Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen jeweils selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Revision der Klägerin ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Die Klägerin hat bis Februar 2008 über Jahre hindurch in der von ihr betriebenen Tabaktrafik sowohl Lottoprodukte der erstbeklagten Partei als auch Wettprodukte und „Tipp 3-Produkte“ der zweitbeklagten Partei an Kinder und Minderjährige unter 16 Jahren verkauft, was sie bei der Überprüfung durch Mitarbeiter der beklagten Parteien am 28. 4. 2008 (mit Einschränkungen) zugab. Dies war Anlass für die beklagten Parteien, die mit der Klägerin bestehenden Verträge über die Führung einer Online-Annahmestelle und von Vertriebsstellen für Sofortlotterien (erstbeklagte Partei) sowie über die Führung einer Sportwetten-Annahmestelle (zweitbeklagte Partei) jeweils mit Schreiben vom 29. 4. 2008 aus wichtigem Grund unter Einhaltung der vertraglich vereinbarten einwöchigen Frist zum 11. 5. 2008 aufzukündigen. Die Klägerin bestreitet die Berechtigung dieser Kündigungen.
Dass Dauerschuldverhältnisse im Sinn der ständigen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0018305) aus wichtigen Gründen ohne Einhaltung der für eine ordentliche Kündigung sonst vorgesehenen Termine und Fristen in der Regel ohne Nachfristsetzung aufgelöst werden können, gesteht die Revisionswerberin zu. Sie meint aber, es müsse der faktischen Übermacht der beklagten Parteien als Monopolisten durch eine vorangehende Abmahnung Rechnung getragen werden, wie sie etwa in den Bestimmungen des Angestelltengesetzes (AngG), des Hausbesorgergesetzes, des Tabakmonopolgesetzes (TabMG) 1996 und des Glücksspielgesetzes (GSpG) vorgesehen sei.
Rechtliche Beurteilung
Richtig ist, dass der erstbeklagten Partei als Konzessionärin iSd § 14 GSpG eine Monopolstellung im Bereich des Glücksspiels zukommt (9 Ob 6/03b). Ob die zweitbeklagte Partei, die nach ihrem Vorbringen nur eine von vielen Sportwetten-Veranstaltern in Österreich sein soll, als faktische Monopolistin einzustufen wäre, ist für die entscheidende Frage der Berechtigung der ausgesprochenen Kündigungen nicht relevant. Aus den von der Rechtsprechung zum Kontrahierungszwang entwickelten Grundsätzen ist zwar abzuleiten, dass es einem Monopolisten ganz allgemein verwehrt ist, seine faktische Übermacht in unsachlicher Weise auszuüben (RIS-Justiz RS0110808 [T1, T2]). Warum die Vorgangsweise der beklagten Parteien, die Verträge ohne vorangehende Verwarnung aufzulösen, unsachlich gewesen sein sollte, kann die Klägerin aber in ihrer Revision nicht darlegen.
Ihr Vergleich mit anderen gesetzlichen Regelungen zwingt nicht zu dem gewünschten Ergebnis einer Anwendung dort vorgesehener Verwarnungen. Die beklagten Parteien beriefen sich auf ihr (vertragliches) Recht, die Vertriebsverträge mit einer Trafikantin aus wichtigem Grund aufzulösen, was deren Geschäftstätigkeit beim Vertrieb anderer Produkte (insbesondere Tabakmittel) nicht berührte. Diese Auflösungserklärungen sind Maßnahmen wie der Kündigung des Bestellungsvertrags nach § 35 Abs 2 TabMG oder der Schließung des Betriebs durch eine sofortige Anordnung der Behörde an Ort und Stelle iSd § 56a Abs 1 GSpG kaum gleichzuhalten. Soweit sie die Parallele zu arbeitsrechtlichen Regeln zieht, hat die Klägerin im Verfahren erster Instanz nicht behauptet, in einem mit einem Dienstverhältnis vergleichbaren Abhängigkeitsverhältnis zu den beklagten Parteien zu stehen. Der Oberste Gerichtshof hat sogar zur Kündigung eines Vertragsverhältnisses eines Tabaktrafikanten zur Austria Tabakwerke AG bereits ausgesprochen, dass eine sinngemäße Anwendung der arbeitsrechtlichen Regeln zur allfälligen Sozialwidrigkeit einer Kündigung nicht in Betracht komme (1 Ob 9/08t = RIS-Justiz RS0037825 [T4]). Letztlich führt die Klägerin nicht einmal im Ansatz aus, ob und wie sie auf eine Verwarnung reagiert hätte.
Dass ihre Vertragspartner dem Thema Jugendschutz besondere Bedeutung zumessen, musste ihr schon aufgrund ihrer regelmäßigen Teilnahme an Schulungen der beklagten Parteien zur Einhaltung von Jugendschutzbestimmungen bewusst sein. Offenbar fehlte ihr aber jegliches Problembewusstsein, hat sie doch nach den Feststellungen jahrelang Lotto- und Wettprodukte sogar an Kinder (offensichtlich gemeint Minderjährige unter 14 Jahren) verkauft. Wenn auch die Bestimmungen des GSpG und des Wiener Landesgesetzes zum Schutz der Jugend (Wiener Jugendschutzgesetz 2002) den Verkauf von Lotto- und Wettprodukten der beklagten Parteien an Personen unter 16 Jahren nicht ausdrücklich verbieten, ist aufgrund der allgemein anerkannten Gefahren des Glücksspiels (vgl EuGH Rs C-42/07 - Bwin Rn 63; Rs C-275/52 Schindler Rn 60) und der Bedeutung der Prävention von Spielsucht insbesondere bei Jugendlichen (vgl Strejcek/Bresich, GSpG 1989 § 25 Rz 80; vgl Simon, Das Glücksspielrecht nach 2010 - Die Ziele der GSpG-Novellen und ihrer Einlösung, wbl 2011, 414 [420]) eine restriktive Haltung der beklagten Parteien zu dieser Frage verständlich. Im konkreten Fall hatten sich bereits Eltern bei der erstbeklagten Partei über den (angeblichen) Verkauf von Lotto- und Wettprodukten an ihre 10- bzw 11-jährigen Kinder in der Trafik der Klägerin beschwert. Werden derartige Vorwürfe publik, müssten die beklagten Parteien einen Imageschaden befürchten, wenn sie den Verkauf potentiell die Spielsucht von Kindern und Jugendlichen fördernder Produkte durch ihre Vertragspartner reaktionslos duldeten. Aus diesem Grund muss entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht der Umfang jedes einzelnen, mit Minderjährigen getätigten Geschäfts festgestellt werden.
Insgesamt ist demnach die von den Umständen des Einzelfalls abhängige (RIS-Justiz RS0027780 [T41]) Beurteilung des Berufungsgerichts, den beklagten Parteien sei die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zumutbar gewesen, nicht zu korrigieren. Die Frage der Geschäftsfähigkeit von Minderjährigen beim Erwerb von Lotto- und Wettprodukten ist damit nicht zu erörtern.
Die beklagten Parteien haben nicht auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen, weshalb ihnen kein Kostenersatz für ihre Revisionsbeantwortungen zusteht.
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