OGH 2Ob19/97a

OGH2Ob19/97a19.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schinko, Dr. Tittel und Dr. Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Christian H*****, vertreten durch Dr. Georg Thum, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagte Partei Erzbergbau *****, vertreten durch Dr. Peter Jesch, Dr. Paul Vavrosky und Dr. Klaus Kauweith, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 600.000,-- und Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 5. Juni 1996, GZ 3 R 103/96d-20, womit das Teilzwischenurteil des Landesgerichtes Salzburg vom 15. März 1996, GZ 10 Cg 82/95-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.915,-- (darin enthalten S 3.652,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger als damals noch ordentlicher Hörer der Technischen Universität Wien beabsichtigte, im Zusammenhang mit der Erstellung seiner Diplomarbeit Vermessungsarbeiten in einem Bergstollen durchzuführen. Durch sein Universitätsinstitut wurden Kontakte zu möglichen Versuchsorten geknüpft; die beklagte Partei als Betreiber des Bergstollens "K*****" erklärte sich bereit, den Kläger gemeinsam mit einem Universitätsassistenten und einem weiteren Studenten in den Bergstollen einfahren und dort Vermessungsarbeiten durchführen zu lassen. Diese Tätigkeiten wurden weder im Auftrag noch für Rechnung der beklagten Partei durchgeführt und waren für diese auch von keinem wie immer gearteten Interesse.

Am 4. November 1993 fuhr der Kläger gemeinsam mit einem Studienkollegen und einem Universitätsassistenten mit einer von einem Dienstnehmer der beklagten Partei gelenkten Stollenlok in den Bergstollen ein. Der Kläger machte sich erbötig, das Eisengittertor, mit dem der Stollen verschlossen ist, zu öffnen. Er ging der wartenden Lok vor, wobei er eine eingeschaltete Grubenstirnlampe trug. Bevor er noch das Vorhängeschloß am Eisengittertor öffnen konnte, fuhr der Dienstnehmer der beklagten Partei mit der Lok in den Stollen ein, worauf der Kläger von der Lok gegen das schwere Eisengittertor gequetscht und schwer verletzt wurde.

Mit rechtskräftiger Strafverfügung wurde der Dienstgeber der beklagten Partei deswegen des Vergehens der fahrlässigen schweren Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 1. Fall StGB schuldig erkannt.

Der Kläger begehrt die Zahlung von S 600.000,-- an Schmerzengeld sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für allfällige Spät- und Dauerfolgen. Zwischen den Parteien sei eine Vereinbarung dergestalt geschlossen worden, daß sich die beklagte Partei bereit erklärt habe, ihn gemeinsam mit einem Universitätsassistenten und einem weiteren Studenten in den Bergstollen einfahren zu lassen. Im Zusammenhang damit habe sich die beklagte Partei verpflichtet, den Transport dieser Personen zu übernehmen. Die Vermessungsarbeiten seien nicht in Form einer organisierten Tätigkeit eines Universitätsinstitutes, sondern lediglich in seinem (des Klägers) Privatinteresse verrichtet worden, weshalb er keine dienstnehmerähnliche Stellung gehabt habe. Der Dienstnehmer der beklagten Partei, über dessen Vorschlag der Transport mit der Lok erfolgt sei, habe keinerlei Weisungsbefugnis oder Aufsichtstätigkeit ihm oder seinen Kollegen gegenüber ausgeübt, sondern selbst geologische Tätigkeiten im Stollen durchgeführt. Die beklagte Partei betreibe in dem Stollen ein Schaubergwerk. Da es sich bei der Stollenlok nicht um eine Materialbahn ohne beschränkt öffentlichen Verkehr handle, kämen die Bestimmungen des EKHG zur Anwendung. Eine von ihm unterzeichnete Verzichtserklärung sei sittenwidrig; jedenfalls umfasse sie nicht den gegenständlichen Schaden, weil er mit einem solchen Schaden nicht habe rechnen können.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendete ein, daß der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls den Weisungen des Dienstnehmers der beklagten Partei unterstanden sei und in dessen Auftrag das Eisengittertor habe öffnen wollen, weshalb das Dienstgeberhaftungsprivileg des § 333 ASVG zum Tragen komme. Im übrigen sei sie Trägerin jener Einrichtung, in der im konkreten Fall die Ausbildung des Klägers erfolgt sei, weshalb ihr auch unter dem Gesichtspunkt der Bestimmung des § 335 Abs 3 ASVG diese Haftungsbefreiung zugute komme. Die Haftungserhöhung nach § 333 Abs 3 ASVG könne nicht eintreten, weil die Stollenlok als Materialbahn ohne beschränkt öffentlichen Verkehr nicht unter die Bestimmungen des EKHG falle. Der Kläger habe auf jedwede Haftung der beklagten Partei für Schäden aus Anlaß der von ihm geplanten Vermessungsarbeiten verzichtet, wobei dies von ihr zur Bedingung für ihr Einverständnis mit der Durchführung der Vermessungsarbeiten in ihrem Stollen gemacht worden sei. Zum Transport des Klägers habe sie sich dabei nicht verpflichtet.

Das Erstgericht erkannte nach Einschränkung der Verhandlung auf den Grund des Anspruchs das Leistungsbegehren des Klägers dem Grunde nach als zu Recht bestehend. Es ging von nachstehenden wesentlichen Feststellungen aus:

Die beklagte Partei betrieb in dem Stollen, in dem sich der Unfall ereignete, bis zum 15. 9. 1993, dem Saisonende, ein Schaubergwerk. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde der Betrieb nicht wieder aufgenommen, was allerdings zu Ende der Saison 1993 noch nicht feststand. Mit der Stollenbahn wurden die Besucher in den Stollen befördert.

Für die Erstellung der Diplomarbeit des Klägers war es erforderlich, Messungen in einem Bergstollen durchzuführen. Es kam deshalb durch den Universitätsassistenten, der den Kläger bei seiner Diplomarbeit betreute, zur Kontaktaufnahme mit der beklagten Partei. Deren Ansprechpartner war der Betriebsgeologe und Betriebsleiter der beklagten Partei. Diese erklärte sich bereit, den Kläger und seine Kollegen in den Stollen einfahren zu lassen. Voraussetzung dafür war jedoch die Abgabe einer schriftlichen "eidesstattlichen Erklärung" durch den Kläger, nach der er auf die Haftung der beklagten Partei in bezug auf körperliche und/oder materielle Schadensfälle oder deren etwaige Folgekosten bei Befahrungen von Grubengebäuden und Stollenanlagen, bei wissenschaftlichen Beprobungsarbeiten, bei Sammlertätigkeiten sowie bei sonstigen Arbeiten, jeweils im Freischurfgebiet der beklagten Partei, verzichtete und sich unter einem verpflichtete, während der Dauer seines Aufenthaltes im Freischurfgebiet für alle Maßnahmen zur Vermeidung von Unfällen und zum Schutze seiner Person und seines Eigentums selbst und eigenverantwortlich Sorge zu tragen. Nachdem der Kläger und seine Kollegen vom Betriebsleiter der beklagten Partei über die Gefahren und das Verhalten im Stollen belehrt worden waren, unterzeichnete er und seine Begleiter diese Erklärung. Der Betriebsleiter hatte dabei auch darauf hingewiesen, daß die gerade ausgeübte Tätigkeit einzustellen sei, wenn man bemerke, daß die Stollenlok fahre.

Am 2. November 1993 bot der Betriebsleiter der beklagten Partei, der eigene geologische Studien im Stollen machen wollte, dem Kläger und seinen Kollegen an, sie mit der Grubenbahn in den Stollen zu bringen, tags darauf arbeiteten der Kläger und seine Begleiter alleine im Stollen; der Kläger bekam dazu den Schlüssel für das Eisengittertor. Am 4. 11. 1993 beabsichtigten der Kläger und seine Kollegen, wieder mit der Lok in den Stollen einzufahren. Da der Kläger vom Vortag noch die Schlüssel für das Eisengittertor hatte, erbot er sich, voranzugehen und das Tor zu öffnen. Der Betriebsleiter der beklagten Partei, der die Lok fuhr, wartete zunächst vor dem Stollenbereich, setzte kurz darauf jedoch die Lok in Betrieb und fuhr in den Stollen ein. Als er das geschlossene Tor und den ihm den Rücken zuwendenden Kläger sah, der noch damit beschäftigt war, das Schloß zu öffnen, leitete er zwar sofort eine Bremsung ein, brachte die Lok aber nicht mehr rechtzeitig zum Stillstand, weshalb der Kläger zwischen Lok und Tor eingequetscht wurde. Der Bereich des Eisengittertores wird vom Tageslicht nicht erfaßt. Allfällige Zurufe des Betriebsleiters waren für den Kläger nicht hörbar.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß die beklagte Partei nach § 1313a ABGB für das schädigende Handeln ihres Dienstnehmers zu haften habe. Ein Mitverschulden des Klägers begründende Umstände seien nicht hervorgekommen. Der Kläger habe darauf vertrauen dürfen, daß der Betriebsleiter sich beim Steuern der Lokomotive so verhalte, daß eine Kollision mit dem noch mit dem Öffnen des Tores beschäftigten Kläger hinangehalten werde. Daß dem nicht so sei, sei für den Kläger vor der Kollision nicht wahrnehmbar gewesen, wie er überhaupt das Herannahen der Lokomotive nicht wahrnehmen habe können. Die von ihm unterschriebene Verzichtserklärung beseitige nicht die Haftung der beklagten Partei, weil die Gefahr, beim Öffnen des Eisengittertores von der Stollenlok angefahren zu werden, als weder typische noch im Einzelfall vorhersehbare und damit kalkulierbare Gefahr von der Haftungsbefreiungsklausel nicht umfaßt sei. Ein Arbeitsunfall im Verhältnis zur beklagten Partei liege nicht vor; diesbezüglich fehle es an der Eingliederung des Klägers als Arbeitnehmer im Betrieb der beklagten Partei.

Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und erörterte rechtlich, daß ein Arbeitsunfall lediglich im Verhältnis zur Technischen Universität, nicht aber auch im Verhältnis zur beklagten Partei vorliege. Durch die Zurverfügungstellung des Stollens zur Durchführung der Vermessungstätigkeiten werde noch keine dienstgeberähnliche Stellung im Sinn des § 335 Abs 3 ASVG geschaffen. Die beklagte Partei habe aber für das unstrittige Verschulden ihres Dienstnehmers nach § 1313a ABGB zu haften. Durch die zwischen den Streitteilen getroffene Vereinbarung, dem Kläger die Stollenräumlichkeiten der beklagten Partei unentgeltlich zum Gebrauch für seine Vermessungsarbeiten zur Verfügung zu stellen, sei jedenfalls ein, wenngleich unentgeltlicher, Vertrag in Art eines Prekariums zwischem dem Kläger bzw seinen Kollegen und der beklagten Partei zustandegekommen. Im Rahmen dieses Vertrages hätten die beklagte Partei Verhaltenspflichten getroffen, deren Verletzung vertragliche und nicht bloß deliktische Schadenersatzansprüche ausgelöst habe. Daran ändere der Umstand, daß der Kläger als Prekarist den Stollen nur aufgrund der Freigiebigkeit der beklagten Partei aufsuchen habe können und dürfen, nichts. Daß der Dienstnehmer der beklagten Partei lediglich von sich aus und ohne deren Auftrag den Transport mit der Stollenlok angeboten hatte, schließe die Zurechnung seines Verhaltens im Rahmen der Erfüllungsgehilfenhaftung nicht aus. Auch wenn der Gehilfe seinen Auftrag überschritten habe, hafte der Geschäftsherr dann für ihn nach § 1313a ABGB, wenn das zugrundeliegende Schuldverhältnis den Anstoß und die Gelegenheit zur schädigenden Handlung bot. Nur im Fall, daß das Verhalten des Gehilfen örtlich und sachlich aus dem allgemeinen Umkreis seines Aufgabenbereiches herausgefallen und die Überschreitung seines Auftrages auch nicht im weitesten Sinn im Rahmen der Verfolgung von Interessen seines Geschäftsherrn geblieben sei, bleibe es bei der alleinigen Deliktshaftung des Gehilfen. Dem Erstgericht sei auch zuzustimmen, daß sich die vom Kläger unterschriebene Verzichtserklärung nicht auf den nunmehr eingeklagten konkreten Schaden beziehe. Ein Verzicht auf künftige Schadenersatzforderungen sei nach der herrschenden Rechtsprechung im Falle leichter Fahrlässigkeit zwar grundsätzlich zulässig und wirksam, doch sei eine Freizeichnung von Schäden, mit deren der Vertragspartner bei Unterzeichnung einer derartigen Erklärung überhaupt nicht rechnen konnte, unwirksam. Gefordert werde, daß sich die Rechtsverhältnisse, auf die sich der Verzicht bezögen, schon im vorhinein übersehen ließen. Nur in diesem Umfang werde ein Vorausverzicht auf die Geltendmachung künftiger Schäden als wirksam angesehen. Die Schädigung durch ein deliktisches Verhalten eines Dienstnehmers der beklagten Partei könne aber insbesondere angesichts der Tatsache, daß der Stollen zum Zeitpunkt der Vermessungstätigkeiten nicht mehr benützt worden sei, nicht unter die voraussehbaren oder typischen Gefahren subsumiert werden.

Da bereits eine vertragliche Haftung der beklagten Partei zu bejahen sei, erübrige sich ein Eingehen auf die Frage einer Haftung nach dem EKHG.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage der Gehilfenhaftung im Rahmen eines Prekariums eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht aufgefunden werden habe können.

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat das zwischen den Streitteilen bestehende Verhältnis als einen unentgeltlichen Vertrag in Art eines Prekariums angesehen, in dessen Rahmen die Parteien Verhaltenspflichten träfen, deren Verletzung vertragliche und nicht bloß deliktische Schadenersatzansprüche auslöse.

Es ist zwar richtig, daß nach herrschender Ansicht auch das Prekarium unbeschadet der mißverständlichen Diktion des § 974 ABGB ein zweiseitiges Rechtsgeschäft ist (Stanzl in Klang2 IV/1, 683; Binder in Schwimann2 § 974 Rz 2; Schubert in Rummel2 § 974 Rz 1; SZ 54/43; SZ 60/183). Dies bedeutet aber nach Ansicht des erkennenden Senates entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes noch nicht, daß der Prekariumsgeber dem Prekaristen gegenüber im Sinn des § 1313a ABGB zu einer Leistung verpflichtet ist. Das Prekarium hätte jederzeit widerrufen werden und es kann dann wohl nicht sachgerecht sein, den Prekariumsgeber allein deshalb, weil er dies nicht getan hat, der strengeren Haftung nach § 1313a ABGB zu unterwerfen. Dem entspricht, daß es schon bisher einhellige Auffassung war, daß die angeführte Gesetzesstelle bei einer bloßen Gefälligkeitszusage nicht anzuwenden ist (SZ 24/136; SZ 43/209; EvBl 1970/344). Die Ansicht des Berufungsgerichtes würde nach Meinung des erkennenden Senates zu einer ungerechtferigten Erweiterung der Haftpflicht bei bloß aus Gefälligkeit abgegebenen Erklärungen führen. Dies zeigt nicht nur der zu entscheidende Fall. Zu denken ist etwa auch daran, daß jemand einem Anderen unentgeltlich und gegen jederzeitigen Widerruf die Benützung seiner Wohnung gestattet, damit dieser ein ihn interessierendes Ereignis beobachten kann, oder daß er ihm leihweise die Benützung seines Kraftfahrzeuges gegen jederzeitigen Widerruf überläßt. Es kann nicht als gerechtfertigt angesehen werden, daß der aus bloßer Gefälligkeit Handelnde für den Schaden haften müßte, der im ersten Fall etwa durch eine mit der Reinigung der Wohnung beschäftigte Person und im zweiten Fall ein mit der Reparatur des Fahrzeuges beauftragtes Unternehmen schuldhaft verursacht wurde.

Da hier die beklagte Partei dem Kläger die Benützung des Bergstollens zu Arbeiten, an deren Durchführung sie keinerlei Interesse hatte, und damit bloß aus Gefälligkeit gestattete, hat sie nicht gemäß § 1313a ABGB für das Verschulden ihres Dienstnehmers einzustehen. Im übrigen ist es herrschende Auffassung, daß der Verleiher, von durch Mängel der verliehenen Sache verursachte Schäden abgesehen, nur für Vorsatz haftet (Stanzl in Klang2 IV/1, 691; Binder in Schwimann2 § 981 Rz 5; Koziol/Welser I10 359; Schubert in Rummel2 § 971 Rz 6; SZ 50/137; SZ 56/12 = EvBl 1983/71). Es geht entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Meinung nicht an, ihn bezüglich eines Erfüllungsgehilfen für jedes Verschulden haftbar zu machen.

Daraus ist aber für die beklagte Partei nichts gewonnen, weil sich ihre Haftung aus § 19 Abs 2 EKHG ergibt. Diese Bestimmung normiert die unbeschränkte Haftung des Betriebsunternehmers (und Halters) für das Verschulden der Personen, die mit seinem Willen beim Betrieb einer Eisenbahn (oder eines Kraftfahrzeuges) tätig waren, soweit diese Tätigkeit für den Unfall ursächlich war, und zwar auch bei solchen Eisenbahnen und Kraftfahrzeugen, auf die das EKHG nicht anzuwenden ist. Da es somit für § 19 Abs 2 EKHG nicht darauf ankommt, ob dieses Gesetz anzuwenden ist, kommt es auch nicht darauf an, ob das Verkehrsmittel, durch das der Schaden verursacht wurde, eine Eisenbahn ist, auf die das EisbG 1957 BGBl 60 Anwendung findet, weil dies gemäß § 2 Abs 1 EKHG nur Voraussetzung dafür ist, daß die übrigen Bestimmungen dieses Gesetzes anzuwenden sind. Entscheidend im Zusammenhang mit § 19 Abs 2 EKHG ist vielmehr nur, daß eine Eisenbahn im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs an dem Unfall beteiligt war.

Nach herrschender Ansicht versteht man unter einer Eisenbahn eine Verkehrsanlage zur Beförderung von Waren oder Personen, bei denen die Fahrzeuge in ihrer Fortbewegung an eine bestimmte Laufbahn gebunden sind (Adamovich, Handbuch des österreichischen Verwaltungsrechts5 II, 253; Apathy, Kommentar zum EKHG § 2 Rz 1; Schauer in Schwimann ABGB2 VIII, § 2 EKHG Rz 2; EvBl 1955/260; JBl 1958, 550 = ZVR 1959/111). Maßgebend ist, daß mit der Beförderungseinrichtung nach ihrer Bauart und nach der Art und Weise des Transportes gleiche oder ähnliche Gefahren verbunden sind wie mit dem Betrieb einer Eisenbahn im Sinne des § 1 EisbG (vgl JBl 1958, 550 = ZVR 1959/111).

Hier handelte es sich bei der Beförderungseinrichtung, durch die der Schaden verursacht wurde, um eine Eisenbahn in dem dargestellten Sinn. Dies bedeutet, daß die beklagte Partei für das Verschulden ihres Betriebsgehilfen, hier des Betriebsleisters, gemäß § 19 Abs 2 EKHG einzustehen hat. Dabei kann die Frage, ob eine Eisenbahn im Sinn dieser Bestimmung am Unfall beteiligt war, von den Gerichten entschieden und es muß nicht gemäß § 11 EisbG die Entscheidung der Verwaltungsbehörde eingeholt werden, weil es nach dem Gesagten nicht darauf ankommt, ob die am Unfall beteiligte Beförderungseinrichtung als Eisenbahn im Sinn des Eisenbahngesetzes zu gelten hat.

Das Verschulden des Betriebsleiters ist nicht strittig; die beklagte Partei verweist aber noch darauf, daß der Kläger "beim Betrieb der Eisenbahn tätig war", weil er das die Zufahrt versperrende Eisentor öffnete, und demnach ihre Haftung nach § 3 EKHG ausgeschlossen sei.

Auch dieser Rechtsansicht kann nicht gefolgt werden. Nach herrschender Meinung bezieht sich der Haftungsausschluß nur auf die den Betriebsunternehmer oder Halter treffende Gefährdungshaftung, nicht auch auf seine Haftpflicht für das Verschulden der mit seinem Willen beim Betrieb tätigen Personen, soweit es ihm nach § 19 Abs 2 EKHG zugerechnet wird (SZ 37/101; SZ 49/39 = ZVR 1976/324; ZVR 1984/239; RIS Justiz RS0058103; die gegenteilige Auffassung von Schauer [in Schwimann ABGB2 VIII EKHG § 3 Rz 23] wurde vom erkennenden Senat in 2 Ob 181/98a bereits abgelehnt). Da die beklagte Partei hier für das Verschulden ihres Betriebsgehilfen einzustehen hat, kann sie sich auf den Haftungsausschluß nach § 3 Z 3 EKHG daher nicht berufen.

Soweit in der Revision noch das Haftungsprivileg nach § 333 Abs 1 und 4 ASVG releviert wird, ist auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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