Spruch:
I. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückgewiesen wird. Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens über die Klage unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.025,37 EUR (darin enthalten 170,89 EUR USt) bestimmten Kosten des Zwischenstreits binnen 14 Tagen zu ersetzen.
II. Die Revisionsrekursbeantwortung wird wegen Verspätung zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die beklagte Agrargemeinschaft ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 259 KG 73419 Spittal an der Drau. Das Grundstück 1587 ist Teil dieser Liegenschaft. Mit Verordnung vom 19. 5. 1978, Zl: ABB-122/2/78, war hinsichtlich dieser Liegenschaft ein Zusammenlegungsverfahren nach dem Kärntner Flurverfassungs-Landesgesetz (in der Folge: K-FLG) eingeleitet worden, was im Grundbuch zu TZ 2697/1978 angemerkt war. Nach Vollzug der Zusammenlegungspläne wurde das Zusammenlegungsverfahren gemäß § 37 des K-FLG 1979, LGBl Nr 64/1979, mit Verordnung des Amtes der Kärntner Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz vom 23. 7. 2012, Zl: 10-ABV-ZL-122/2-2012, abgeschlossen.
Der Bescheid vom 30. 4. 1962, Zl: 572/62, mit dem in Ansehung der Liegenschaft EZ 259 ein Regulierungsverfahren eingeleitet wurde, ist zu TZ 951/1962 im Grundbuch angemerkt. Dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen (vgl § 112 Abs 2 K-FLG).
Der Kläger ist Mitglied der Beklagten und pachtete mit Vertrag vom 7. 1. 2008 eine Teilfläche von 3 ha aus dem Grundstück 1587. Das Pachtverhältnis war bis 31. 12. 2014 befristet. Mit Schreiben vom 5. 5. 2009 erklärte die Beklagte die Auflösung des Pachtverhältnisses mit sofortiger Wirkung.
Vor der Agrarbehörde ist ein Verfahren über die Rechtmäßigkeit der vorzeitigen Auflösung des Pachtvertrags anhängig.
Der Kläger begehrt 6.216 EUR sA an Schadenersatz. Dazu brachte er im Wesentlichen vor, die Auflösung des Pachtvertrags sei widerrechtlich erfolgt, wobei ihm aus dem Entgang von Ernteerträgen und Förderungen der Agrarmarkt Austria ein Schaden entstanden sei, für den die Beklagte einzustehen habe.
Die Beklagte beantragte die Zurückweisung des Klagebegehrens wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs. Nach dem Kärntner Flurverfassungs-Landesgesetz sei die Agrarbehörde zur Entscheidung über den Anspruch des Klägers berufen.
Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Gemäß § 98 Abs 1 K-FLG erstrecke sich die Zuständigkeit der Agrarbehörden bei allen Angelegenheiten vom Zeitpunkt der Einleitung eines Zusammenlegungs-, Flurbereinigungs-, Teilungs- oder Regelungsverfahrens bis zum Zeitpunkt des Abschlusses eines solchen Verfahrens auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zweck der Durchführung der Zusammenlegung, Flurbereinigung, Teilung oder Regelung in das Verfahren einbezogen werden müssten. Die Zuständigkeit der Agrarbehörden erstrecke sich nach § 98 Abs 2 K-FLG insbesondere auf die Entscheidung von Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken und über die Gegenleistung für die Nutzung solcher Grundstücke. Den Intentionen des Gesetzes entsprechend sei der Begriff „Streitigkeiten“ im weitesten Sinn zu verstehen, weswegen auch die vom Kläger geltend gemachten Schadenersatzansprüche darunter fielen. Das Regulierungs-/Zusammenlegungsverfahren sei noch nicht abgeschlossen, weswegen die Zuständigkeit der Agrarbehörde gegeben sei.
Das Rekursgericht teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichts und gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Den Revisionsrekurs erklärte es für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob zur Entscheidung von Streitigkeiten über Schadenersatzansprüche wegen unberechtigter Auflösung eines Pachtvertrags über ein in ein Zusammenlegungsverfahren einbezogenes Grundstück die ordentlichen Gerichte oder nach den §§ 98 Abs 1 und 2, 51 Abs 1 K-FLG die Agrarbehörden zuständig seien.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs verworfen werde.
Die Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig; er ist auch berechtigt.
Der Kläger beruft sich zusammengefasst darauf, dass das Zusammenlegungsverfahren mit Verordnung der Kärntner Landesregierung vom 23. 7. 2012 abgeschlossen worden sei. Diese Verordnung sei mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung am 2. 8. 2012 in Kraft getreten, weswegen das Verfahren zum Zeitpunkt der Entscheidung beider Vorinstanzen bereits beendet gewesen sei. Damit habe auch die Zuständigkeit der Agrarbehörde zur Entscheidung geendet. Auch würden die von ihm geltend gemachten Ansprüche den Zweck der Durchführung der Zusammenlegung, Flurbereinigung, Teilung oder Regelung nicht beeinflussen und seien daher keine solchen, für die die Zuständigkeit der Agrarbehörden gegeben sei.
I. Dazu ist auszuführen:
1.1. Die Zuständigkeit der Agrarbehörde erstreckt sich gemäß § 98 Abs 1 K-FLG von der Einleitung eines Zusammenlegungs-, Flurbereinigungs-, Teilungs- oder Regelungsverfahrens an bis zu dessen Abschluss. Dazu bestimmt § 37 K-FLG, dass das Zusammenlegungsverfahren mit Verordnung abzuschließen ist. Nach § 112 Abs 1 K-FLG sind die Verordnungen über die Einleitung und den Abschluss eines solchen Verfahrens in der „Kärntner Landeszeitung“ zu veröffentlichen und treten nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem sie kundgemacht worden sind. Das gegenständliche Zusammenlegungsverfahren wurde mit Verordnung vom 23. 7. 2012 für abgeschlossen erklärt und zugleich ausgesprochen, dass die Zusammenlegungsgemeinschaft „*****“ aufgelöst ist.
1.2. Es entspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass auf eine derart geänderte Rechtslage auch noch im Entscheidungszeitpunkt des Höchstgerichts Bedacht zu nehmen ist (1 Ob 134/98g ua; RIS-Justiz RS0108939). Ein Zusammenlegungsverfahren im Sinne des ersten Hauptstücks des K-FLG steht der Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs schon aus diesem Grund nicht entgegen.
2. Hinsichtlich der Liegenschaft ist aber nach dem Grundbuchsstand nach wie vor ein Regulierungsverfahren anhängig. Damit ist zu prüfen, ob der Umstand, dass dieses Verfahren noch nicht rechtskräftig beendet ist, die Geltendmachung des Anspruchs des Klägers vor den ordentlichen Gerichten hindert.
3. Entscheidend für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs ist, ob ein zivilrechtlicher Anspruch geltend gemacht wird, der nicht durch Gesetz ausdrücklich vor eine Verwaltungbehörde verwiesen wurde (vgl RIS-Justiz RS0045539). Dazu ist, worauf die Vorinstanzen zutreffend hingewiesen haben, auf den Wortlaut des Klagebegehrens und den in der Klage behaupteten Sachverhalt abzustellen (RIS-Justiz RS0005896; Ballon in Fasching² I § 1 JN Rz 72 mwN). Liegt nach der Klage ein Anspruch privatrechtlicher Art vor, so haben darüber grundsätzlich die Zivilgerichte zu entscheiden (RIS-Justiz RS0045584; RS0045718; Mayr in Rechberger ZPO3 Vor § 1 JN Rz 6 mwN).
4.1. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass die vom Kläger aus der seiner Ansicht nach unberechtigten vorzeitigen Auflösung eines Pachtvertrags abgeleiteten Schadenersatzansprüche zu den bürgerlichen Rechtssachen im Sinne des § 1 JN gehören. Damit kommt die Zuständigkeit der Agrarbehörden nur dann in Betracht, wenn auch ein solcher Anspruch kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in deren Zuständigkeit verwiesen ist. Das muss durch die gesetzliche Anordnung klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden; eine ausdehnende Auslegung von Vorschriften, die die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde anordnen, ist unzulässig (RIS-Justiz RS0045474).
4.2. Der Oberste Gerichtshof hat zu § 72 des Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetzes 1996 (T-FLG), der im Wesentlichen der hier zu beurteilenden Bestimmung des § 98 K-FLG entspricht, bereits mehrfach ausgesprochen, dass es sich um eine solche Sonderbestimmung handelt, die die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde anordnet (7 Ob 700/86 = SZ 59/212; 1 Ob 156/03b; 8 Ob 41/09a). Auch der Verfassungsgerichtshof, der die Bestimmung des § 72 Abs 5 T-FLG bereits wiederholt zu beurteilen hatte, behandelt sie als Sonderbestimmung, die die Zuständigkeit der Agrarbehörden zur Entscheidung in bürgerlichen Rechtssachen für die Dauer der darin genannten Verfahren begründet (VfGH vom 3. 10. 2012, KI-5/12, mwN).
5. Nach § 98 Abs 1 K-FLG erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörden - abgesehen von den hier nicht zutreffenden Ausnahmen nach Abs 4 leg cit - für das nach Abschluss des Zusammenlegungsverfahrens hier noch relevante Regulierungsverfahren von dessen Einleitung an bis zu dessen Abschluss und erfasst die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zwecke der Durchführung der Regulierung in das Verfahren einbezogen werden müssen. Zu den Verfahren, die in die Zuständigkeit der Agrarbehörden fallen, zählen insbesondere Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken und über die Gegenleistungen für die Nutzung solcher Grundstücke (§ 98 Abs 2 K-FLG).
6. Die Zuständigkeit der Agrarbehörden zur Verhandlung und Entscheidung in Angelegenheiten, die von agrarischen Operationen erfasste Grundstücke betreffen, bezweckt die Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung. Dieses Ziel wäre gefährdet, wenn in jedem Fall strittiger Eigentumsverhältnisse oder Besitzverhältnisse erst zu prüfen wäre, ob der entstandene Streit in einem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang mit der Zusammenlegung (hier: Regulierung) steht (RIS-Justiz RS0058985). Daher hat der Verfassungsgerichtshof für das Zusammenlegungsverfahren - nichts anderes kann aber für das Regulierungsverfahren gelten - wiederholt ausgesprochen, dass die Einbeziehung von Streitigkeiten über Eigentum und Besitz in die Zuständigkeit der Agrarbehörden ohne Einschränkung erfolgt (VfSlg 17.785; VfGH vom 3. 10. 2012, KI-5/12 mwN). Diese Auffassung teilt auch der Oberste Gerichtshof (2 Ob 550/76 = SZ 49/128; 7 Ob 700/86 = SZ 59/212). Der Oberste Gerichtshof hat daher bereits ausgesprochen, dass Streitigkeiten aus einem Pachtvertrag, die in das Zusammenlegungsverfahren (8 Ob 525/90 für gemeinsam verpachtete, teilweise in das Verfahren einbezogene Grundstücke) oder das Regulierungsverfahren (8 Ob 41/09a) einbezogene Grundstücke betreffen, der Zuständigkeit der Agrarbehörden unterliegen.
7. Der Kläger bestreitet zwar die Rechtswirksamkeit der vorzeitigen Auflösung des Pachtverhältnisses. Diese ist aber nur Vorfrage (§ 190 ZPO) für den von ihm im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Anspruch, der auf den finanziellen Ausgleich für die ihm aus der Vertragsauflösung in den Jahren 2009, 2010 und 2011 entstandenen Nachteile gerichtet ist. Die künftige Nutzung einer Liegenschaft und damit die Ausübung eines Besitzrechts an vom Regulierungsverfahren erfassten Grundstücken ist davon ebenso wenig berührt, wie die Gegenleistung für die Nutzung. Die Frage, ob dem Kläger ein solcher Ausgleich zusteht oder nicht, betrifft damit keine Entscheidungsgrundlage im Regelungsverfahren, das der Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an den gemeinschaftlichen Grundstücken dient (§ 52 Abs 1 K-FLG).
8. Da die vom Kläger erhobene Schadenersatzforderung keine Angelegenheit darstellt, die zum Zwecke der Durchführung der Regulierung in das Verfahren einbezogen werden müsste (§ 98 Abs 1 K-FLG), und auch keine Streitigkeit zwischen einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft und ihren Organen oder Mitgliedern aus dem Gemeinschaftsverhältnis (vgl § 51 Abs 2 K-FLG) fehlt es an der für die Verweisung einer bürgerlichen Rechtssache an eine Verwaltungsbehörde erforderlichen gesetzlichen Anordnung. Ohne ausdrücklicher Verweisung ist die Streitigkeit über den vom Kläger behaupteten Schadenersatzanspruch den ordentlichen Gerichten nicht entzogen.
Dem Revisionsrekurs ist daher Folge zu geben und die von der Beklagten erhobene Einrede zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Der Streit über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist ein Zwischenverfahren, weswegen dem Kläger der Ersatz seiner Kosten für die Rechtsmittelschriftsätze gebührt.
II. Die Revisionsrekursbeantwortung ist verspätet.
Der Revisionsrekurs wurde der Beklagten am 31. 10. 2012 zugestellt. Nach § 521a Abs 1 ZPO beträgt die Frist für die Beantwortung des Revisionsrekurses auch dann, wenn es um die Zurückweisung der Klage nach Eintritt der Streitanhängigkeit geht, 14 Tage. Die am 27. 11. 2012 eingebrachte Beantwortung des Revisionsrekurses durch die Beklagte ist damit verspätet und zurückzuweisen.
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