European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00097.16W.0524.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1. Soweit die Beklagte mit der Behauptung des Vorliegens rechtlicher Feststellungsmängel die vom Erstgericht getroffenen und vom Berufungsgericht übernommenen Sachverhaltsfeststellungen bekämpft, ist sie darauf zu verweisen, dass der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist und Fragen der Beweiswürdigung nicht revisibel sind (RIS‑Justiz RS0042903 [T2, T10]; RS0069246 [T1, T2]).
2.1. Zum Vorliegen eines Vertrags ‑ hier eines Gastaufnahme‑ oder Beherbergungsvertrags ‑ zugunsten Dritter liegt gesicherte Judikatur vor. Demnach wird die vertragliche Schadenersatzhaftung auf Dritte erstreckt, die der vertraglichen Hauptleistung nahestehen, weil sie ein Vertragspartner erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigt oder an denen er ein sichtbares eigenes Interesse hat, oder denen er zur Fürsorge verpflichtet ist (RIS‑Justiz RS0020769 [T1]). Beim Beherbergungsvertrag treffen den Gast‑ oder Pensionswirt auch gegenüber den nach dem Vertrag unterzubringenden Personen als geschützten Dritten besondere Schutz‑ und Sorgfaltspflichten, vor allem soweit es um Gefahrenquellen geht, die mit der Beschaffenheit der Unterkunft im Zusammenhang stehen und die nicht ohnedies für jedermann leicht erkennbar sind. Demnach hat der Beherbergungsunternehmer dafür Sorge zu tragen, dass der Gast infolge solcher Gefahrenquellen, die mit der Unterkunft, deren Beschaffenheit bzw der Art des Gebrauchs im Zusammenhang stehen, keinen Schaden erleidet. Für die infolge Vernachlässigung dieser Pflichten an der Person des Gastes oder des geschützten Dritten verursachten Schäden hat der Beherbergungsunternehmer einzustehen (RIS‑Justiz RS0020753 [T1, T4]).
2.2. Nach den Feststellungen blieb offen, ob die Trainerin des Jugendschikaders, dem die Klägerin angehörte, in Vertretung der Jugendlichen mit der Beklagten kontrahierte (und damit direkt ein Vertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten zustande kam) oder ob die Trainerin selbst Vertragspartnerin der Beklagten wurde.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der von der Trainerin mit der Beklagten geschlossene Beherbergungsvertrag zumindest Schutzwirkungen zugunsten der Klägerin entfaltete, weil der Beklagten als Betreiberin des Beherbergungsunternehmens von vornherein klar war, dass sie ihre Leistungen nicht nur gegenüber der Trainerin zu erbringen haben wird, sondern ihre Leistungen auch von den Teilnehmern der Schigruppe (darunter der Klägerin) in Anspruch genommen werden, deckt sich mit der Rechtsprechung (vgl etwa 7 Ob 512/93). Die Beklagte haftet der Klägerin daher in jedem Fall nach Vertragsrecht.
2.3. Die Beklagte vermag auch im Rahmen des von ihr bestrittenen Anspruchs der Klägerin aus einem Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter nicht konkret darzulegen, wem gegenüber diese einen deckungsgleichen Anspruch haben sollte. Ihre Mutmaßungen, dass die Trainerin eventuell für einen bestimmten Schiverband als Veranstalter gehandelt habe oder die Klägerin eine vertragliche Beziehung mit der Trainerin gehabt habe, verstoßen auch gegen das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO) und sind unbeachtlich.
2.4. Die von der Beklagten vertretene Ansicht, bei Haftung aufgrund eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wären die von der Klägerin in der Form des Verdienstentgangs ihrer Eltern geltend gemachten Besuchskosten nicht zu ersetzen, kann nicht geteilt werden. Richtig ist zwar, dass die Ansicht vertreten wird, Verträge mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter schützten nur absolut geschützte Rechtsgüter. Im vorliegenden Fall wurde aber ohnedies ein absolut geschütztes Rechtsgut, nämlich die körperliche Integrität der Klägerin verletzt, sodass sie die in § 1325 ABGB bei Verletzungen am Körper vorgesehenen Ersatzansprüche geltend machen kann (so 2 Ob 26/90 = RIS‑Justiz RS0017169 zum Ersatz des Verdienstentgangs bei Haftung für eine Körperverletzung aufgrund eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter).
Die Kosten von Krankenhausbesuchen durch nahe Angehörige werden zu den ersatzfähigen Heilungskosten gezählt, jedenfalls wenn sie ‑ wie hier den Eltern der minderjährigen Klägerin ‑ sorge‑ und beistandspflichtigen Verwandten entstehen (RIS‑Justiz RS0022710; RS0009665 [T15]). Der Verletzte ist zur Geltendmachung dieses Anspruchs im eigenen Namen berechtigt (RIS‑Justiz RS0009696; vgl RS0022710). Zu ersetzen sind Auslagen und Vermögenseinbußen, die mit dem Krankenbesuch der verletzten Klägerin verbunden sind. Als eine solche Vermögenseinbuße ist auch anzusehen, dass die Eltern der Minderjährigen unbezahlten Urlaub nehmen mussten, um den ihnen aus ihrer Sorge‑ und Beistandspflicht erwachsenen Pflichten der Krankenbetreuung der Klägerin nachzukommen. Hier handelt es sich nicht um den Ersatz frustrierten Zeitaufwands, sondern um eine tatsächliche, zur Erzielung des angestrebten Heilungserfolgs erforderliche Vermögenseinbuße, bei der es keinen Unterschied machen kann, ob sie in erhöhten Auslagen oder verminderten Einnahmen bestand (8 Ob 4, 5/85 = RIS‑Justiz RS0009665 [T10] = EFSlg 48.648; zustimmend Hinteregger in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.02 § 1325 ABGB Rz 5; Karner , Aktuelle Entwicklungen der Ersatzpflicht bei Personenschäden, ZVR 2016/50, 112 [117]).
Dass die (jedenfalls) unter den Schutzbereich des von der Trainerin mit der Beklagten abgeschlossenen Beherbergungsvertrags fallende Klägerin daher aufgrund der erlittenen Körperverletzung auch die begehrten Besuchskosten zugesprochen erhielt, ist somit nicht zu beanstanden.
3. Den Ausführungen der Vorinstanzen, dass die Beklagte die Vertragspflicht getroffen hätte, das die Terrasse gegen Absturz sichernde Geländer in einem gefahrlosen Zustand zu erhalten, und sie infolge schuldhafter Verletzung dieser Verpflichtung zu haften hat, hält die Revisionswerberin nichts entgegen.
4. Nach den Feststellungen lehnten sich zumindest vier Kinder, darunter auch die Klägerin, im Rahmen einer Besprechung auf der Terrasse mit dem Rücken an den dort befindlichen Zaun, der plötzlich durchbrach und mit dem auch die Klägerin rücklings in die Tiefe stürzte. Das Brechen des Zauns kündigte sich weder durch ein Knacksen noch durch ähnliche Geräusche an. Die Mädchen saßen vor dem Durchbrechen des Zauns weder auf diesem, noch „blödelten“ sie an diesem „herum“ und übten auch keinen erheblichen Druck auf das Geländer aus.
Dass das Berufungsgericht ausgehend von diesen Feststellungen ein Mitverschulden der (im Unfallszeitpunkt 13 Jahre alten) Klägerin im Sinne des § 1304 ABGB mangels Erkennbarkeit des dem Zaun anhaftenden Mangels verneinte, ist jedenfalls vertretbar.
5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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