OGH 1Ob186/07w

OGH1Ob186/07w3.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Tarja-Liisa Solina F*****, 2.) Mari-Ann Gigi G*****, und 3.) Tanja Lisbet F*****, sämtliche vertreten durch Dr. Eric Agstner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1.) Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, 2.) Stadt Wien, Wiener Krankenanstaltenverbund, Wien 9., Währinger Gürtel 18-20, vertreten durch Dr. Peter Rudeck und Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, 3.) Univ.-Prof. Dr. Ernst W*****, vertreten durch Gassauer-Fleissner Rechtsanwälte GmbH in Wien, 4.) Dr. Gernot S*****, vertreten durch KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, 5.) Prof. Dr. Rainer L*****, vertreten durch Dr. Peter Rudeck und Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, sowie 6.) G*****, vertreten durch Dr. Werner Masser, Dr. Ernst Grossmann, Dr. Eduard Klingsbigl, Dr. Robert Lirsch und Mag. Florian Masser, Rechtsanwälte in Wien, wegen 415.936 EUR sA, 13.000 EUR sA und 152.016 EUR sA sowie Feststellung (Streitwert 10.001 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 2. April 2007, GZ 14 R 184/06s-83, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 22. Juni 2006, GZ 53 Cg 8/04t-63, in Ansehung der erstbeklagten Partei bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 2.822,27 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 5. 6. 2001 verstarb Dr. Caj Olaf F***** im Zuge einer im Allgemeinen Krankenhaus (im Folgenden: AKH) der Stadt Wien durchgeführten Herzoperation. Die Erstklägerin ist seine Witwe, die Zweit- und Drittklägerinnen sind seine Töchter. Der Verstorbene war US-Staatsbürger; die Erstklägerin ist finnische Staatsbürgerin, ihre beiden Töchter sind Doppelstaatsbürger. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Helsinki in Finnland vom 18. 11. 2002 wurde die Erstklägerin als Sachwalterin der Drittklägerin zur Betreuung der persönlichen Angelegenheiten und finanziellen Belange eingesetzt.

Mit der am 7. 6. 2004 eingebrachten Klage begehrten die Klägerinnen zunächst die Feststellung, dass ihnen sämtliche Beklagten zur ungeteilten Hand „für sämtliche Folgen des tödlich verlaufenen Eingriffes am Herzen" ihres Gatten bzw Vaters am 5. 6. 2001 hafteten, und zwar die Erst- und Zweitbeklagte als Träger des AKH, der Drittbeklagte als Vorstand der Universitätsklinik für Chirurgie (weil die Aufsicht über den Viert- und Fünftbeklagten in seine Verantwortlichkeit gefallen sei), der Viert- und Fünftbeklagte wegen unterlaufener Behandlungsfehler bei der Operation, sowie schließlich die Sechstbeklagte wegen zum Tod führender Materialfehler des im Herzen des Verstorbenen implantierten und von ihr (bzw ihrer Rechtsvorgängerin) hergestellten bzw gelieferten Herzschrittmachers samt Sonden.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ausschließlich die Frage der Passivlegitimation der erstbeklagten Republik Österreich. Hiezu brachten die Klägerinnen (zusammengefasst) vor, dass der Betrieb der Universitätsklinik/AKH Wien in Verflechtung der Interessen des erst- und zweitbeklagten Rechtsträgers nicht nur zur Heilbehandlung der Patienten in der Sphäre der Zweitbeklagten, sondern auch zu universitären Lehrzwecken („wie jenes der unzureichenden Ausbildung des Viertbeklagten") erfolge, sodass eine solidarische Haftung der Erstbeklagten als vormaliger Rechtsträgerin der Universität Wien bestehe.

Die Erstbeklagte wendete unter anderem fehlende Passivlegitimation ein. Träger des Krankenhauses sei ausschließlich die Zweitbeklagte. Die Herzoperation habe im Rahmen eines Behandlungsvertrags zwischen dieser und dem Verstorbenen stattgefunden. Es habe kein Bezug zur universitären Lehr- und Forschungstätigkeit einer Universitätsklinik im AKH bestanden, sodass auch keine Haftung der Erstbeklagten - etwa aus dem Rechtsgrund der Amtshaftung - bestehe. Ihre Haftungsfreiheit ergebe sich aus § 63 Abs 3 Universitäts-Organisationsgesetz (UOG) 1993 idF des Bundesgesetzes BGBl I 2001/13. Darüber hinaus sei sie auch aufgrund der Bestimmungen des Universitätsgesetzes (UG) 2002 nicht passiv klagelegitimiert, da aufgrund des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes am 1. 1. 2004 eine Gesamtrechtsnachfolge stattgefunden habe. § 136 Abs 2 UG 2002 normiere, dass die in § 6 Z 4 bis 6 leg cit angeführten medizinischen Universitäten Wien, Graz und Innsbruck Gesamtrechtsnachfolgerinnen der medizinischen Fakultäten der Universitäten des jeweiligen Standorts seien.

Darauf replizierten die Klägerinnen mit dem Hinweis auf 6 Ob 324/97h und 1 Ob 91/99k. Im Fall von Operationen, die nicht nur der Patientenversorgung, sondern auch Lehr- und Forschungszwecken dienten, sei es nicht möglich, die denknotwendige Verflechtung des Spitals und der Universität aufzulösen und eine saubere Trennung der einzelnen Anteile der schadensstiftenden Tätigkeiten zu erreichen, weshalb von der Solidarhaftung beider Rechtsträger auszugehen sei. Daran habe sich durch das UOG 2002 nichts geändert. Überdies stelle die Erstbeklagte hinsichtlich der Rechtsnachfolge der medizinischen Universität Wien und der medizinischen Fakultät der Universität Wien einen Dritten dar.

In der Tagsatzung vom 12. 5. 2006 stellten die Klägerinnen ihr Feststellungsbegehren auf ein Leistungsbegehren um, wonach die Beklagten schuldig seien, der Erstklägerin 415.936 EUR sA, der Zweitklägerin 13.000 EUR sA, und der Drittklägerin 152.016 EUR sA zu zahlen; lediglich von der Zweitklägerin wurde das ursprüngliche Feststellungsbegehren „in Bezug auf ihre Unterhaltsansprüche" aufrecht erhalten.

Das Erstgericht - welches mit gesondertem Beschluss die Klageänderung vom 12. 5. 2006 zuließ - wies sämtliche Klagebegehren ab, und zwar die Leistungsbegehren wegen Verjährung, das Feststellungsbegehren mangels rechtlichen Interesses, und das gegen die Erstbeklagte gerichtete Begehren zudem wegen mangelnder Passivlegitimation. Hinsichtlich der Erstbeklagten führte das Erstgericht näher aus:

Den Klägerinnen sei beizupflichten, dass der Oberste Gerichtshof die solidarische Haftung des Bundes mit dem Träger einer öffentlichen Krankenanstalt, die auch Universitätsklinik sei, nach der Rechtslage des UOG 1993 bejaht habe. Dieses Gesetz habe jedoch mit BGBl I 2001/13 eine Änderung - insbesondere durch die Neufassung des § 63 Abs 3 - erfahren, sodass seit Inkrafttreten dieser Bestimmung die grundsätzliche Annahme einer solidarischen Haftung von Bund und Krankenhausträger ausscheide. Die Klägerinnen hätten vorgebracht, dass Zweck der an Dr. F***** am 5. 6. 2001 vorgenommenen Operation der Tausch des Herzschrittmachergenerators gewesen sei; sie hätten jedoch nicht behauptet, dass diese Herzoperation in Bezug zur universitären Lehr- und Forschungstätigkeit einer Universitätsklinik am AKH gestanden sei, sodass eine Haftung der Erstbeklagten verneint werden müsse.

Das Berufungsgericht verwarf die auf Nichtigkeit gestützte Berufung der Klägerinnen, gab ihr im Übrigen in Bezug auf die Abweisung der gegen die Zweit- bis Sechstbeklagten gerichteten Begehren Folge und hob das Ersturteil insoweit auf; die Abweisung „des Leistungs- und des Feststellungsbegehrens" gegenüber der Erstbeklagten bestätigte es und sprach aus, dass gegen dieses Teilurteil die ordentliche Revision zulässig sei. Zum allein revisionsgegenständlichen Teilurteil führte das Berufungsgericht im Wesentlichen aus:

Zutreffend habe das Erstgericht ausgeführt, dass die Klägerinnen einen Bezug der Operation zur Lehrtätigkeit nicht behauptet hätten. Auch ohne Vorliegen eines solchen Bezugs wäre eine Haftung der Erstbeklagten denkbar, da der Oberste Gerichtshof die solidarische Haftung des Bundes mit dem Träger einer öffentlichen Krankenanstalt, die auch Universitätsklinik sei, grundsätzlich bejaht habe (1 Ob 91/99k). Er habe diese Rechtsprechung auf die enge Verflechtung der beiden Tätigkeitsbereiche, die dazu führe, dass der Arzt jeweils in einer Doppelfunktion agiere, weshalb eine saubere Trennung der einzelnen Anteile der schadensstiftenden Tätigkeit gar nicht möglich sei, gestützt. An dieser Ausgangssituation sei angesichts des hier wesentlichen Zeitpunktes 5. 6. 2001 keine Änderung eingetreten. Fraglich sei, ob durch die Änderung des UOG mit BGBl I 2001/13 tatsächlich eine von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweichende rechtliche Beurteilung möglich werde. Mit 1. 3. 2001 - zeitlich also vor der Herzoperation - sei der neue § 63 Abs 3 UOG in Kraft getreten, wonach die Tätigkeit von Bundesbediensteten an einer medizinischen Fakultät als Ärzte, Zahnärzte oder als Bedienstete des Krankenpflegedienstes im Rahmen der Mitwirkung an der Erfüllung der Aufgaben der öffentlichen Krankenanstalt dem Rechtsträger der medizinischen Fakultät oder der betreffenden teilrechtsfähigen Universitätseinrichtung nicht zuzurechnen ist. Das Erstgericht habe dazu die Rechtsauffassung vertreten, seit Inkrafttreten dieser Bestimmung scheide die grundsätzliche Annahme einer solidarischen Haftung von Bund und Krankenhausträger aus. Nach den Gesetzesmaterialien sollte die Neufassung dieser Bestimmung allerdings lediglich die schon durch die bisherige Formulierung normierte Teilung der Verantwortung zwischen Bund und Krankenhausträger deutlicher zum Ausdruck bringen. Nach diesen Erläuterungen müsse davon ausgegangen werden, dass durch die Änderung des § 63 Abs 3 UOG 1993 gerade keine gänzliche Neuregelung der Haftung für die Tätigkeit der im Bundesdienst stehenden Ärzte im Spitalsbetrieb von Universitätskliniken beabsichtigt gewesen sei. Trotz einer allfälligen ursprünglichen Haftung der Erstbeklagten scheide diese jedoch nunmehr mangels passiver Klagslegitimation aus, da mit dem vollen Wirksamwerden des UG 2002 am 1. 1. 2004 unter anderem die medizinische Universität Wien die Gesamtrechtsnachfolge der medizinischen Fakultät der Universität Wien angetreten habe. Da diese Gesamtrechtsnachfolge vor Klagseinbringung stattgefunden habe, sei im Klagszeitpunkt bereits die medizinische Universität Wien in eine allfällige Schadenersatzverpflichtung der Erstbeklagten eingetreten. Gemäß § 49 Abs 1 UG 2002 könne die Universität nun Rechte und Pflichten für sich begründen; für Verbindlichkeiten, die daraus entstünden, träfe den Bund keine Haftung. Mit Kucsko-Stadlmayer (in Mayer, Komm UG 2002, § 49 III. 3.) sei davon auszugehen, dass etwa Haftungen, die aus Behandlungsverträgen mit Patienten erwüchsen, nunmehr ausschließlich dem privatwirtschaftlichen Bereich zugeordnet werden müssten. Lediglich betreffend die Vollziehung der Studienvorschriften sei in § 51 Abs 1 UG 2002 normiert, dass die Universitäten diesbezüglich im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig würden. Ob der Bund im Rahmen der Lehr- und Forschungsaufgaben hoheitlich tätig werde oder nicht, habe der Oberste Gerichtshof nach Inkrafttreten des UG noch nicht beantwortet. Diese Frage stelle sich hier aber nicht, weil die Klägerinnen entgegen ihrer Behauptung in der Berufung in erster Instanz keinen Bezug zur Lehrtätigkeit behauptet hätten. Es ergäbe sich somit bereits aus dem Klagevorbringen, dass die Erstbeklagte mangels passiver Klagslegitimation nicht zum Ersatz des aus der Operation entstandenen Schadens herangezogen werden könne. Die Klage habe daher hinsichtlich der Erstbeklagten auch ohne Durchführung eines Beweisverfahrens und ohne entsprechende Feststellungen wegen Unschlüssigkeit abgewiesen werden können.

Seinen Revisionszulassungsausspruch begründete das Berufungsgericht damit, dass zur (allenfalls solidarischen) Haftung des Bundes für Behandlungsfehler in einer Universitätsklinik nach Änderung des UOG 1993 durch das BGBl I 2001/13 sowie zur Übernahme einer solchen allfälligen Haftung durch die medizinischen Universitäten nach Einführung des UG 2002 keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen dieses Teilurteil richtet sich die Revision der Klägerinnen mit dem für die hier zu treffende Entscheidung allein bedeutsamen Antrag, das Teilurteil „im bekämpften Umfang aufzuheben und in der Sache selbst zu erkennen, dass die Erstbeklagte solidarisch haftet"; weiters wird beantragt, das angefochtene Urteil „an die erste Instanz zur neuerlichen Entscheidung nach ergänzenden Feststellungen zurückzuverweisen, in eventu gemeinsam mit der Hauptsache zu entscheiden".

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

1.1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass ein Patient (oder wie hier dessen Rechtsnachfolger) vom Rechtsträger einer Krankenanstalt aufgrund eines schlecht erfüllten Behandlungsvertrags Schadenersatz begehren kann (10 Ob 2348/96h = SZ 69/198; 1 Ob 91/99k = SZ 72/91 uva). Ein (Spitals-)Ärzten anzulastendes Fehlverhalten liegt dann vor, wenn diese nicht nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung vorgehen, also die übliche Sorgfalt eines ordentlichen und pflichtgetreuen Durchschnittsarztes in der konkreten Situation vernachlässigen (RIS-Justiz RS0038202), wofür der Krankenhausträger dem Patienten als Partner des abgeschlossenen Behandlungsvertrags haftet (SZ 69/198; SZ 72/91).

Da Gegenstand des Revisionsverfahrens nur die Frage der passiven Klagelegitimation der Erstbeklagten ist, erübrigen sich hiezu weitergehende (allgemeine) Ausführungen.

1.2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass für Schäden, welche den Patienten an Universitätskliniken durch Verschulden ihrer Organe (Erfüllungsgehilfen) zugefügt wurden, jedenfalls der Bund hafte (RIS-Justiz RS0022961). Für einen ärztlichen Kunstfehler in einer Universitätsklinik, die gleichzeitig Krankenabteilung einer öffentlichen Krankenanstalt mit einem anderen Rechtsträger ist, hafte sowohl dieser Rechtsträger wegen schlecht erfüllten Behandlungsvertrags als auch der Bund als Gesamtschuldner (6 Ob 324/97h = SZ 70/241; RIS-Justiz RS0109199; Grimm, Die Haftung für Behandlungsfehler bundesbediensteter Ärzte an Universitätskliniken, RdM 2003, 36 [40 ff]).

In SZ 70/241, einem Regressprozess einer Gemeinde als Rechtsträger eines Krankenhauses gegen den Bund, sah es der Oberste Gerichtshof für die Begründung der Haftung des Bundes ausdrücklich als nicht entscheidend an, ob der Bund im Rahmen von Lehr- und Forschungsaufgaben hoheitlich tätig geworden sei oder als Betriebsführer nach bürgerlichem Recht hafte, weil die (Solidar-)Haftung des Bundes in beiden Fällen zu bejahen sei. Da das schadenstiftende Ereignis im Zuge der Nachbehandlung nach einer Operation mit neuer Operationsmethode erfolgt sei, könne dahingestellt bleiben, ob der Bund schon deswegen, weil er zu den an den Universitätskliniken behandelten Patienten in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis stehe, in Erfüllung der Lehr- und Forschungsaufgaben hoheitlich tätig werde - wozu auch die Nachbehandlung zu zählen sei -, oder ob eine Haftung des Bundes nach bürgerlichem Recht bestehe, weil der Patient die öffentlich-rechtlichen Aufgaben der Universitätsklinik kenne und mit dem Pflegevertrag schlüssig insbesondere der Erfüllung des Forschungszwecks zustimme, weil dies schon wegen der Verflechtung der Aufgaben anzunehmen sei. Im Rahmen der Abwägung des Mitverschuldens auf Grundlage der Bejahung der Haftung des Bundes führte der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung aus, dass die Behandlung in einer Universitätsklinik nicht nur die Zwecke der Tätigkeit des behandelnden Arztes untrennbar verknüpfe, sondern auch eine Verflechtung der Interessen beider Rechtsträger vorliege. Auch aus § 43 Abs 1 KAG, der die Universitätskliniken als Krankenabteilungen öffentlicher Krankenanstalten bezeichne, also sogar von einer Identität ausgehe, sei zu folgern, dass sowohl der Betrieb der Universitätsklinik als auch die Berufsausübung des dort tätigen Arztes jeweils in einer Doppelfunktion erfolge, sodass eine saubere Trennung der Haftungsanteile nicht möglich sei. Der Oberste Gerichtshof gelangte daher zu einer gleichteiligen Haftung der beiden Solidarschuldner iSd § 896 ABGB.

1.3. Daran hielt auch die Entscheidung SZ 72/91 (Fall einer Routineultraschalluntersuchung einer Schwangeren in einer Universitätsklinik) fest. Die Pflege von Kranken in einer öffentlichen Krankenanstalt sei nicht der Hoheits-, sondern der Privatwirtschaftsverwaltung zuzuzählen. Der Bund hafte - gleichgültig ob nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes oder jenen des bürgerlichen Rechts - als Gesamtschuldner mit dem Rechtsträger für Fehlleistungen in Universitätskliniken. In Anbetracht der engen Verflechtung der beiden Tätigkeitsbereiche, die dazu führe, dass der Arzt jeweils in einer Doppelfunktion agiere, weshalb eine saubere Trennung der einzelnen Anteile der schadenstiftenden Tätigkeit nicht möglich sei, müsse von der solidarischen Haftung der beiden Rechtsträger ausgegangen werden. Es könne den Patienten nicht zugesonnen werden, langwierige und im Ergebnis nicht befriedigend zu lösende Überlegungen darüber anzustellen, innerhalb welches der beiden Tätigkeitsbereiche seine Behandlung erfolgte. Daher sei auch im Fall einer Routinebehandlung in einer Universitätsklinik die Haftung des Bundes dem Grunde nach zu bejahen. Im Hinblick auf die Durchführung der Routineuntersuchung sei keinerlei Anhaltspunkt für eine Tätigkeit im Rahmen der Forschung oder Lehre festzustellen, sondern davon auszugehen, dass die Untersuchung ausschließlich im Rahmen der der Krankenanstalt zugewiesenen medizinischen Versorgungspflichten ohne jeden Bezug zu Lehr- und Forschungszwecken erfolgt sei. Auf die in SZ 70/241 angedeutete Möglichkeit der Haftung des Bundes „als Betriebsführer", weil der Patient durch den Abschluss des Pflegevertrags schlüssig auch der Erfüllung des Forschungszwecks zustimme, müsse daher nicht weiter eingegangen werden.

1.4. Zum UOG 1993 vertrat allerdings der Gesetzgeber selbst (389 BlgNR 21. GP, 17) im Zuge der Novellierung des § 63 Abs 3 UOG 1993 die Auffassung, dass „die Haftung des Bundes für die Tätigkeit der im Bundesdienst stehenden Ärzte für ärztliche Handlungen im Spitalsbetrieb von Universitätskliniken" schon bisher ausgeschlossen gewesen sei. Auch im Bereich der Universitätskliniken komme dem vom Bund verschiedenen Träger der Krankenanstalt die alleinige Verantwortung für die Patientenversorgung zu. Der Bund trage die Verantwortung für den Lehr- und Forschungsbetrieb. An dieser Aufgabenteilung ändere auch die Tatsache nichts, dass die im Bundesdienst stehenden Klinikärzte im Rahmen ihrer Dienstpflichten an der Erfüllung der Aufgaben der Patientenversorgung mitwirkten und insoweit funktionell für den Spitalsträger tätig würden. Die Neufassung, wonach „die Tätigkeit von Bundesbediensteten an einer medizinischen Fakultät als Ärzte ... im Rahmen der Mitwirkung an der Erfüllung der Aufgaben der öffentlichen Krankenanstalt dem Rechtsträger der medizinischen Fakultät oder der betreffenden teilrechtsfähigen Universitätseinrichtung nicht zuzurechnen" sei, solle diese Teilung der Verantwortung deutlicher zum Ausdruck bringen (vgl hiezu auch die Vorgängerfassung des § 63 Abs 3 UOG 1993, wonach „die Tätigkeit von Bundesbediensteten, die Angehörige der medizinischen Fakultät sind, als leitende Funktionäre in Abteilungen oder sonstigen Organisationseinheiten von Krankenanstalten nicht dem Bund zuzurechnen ist").

Dieser Ansicht ist die zu den Punkten 1.2. und 1.3. dargestellte Judikatur des Obersten Gerichtshofs entgegen zu halten. Es ist auch den Ausführungen des Berufungsgerichts zu folgen, wonach mit der Änderung des § 63 Abs 3 UOG 1993 durch BGBl I 2001/13 keine (gänzliche) Neuregelung der Haftung für die Tätigkeit der im Bundesdienst stehenden Ärzte im Spitalsbetrieb von Universitätskliniken beabsichtigt gewesen sei.

Eine nähere Befassung mit der Norm des § 63 Abs 3 UOG 1993 ist aber aus folgenden Erwägungen entbehrlich:

1.5. Durch das Universitätsgesetz (UG) 2002 kam es zu einer Neuorganisation insoweit, als mit dem Zeitpunkt des Vollwirksamwerdens dieses Bundesgesetzes die in dessen § 6 Z 1 bis 3 angeführten Universitäten Gesamtrechtsnachfolgerinnen der jeweiligen gleichnamigen Universität (einschließlich ihrer teilrechtsfähigen Organisationseinheiten) wurden. Nach § 136 Abs 2 UG 2002 wurden die in § 6 Z 4 bis 6 angeführten medizinischen Universitäten Wien, Graz und Innsbruck Gesamtrechtsnachfolgerinnen der medizinischen Fakultät der Universität des jeweiligen Standorts. Gemäß § 143 UG 2002 trat die volle Wirksamkeit dieses Bundesgesetzes mit 1. 1. 2004 ein, sodass zu diesem Zeitpunkt jede Universität im Wege der Gesamtrechtsnachfolge alle Vermögenswerte und Schulden erwarb, die bereits bisher im Rahmen der Teilrechtsfähigkeit einer Universität sowie deren teilrechtsfähigen Einheiten zustanden, aber auch die bis dahin im Eigentum der Republik gestandenen Vermögensgegenstände, die den Universitäten zur ausschließlichen Verwendung zugewiesen waren (Nowotny in Mayer, Kommentar zum Universitätsgesetz 2002 § 136 I. 1. bis I. 4.), ohne dass es hiezu eines gesonderten Übertragungsaktes bedurfte.

1.6. Auf eine Änderung der Rechtslage hat das Gericht in jeder Lage des Verfahrens Bedacht zu nehmen, sofern die neuen Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das in Streit stehende Rechtsverhältnis anzuwenden sind. Es ist daher grundsätzlich nach den Übergangsbestimmungen zu beurteilen, ob eine Gesetzesänderung für ein laufendes Verfahren zu beachten ist (RIS-Justiz RS0031419). Die Übergangsbestimmungen des 7. Abschnitts des UG 2002 sehen keine Sonderregelung hinsichtlich § 49 UG 2002 vor. Dieser bestimmt in seinem Abs 1, dass die Universität für sich Rechte und Pflichten begründen kann und dass für die daraus entstehenden Verbindlichkeiten den Bund keine Haftung trifft. Abs 2 leg cit normiert die Haftung des Bundes nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes für von Organen der Universität in deren Auftrag in Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben schuldhaft zugefügte Schäden.

Die insoweit normierte neue Rechtslage hat zur Konsequenz, dass die Universität auch in laufende Verfahren anstelle der Republik Österreich eintritt und es im Zivilprozess zu einer Berichtigung der Parteienbezeichnung (§ 235 Abs 5 ZPO) kommen kann, sofern es sich nicht um ein laufendes Amtshaftungsverfahren handelt, weil es hier bei der Parteienaufteilung gemäß dem AHG verbleibt (Nowotny aaO § 136 I. 10). Die Universität selbst ist kein Rechtsträger iSd § 1 Abs 1 AHG (Krecji, Haftungsfragen zum Universitätsgesetz 2002, 36f).

1.7. Aufgrund dieser Änderung der Rechtslage kann es - wie noch in SZ 70/241 zum Ausdruck gebracht - für die Haftung des Bundes nicht mehr dahingestellt bleiben, ob dieser aufgrund eines (schlüssigen) privatrechtlichen Vertrags oder nach Amtshaftungsrecht belangt wird, weil der Bund im Hinblick auf ein allfälliges schlüssiges Vertragsverhältnis nicht mehr Träger der vollrechtsfähigen medizinischen Universität ist. Zur Passivlegitimation des Bundes bedarf es daher im Anwendungsbereich der §§ 49 und 136 UG 2002 der Geltendmachung eines den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes zu unterstellenden Sachverhalts. Ein solcher findet sich im Vorbringen der Klägerinnen - trotz ausdrücklichen Hinweises der Erstbeklagten auf die neue Rechtslage im erstinstanzlichen Verfahren - nicht. Sowohl das Klagsvorbringen unter Punkt 3. 1. und 3. 2., dass die Republik ebenso wie die Zweitbeklagte Trägerin des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien sei und der Betrieb der Universitätsklinik/AKH Wien in Verflechtung der Interessen beider Rechtsträger erfolge, sodass eine solidarische Haftung bestehe, als auch die Bezugnahme auf die Entscheidungen 6 Ob 324/97h und 1 Ob 91/99k im Schriftsatz vom 20. 12. 2004 (ON 31) stellen ein tatsachensubstratloses Rechtsvorbringen dar.

1.8. Lediglich das Vorbringen in der Klage, der Viertbeklagte sei nicht einmal in der Liste der Ärztekammer eingetragen gewesen und habe vor der Operation laut OP-Statistik noch keine einzige Entfernung einer Sonde ohne Aufsicht durchgeführt gehabt, könnte ein amtshaftungsrechtlich relevantes Tatsachenvorbringen darstellen. Es ist aber ebenfalls nicht geeignet, das Vorliegen eines Amtshaftsanspruchs zu begründen:

Aufgrund der Hauptaufgaben der Universität (Lehre, Forschung und akademische Verwaltung [vgl Kucsko-Stadlmayer, Amtshaftung für Universitätsorgane, in FS Welser 597 ff [601]]) käme im vorliegenden Fall als amtshaftungsbegründend nur Forschung oder Lehre in Betracht. Dass die Operation hier im Rahmen der Forschung - also zB wie im Fall der SZ 70/241 zur Erprobung einer neuen Operationsmethode - durchgeführt worden wäre, haben die Klägerinnen nicht einmal ansatzweise vorgebracht. Als haftungsbegründend bliebe daher nur eine hoheitliche Tätigkeit im Rahmen der Lehre, also des öffentlichen Bildungsauftrags der Universität zur akademischen Lehre. Insoweit müsste die behauptete mangelnde Eintragung des Viertbeklagten in die Liste der Ärztekammer zum Operationszeitpunkt nur dann näher geprüft werden, wenn - die Richtigkeit dieses Vorbringens unterstellt - daraus ein Amtshaftungsanspruch abzuleiten wäre.

1.9. Gemäß § 27 ÄrzteG hat die österreichische Ärztekammer die Anmeldung für die Ausübung des ärztlichen Berufs entgegenzunehmen und eine Liste der zur Berufsausübung berechtigten Ärzte und Gruppenpraxen (Ärzteliste) zu führen. Personen, die die für die selbstständige oder unselbstständige Ausübung des ärztlichen Berufs vorgeschriebenen Erfordernisse erfüllen und den ärztlichen Beruf als Arzt für Allgemeinmedizin, approbierter Arzt, Facharzt oder Turnusarzt auszuüben beabsichtigen, haben sich vor Aufnahme ihrer ärztlichen Tätigkeit bei der österreichischen Ärztekammer zu melden und die erforderlichen Nachweise vorzulegen. Die ärztliche Tätigkeit darf erst nach Erhalt der Bestätigung über die Eintragung in die Ärzteliste (Ärzteausweis) aufgenommen werden (§ 27 Abs 2 und 7 ÄrzteG). Die Ärzteliste ist also das verbindliche Register der in Österreich zur Berufsausübung berechtigten Ärzte. Erst nach Eintragung in die Ärzteliste erwirbt der Arzt das Recht, seine ärztliche Tätigkeit als Facharzt, Arzt für Allgemeinmedizin, Turnusarzt oder approbierter Arzt auszuüben (Wagner-Kreimer in Emberger/Wallner, ÄrzteG 1998 mit Kommentar [2004], § 27 Erl 1).

1.10. Unter Turnusärzten versteht man nach der Legaldefinition des § 3 Abs 3 ÄrzteG alle in Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin oder zum Facharzt stehenden Ärzte, denen die Ausübung ärztlicher Tätigkeit unter Anleitung und Aufsicht, entsprechend dem Ausbildungsstand im Verhältnis zur konkreten Tätigkeit, erlaubt ist (Prutsch/Ploier, Behandlungsfehler in der Medizin [2005], 36 f). Die Ausbildung der Turnusärzte erfolgt im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses (§ 7 Abs 1 und § 8 Abs 1 ÄrzteG), also eines privatwirtschaftlichen Vertrags, und nicht im Rahmen universitärer Lehre. Das Tätigwerden im Rahmen universitärer Lehre wäre allenfalls denkbar (vgl Emberger in Emberger/Wallner aaO § 49 Erl 15) bei einer Famulatur eines Studenten der Humanmedizin, bei der der Student bestimmte in § 49 ÄrzteG aufgelistete Tätigkeiten - gewiss nicht Operationen wie die hier streitgegenständliche - selbst durchführen darf. Dafür, dass der Viertbeklagte farmuliert hätte, mangelt es an jeglichem Vorbringen und Tatsachensubstrat.

1.11. Selbst bei Erweislichkeit des Klagsvorbringens, dass der Viertbeklagte zum Operationszeitpunkt nicht in die Ärzteliste eingetragen gewesen sein sollte, wäre damit kein Grund ersichtlich, warum die Erstbeklagte, die weder auf Eintragungen in die Ärzteliste noch (mangels Trägereigenschaft) auf die Beschäftigung einer allenfalls nicht eingetragenen Person) Einfluss nehmen kann, aus dem Titel der Amtshaftung in Anspruch genommen werden könnte.

Der Revision ist daher nicht Folge zu geben, ohne dass auf die weiteren (unzulässigen), über die Revisionsanträge hinausgehenden Anträge einzugehen wäre.

2. Zur Rechtzeitigkeit der Revisionsbeantwortung:

Gemäß § 507a Abs 1 ZPO steht es dem Revisionsgegner frei, binnen der Notfrist von vier Wochen ab der Zustellung der Revisionsschrift eine Revisionsbeantwortung mittels Schriftsatzes zu überreichen. Die Frist beginnt gemäß § 507a Abs 2 Z 1 ZPO (bei Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht) mit der Zustellung der Revisionsschrift durch das Prozessgericht. Diese erfolgte am 5. 6. 2007; die Revisionsbeantwortung wurde am 12. 7. 2007 zur Post gegeben. Fraglich ist, ob die erst nach Zustellung der Revision am 14. 6. 2007 erfolgte Zustellung der Berufungsentscheidung an die Erstbeklagte Einfluss auf den Lauf der Frist zur Rechtsmittelbeantwortung hat.

Durch das Recht, die Revision zu beantworten, soll das rechtliche Gehör des Revisionsgegners gewahrt werden. Die Anhörung des Rechtsmittelgegners vor der Entscheidung in letzter Instanz ist von besonderer Bedeutung, ist doch deren Rechtsmittelentscheidung endgültig (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 507a ZPO Rz 1). Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn dem Rechtsmittelgegner auch die bekämpfte Entscheidung bekannt ist und ihm daher eine inhaltliche Stellungnahme zu dieser und darauf aufbauend zum Rechtsmittel der Gegenseite möglich ist. Die Fristenregelung des § 507a Abs 1 ZPO hat den Normalfall der bereits erfolgten Zustellung der Berufungsentscheidung an alle Parteien vor Erhebung eines dagegen gerichteten Rechtsmittels vor Augen. Wird dagegen einer Partei die Rechtsmittelentscheidung (irrtümlich) nicht zugestellt, beginnt für sie der Lauf der Frist für die Revisionsbeantwortung jedenfalls dann erst mit Zustellung auch der Berufungsentscheidung zu laufen, wenn sie diese Zustellung im Rahmen ihrer prozessualen Mitwirkungspflicht unverzüglich urgiert. Da dies hier der Fall war, ist die Revisionsbeantwortung als rechtzeitig zu qualifizieren.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO, wobei ein Fehler im Kostenansatz zu korrigieren war.

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