OGH 1Ob134/98g

OGH1Ob134/98g19.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Berta S*****, 2. Martin P*****, und 3. Esther P*****, alle ***** vertreten durch Dr.Albert Heiss, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Max L*****, vertreten durch Dr.Josef Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung und Unterlassung (Gesamtstreitwert S 100.000,--), infolge Revisionsrekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 31.Jänner 1998, GZ 4 R 653/97a-19, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Zell am Ziller vom 14. Oktober 1997, GZ 3 C 271/97f-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Prozeßeinrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs verworfen wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit S 12.070,08 (darin enthalten S 2.011,68 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu bezahlen.

Text

Begründung

Die Kläger und der Beklagte sind jeweils Eigentümer einer Liegenschaft in einer Tiroler Gemeinde, wobei zum Gutsbestand der im Eigentum des Beklagten stehenden Liegenschaft das Grundstück 199 gehört. Die Kläger begehrten mit ihrer am 9.5.1997 eingebrachten Klage die Feststellung, daß ihnen und allen künftigen Eigentümern ihrer Liegenschaft die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechts gegenüber dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks 199 zustehe. Der Beklagte sei schuldig, in die bücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit einzuwilligen, sämtliche Hindernisse auf der näher beschriebenen Teilfläche des Grundstücks 199 zu entfernen und jede Behinderung zu unterlassen.

Der Beklagte wendete Unzulässigkeit des Rechtswegs ein und beantragte die Zurückweisung der Klage. Es sei ein Zusammenlegungsverfahren land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke nach dem Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1978 (TFLG 1978) anhängig. In dieses Zusammenlegungsverfahren seien auch die im Eigentum der Streitteile stehenden Grundstücke einbezogen. Es sei daher nicht das ordentliche Gericht, sondern die Zusammenlegungsbehörde zur Entscheidung über das klägerische Begehren zuständig.

Die Kläger erwiderten, beim Teilstück handle es sich nicht um ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück. Das Zusammenlegungsverfahren sei bereits abgeschlossen, weil der Zusammenlegungsplan vom 28.7.1988 durch Erkenntnis des Obersten Agrarsenats vom 7.7.1993 rechtskräftig und vollstreckbar geworden sei. Das streitverfangene Teilstück, welches eine Verbindung zwischen zwei öffentlichen Wegen darstelle, sei im übrigen durch das Zusammenlegungsverfahren gar nicht berührt worden.

Das Erstgericht hob das Verfahren ab Klagszustellung als nichtig auf und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Der Zusammenlegungsplan vom 28.7.1988 sei mit Erkenntnis des Obersten Agrarsenats vom 7.7.1993 rechtskräftig und vollstreckbar geworden. Das Zusammenlegungsverfahren sei aber noch nicht abgeschlossen, weil Verfahren vor dem Verwaltungs- und dem Verfassungsgerichtshof anhängig seien. Gemäß § 72 Abs 4 TFLG 1978 sei die Agrarbehörde für den hier vorliegenden Rechtsstreit über Eigentum und Besitz an den in das Zusammenlegungsverfahren einbezogenen Grundstücken zuständig.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstands S 52.000, nicht aber S 260.000 übersteige; der Revisionsrekurs sei nicht zulässig. Gemäß § 29 TFLG 1978 sei das Zusammenlegungsverfahren mit Verordnung abzuschließen. Es komme daher nicht auf die Rechtskraft des Zusammenlegungsplans an, sondern auf die das Verfahren abschließende Verordnung. Bis zu deren Erlaß sei jegliches Tätigwerden insbesondere von Gerichten ausgeschlossen, in deren Wirkungskreis die Angelegenheiten sonst gehörten. Für die Dauer des Zusammenlegungsverfahrens sei daher die Generalzuständigkeit der Agrarbehörde gegeben. Die Verordnung über den Abschluß des Zusammenlegungsverfahrens sei erst am 22.10.1997 kundgemacht worden. Zum Zeitpunkt der Klagserhebung habe daher ein Einleitungshindernis bestanden, das bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz aufrecht geblieben sei. Es mangle daher an der Prozeßvoraussetzung der Zulässigkeit des Rechtswegs.

Mit Beschluß vom 13.3.1998 änderte das Rekursgericht den Ausspruch über die Unzulässigkeit eines Revisionsrekurses dahin ab, daß ein solcher für zulässig erklärt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Kläger ist zulässig und berechtigt.

Nach § 72 Abs 5 lit a TFLG 1978 - das TFLG 1996, LGBl 74, ist zufolge seines zeitlichen Geltungsbereichs auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar - erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde von der Einleitung eines Zusammenlegungsverfahrens an bis zu dessen Abschluß. Das Grundstück 199 war in das hier maßgebliche Zusammenlegungsverfahren einbezogen. Allerdings ist zwischenzeitlich nicht nur der Zusammenlegungsplan vom 28.7.1988 mit Erkenntnis des Obersten Agrarsenats vom 7.7.1993 rechtskräftig und vollstreckbar geworden, sondern hat das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz mit Verordnung vom 9.10.1997 auch die Zusammenlegungsgemeinschaft als aufgelöst erklärt und diese Verordnung auch im Amtsblatt (Bote für Tirol) vom 22.10.1997 kundgemacht. Auf diese im Entscheidungszeitpunkt des Obersten Gerichtshofs (im übrigen auch des Rekursgerichts) geänderte, jedoch maßgebliche Rechtslage ist nunmehr Bedacht zu nehmen, sodaß die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs zu bejahen ist (5 Ob 2086/96t; SZ 67/161; WoBl 1995, 177; Fasching I 269 f; Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 11 zu § 482).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Beim Streit über die Zulässigkeit des Rechtswegs handelt es sich um ein Zwischenverfahren, sodaß die Kosten der Rechtsmittelschriftsätze zuzusprechen sind. Die Entrichtung einer Pauschalgebühr ist für den von den Klägern erhobenen Revisionsrekurs nicht vorgesehen.

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