OGH 2Ob110/20w

OGH2Ob110/20w25.2.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*, vertreten durch ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei R*, vertreten durch Mag. Johannes Schröttner, Rechtsanwalt in Graz, wegen 50.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. Mai 2020, GZ 2 R 54/20h‑44, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 7. Februar 2020, GZ 11 Cg 17/19x‑40, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E131220

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.234,70 EUR (darin enthalten 372,45 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Beklagte ist die Witwe und aufgrund des Testaments vom 14. 11. 2017 die Alleinerbin des am * 2018 verstorbenen Erblassers; die am 21. 4. 1966 geborene Klägerin und ihre Schwester sind seine pflichtteilsberechtigten Kinder.

[2] Folgende hinzurechnungspflichtige Zuwendungen des Erblassers an seine Töchter sind in dritter Instanz unstrittig:

- Schenkung einer Liegenschaftshälfte an die Schwester der Klägerin im zum Todestag valorisierten Wert von 11.737 EUR.

- Schenkung von 18.317,19 EUR an die Schwester der Klägerin.

- Schenkung einer Liegenschaftshälfte an die Klägerin im zum Todestag valorisierten Wert von 29.409 EUR.

- Schenkung einer Liegenschaftshälfte an die Schwester der Klägerin im zum Todestag valorisierten Wert von 11.737 EUR.

- Schenkung von 18.317,19 EUR an die Schwester der Klägerin.

- Schenkung einer Liegenschaftshälfte an die Klägerin im zum Todestag valorisierten Wert von 29.409 EUR.

[6] Im Übrigen ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

[7] Der Erblasser und die Beklagte schlossen am 27. 8. 1966 mittels Notariatsakts einen Ehe‑ und Erbvertrag folgenden Wortlauts (Hervorhebung durch den Senat):

„1. Die beiden genannten Ehegatten errichten über ihr gesamtes beiderseitiges Vermögen, welches sie schon gegenwärtig besitzen und welches sie in Zukunft einzeln oder gemeinsam erwerben, ererben oder sonst auf welche rechtliche Art immer unter Lebenden oder von Todes wegen an sich bringen und erhalten sollten, mit Ausnahme der Personenkraftfahrzeuge, eine allgemeine bereits unter Lebenden wirksame Gütergemeinschaft, zufolge welcher beim Vorableben eines der beiden Ehegatten das gesamte Vermögen in zwei Hälften zu teilen ist, wovon die eine Hälfte dem Überlebenden als freieigentümliches Vermögen verbleibt, während die andere Hälfte den Nachlass des Vorverstorbenen bildet.

2. In diese Gütergemeinschaft bringen die beiden Ehegatten ein:

a) [Erblasser] die […] in seinem Alleineigentum stehenden Liegenschaften […]

1) Einlagezahl 32 […]

2) Einlagezahl 19 […]

im Gesamtausmaß von 8 ha 25 a.

Der Einheitswert für diese Liegenschaften, welche als landwirtschaftlicher Betrieb eingestuft sind, […]

b) beide Ehegatten Fahrnisse im Wert von 1.000 S […]

3. In Ausführung der vereinbarten allgemeinen Gütergemeinschaft unter Lebenden nimmt [Erblasser] seine Gattin [Beklagte] zur Hälfte in den Mitbesitz der angeführten Liegenschaften auf und erteilt die ausdrückliche Bewilligung, […] das Eigentumsrecht der [Beklagten] zur Hälfte grundbücherlich einverleibt wird.

[…]“.

 

[8] Demzufolge übereignete der Erblasser der Beklagten jeweils die Hälfte seiner insgesamt 8 ha 25 a großen Liegenschaften EZ 32 und EZ 19 (nunmehr nur noch EZ 32) *.

[9] Es ist nicht feststellbar, ob der Erblasser dabei „mit zumindest teilweisem Schenkungswillen zu Gunsten der Beklagten“ handelte oder ob er dafür von der Beklagten eine Gegenleistung – insbesondere ihre Arbeitsleistung in der auf diesen Liegenschaften betriebenen Landwirtschaft – forderte oder mit ihr die „Zurverfügungstellung“ ihrer Arbeitsleistung als Gegenleistung vereinbarte.

[10] Schon damals führten der Erblasser und die Beklagte die Landwirtschaft gemeinsam. Die Beklagte widmete ihre gesamte Arbeitsleistung ausschließlich diesem Betrieb. Sie war bis zu ihrer Pensionierung 1997 alleinige Betriebsführerin des landwirtschaftlichen Betriebs, der Erblasser war hauptberuflich Kraftfahrer und arbeitete nebenberuflich in der Landwirtschaft mit. Aus der Landwirtschaft erzielte die Beklagte Gewinne, die aufgrund der vereinbarten Gütergemeinschaft auch dem Erblasser und den gemeinsamen Töchtern zugute kamen.

[11] Am 18. 4. 1979 errichteten die Ehegatten mittels Notariatsakts folgenden Ehe‑ und Erbvertragsnachtrag:

„1. […]

2. Nunmehr heben die Ehegatten […] die von ihnen in der oben bezeichneten Ehepaktsurkunde vom 27. August 1966 vereinbarte Allgemeine Gütergemeinschaft unter Lebenden vorbehaltslos und unwiderruflich mit sofortiger Wirksamkeit zur Gänze vereinbarungsgemäß so auf, dass nunmehr insbesondere jeder Eheteil die ihm bücherlich zugeschriebenen Besitzhälften an den Liegenschaften […] samt dem Hälfteanteil an Zubehör und Fahrnissen in seinem alleinigen und frei verfügbaren Eigentum hat.

[…]“

 

[12] Auch hier war nicht feststellbar, ob der Erblasser bei der Aufhebung der Gütergemeinschaft „mit zumindest teilweisem Schenkungswillen zu Gunsten der Beklagten handelte“ oder ob er dafür eine Gegenleistung von der Beklagten – insbesondere ihre Arbeitsleistung in der Landwirtschaft auf diesen Liegenschaften – forderte oder mit ihr die „Zurverfügungstellung ihrer Arbeitsleistung“ als Gegenleistung vereinbarte.

[13] Die aus der Landwirtschaft erzielten Gewinne wurden in die Liegenschaft investiert: 1975 wurde das Wirtschaftsgebäude neu errichtet und das Wohnhaus wurde renoviert. Dadurch ergab sich – in Verbindung mit den zwischenzeitlichen Bodenpreis- und Baupreissteigerungen – eine markante Werterhöhung. Der Verkehrswert der Hälfteanteile der eingebrachten Liegenschaften betrug zum 27. 8. 1966 (umgerechnet) 26.469 EUR, das sind valorisiert auf den Todestag (je nach angewendetem VPI) 138.327 EUR bzw 138.676 EUR. Zum Stichtag 18. 4. 1979 betrug der Verkehrswert bereits 119.088 EUR, das sind valorisiert auf den Todestag 315.801 EUR.

[14] Der Erblasser und die Beklagte schenkten der Klägerin von 1989 bis 2013 aus gemeinsamen Ersparnissen „mit zumindest nach den Geldübergaben nachträglicher Kenntnis und Zustimmung und Schenkungswillen“ des Erblassers insgesamt 95.137,59 EUR. Es ist nicht feststellbar, dass die Beklagte bei den Übergaben dieser Geldgeschenke „darauf hinwies, dass das Geld nur von ihr bzw ihren Ersparnissen und nicht auch von jenen des Verstorbenen stammen würde und ob die Beklagte darauf hinwies, dass diese je zur Hälfte der Klägerin und ihrem Ehemann zukommen sollten“.

[15] Der Wert des reinen Nachlasses nach dem Erblasser betrug 308.513,62 EUR. Am 12. 2. 2019 anerkannte die Beklagte einen Pflichtteilsanspruch der Klägerin von 30.000 EUR, den sie vor Klagseinbringung beglich.

[16] Die Klägerin begehrt von der Beklagten 50.000 EUR sA als (weiteren) Pflichtteil. Die Begründung der Gütergemeinschaft zwischen dem Erblasser und der Beklagten im Jahr 1966, verbunden mit der Übereignung der Hälfte seiner Liegenschaften, jedenfalls und primär aber die Auflösung dieser Gütergemeinschaft im Jahr 1979, womit das Liegenschaftsvermögen in das frei verfügbare Eigentum der Beklagten übergegangen sei, seien – insbesondere bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise gemäß § 781 Abs 2 Z 6 ABGB – bei der Ermittlung des Pflichtteils der Klägerin zur reinen Verlassenschaft hinzuzurechnende Schenkungen, zumal der Erblasser dabei mit Schenkungsabsicht gehandelt und die Beklagte keine Gegenleistung erbracht habe. Die Betriebsführung durch die Beklagte sei weder bei der Begründung noch bei der Auflösung der Gütergemeinschaft als Gegenleistung vereinbart worden. Die Klägerin habe (mit Ausnahme von 500 EUR zu einem Geburtstag) nie vom Erblasser Geldgeschenke erhalten. Vielmehr habe die Beklagte der Klägerin und ihrem Ehemann – „stets im Verhältnis 50 : 50“ – ihr eigenes Geld geschenkt. Außerdem seien diese Schenkungen „aus dem laufenden Einkommen der Beklagten“ erfolgt und daher anrechnungsfrei.

[17] Die Beklagtewandte ein, weder die Begründung der Gütergemeinschaft im Jahr 1966 und die damit verbundene Liegenschaftsübereignung noch die Aufhebung der Gütergemeinschaft im Jahr 1979 seien Schenkungen des Erblassers an sie gewesen. Die Beklagte habe als Gegenleistung ihre gesamte Arbeitskraft dem Betrieb zur Verfügung gestellt und aus der Landwirtschaft Gewinne erzielt, die auch dem Erblasser zugute gekommen seien. Der Erblasser habe der Klägerin im Rahmen „gemeinschaftlicher Schenkungen nur an die Klägerin“ 47.400 EUR geleistet.

[18] Das Erstgericht wies die Klage ab.

[19] Es beurteilte den festgestellten Sachverhalt rechtlich dahin, dass die im Rahmen der Begründung ihrer ehelichen Gütergemeinschaft vomErblasser an die Beklagte im Jahr 1966 übereignete Hälfte der nunmehrigen Liegenschaft EZ 32 * nicht gemäß § 781 ABGB als geschenkt der reinen Verlassenschaft hinzuzurechnen sei. Einerseits handle es sich bei dem Ehe‑ und Erbvertrag um einen Ehepakt mit Versorgungscharakter zugunsten der Beklagten, andererseits habe die hiefür beweispflichtige Klägerin keine Schenkungsabsicht nachweisen können. Schließlich habe die Beklagte bis zur Aufhebung der Gütergemeinschaft im Jahr 1979 durch ihre Arbeitsleistung im landwirtschaftlichen Betrieb „zum Vermögensaufbau der Gütergemeinschaft mit dem Verstorbenen und die dadurch möglich gewordenen Investitionen in die Liegenschaft und sohin zu deren Wertsteigerung von 1966 bis 1979“ beigetragen. Die bloße Auflösung der Gütergemeinschaft könne daher – auch unter Berücksichtigung ihres wirtschaftlichen Gehalts iSd § 781 Abs 2 Z 6 ABGB – keine der reinen Verlassenschaft hinzuzurechnende Schenkung darstellen; außerdem habe es auch zu diesem Zeitpunkt an einer Schenkungsabsicht des Erblassers gefehlt. Ein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung sei ebenfalls nicht erkennbar.

[20] Da die Geldgeschenke an die Klägerin von den Eltern der Klägerin stammten, sei im Zweifel – mangels anderslautender Widmung – davon auszugehen, dass nur die Klägerin und nicht auch ihr Ehemann beschenkt worden sei. Zum reinen Nachlass von 308.513,62 EUR seien daher die Schenkungen an die Schwester der Klägerin von 11.737 EUR und 18.317,19 EUR sowie die Schenkungen an die Klägerin von 29.409 EUR und 47.400 EUR – mehr habe die Beklagte nicht begehrt – hinzuzurechnen, woraus sich eine „durch die Schenkungswerte erhöhte Verlassenschaft“ von 415.376,81 EUR errechne. Der Pflichtteilsanspruch der Klägerin (ein Sechstel) betrage daher 69.229,47 EUR, von dem die anrechnungspflichtigen Schenkungen von 29.409 EUR und 47.400 EUR abzuziehen seien. Daraus ergebe sich, dass der Pflichtteilsanspruch der Klägerin durch die erhaltenen Geschenke sowie die bereits erhaltene Pflichtteilszahlung von 30.000 EUR vollständig erfüllt wurde, sodass die Klage abzuweisen sei.

[21] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

[22] Es verwarf die Tatsachenrüge und ging rechtlich davon aus, dass der Erblasser – ohne feststellbaren Schenkungswillen – der Beklagten schlichtes Hälfteeigentum an landwirtschaftlich genutzten Liegenschaften im Ausmaß von 8 ha 25 a eingeräumt und mit ihr von 1966 bis 1979 eine eheliche Gütergemeinschaft begründet habe, damit die Beklagte diesen landwirtschaftlichen Betrieb hauptberuflich betreibe und die erzielten Gewinne der familiären Versorgung widme. Der „wirtschaftliche Gehalt“ (§ 781 Abs 2 Z 6 ABGB) dieser Rechtsgeschäfte zwischen einem hauptberuflichen Kraftfahrer und Nebenerwerbslandwirt und seiner Ehefrau, die als hauptberufliche Landwirtin zum Familieneinkommen beitrug, komme daher keinem unentgeltlichen Rechtsgeschäft unter Lebenden gleich, sodass insoweit keine der reinen Verlassenschaft hinzuzurechnende Schenkung vorliege.

[23] Es stehe ferner fest, dass die Beklagte – mit Zustimmung und Schenkungswillen des Erblassers – der Klägerin aus gemeinsamen Ersparnissen der Beklagten und des Erblassers insgesamt 95.137,59 EUR als Geldgeschenke übergeben habe, sodass die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, die Hälfte dieses Geldes habe der Erblasser der Klägerin geschenkt, nicht zu beanstanden sei.

[24] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[25] Die Klägerin macht geltend, sowohl die Übertragung der Liegenschaftshälften des Erblassers bei Eingehen der Gütergemeinschaft als auch die Aufhebung der Gütergemeinschaft seien als hinzurechnungspflichtige Schenkungen des Erblassers an die Beklagte anzusehen, wobei jene bei Aufhebung als die „stärkere“ vorgehe und daher die Bewertungsansätze zu diesem Zeitpunkt heranzuziehen seien. Eine Schenkungsabsicht sei beim anzuwendenden wirtschaftlichen Schenkungsbegriff nicht erforderlich und auch ein allfälliger Versorgungszweck sei unerheblich. Ob gemeinsame Geldgeschenke vorlägen, sei auf der rechtlichen Ebene im Sinne der Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu gemeinsamen Kontoguthaben zu lösen. Da hier das Girokonto nur der Beklagten gehört habe und der Erblasser nie eines besessen habe, seien die Geldgeschenke nur von der Beklagten und nicht vom Erblasser erfolgt und daher bei der Ermittlung des Pflichtteilsanspruchs nicht zu berücksichtigen.

[26] Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

[27] Die Revision ist zulässig, weil zur Frage des Vorliegens einer Schenkung iSd § 781 Abs 2 Z 6 ABGB bei ehelicher Gütergemeinschaft unter Lebenden keine Rechtsprechung besteht; sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[28] I. Auf den Sachverhalt sind die einschlägigen Bestimmungen idF des ErbRÄG 2015 anzuwenden, auch wenn die behauptete Schenkung bereits vor dem 1. 1. 2017 stattgefunden hat (§ 1503 Abs 7 Z 1 und 2 ABGB; 2 Ob 80/18f).

[29] II. Zum Gütergemeinschaftsvertrag:

[30] II.1. Nach § 781 Abs 1 ABGB sind Schenkungen zu Lebzeiten des Erblassers oder auf dessen Todesfall, die ein Pflichtteilsberechtigter oder ein Dritter vom Erblasser erhalten hat, dem Nachlass hinzuzurechnen und auf einen allfälligen Pflichtteil anzurechnen.

[31] II.2. Ausgangspunkt des Regelungskonzepts des § 781 Abs 1 ABGB ist die Schenkung gemäß §§ 938 ff ABGB (ErläutRV 688 BlgNR 25. GP  33).

[32] Diese ist ein Vertrag, wodurch eine Sache jemandem unentgeltlich überlassen wird. Der Schenkungsvertrag kommt nur durch übereinstimmende Willensäußerung des Schenkers und des Beschenkten zustande, die darauf gerichtet sein muss, dass der Schenker dem Beschenkten die Sache unentgeltlich überlässt und dieser sie so annimmt; dieser Schenkungswille entscheidet auch über die Unentgeltlichkeit (RS0018818) und besteht in der Absicht einer unentgeltlichen, das heißt auf keine Gegenleistung bezogenen und freiwilligen (freigiebigen) Leistung (RS0018833). Ob eine solche Schenkung vorliegt oder nicht, kann nicht allein danach beurteilt werden, dass der Empfänger des Vermögenswerts mangels Erbringung einer Gegenleistung objektiv in seinem Vermögen bereichert ist, vielmehr muss auch das Einverständnis der Vertragspartner über die Unentgeltlichkeit der Vermögensverschiebung vorhanden sein, welches ausdrücklich oder schlüssig erklärt worden sein muss (RS0018795; RS0019217; RS0127869).

[33] Im vorliegenden Fall konnte nicht festgestellt werden, ob der Erblasser mit Schenkungswillen handelte oder ob er eine Gegenleistung der Beklagten, zB in Form ihrer Arbeitsleistung, forderte oder vereinbarte, sodass eine Schenkung nach § 938 bzw § 781 Abs 1 ABGB nicht erwiesen ist.

[34] II.3. Nach § 781 Abs 2 Z 6 ABGB gilt als Schenkung iSd des § 781 Abs 1 ABGB aber auch „jede andere Leistung, die nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt einem unentgeltlichen Rechtsgeschäft unter Lebenden gleichkommt“.

[35] Nach den Materialien sollte mit dieser Bestimmung die im alten Recht vorgesehene „Unterscheidung zwischen Schenkungen, Vorempfängen und Vorschüssen“ aufgegeben werden; alle Formen unentgeltlicher Zuwendungen unter Lebenden sollten gleich behandelt werden (2 Ob 44/20i; ErläutRV 688 BlgNR 25. GP  2). Die Hinzu‑ und Anrechnung einer Zuwendung zu Lebzeiten des Verstorbenen ist im Allgemeinen nur soweit gerechtfertigt, als der Empfänger für diese keine Gegenleistung erbracht hat. § 781 Abs 2 Z 6 ABGB sollte dabei „Vermögensverschiebungen“ erfassen, die „nicht als 'Schenkung' im technischen Sinn betrachtet werden und dennoch – bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise – den Zuwendungsempfänger einseitig begünstigen“ (vgl ErläutRV 688 BlgNR 25. GP  33, die dazu auf einseitig begünstigende Nachfolgeregelungen in Gesellschaftsverträgen oder Zuwendungen an ausländische Stiftungen oder an vergleichbare Vermögensmassen [zB einen Trust] verweisen; 2 Ob 44/20i zur Tilgung von Schulden).

[36] § 781 Abs 2 Z 6 ABGB führt daher zu einem weiten, wirtschaftlich geprägten Schenkungsbegriff (vgl dazu schon bisher RS0127009, wonach der Schenkungsbegriff iSd § 785 Abs 1 ABGB aF wirtschaftlich danach zu betrachten war, ob jemand unentgeltlich [im Kontext gemeint: ohne Gegenleistung] einen Vermögenswert erhielt und dadurch eine Wertminderung des Nachlasses eintrat), der über jenem nach §§ 938 ff ABGB hinaus geht, sodass darunter auch solche Zuwendungen fallen können, die es nach zivilrechtlicher Terminologie nicht sind (vgl Welser, Erbrechts-Kommentar § 781 ABGB Rz 1 und 5; Bittner/Hawel in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.05 § 781 Rz 3; Müller/Melzer in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht und Vermögensnachfolge² § 4 Rz 19; Barth/Pesendorfer, Erbrechtsreform 2015, 121; Umlauft, Die Hinzu‑ und Anrechnung von Schenkungen im Erb- und Pflichtteilsrecht2 256 f).

[37] II.4. Der Auffangtatbestand des § 781 Abs 2 Z 6 ABGB kann daher auch solche Rechtsgeschäfte umfassen, bei denen zwar eine Schenkungsabsicht nicht feststeht (vgl RS0019229), aber dennoch eine Leistung ohne (nennenswerte) Gegenleistung erbracht wird oder – ex ante betrachtet – ein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und (allfälliger) Gegenleistung besteht, sodass der wirtschaftliche Charakter des Vorgangs zumindest teilweise einem unentgeltlichen Geschäft unter Lebenden gleichkommt (vgl zur gemischten Schenkung: RS0019371; RS0012959; RS0019356).

[38] II.5. In der Literatur wurde bislang die Frage, ob die Gütergemeinschaft unter Lebenden unter den Schenkungsbegriff des § 781 ABGB fällt, kaum behandelt (vgl Nemeth/Niedermayr in Schwimann/Neumayr, ABGB‑TaKomm5 § 781 Rz 5; dies in Schwimann/Kodek 5 § 781 Rz 19; Bittner/Hawel in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.05 § 781 Rz 3; Welser, Erbrechts-Kommentar § 781 ABGB Rz 19; Klampfl, Hinzurechnung und Anrechnung auf den Erbteil, JEV 2017, 124 [134 f]; Rabl, Das neue Pflichtteilsrecht des Ehegatten [Eingetragenen Partners], EF‑Z 2016/138, 284 [288 f]).

[39] Nur Umlauft (Die Hinzu‑ und Anrechnung von Schenkungen im Erb‑ und Pflichtteilsrecht2 [2018] 282 ff) kommt zum Ergebnis, dass in der Vereinbarung einer Gütergemeinschaft (sowohl unter Lebenden als auch auf den Todesfall) eine Schenkung bzw ein Schenkungsanteil enthalten sein kann, sofern nicht die Versorgung des Ehegatten im Vordergrund gestanden ist. Bei der Gütergemeinschaft unter Lebenden seien die Werte der eingebrachten Vermögen zu vergleichen. Die Differenz sei als Schenkung zu berücksichtigen. Es sei danach zu fragen, inwieweit der Wert des vom (künftigen) Erblasser in die Gütergemeinschaft eingebrachten Vermögens den Wert seines Anteils am Gütergemeinschaftsvermögen übersteige. Insoweit handle es sich um eine unentgeltliche Zuwendung an den überlebenden Ehegatten, die der Hinzu‑ und Anrechnung gemäß § 781 Abs 2 Z 6 ABGB unterliege.

[40] II.6. Auch der Oberste Gerichtshof hatte sich mit diesem Problem zur neuen Rechtslage noch nicht zu befassen.

[41] Die Rechtsprechung zur früheren Rechtslage ging zunächst davon aus, dass ein Ehepakt niemals eine Schenkung sein könne und daher bei der Pflichtteilsberechnung nicht zu berücksichtigen sei (RS0018957; 5 Ob 228/60; 5 Ob 48/61; 7 Ob 102/72). Der kritischen Anmerkung F. Bydlinskis zu der Entscheidung 7 Ob 102/72 JBl 1973, 34 f folgend, wurde in der Entscheidung 7 Ob 561/95 ausgesprochen, dass die Versorgungsabsicht allein nicht ausreiche, um Schenkungsabsicht zu verneinen. Dort erschöpfte sich die Änderung im Güterstand der Eheleute allerdings darin, dass die Beklagte Miteigentümerin der vormals im Alleineigentum stehenden Liegenschaft ihres Mannes wurde, ohne dass hiedurch irgendeine Änderung ihrer Versorgungslage zu Lebzeiten des Mannes eintrat, und vor allem ohne dass zukünftiger Erwerb der Frau ebenfalls in die Gemeinschaft eingebracht worden war. Wenn überhaupt, lag daher nur eine partielle Gütergemeinschaft unter Lebenden vor ohne dass eine besondere Situation die Absicherung der Versorgung der Beklagten verlangt hätte. Auch die Entscheidung 5 Ob 245/10f hatte einen als Gütergemeinschaftsvertrag bezeichneten Vertrag zum Gegenstand, wobei die Beurteilung, ob er als Gütergemeinschaft auf den Todesfall eine nach § 785 ABGB aF anrechnungspflichtige Schenkung beinhalte, noch einer Verfahrensergänzung bedurfte.

[42] II.7. Hier wurde im Gegensatz zu den genannten Entscheidungen weder eine teilweise Gütergemeinschaft unter Lebenden vereinbart noch eine solche auf den Todesfall, noch hatte die Vereinbarung Versorgungscharakter, sondern eine allgemeine Gütergemeinschaft unter Lebenden. Eine solche umfasst grundsätzlich das gesamte gegenwärtige und künftige Vermögen der Partner (vgl Koch in KBB6 § 1233 Rz 4). Dementsprechend sollte hier auch nach Pkt 1. des Notariatsakts aus dem Jahr 1966 nicht nur das im Zeitpunkt des Abschlusses bestehende Vermögen, sondern auch jeder zukünftige, einzelne oder gemeinschaftliche Erwerb in die Gütergemeinschaft fallen. Da die festgestellte Aufteilung der Arbeitsbereiche der Ehegatten aber bereits zur Zeit des Gütergemeinschaftsvertrags bestand und auch danach in dieser Form unverändert bis zur Pensionierung der Beklagten praktiziert wurde, liegt auf der Hand, dass die Ehegatten bei Abschluss des Gütergemeinschaftsvertrags davon ausgingen, dass die Beklagte weiterhin den Betrieb führen und ihre gesamte Arbeitskraft – ohne eigenes Entgelt – der gemeinsamen Landwirtschaft zur Verfügung stellen und auf diese Weise geldwerte Leistungen in die Gütergemeinschaft einbringen wird.

[43] Ein krasses Missverhältnis zwischen den von beiden Ehegatten solcherart der Gütergemeinschaft gewidmeten Werten an Vermögen und künftigem Erwerb war im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht zu erwarten und jedenfalls nicht absehbar. Damit erfüllte aber die Begründung der allgemeinen Gütergemeinschaft im Jahr 1966 weder die Voraussetzungen einer Schenkung der Hälfteanteile der vom Erblasser eingebrachten Liegenschaften an die Beklagte noch kam sie ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach einem unentgeltlichen Rechtsgeschäft unter Lebenden iSv § 781 Abs 2 Z 6 ABGB gleich.

[44] III. Vertrag über die Aufhebung der Gütergemeinschaft:

[45] III.1. Die Auflösung der Gütergemeinschaft unter Lebenden erfolgt ua bei Tod eines Ehegatten sowie einvernehmlicher Beendigung wieder durch einen Ehepakt (Notariatsakt: 10 ObS 54/96; M. Bydlinski in Rummel/Lukas 4 § 1234 Rz 9; Koch in KBB6 § 1234 Rz 7).

[46] III.2. Nach dem auch auf die Gütergemeinschaft unter Lebenden sinngemäß anzuwendenden (5 Ob 21/67 = RS0025752) § 1234 S 2 ABGB entsteht mit dem Tod eines Ehegatten für dessen Erben und den überlebenden Ehegatten der Anspruch auf Teilung des zu diesem Zeitpunkt nach Abzug der Schulden (§ 1235 ABGB) vorhandenen Gesamtgutes und zwar bei allgemeiner Gütergemeinschaft so, als ob beide Teile gleich viel in die Gemeinschaft eingebracht und gleich viel dazu erworben hätten (vgl 1 Ob 61/97w; M. Bydlinski in Rummel/Lukas 4 § 1234 Rz 10). Die eine Hälfte dieses Gesamtgutes bildet den Nachlass des Verstorbenen, die andere das Vermögen des Überlebenden (vgl 5 Ob 245/10f = RS0127164; M. Bydlinski in Rummel/Lukas 4 § 1234 Rz 10).

[47] III.3. Genau diese Rechtsfolge haben die Ehegatten hier aber im Notariatsakt über die Auflösung der Gütergemeinschaft auch vereinbart, sodass dadurch keine für die Hinzurechnung relevante Vermögensverschiebung eingetreten ist. Es kam dadurch nur zum Wegfall der Gesamthandbindung, wobei das Ergebnis, wie es beim Tod eines Ehegatten eingetreten wäre, vorweg genommen wurde. Auch mit diesem Vertrag wurde somit – entgegen der Ansicht der Klägerin – keine Schenkung oder eine ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach einer solchen entsprechende Zuwendung an die Beklagte vorgenommen.

[48] IV Geldgeschenke an die Klägerin:

[49] IV.1. Soweit sich die Klägerin gegen die Anrechnung von Geldgeschenken an sie mit dem Hinweis wehrt, diese seien bei richtiger rechtlicher Beurteilung aus einem nur von der Beklagten gespeisten Konto und nicht auch vom Erblasser gemacht worden, entfernt sie sich von den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen. Danach machten der Erblasser und die Beklagte der Klägerin diese – jeweils von der Beklagten übergebenen – Geldgeschenke aus ihren „gemeinsamen Ersparnissen“.

[50] IV.2. Auf die in diesem Zusammenhang dargelegte Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu Guthaben auf gemeinsamen Bankkonten und die Zuordnung des Eigentums daran, kommt es daher nicht entscheidungserheblich an.

[51] V. Die Revision der Klägerin bleibt somit erfolglos.

[52] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

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