OGH 2Ob223/64

OGH2Ob223/648.7.1964

SZ 37/101

Normen

Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §3 Z2
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §19 (2)
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §3 Z2
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §19 (2)

 

Spruch:

Die Bestimmung des § 3 Z. 2 EKHG. ist nur anzuwenden, wenn eine Verschuldenshaftung des Halters gemäß § 19 (2) EKHG. nicht in Betracht kommt und daher seine Haftung nur nach dem EKHG. anzunehmen ist.

Entscheidung vom 8. Juli 1964, 2 Ob 223/64. I. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Nach dem unbestrittenen und von den Untergerichten festgestellten Sachverhalt wurde der Kläger bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt, der sich am 12. Mai 1963 auf der Gemeindestraße in Ligist/Stmk. ereignet hat. Der Beklagte war damals mit der Enkelin des Klägers, Gertrude S., verlobt. Am 12. Mai 1963 wollten die Familie S. und der Beklagte einen gemeinsamen Ausflug unternehmen. Der Enkel des Klägers, Hans S., lenkte dabei den Kraftwagen des Beklagten. Der Beklagte hatte sich den Kraftwagen seines Bruders geliehen und lenkte diesen. Im Kraftwagen des Beklagten hatten der 86 jährige Kläger und Anton S., der Bruder des Hans S., Platz genommen. In dem vom Beklagten selbst gelenkten Kraftwagen saßen Gertrude S. und deren Eltern. Hans S. hatte erst seit 3. Mai 1963 seinen Führerschein. Ein Entgelt für die Zurverfügungstellung des Kraftwagens und für das Mitfahren wurde nicht geleistet. Der Unfall ereignete sich auf die Weise, daß Hans S., als ihm in einer Kurve ein Kraftwagen entgegen kam, seinen Kraftwagen zu weit nach rechts lenkte, in den Straßengraben fuhr und gegen ein Betonrohr stieß. Durch den Anprall wurde der Kläger, der neben dem Fahrer saß, nach vorne und dann durch die sich öffnende Tür nach außen geschleudert. Hans S. wurde vom Strafgericht mit einer Strafverfügung rechtskräftig bestraft.

Der Kläger begehrte mit der vorliegenden Klage Schadenersatz vom Beklagten als Halter des Kraftwagens in der Höhe von 15.000 S Schmerzensgeld und 2636 S an Auslagenersatz, darunter 450 S an Kosten für ein ärztliches Privatgutachten, zusammen 17.636 S. Außerdem stellte er ein Feststellungsbegehren. Er behauptete, daß der Unfall von Hans S. allein verschuldet worden sei. Der Beklagte hafte für dieses Verschulden.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung und wandte das alleinige Verschulden des Klägers ein. Dieser habe trotz seines hohen Alters auf dem vorderen Sitz Platz genommen und sich außerdem nicht am Haltegriff angehalten. Außerdem machte der Beklagte geltend, daß seine Haftung gemäß § 3 EKHG. ausgeschlossen sei, weil er seinen Kraftwagen dem Hans S. unentgeltlich überlassen und auch der Kläger kein Entgelt für die Beförderung bezahlt habe. Es hafte daher nur Hans S. Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit dem Hinweis auf § 3 EKHG. ab.

Das Berufungsgericht hob aus Anlaß der vom Kläger erhobenen Berufung das erstgerichtliche Urteil hinsichtlich eines Teilbetrages von 450 S als nichtig auf und wies die Klage in diesem Umfang wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Es gab im übrigen der Berufung Folge, hob das erstgerichtliche Urteil mit Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht war der Meinung, daß der Beklagte gemäß § 19 (2) EKHG. für das Verschulden des Hans S. hafte und daß beide Solidarschuldner seien. Es hielt aber noch Erhebungen über die Höhe der Ansprüche und der Berechtigung des Feststellungsbegehrens für erforderlich.

Die Zurückweisung der Klage bezüglich eines Teilanspruches von 450 S ist rechtskräftig geworden.

Gegen die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles und die Zurückweisung der Sache an die erste Instanz richtet sich der Rekurs des Beklagten aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrage, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgerichte die Entscheidung in der Hauptsache (offenbar im Sinne der Wiederherstellung der ersten Instanz) aufzutragen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Beklagte bekämpft in erster Linie die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß seine Haftung für das Verschulden des Hans S. nach § (2) EKHG. begrundet sei. Er ist der Meinung, daß seine Haftung gemäß § 3 EKHG. ausgeschlossen sei.

Diese Ausführungen sind nicht stichhältig. Es ist nicht erforderlich, auf die Ausführungen des Beklagten im einzelnen einzugehen, mit denen er seinen Standpunkt zu begrunden versucht. Die Richtigkeit der Ansicht des Berufungsgerichtes ergibt sich schon aus dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 19 (2) EKHG. § 19 (2) EKHG. regelt die Halterhaftung für den Fall, als Ersatzansprüche für einen durch einen Unfall beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges verursachten Schaden nach den allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes, also auf Grund der Verschuldenshaftung zu beurteilen sind. Für diesen Fall bestimmt das Gesetz klar und deutlich, daß der Halter des Kraftfahrzeuges für das Verschulden der Personen haftet, die mit seinem Willen beim Betrieb des Kraftfahrzeuges tätig waren, soweit diese Tätigkeit für den Unfall ursächlich war.

Hans S. wurde wegen seines schuldhaften Verhaltens bei der Lenkung des dem Beklagten gehörigen Kraftwagens vom Strafgericht rechtskräftig bestraft. Das Zivilgericht ist gemäß § 268 ZPO. daran gebunden. Es ist daher davon auszugehen, daß Hans S. den Verkehrsunfall zumindest mitverschuldet hat. Für dieses Verschulden haftet der Beklagte gemäß § 19 (2) EKHG., weil entgegen der Ansicht des Beklagten auch sonst sämtliche Voraussetzungen für die Anwendung dieser Gesetzesstelle gegeben sind. Der Unfall hat sich beim Betrieb des Kraftfahrzeuges des Beklagten ereignet. Der Beklagte ist Halter dieses Kraftwagens und hat dessen Führung dem Hans S. überlassen, der somit mit Willen des Beklagten bei der Führung des Kraftwagens tätig geworden ist. Daß er diese Tätigkeit auch im Interesse des Beklagten ausübte, ist unzweifelhaft dem festgestellten Sachverhalt zu entnehmen. Der Beklagte wollte als zukünftiger Schwiegersohn den Ausflug der Familie S. ermöglichen. Er wollte dadurch dieser Familie gefällig sein. Dies reicht aus, um auch sein Interesse daran anzunehmen, daß Hans S. den Kraftwagen lenkte.

Für die Anwendung des § 3 Z. 2 EKHG. ist in diesem Falle kein Platz. Diese Bestimmung ist nur dann anzuwenden, wenn eine Verschuldenshaftung des Kraftfahrzeughalters gemäß § 19 (2) EKHG. nicht in Betracht kommt und seine Haftung nur nach den Bestimmungen des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes anzunehmen ist. Eine solche eingeschränkte Haftung des Beklagten kommt aber, wie oben bereits ausgeführt wurde, hier nicht in Betracht. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist somit frei von Rechtsirrtümern.

Eine Entscheidung in der Sache selbst war dem Berufungsgericht deshalb nicht möglich, weil der Beklagte ein Mitverschulden des Klägers eingewendet und die Ansprüche auch der Höhe nach bestritten hat. Es gehen daher auch die in dieser Hinsicht geltend gemachten Verfahrensrügen ins Leere.

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