB nicht zu. Bei dieser Rechtslage ist aber nicht mehr entscheidungsrelevant, ob die Verständigung der klagenden Partei von der Beauftragung eines anderen Unternehmens richtigerweise als Annahme eines noch aufrechten Rücktrittsangebotes der klagenden Partei beurteilt und demnach von einer einverständlichen Auflösung des Vertrages ausgegangen werden müsste. Soweit die klagende Partei dieser Rechtsauffassung der Vorinstanzen mit der auf § 862 Satz 2 ABGB gestützten Begründung entgegentritt, dass ihr Anbot auf Vertragsrücktritt mangels sofortiger Annahme erloschen sei, sind ihre Revisionsausführungen nicht präjudizell und begründen daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (vgl Zechner in Fasching/Konecny2 IV/1 § 502 ZPO Rz 60).

Abgesehen davon sind, wie bereits angeklungen ist, die Ausführungen des Berufungsgerichtes in ihrem Gesamtzusammenhang dahin zu verstehen, dass es auch die konkludente Einräumung einer Frist zur Annahme des Rücktrittsangebotes im Sinne des § 862 Satz 1 ABGB bis zur Klärung alternativer Lösungsmöglichkeiten - zu denen auch das Nachtragsangebot der klagenden Partei zählte - von der Übereinkunft am 17. 10. 2001 umfasst gesehen hat. Die Beurteilung der Konkludenz von Willenserklärungen oder eines bestimmten Verhaltens im Einzelfall stellt in der Regel aber keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS-Justiz RS0043253 [T1, 2 und 8]). Ebenso bestimmt sich die angemessene Dauer einer Frist für die Annahme eines Anbotes (hier: auf Vertragsaufhebung) nach den Umständen des Einzelfalles (vgl RIS-Justiz RS0013964 [T1]). Die eine über den 17. 10. 2001, jedenfalls aber über den 19. 10. 2001 hinausgehende Bindung an ihr Rücktrittsangebot verneinenden Erwägungen der Rechtsmittelwerberin vermögen auch zu diesen Themenbereichen eine krasse, aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit wahrzunehmende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes nicht aufzuzeigen.

Da es der Lösung von erheblichen Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht bedurfte, war die Revision der klagenden Partei zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

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